Entscheidungsdatum
21.12.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W265 2236601-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 01.07.2020, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 14.10.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 13.01.2020, eingelangt am 14.01.2020, stellte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“. Dem Antrag legte er medizinische Befunde bei.
Mit Schreiben vom 23.01.2020 stellte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis).
Die belangte Behörde gab in der Folge zunächst ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.
In dem auf der Aktenlage basierenden allgemeinmedizinischen Gutachten vom 13.04.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Rö. v. 20.11.2019: gesamte Wirbelsäule - Deutliche Spondylosis deformans thoracolumbalis. Osteochondrose HWK 4 bis 6 mit dorsaler Kantenspondylose
Osteochondrose LWK 5/S-1 mit Anterolisthese Typ Mayerding I.
von cranial nach caudal zunehmende Spondyiarthrose.
Deutliche Gefäßsklerose.
BEIDE KNIEGELENKE - Inzipiente medial betonte Gonarthrose und Retropatellararthrose Ergebnis:
Moderate plantare und dorsale Fersenspornbildung bei ansonsten unauffälligem Befund. BEIDE SCHULTERN - Periarthropathia humeroscapularis calcificans. Moderate AC-Geienksarthrose beidseits
BECKENUBERSICHT - Moderate Coxarthrose und Si-Gelenksarthrose.
Geringer Beckenschiefstand
Entlassungsbrief KH XXXX v. 12. 11. 2019: Die Aufnahme des Patienten erfolgte am 5.11.2019 mit einer Harnverhaltung und III-IV°iger Hydronephrose bds.
Nach Einlegen eines transurethralen Katheters entleeren sich 2000 ml Restharn, teilweise pyurisch mit Harnwegsinfekt, weshalb mit einer Antibiose mit Piperacillin/Tazobactam begonnen wird.
Die Nierenwerte zeigen sich ausgeprägt mit 7,4 mg/% Kreatinin erhöht, glomeruläre Filtrationsrate mit 7,2 massiv erniedrigt.
Im Rahmen der drucklosen Harnableitung über Dauerkatheter zeigt sich die Hydronephrose bds. langsam rückläufig. Die Nierenwerte bessern sich auf ein Kreatinin von 2,1 mg/% und eine glomeruläre Filtrationsrate von über 30.
Am 11.11.2019 wird in Lokalanästhesie ein suprapubischer Katheter (Cystofix) angelegt.
Der postoperative Verlauf zeigt sich im Wesentlichen komplikationslos, sodass Herr XXXX am 12.11.2019 bei druckloser Ableitung über den suprapubischen Katheter bei dzt. blandem Harn und gut gebesserten Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden kann.
Diagnosen bei Entlassung: Harnverhaltung (2000 ml)
Pyurie
Harnwegsinfekt
Hydronephrose III bis IV° bds.
Arteriosklerose
Steatosis hepatis
Art. Hypertonie
Z.n. Lungenteilresektion
Postrenale Niereninsuffizienz
MRT re. Sprunggelenk v. 28.11.2019: Nichtdislozierte transversal verlaufende proximale Fraktur vom MFK 5 ohne Nachweis einer Beteiligung des proximalen Gelenks sowie Bone Bruise des gesamten MFK 5 und des Os cuboideum.
Kein Nachweis einer Pathologie der Bänder.
Unauffällige Darstellung der Extensoren- und der Flexorensehnen.
MRT der LWS v. 20.12.2019: Streckfehlhaltung sowie degenerative Veränderungen der LWS wie oben beschrieben.
Pseudoventrolisthesis L5 gegenüber S1 Typ Meyerding 1.
Breitbasige Bandscheibenherniation in Höhe L3/L4 und L4/L5 mit minimaler neuroforaminaler Beteiligung aber ohne Nachweis einer relevanten intraforaminalen Tangierung oder Kompression der austretenden Nervenwurzel. Keine Einengung des Duralsacks auf dieser Höhe.
Keine Myelopathie.
Verfettung der paravertebralen lumbalen Muskulatur.
Hämangiom von LWK 2.
MRT li. Sprunggelenk v. 20.12.2019: Kein Nachweis von frischen, traumatisch bedingten Veränderungen des linken Sprunggelenks.
Subchondral gelegene Geröllcyste des Os cuneiforme mediale an der artikulierenden Facette zum Os naviculare.
Regelrechte Darstellung des Bandapparates bzw. der Extensoren- und der Flexorensehnen.
Geringe Tendinose der Achillessehne ohne Nachweis einer Ruptur.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
suprapubischer Dauerkatheter (Harn); Amlodibene 10 mg 0-0-1, Novalgin 30 Tropfen bis zu
3xtägl. bei Schmerzen
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Ableitende Harnwege und Nieren, Entleerungsstörung der Blase schweren Grades - liegender suprapubischer Dauerkatheter bei
Hydronephrose
Unterer Rahmensatz, da keine Komplikationen dokumentiert
08.01.07
50
2
Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, Abnützung der Wirbelsäule, multiple Gelenksabnützungen, Fraktur re. Metatarsale V
Unterer Rahmensatz, da radiologisch mäßige Abnützungen nachweisbar
02.02.02
30
3
Hypertonie
05.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 2 und 3 erhöhen nicht weiter, da fehlendes negatives wechselseitiges Zusammenwirken mit Leiden 1.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Steatosis hepatis, Art. Hypertonie, Z.n. Lungenteilresektion - keine relevanten Befunde
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
[x] Dauerzustand
…
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine - eine relevante Einschränkung der Mobilität geht aus den Unterlagen nicht hervor. Mit einer Abheilung der Mittelfußknochenfraktur ist in der üblichen Zeit zu rechnen. Ein liegender suprapubischer Dauerkatheter ist kein Kriterium für die Zuerkennung der "Unzumutbarkeit."
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein
Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:
Ja
Nein
Nicht geprüft
?
?
?
Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03.
?
?
?
Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit GdB: 50 v.H.
?
?
?
Erkrankungen des Verdauungssystems
…“
Mit Schreiben vom 12.05.2020, eingelangt am 14.05.2020, legte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung einen Pflegegeldbescheid vor.
Mit Schreiben vom 03.06.2020 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Beweisaufnahme in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.
Ebenfalls mit Schreiben vom 03.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages (auf Ausstellung eines Behindertenpasses) vom 14.01.2020 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 v. H. festgestellt worden sei. Die Voraussetzung für die Zusatzeintragungen „Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen“ und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ würden vorliegen. Der Behindertenpass im Scheckkartenformat werde in den nächsten Tagen übermittelt und werde unbefristet ausgestellt.
Mit Begleitschreiben vom 09.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer der Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v. H. übermittelt.
Mit angefochtenem Bescheid vom 01.07.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden. Nach diesem Gutachten lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vor. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Dessen Ergebnisse seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grund gelegt worden. Mit dem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer das ärztliche Gutachten übermittelt.
Mit Schreiben vom 18.08.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, die gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers, vor allem die Claudicatio spinalis, würden zur Einschränkung der Gehstrecke auf 200 Meter führen und es liege daher jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor. Auch aufgrund der Entleerungsstörung der Blase schweren Grades wäre die Vornahme der Zusatzeintragung gerechtfertigt. Die erste Instanz habe ihre Entscheidung lediglich auf ein Gutachten aus dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin gestützt. Dies erscheine im gegenständlichen Fall als nicht ausreichend und es wären aufgrund der internistisch/lungenfachärztlichen, urologischen und vor allem auch orthopädischen/neurochirurgischen Beschwerden Gutachten aus diesen Bereichen erforderlich, die auch beantragt würden. Mit der Beschwerde wurden medizinische Befunde vorgelegt.
Die belangte Behörde gab in der Folge weitere Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und einer Fachärztin für Innere Medizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.
In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 08.09.2020 basierenden orthopädischen Gutachten vom 22.09.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Anamnese:
VGA 4/2020; keine Eingriffe danach.
Derzeitige Beschwerden:
"ich habe verschobene Wirbel, die drücken auf das Rückenmark. Beide Hüftgelenke, die Wirbelsäule, die Schultern und die Knie tun weh. Ich kann keine 200 Meter gehen, den Rollator verwende ich zur Sicherheit. Autofahren geht noch gut. Je länger ich gehe, desto stärker sind die Beschwerden.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Novalgin 2-3x tgl. Lisinopril,Amlodibene.
Sozialanamnese:
verwitwet, 3 Kinder; in Pension.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Vorgutachten 4/2020; Bericht Kh XXXX 9.7.2020: Der Pat. kommt wegen chron. Lumbagobeschwerden. Der Pat. ist bereits in orthop. Behandlung, wünscht sich jedoch eine Schmerztherapie. Typische Schmerzausstrahlung pseudoradikulärer Symptomatik, links mehr als rechts. Druckschmerz der paravertebralen Muskulatur. Die untere Extremität ist grob neurologisch unauffällig. Es zeigt sich eine Listhese L4/L5 sowie eine inzipiente Coxarthrose beidseits.M54.4 Lumboischialgie Hauptdiagnose.
Bericht Orthopädie XXXX 8/2020: Bandscheibenherniation L3/4 und L4/5 Claudicatiospinalis
Pseudolisthese L5/S1klin. gibt der Pat. Beschwerden im Sinne einer Claudicatio spinalis mit einer Gehstrecke von 200 Metern an, die Fußpulse gut, keine Klopf- oder Stauchungsdolenz im Bereich der LWS, SIG nicht druckdolent, Großzehen Vorfußheber Kraftgrad M5, Kniestrecker Hüftbeuger Kraftgrad M5, ASR
PSR bds. seitengleich mittellebhaft auslösbar, keine Cauda-Conus-Symptomatik, keine ReithosenAnästhesie, keine Mastdarmfunktionsstörung, Pat. Dauerkatheter versorgt.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
sehr gut
Größe: 178,00 cm Gewicht: 120,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Caput unauffällig, Collum o.B., WS im Lot, HWS in R 45-0-45, F 10-0-10, KJA 1 cm, Reklination 14 cm. BWS-drehung 30-0-30, normale Lendenlordose, FKBA wird nicht gezeigt, Seitneigung bis 10 cm ober Patella. Kein Beckenschiefstand. Thorax symmetrisch, Abdomen unauffällig.
Schultern in S 30-0-150, F 150-0-50, R bei F90 60-0-60, Ellbögen 0-0-125, Handgelenke 500-50, Faustschluß beidseits frei. Nacken-und Kreuzgriff möglich. Hüftgelenke in S 0-0-100, F
25-0-15, R 25-0-10, Kniegelenke beidseits 0-0-130, Sprunggelenke 10-0-40.Lasegue negativ.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Gang in Straßenschuhen ohne Gehbehelfe frei im Untersuchungsraum möglich, kommt mit Rollator.
Zehenspitzen- und Fersenstand mit Anhalten möglich.
Status Psychicus:
Normale Vigilanz, regulärer Ductus.
Ausgeglichene Stimmungslage.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, lumbale Diskopathie, Pseudolisthese L5/S1.
2
Aufbraucherscheinungen der Gelenke leichten Grades
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Wirbelsäulenleiden wird separat angeführt; Leiden unverändert
[x] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Eine wesentliche Mobilitätseinschränkung besteht nicht. Die Gehstrecke ist ausreichend, das sichere Ein-und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein
Gutachterliche Stellungnahme:
Im Vordergrund stehen belastungsabhängige Wirbelsäulenbeschwerden, die die Mobilität einschränken. Die Gesamtmobilität ist aber ausreichend, um kurze Wegstrecken, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zu bewältigen. Kraft und Koordination sind ausreichend. Im letztvorliegenden MRT Dr. XXXX 12/2019 ist keine relevante Nervenwurzeleinengung oder Vertebrostenose beschrieben, ebenso keine Myelpoathie.“
In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 23.09.2020 basierenden internistischen Gutachten vom 24.09.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Anamnese:
Aktengutachten vom 13.4.2020: gdB 50vH wegen Entleerungsstörung der Harnblase, Dauerkatheter, deg. WS-Veränderungen, arterielle Hypertonie
Einspruch vom 18.8.2020: Gehstrecke ist eingeschränkt, Lungenerkrankung, daher Begutachtung durch unter anderem Facharzt für Innere Medizin gefordert
Derzeitige Beschwerden:
"War 40 Jahre Bestatter, die Gelenke sind abgenutzt. Kann keine 300m gehen. Die Physiotherapie wurde abgebrochen. Den Dauerkatheter habe ich seit 2019, der wird alle 3
Monate gewechselt. Die Lunge wurde nicht operiert. Ich habe viel Schleim, aber der Lungenfacharzt sagt, er findet nichts, auch beim HNO Arzt war ich schon. Habe eine Enge im Hals. Eine Herzerkrankung ist nicht bekannt."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Lisinopril, Amlodipin, Novalgin bBi
Sozialanamnese:
verheiratet, in Pension
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
sofern das Fachgebiet Innere Medizin betreffend:
Arztbrief KH XXXX 5.11.-12.11.2019: Harnverhaltung, Cystofix, Kreatinin 2,1mg/dl bei Entlassung
Befund KH XXXX 10.12.2019: Cystofix Wechsel
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
adipös
Größe: 178,00 cm Gewicht: 117,00 kg Blutdruck: 130/80
Klinischer Status – Fachstatus:
HNAP frei
Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel
Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS
Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent
Abdomen: Cystofix, Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft
UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel
Untersuchung im Sitzen und Liegen, An- und Ausziehen mit Hilfe der Tochter (Hemd, Socken)
Gesamtmobilität – Gangbild:
unauffällig, keine Hilfsmittel
Status Psychicus:
allseits orientiert, Ductus kohärent
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Harnverhalten mit der Notwendigkeit einer Cystofixversorgung bei Hydronephrose
2
arterielle Hypertonie
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
keine wesentlichen, siehe auch orthopädisches Fachgutachten
[x] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
Gutachterliche Stellungnahme:
Es besteht aus internistischer Sicht eine Hydronephrose mit einem suprapubischen Katheter versorgt, bei der hierorts durchgeführten Begutachtung als auch nach den vorliegenden Befunden ohne Hinweis auf Komplikationen. Eine Lungenerkrankung ist weder anamnestisch erhebbar noch befundbelegt, hierorts ist der AW kardiorespiratorisch kompensiert. Eine periphere arterielle Verschlusserkrankung der unteren Extremitäten mit erheblicher Limitierung der Gehstrecke liegt nicht vor. Ein psychisches Leiden, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert, liegt nicht vor. Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist, bei hierorts gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie freiem und unauffälligem Gangbild, durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert. Siehe auch orthopädisches Fachgutachten.“
In einer von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen Gesamtbeurteilung dieser beiden Gutachten durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin vom 13.10.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Zusammenfassung der Sachverständigengutachten
Name der/des SV
Fachgebiet
Gutachten vom
Dr. XXXX
Orthopädie
11.09.2020
Dr.in XXXX
Innere Medizin
23.09.2020
Die genannten Gutachten sind ein wesentlicher Bestandteil dieser Gesamtbeurteilung.
Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Harnverhalten mit der Notwendigkeit einer Cystofixversorgung bei Hydronephrose
2
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, lumbale Diskopathie, Pseudolisthese L5/S1.
3
Aufbraucherscheinungen der Gelenke leichten Grades
4
arterielle Hypertonie
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Wirbelsäulenleiden wird nun separat angeführt, sonst keine wesentlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten.
[x] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Eine wesentliche Mobilitätseinschränkung besteht aus orthopädisch fachärztlicher Sicht nicht. Die Gehstrecke ist ausreichend, das sichere Ein-und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet. Es besteht aus internistischer Sicht eine Hydronephrose mit einem suprapubischen Katheter versorgt, bei der hierorts durchgeführten Begutachtung als auch nach den vorliegenden Befunden ohne Hinweis auf Komplikationen. Eine Lungenerkrankung ist weder anamnestisch erhebbar noch befundbelegt, hierorts ist der AW kardiorespiratorisch kompensiert. Eine periphere arterielle Verschlusserkrankung der unteren Extremitäten mit erheblicher Limitierung der Gehstrecke liegt nicht vor. Ein psychisches Leiden, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert, liegt nicht vor. Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist, bei hierorts gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie freiem und unauffälligem Gangbild durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
Gutachterliche Stellungnahme:
Im Vordergrund stehen belastungsabhängige Wirbelsäulenbeschwerden, die die Mobilität einschränken.
Die Gesamtmobilität ist aber ausreichend, um kurze Wegstrecken, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe zu bewältigen. Kraft und Koordination sind ausreichend.
Im letztvorliegenden MRT Dr. XXXX 12/2019 ist keine relevante Nervenwurzeleinengung oder Vertebrostenose beschrieben, ebenso keine Myelopathie.“
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.10.2020 wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.07.2020 ab. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung würden nicht vorliegen. Die aufgrund der fristgerechten Beschwerde durchgeführte ärztliche Begutachtung habe ergeben, dass die Voraussetzungen für Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen würden. Die wesentlichen Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Mit der Beschwerdevorentscheidung wurden dem Beschwerdeführer die ärztlichen Sachverständigengutachten übermittelt.
Mit Schreiben vom 30.10.2020, eingelangt am 02.11.2020, stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer leide an einer Claudicatio spinalis mit einer eingeschränkten Gehstrecke von 200 Metern. Diesbezüglich werde auf den Befund des Krankenhauses XXXX vom August 2020 verwiesen. Im Hinblick darauf hätte die belangte Behörde das beantragte neurochirurgische Gutachten einholen müssen, um die Einschränkungen der Gehfähigkeit sowie Auswirkungen zur Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels abschließend beurteilen zu können.
Mit Schreiben vom 05.11.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde, den Vorlageantrag und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am selben Tag einlangten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v. H.
Er stellte am 14.01.2020 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
- Harnverhalten mit der Notwendigkeit einer Cystofixversorgung bei Hydronephrose
- degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, lumbale Diskopathie, Pseudolisthese L5/S1
- Aufbraucherscheinungen der Gelenke leichten Grades
- arterielle Hypertonie
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer trotz dieser Funktionseinschränkungen möglich und zumutbar. Die Leidenszustände des Beschwerdeführers stellen zweifellos eine Beeinträchtigung seines Alltagslebens dar, schränken jedoch den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich ein.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und insbesondere der Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen der oben wiedergegebenen orthopädischen und internistischen Sachverständigengutachten vom 22.09.2020 und 24.09.2020 sowie deren zusammenfassende Gesamtbeurteilung vom 13.10.2020 zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründet sich auf die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 22.09.2020 und einer Fachärztin für Innere Medizin vom 24.09.2020, basierend auf persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers am 08.09.2020 bzw. 23.09.2020, sowie deren zusammenfassende Gesamtbeurteilung durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin vom 13.10.2020. Dabei berücksichtigten die Sachverständigen die vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel. Die Gutachten sind schlüssig und nachvollziehbar, sie weisen keine Widersprüche auf.
Trotz der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen erreichen die Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten und der körperlichen Belastbarkeit kein Ausmaß, das eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde.
Der orthopädische Sachverständige stellte aufgrund der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 08.09.2020 im Wesentlichen fest, bei diesem stünden belastungsabhängige Wirbelsäulenbeschwerden, die die Mobilität einschränken, im Vordergrund. Die Gesamtmobilität sei aber ausreichend, um kurze Wegstrecken, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zu bewältigen. Eine wesentliche Mobilitätseinschränkung bestehe nicht. Auch Kraft und Koordination seien ausreichend und das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport seien gewährleistet.
Die internistische Sachverständige stellte aufgrund der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 23.09.2020 im Wesentlichen fest, aus internistischer Sicht bestehe eine Hydronephrose, die komplikationslos mit einem suprapubischen Katheter versorgt sei. Eine periphere arterielle Verschlusserkrankung der unteren Extremitäten mit erheblicher Limitierung der Gehstrecke liege nicht vor. Auch ein psychisches Leiden, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert, liege nicht vor. Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln sei, bei gutem Allgemein- und Ernährungszustand sowie freiem und unauffälligem Gangbild, durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert.
Die vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Befunde und in der Beschwerde erhobenen Einwendungen wurden von den Sachverständigen in ihren Gutachten berücksichtigt und flossen in die Beurteilungen ein, waren jedoch nicht geeignet, eine andere Einschätzung hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel herbeizuführen. Im Vorlageantrag wiederholte der Beschwerdeführer ein sinngemäß bereits im Rahmen der Beschwerde erhobenes Vorbringen. Er legt keine neuen Befunde vor.
In der Beschwerde und im Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er leide an einer Claudicatio spinalis mit einer eingeschränkten Gehstrecke von 200 Metern. Diesbezüglich werde auf den Befund des Krankenhauses XXXX vom August 2020 verwiesen. Es liege daher jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor.
Dem ist zu entgegnen, dass das orthopädische Sachverständigengutachten den angesprochenen Befund und die darin angegebene Gehstrecke bereits wiedergibt und somit erkennbar berücksichtigt hat (vgl. AS 61). Der Sachverständige gelangte jedoch auf Grundlage des von ihm selbst erhobenen Untersuchungsbefundes zur Einschätzung, dass der Beschwerdeführer kurze Wegstrecken, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, sehr wohl bewältigen könne. Eine wesentliche Mobilitätseinschränkung bestehe nicht. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der angesprochene Befund hinsichtlich der Gehstrecke lediglich eine Einschätzung des Beschwerdeführers wiedergibt („klin. gibt Pat. Beschwerden im Sinne einer Claudicatio spinalis mit einer Gehstrecke von 200 Metern an“, vgl. AS 55) und dass aus diesem nicht hervorgeht, ob diese medizinisch objektiviert werden konnte.
Zudem brachte der Beschwerdeführer in der Beschwerde vor, auch aufgrund der Entleerungsstörung der Blase schweren Grades wäre die Vornahme der Zusatzeintragung gerechtfertigt. Diesbezüglich führte die internistische Sachverständige in ihrem Gutachten aus, dass die Hydronephrose mit einem suprapubischen Katheter versorgt sei, wobei es keine Hinweise auf Komplikationen gebe. Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln sei durch die dokumentierten leiden, somit auch durch die Entleerungsstörung, nicht erheblich erschwert. Der Beschwerdeführer hat angesichts dessen nicht dargelegt, weshalb dieses Leiden die Vornahme der Zusatzeintragung rechtfertigen würde, und trat dieser Einschätzung im Vorlageantrag auch nicht entgegen.
Damit ist der Beschwerdeführer den vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen insgesamt nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Hinweise auf erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Ebenso wenig besteht ein Hinweis auf eine Erkrankung des Immunsystems.
Betreffend die Anträge auf Einholung weiterer Sachverständigengutachtens aus den Fachbereichen der Neurochirurgie, Lungenheilkunde und Urologie wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der Sachverständigengutachten vom 22.09.2020 und 24.09.2020 sowie deren zusammenfassender Gesamtbeurteilung vom 13.10.2020. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
„§ 1 ….
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. …….
2. ……
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller
Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1
Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)……“
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall relevant – Folgendes ausgeführt:
„Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
…
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
…
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“
…“
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).