TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/17 W132 2236399-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.12.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W132 2236399-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen, über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 02.07.2020, OB 15886252800013, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Zitierung des Grades der Behinderung im Spruch entfällt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:
1.         Am 05.02.2020 hat der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
1.1.         Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von DDr. XXXX , Allgemeinmedizinerin sowie Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH bewertet wurde.
1.2.         Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden keine Einwendungen erhoben.
1.3.         Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH festgestellt.

Der eingeholte Sachverständigenbeweis wurde dem Bescheid in Kopie beigelegt.
2.         Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Entscheidung ohne ärztliche Untersuchung getroffen worden sei, da die bereits anberaumte Untersuchung wegen Covid 19 – Maßnahmen abgesagt und kein Ersatztermin vergeben worden sei. Er lege neuen Befunde vor, welche seinen schlechten Gesundheitszustand dokumentieren würden. Er ersuche um einen Untersuchungstermin.
2.1.         In der Folge hat die belangte Behörde zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes ein Sachverständigengutachten von DDr. XXXX , Allgemeinmedizinerin sowie Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.08.2020, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH bewertet wurde.
2.2.         Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG am 02.10.2020 erteilten Parteiengehörs wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben binnen zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens eine schriftliche Stellungnahme einzubringen. Als Beilage wurde der eingeholte Sachverständigenbeweis übermittelt. Es wurden keine Einwendungen erhoben.
2.3.         Mit dem im Bundesverwaltungsgericht am 28.10.2020 eingelangten Schreiben selben Datums hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1.       Feststellungen:
1.1.         Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.
1.2.         Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 vH.
1.2.1.          Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand gut. Ernährungszustand gut. Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen. Sichtbare Schleimhautpartien unauffällig, Pupillen rund, isocor, prompte Reaktion auf Licht. Halsvenen nicht gestaut. Thorax: symmetrisch, elastisch. Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Keine Dyspnoe, keine Zyanose.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz. Integument: unauffällig.
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten: Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, Radialispulse beidseits tastbar, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar. Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zur Gänze möglich. Die Beinachse ist im Lot. Seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 20° bei KG 5 möglich, dann Schmerzangabe.
Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, geringgradig bis mäßig Hartspann. Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: 30 cm unter Schmerzangabe, in allen Ebenen frei beweglich Lasegue bds. negativ, geprüfte Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität – Gangbild am 26.08.2020: Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock, das Gangbild hinkfrei und unauffällig. Bewegungsabläufe nicht eingeschränkt. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Degenerative und posttraumatische Veränderungen der Wirbelsäule

Oberer Rahmensatz, da Kompressionswirbel L5 und Discusprotrusionen im Bereich der LWS und rezidivierende Lumbalgie ohne höhergradige funktionelle Einschränkungen oder neurologisches Defizit.

02.01.01

20 vH

Folgende beantragte bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Hiatushernie: nicht durch aktuelle Befunde belegt, diesbezüglich keine Beschwerden angegeben.

Schulterbeschwerden beidseits: kein behinderungsrelevantes Leiden objektivierbar.

Ein Zustand nach Ulcus duodeni und H. pylori Eradikation 2013, ein Zustand nach Cholezystektomie 2018, ein Zustand nach Pancreatitis sowie ein Zustand nach Thrombozythopnie erreichen keinen Grad der Behinderung, da jeweils kein behinderungsrelevantes Leiden objektivierbar ist, da keine Befunde über maßgeblichen funktionellen Einschränkungen vorliegen.

2.       Beweiswürdigung:
Zu 1.1.)         Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.)         Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die eingeholten und vorgelegten Beweismittel:

Das ärztliche Sachverständigengutachten DDris. XXXX ist vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchungen des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten Beweismittel stehen hinsichtlich des klinischen Befundes nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde, und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Da im Rahmen der klinischen Untersuchung durch DDr. XXXX in allen Ebenen nur gering- bis mäßiggradige Funktionseinschränkungen objektiviert werden konnten, ist das vorliegende Wirbelsäulenleiden dem Ausmaß der Funktionseinschränkung entsprechend unter der Positionsnummer 02.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 20 vH korrekt eingeschätzt worden, und ist durch die Heranziehung des oberen Rahmensatzes den Funktionseinschränkungen ausreichend Rechnung getragen worden. So konnte im Rahmen der persönlichen Untersuchung eine symmetrisch ausgebildete Rückenmuskulatur mit geringgradig- bis mäßigem Hartspann und freie ISG und Ischiadicusdruckpunkte objektiviert werden. Die Halswirbelsäule war in allen Ebenen frei beweglich, der Finger-Boden-Abstand betrug 30 cm und BWS und LWS waren in allen Ebenen frei beweglich. Der Lasegue war negativ und die Muskeleigenreflexe waren seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Befunde seines Hausarztes vom 02.07.2020 in welchen ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Krankheiten geschwächt und nicht lange belastbar sei, ist nicht geeignet eine geänderte Beurteilung oder Erweiterung der Beweisaufnahme zu rechtfertigen. Es wird unter Wiedergabe der anamnestischen Angaben des Beschwerdeführers und Auflistung von Diagnosen lediglich aus Röntgenbefunden zitiert. Es finden sich in diesem Attest weder Befund noch Gutachten im engeren Sinn. Lässt ein ärztliches Attest nicht erkennen, auf welchem Weg sein Aussteller zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist, ist es mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel nicht geeignet. Eine Vermutung, dass das in einem "befundlosen" Attest abgegebene Fachurteil nach den Regeln der Wissenschaft erstellt worden sei, besteht nicht. (VwGH vom 06.11.2001, Zl. 94/09/0060) Diesem Beweismittel kommt daher keine überzeugende Aussagekraft zu. Im Gegensatz dazu hat die befasste Sachverständige im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers einen umfassenden klinischen Befund des gesamten Stütz- und Bewegungsapparates erhoben und bewertet. Ein orthopädischer Befundbericht, welcher, höhere Funktionseinschränkungen dokumentieren würde, als im Gutachten DDris. XXXX beschrieben, wurde nicht in Vorlage gebracht.

Hinzuzufügen ist, dass aus vorliegenden Funktionseinschränkungen resultierende Schmerzzustände aus gutachterlicher Sicht immer in der Diagnoseerstellung inkludiert sind und somit im Rahmen der Beurteilung des Grades der Behinderung mitberücksichtigt wurden. Auf hochgradige Schmerzzustände kann auch auf Grund der eingenommenen Medikation nicht geschlossen werden.

Zu den vorliegenden Röntgenbefunden der Wirbelsäule ist auszuführen, dass diese einerseits keine höhergradigen Veränderungen dokumentieren und andererseits keinen Aufschluss über das Ausmaß der Funktionseinschränkungen geben. Für die Beurteilung von Gesundheitsschädigungen im Rahmen der Einschätzungsverordnung ist bei radiologischen Befunden jedoch die Korrelation mit der klinischen Symptomatik für die Einschätzung relevant. Im Gegensatz dazu hat im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers die befasste Sachverständige einen klinischen Befund des gesamten Stütz- und Bewegungsapparates erhoben und bewertet.

Der vom Beschwerdeführer vorgelegten Befund des Donauspitals vom 11.04.2018 beschreibt eine durchgeführte Cholezystektomie bei postoperativ komplikationslosem Verlauf und Entlassung in gutem Allgemeinzustand. Auf das Vorliege eines einschätzungsrelevanten Leidens kann daraus nicht geschlossen werden. Diesbezüglich ist auf darauf hinzuweisen, dass Operationen im Regelfall der Verbesserung des Leidenszustandes dienen.

Eine einschätzungsrelevante Funktionseinschränkung der Schultern konnte nicht objektiviert werden, und wurden auch keine Befunde in Vorlage gebracht, welche ein maßgebliches Schulterleiden dokumentieren würden. Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen konnte ein horizontal stehender Schultergürtel bei seitengleich entwickelten Muskelverhältnissen objektiviert werden. Die Durchblutung war ungestört und die Radialispulse beidseits tastbar. Auch wurde die Sensibilität als ungestört angegeben, waren die Benützungszeichen seitengleich vorhanden und die Schultergelenke bandfest, klinisch unauffällig und frei beweglich. Auch waren Nacken- und Schürzengriff uneingeschränkt durchführbar. Vom Vorliegen einer einschätzungsrelevanten Gesundheitsschädigung kann daher nicht ausgegangen werden.

Das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten DDris. XXXX steht - auch in Zusammenschau mit deren auf der Aktenlage basierenden Gutachten - mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein überzeugender Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegengetreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Dem – nicht als unschlüssig zu erkennenden – Sachverständigengutachten DDris. XXXX , nämlich weder dem erhobenen klinischen Befund, noch den daraus gezogenen Schlussfolgerungen bzw. der Beurteilung der Funktionseinschränkungen, ist der Beschwerdeführer jedoch nicht entgegengetreten. Vielmehr wurde dessen Inhalt im Rahmen des neuerlich erteilten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Dem Beschwerdevorbringen wurde insofern entsprochen, als in der Folge ein auf persönlicher Untersuchung basierendes Sachverständigengutachten eingeholt wurde. Das Beschwerdevorbringen war jedoch nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 20 vH vorliegt, zu entkräften. Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)
1.         Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

–        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

–        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

–        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, sind weder das Beschwerdevorbringen noch die vorgelegten medizinischen Beweismittel geeignet darzutun, dass der in Höhe von 20 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspräche.

Das Beschwerdevorbringen wurde insofern berücksichtigt, als nunmehr eine persönliche Untersuchung durchgeführt wurde, woraus jedoch keine Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung resultiert.

Da ein Grad der Behinderung von zwanzig (20) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

Hinsichtlich des angefochtenen Spruchteiles, womit der Grad der Behinderung festgestellt wurde, wird angemerkt, dass § 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG keine Ermächtigung für einen gesonderten Ausspruch der Behörde enthält, dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50 % besteht. (vgl. Ra 2018/11/0204 vom 13.12.2018)

Daher wird der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Zitierung des Grades der Behinderung im Spruch entfällt.
2.         Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher das von der belangten Behörde im erweiterten Ermittlungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten geprüft. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten der Beschwerdeführer die Möglichkeit sich zu äußern. Aufgrund erhobener Einwendungen wurde das Beweisverfahren durch die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens erweitert. Das Ergebnis des erweiterten Ermittlungsverfahrens wurde im Rahmen des neuerlich erteilten Parteiengehörs zuletzt nicht bestritten. Es wurden keine Beweismittel vorgelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war – wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt – nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer wurde fachärztlich persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind und resultiert daraus keine geänderte Beurteilung. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet, vielmehr stehen diese nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W132.2236399.1.00

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten