TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/30 96/01/0127

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Veröffentlicht am 30.04.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. H in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1995, Zl. 4.345.533/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", ist am 25. November 1994 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 28. November 1994 den Asylantrag gestellt.

Er gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 28. November 1994 an, der albanischen Volksgruppe anzugehören und Moslem zu sein. Er stamme aus dem Kosovo. In dieser Einvernahme wurde der Beschwerdeführer ansonsten nur zu seinem Fluchtweg befragt.

In der weiteren niederschriftlichen Einvernahme vom 1. Dezember 1994 gab er zu seinen Fluchtgründen an:

"Ich war nie Mitglied einer politischen Partei. Vorbestraft bin ich nicht, aber meine Familie wurde von der Polizei verprügelt. Ich habe keine strafbaren Handlungen begangen.

Zur Zeit verfüge ich über etwa öS 400,--.

Ich habe Kosovo verlassen, weil die Polizei meine Familie verprügelt hat. Das war vor zwei Monaten. Ich habe mein Elternhaus damals verlassen. Die Polizei ist dann weiterhin gekommen. Sie kommen deswegen, weil sie nach Waffen suchen.

Frage: Wurden Sie persönlich aus politischen, religiösen, rassischen, ethnischen oder sozialen Gründen verfolgt?

Antwort: Die Polizei suchte nur nach Waffen.

Auf Befragung gebe ich an, daß bei allen nach Waffen gesucht wird. Meine Familie wurde verprügelt.

Frage: Warum sind Sie geflüchtet und nicht die anderen Familienangehörigen?

Antwort: Auch die anderen haben das Haus verlassen. Sie sind nach Deutschland geflüchtet. Ich bin alleine nach Österreich gegangen. Ich war nicht zu Hause, als meine Eltern das Haus verlassen haben. Ich war auch nicht zu Hause, als die Polizei gekommen ist.

Frage: Woher wissen Sie, daß die Polizei Ihre Familie verprügelt hat, wenn Sie nicht zu Hause waren?

Antwort: Ich kehrte einmal nach Hause zurück und meine Eltern haben mir das erzählt. Ich ging wieder fort und habe später erfahren, daß meine Familie geflüchtet ist.

Frage: Sie gaben bei der Ersteinvernahme nicht an, daß Ihre Familie in Deutschland ist, sondern gaben die Adresse vom Kosovo an - WARUM?

Antwort: Ich wurde nicht gefragt.

Frage: Was würde passieren, wenn Sie in Ihre Heimat

zurückkehren?

Antwort: Ich will nicht zurückkehren. Wenn ich zurückkehre, dann würde ich zur Armee geschickt werden. Dort werden wir verprügelt. Ich will nicht zur Armee, weil wir dort umgebracht werden.

Frage: Woher wissen Sie das?

Antwort: Es kamen viele tot von der Armee zurück.

Frage: Können Sie Fälle nennen, in denen Sie die Personen gekannt haben?

Antwort: Vor zwei Wochen wurde I tot gebracht. Die Polizei hat bei seiner Familie nach Waffen gesucht, I festgenommen und zur Armee geschickt. Vor zwei oder drei Wochen hat man ihn festgenommen.

Frage: Woher wissen Sie das, daß man ihn zur Armee geschickt hat?

Antwort: Das hat seine Familie erzählt. Die Serben haben ihn umgebracht, weil man keine Waffen bei ihm gefunden hat.

Vorhalt: Diese Angaben sind nicht nachvollziehbar.

Antwort: Es ist aber wahr, ich lüge nicht.

Frage: Wo haben Sie sich aufgehalten, nachdem Sie Ihr Elternhaus verlassen haben?

Antwort: Bei verschiedenen Verwandten in anderen Dörfern. Meine Familie hat vor zwei Monaten den Kosovo verlassen.

Frage: Wann haben Sie Kosovo verlassen?

Antwort: Am 20.11.1994.

Frage: Was war der ausschlaggebende Grund?

Antwort: Die Polizei suchte nach Waffen und hat uns verprügelt, das stand auch in der Zeitung. Nicht die ganze Familie ist geflüchtet, nur mein Bruder gemeinsam mit meinen beiden Cousins.

Frage: Wann waren Sie das letzte Mal in Ihrem Dorf?

Antwort: Das war am Tag, als mein Vater sagte, ich müsse Kosovo verlassen, weil die Polizei nach mir sucht. Das war vor zwei Monaten. Vor einer oder zwei Wochen habe ich mit meinen Eltern das letzte Mal gesprochen. Ich sagte, ich würde nach Österreich flüchten.

Frage: Warum sind Sie nicht vor zwei Monaten geflüchtet, wenn Ihr Vater gesagt haben soll, daß die Polizei nach Ihnen suchen würde?

Antwort: Ich habe gedacht, daß die Polizei uns in Ruhe

lassen würde - das war aber nicht so.

Frage: Warum wurden Sie gesucht?

Antwort: Man wollte mich zur Armee schicken.

Sie können in der Zeitung "RILINDJA" nachlesen, daß meine Familie verprügelt wurde. Ich weiß nicht, wer diesen Artikel geschrieben hat. Die LDK hat in dieser Zeitung, das ist die Parteizeitung, den Artikel verfaßt."

Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 7. Dezember 1994 sowohl aus dem Grund ab, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei, als auch, daß er in Ungarn Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 erlangt habe.

Zu ersterem begründete die Behörde erster Instanz folgendermaßen:

"Sie vermochten im Zuge der Einvernahme am 1.12.1994 keinerlei Maßnahmen darzutun, die als Verfolgung seitens Ihrer Heimatbehörden konkret gegen Ihre Person aus den in der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genannten Gründen gewertet werden können. Die Suche nach Waffen kann allgemein keine die durch die GFK geschützten Rechtsgüter treffende Verfolgung gegen Ihre Person darstellen, zumal Sie nicht persönlich davon betroffen waren. Auch aus dem Umstand, daß Ihre Familienangehörigen geschlagen worden sein sollen, läßt sich nicht die Flüchtlingseigenschaft Ihrer Person ableiten. Asylrelevante Verfolgung muß sich gegen den Asylwerber selbst richten, nicht etwa gegen Angehörige. Auch aus einer bevorstehenden Einberufung bzw. der Furcht vor dem Militärdienst kann grundsätzlich nicht die Flüchtlingseigenschaft abgeleitet werden.

Die Militärdienstpflicht trifft alle im entsprechenden Alter befindlichen Staatsbürger (zumindest männlichen Geschlechtes) in gleicher Weise. Die Verweigerung des Militärdienstes bzw. die Desertion allein ist kein Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991.

Die "Flucht" eines Asylwerbers vor einem ihm drohenden Militärdienst ist ebensowenig ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen) auch strengen Bestrafung.

Ihren Angaben, Sie befürchten, im Falle der Einberufung beim Militär geschlagen oder vielleicht sogar auch umgebracht zu werden, ist entgegenzuhalten, daß diese subjektive Furcht aus objektiver Sicht nicht nachvollziehbar ist. Auch wenn Sie behaupten, ein Bekannter von Ihnen sei zwei Wochen zuvor bei der Armee umgebracht worden, kann davon nicht ausgegangen werden, daß Sie, sollten Sie der Armee beitreten, das selbe Schicksal zu erdulden hätten bzw. daß man Sie aus dem § 1 Ziff. 1 Asylgesetz 1991 taxativ aufgezählten Gründen verfolgen würde."

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, das Bundesasylamt sei in seiner Entscheidung zu wenig auf seine Angaben eingegangen. Eine Rückkehr in die Heimat scheine für ihn weder zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch später für seine Sicherheit ratsam. Eine weitere Befragung seiner Person und eine genaue Überprüfung seiner Angaben hätten "dem gegenständlichen Verfahren andere Entscheidungskriterien eröffnet".

Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. September 1995 ab. Sie erhob die im Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Dezember 1994 "richtig und vollständig wiedergegebenen" niederschriftlichen Aussagen des Beschwerdeführers zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Es liege kein Fall des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vor, weshalb gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 der Berufungsentscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundegelegt werde. Das Bundesasylamt habe in seinem Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefaßt, die belangte Behörde schließe sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebe diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Hinsichtlich der angenommenen Sicherheit vor Verfolgung in Ungarn enthält der angefochtene Bescheid über die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene Begründung hinausgehende Argumente. Der Beschwerdeführer sei einerseits nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 und andererseits bereits vor seiner Einreise nach Österreich in "sogenannten sicheren Drittstaaten" aufhältig gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde von der Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ausgegangen sei, ohne auf die "in der Berufung weiter dargelegten Gründe, die den Asylantrag gerechtfertigt erscheinen lassen", einzugehen. Dem Beschwerdeführer ist zu entgegnen, daß die Berufung nur eine in allgemeiner Form gehaltene Bekämpfung des erstinstanzlichen Bescheides darstellt, jedoch keine konkreten weiteren Gründe enthält. In der Berufung wurde gerügt, daß die Behörde erster Instanz zu wenig auf die vom Asylwerber bei der Einvernahme vorgebrachten Angaben eingegangen sei. Der Beschwerdeführer hat aber nicht angegeben, welche Sachverhaltselemente er noch darzulegen gehabt hätte, sodaß dem allenfalls vorliegenden Verfahrensmangel die Relevanz fehlt. Es ist daher kein Grund zu erkennen, der die Annahme der belangten Behörde, es liege keiner der Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vor und sie habe deshalb gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 von den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens erster Instanz auszugehen, als rechtswidrig erscheinen ließe.

Ebenso erweisen sich die in der Beschwerde erstmals vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen als Neuerungen, die gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zulässig sind.

In rechtlicher Hinsicht tritt der Beschwerdeführer aber den Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides, der von der belangten Behörde übernommen wurde (hiezu war sie, ohne die Ausführungen der ersten Instanz wiederholen zu müssen, berechtigt - vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045), zur mangelnden Flüchtlingseigenschaft, lediglich mit dem - unter Rechtswidrigkeit des Inhaltes erstatteten - Vorbringen entgegen, "nach den Vorkommnissen in der Provinz Kosovo wurde grundsätzlich Asyl gewährt" bzw. mit dem - unter der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften erstatteten - Vorbringen, daß ein Minderjähriger in seinem rechtsgeschäftlichen Handeln grundsätzlich anders zu beurteilen wäre als ein Volljähriger, was die belangte Behörde außer acht gelassen habe.

Damit kann der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigen. Denn weder der Verweis auf die behauptete "grundsätzliche" Asylgewährung noch auf seine - zum Zeitpunkt der Einreise vorgelegene - Minderjährigkeit sind geeignet, eine dem Beschwerdeführer widerfahrene bzw. drohende Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 darzutun. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann die Ansicht der belangten Behörde, aus den Angaben des Beschwerdeführers sei keine - INDIVIDUELL GEGEN IHN GERICHTETE UND MIT MAßGEBLICHER WAHRSCHEINLICHKEIT zu befürchtende - Verfolgung abzuleiten (weder aus dem Gesichtspunkt der seinen Familienangehörigen widerfahrenen Ereignisse noch aus dem Gesichtspunkt der - mangels Einberufungsbefehl gar nicht konkret drohenden - eventuellen Einberufung zum Militärdienst), nicht als rechtswidrig erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides zur Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ungarn sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010127.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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