TE Bvwg Beschluss 2020/12/18 L514 2235966-1

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Veröffentlicht am 18.12.2020
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Entscheidungsdatum

18.12.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


L514 2235966-1/15Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.08.2020, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I.       Verfahrensgang und Feststellungen:

1.       Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am XXXX 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, welchem auch nachgekommen wurde. Seit dem Jahr 1996 hält sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet durchgehend auf.

Im Jahr 1999 wurde der Beschwerdeführer erstmalig rechtskräftig vom LG XXXX zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Höhe von drei Monaten verurteilt. Es folgten in den Jahren 2000, 2014, 2016 und 2019 weitere Verurteilungen, weshalb das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) im Jahr 2019 aufenthaltsbeendende Maßnahmen einleitete.

Mit Schreiben des BFA vom 26.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt zum Ergebnis der Beweisaufnahme eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass beabsichtigt sei eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen.

Mit Schreiben vom 16.03.2020 machte der Beschwerdeführer von der Möglichkeit Gebrauch, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Mit Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom 04.04.2020 zeigte dieser seine Vollmachtsübernahme dem BFA an und machte gleichzeitig darauf aufmerksam, dass auf den Beschwerdeführer, dass Assoziierungsabkommen Anwendung finde.

2.       Mit Bescheid des BFA vom 14.08.2020, Zl. XXXX , wurde wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde darüber hinaus ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer seit seiner Jugend ein kriminelles und gewalttätiges Wesen an den Tag legen würde und habe er mehrmals seine negierende Haltung der Rechtsordnung und seinen Mitmenschen gegenüber demonstriert. Auch seine in Österreich lebende Familie vermochte an seinem Verhalten nichts zu ändern. Durch seine Straftaten und der damit in Zusammenhang stehenden Unbelehrbarkeit stelle der Beschwerdeführer jedenfalls eine schwerwiegende Gefahr für die Gesellschaft dar und beeinträchtige er die öffentlichen Grundinteressen enorm.

Hinsichtlich des Einreiseverbotes wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer dem Assoziierungsabkommen unterliege und daher der erhöhte Gefährdungsmaßstab anzuwenden sei. Der Beschwerdeführer zeige seit seiner Jugend ein massives Fehlverhalten, weshalb davon ausgegangen werden müsse, dass seine kriminelle Motivation in Form einer persönlichen Disposition bestehe. Auch habe sich der Beschwerdeführer von den bisher gesetzten Sanktionen völlig unbeeindruckt gezeigt, weshalb von einer negativen Zukunftsprognose ausgegangen werden müsse. Zur Höhe des verhängten Einreiseverbotes wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits als Minderjähriger mit seinem straffälligen und aggressiven Verhalten begonnen und sich trotz zahlreicher Chancen und gesetzter Sanktionen als unbelehrbar gezeigt habe.

Mit Verfahrensanordnung vom 14.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer von Amts wegen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

3.       Gegen diesen dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 20.08.2020 ordnungsgemäß zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 17.09.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde moniert, dass sich der Beschwerdeführer aktuell im Maßnahmenvollzug befinden würde und er daher keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde. Auch könne er, solange er sich im Maßnahmenvollzug befinde, gar nicht in die Türkei abgeschoben werden.

Weiters wurde ausgeführt, dass das BFA ignoriert habe, dass der Beschwerdeführer in den Anwendungsberiech des Assoziierungsabkommens fallen würde und hätten die Verurteilungen zwischen den Jahren 2000 und 2016 die Behörde nicht dazu veranlasst aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu verhängen. Letztlich wurde dargetan, dass im Urteil des LG XXXX vom XXXX 2019 festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung schuldunfähig sei. Aus diesem Grund dürfe dieses Verhalten dem Beschwerdeführer auch im fremdenpolizeilichen Verfahren nicht zum Vorwurf gemacht werden.

4.       Die Beschwerdevorlage langte am 12.10.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Am 13.10.2020 bestätigte die Gerichtabteilung L514 das vollständige Einlangen der Beschwerdevorlage.

5.       Mit Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass der Beschwerdeführer mit Beschluss des LG XXXX vom XXXX 2020, Zl. 24BE 135/20h-9, bedingt aus der Unterbringung für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB unter Auflage von Weisungen entlassen wurde.

6.       In der Folge leitete das Bundesverwaltungsgericht amtswegige Erhebungen über die Staatendokumentation im Hinblick auf die Behandelbarkeit der Erkrankung des Beschwerdeführers und die Verfügbarkeit der benötigten Medikamente in der Türkei ein.

Gleichzeitig wurde die LPD OÖ aufgefordert bekannt zu geben, aus welchen Gründen im Jahr 2006 kein neues Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Nach Urgenz wurde das Bundesverwaltungsgericht am 01.12.2020 darüber informiert, dass die diesbezüglichen Unterlagen nicht mehr auffindbar und offenbar bereits skartiert worden seien.

Mit Schriftsatz vom 11.12.2020 gab der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers bekannt, dass der Beschwerdeführer am 10.12.2020 vom BFA vor das türkische Konsulat vorgeladen worden sei, wo sein Personalausweis einbehalten worden sei. Es sei davon auszugehen, dass das BFA konkrete Vorbereitungshandlungen für eine Abschiebung setze. Diese sei jedoch für den Beschwerdeführer mit schwerwiegenden gesundheitlichen Konsequenzen verbunden.

Eine telefonische Anfrage beim BFA am 16.12.2020 hat ergeben, dass noch kein konkreter Abschiebetermin geplant sei, jedoch es durchaus realistisch sei, dass mit einer Abschiebung in ein bis zwei Wochen gerechnet werden könne.

Eine Anfrage bei der Staatendokumentation am 16.12.2020, wann mit einer Anfragebeantwortung gerechnet werden könne, wurde dahingehend beantwortet, dass mit einem Ergebnis am 21.01.2021 gerechnet werden könne.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1.    Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG hat das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat gemäß § 18 Abs. 2 Z 5 BFA-VG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

1.2.    Die Entscheidung über die Zu- oder Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 13.12.2017, Ro 2017/19/0003).

2.1.    Umgelegt auf das gegenständliche Verfahren bedeutet dies Folgendes:

Im vorliegenden Fall kann ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den in Aussicht genommenen Zielstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.

Der Beschwerdeführer bringt im Beschwerdeverfahren erstmals vor, dass er mit Ende Oktober bedingt aus der Unterbringung für geistig abnorme Rechtsbrecher unter Auflage von Weisung entlassen worden sei. Ferner wird auf die fehlenden Behandlungsmöglichkeiten der psychischen Krankheiten des Beschwerdeführers in der Türkei verwiesen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht bereits amtswegig eine Anfrage an die Staatendokumentation in Auftrag gegeben, wobei mit einem Ergebnis erst Ende Jänner 2021 gerechnet werden könne.

Dazu tritt, dass der Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid mit einem befristeten Einreiseverbot belegt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof betont dazu in seiner Rechtsprechung, dass es grundsätzlich immer Aufgabe des Verwaltungsgerichtes ist, sich vor Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung selbst einen persönlichen Eindruck vom Fremden zu verschaffen, sofern nicht ausnahmsweise ein eindeutiger Fall gegeben ist (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0007 mwN). Bei der Verhängung eines Einreiseverbotes, das fallbezogen unbefristet ausgesprochen wurde, kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der zur Prüfung eines Einreiseverbotes anzustellende Gefährdungsprognose besondere Bedeutung zu (VwGH 25.06.2019, Ra 2019/19/0130). Dies gilt umso mehr im gegenständlichen Fall, zumal das belangte Bundesamt es im Verfahren erster Instanz selbst nicht für erforderlich gehalten hat, den Beschwerdeführer einzuvernehmen.

Der daueraufenthaltsberechtigte Beschwerdeführer wurde zwar widerholt straffällig, leidet jedoch an psychischen Problemen, weshalb er zumindest im Rahmen der letzten Verurteilung als schuldunfähig angesehen wurde. Er verfügt außerdem über familiäre Bindungen im Bundesgebiet. Schon deshalb liegt kein eindeutiger Fall im Sinn der vorstehend zitierten Rechtsprechung vor und wird das Beschwerdevorbringen deshalb voraussichtlich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen sein. Schon deshalb muss der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, da die Durchführung einer mündlichen Verhandlung innerhalb der Frist des § 18 BFA-VG nicht möglich ist.

3.       Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgeht. Darüber hinaus liegt bei Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage wie im gegenständlichen Fall eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung EMRK persönlicher Eindruck reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L514.2235966.1.00

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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