Entscheidungsdatum
21.12.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z4Spruch
W102 1435667-2/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 25.10.2018, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.12.2020 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1 iVM 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005, 8 Abs. 1 AsylG 2005, 57 AsylG 2005, 10 Ab. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, 52 Abs. 2 Z 3 FPG, 52 Abs. 9 FPG, 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat:
„Gemäß § 55 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Ihrer Enthaftung.“
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volkgruppe der Paschtunen, stellte am 31.05.2011 in Bezug auf seinen in Österreich lebenden subsidiär schutzberechtigten Vater einen Einreiseantrag und reiste in der Folge am 06.10.2012 mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder legal in das Bundesgebiet ein, wo er am 09.10.2012 durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.05.2013 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Der gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 28.02.2014, W160 1435667-1/6E, statt und erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten zu. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dem Beschwerdeführer sei als minderjähriger Sohn seiner Mutter, der mit Erkenntnis vom selben Tag der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Es sei nicht ersichtlich, dass das Familienleben mit seiner Mutter in einem anderen Staat fortgesetzt werden könne.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.11.2015, 154 HV 5/2015g, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahles gemäß §§ 127, 130 erster Fall, 15 StGB und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon zehn Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden (Jugendstraftat).
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25.04.2016, 162 HV 30/2016v, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall und 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wovon sechs Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden (Jugendstraftat).
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.06.2016, 162 HV 31/2016s, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall, Abs. 2 erster Fall StGB, des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahles, teilweise durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 1 erster Fall StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.11.2015, 154 HV 5/2015g, zu einer Zusatzstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon zehn Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden (Jugendstraftat)
Mit Urteil des Landesgerichts Wien vom 09.11.2016, 152 HV 84/2016m, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 und 2 StGB unter Bedachtnahme auf die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25.04.2016, 162 HV 30/2016v, und vom 06.06.2016, 162 HV 31/2016s, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt (Jugendstraftat).
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20.06.2017, 141 HV 21/2017t, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25.10.2018, zugestellt am 30.10.2018, erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer – nach niederschriftlicher Einvernahme am 20.09.2018 – den ihm mit Erkenntnis vom 28.02.2014, W160 1435667-1/6E, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.), erließt gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VII.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer könne als gemeingefährlicher Täter angesehen werden. Die Mutter des Beschwerdeführers als gesetzliche Vertreterin habe kein ihn persönlich betreffendes Fluchtvorbringen genannt, es sei auch im Verfahren keines zutage gekommen. Der Beschwerdeführer habe den Asylstatus nur aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses zur Mutter erhalten, in seiner Einvernahme habe der Beschwerdeführer keine Rückkehrbefürchtungen vorgebracht. Die Grundbedürfnisse des Beschwerdeführers könnten gedeckt werden, er sei ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann und könne selbst ohne weitreichende Arbeitserfahrung ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften. Er verfüge über Sprachkenntnisse in Paschtu und stehe über Familienangehörige im Herkunftsstaat ein familiäres Auffangnetz zur Verfügung, welches ihn bis zur beruflichen Eingliederung unterstützen könne. Entscheidungserhebliche private und familiäre Integration liege nicht vor. Der Beschwerdeführer Stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Der Beschwerdeführer habe ein besonders schweres Verbrechen begangen (bewaffneter Raub). Das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit überwiege die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich.
3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2018 richtet sich die am 22.11.2018 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und IV. bis VII. gerichtete Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei im Alter von 13 Jahren ins österreichische Bundesgebiet gekommen, habe die Schule besucht, spreche bereits sehr gut Deutsch und arbeite in der Jugendstrafanstalt. Er habe ein enges Verhältnis zur Familie. Die belangte Behörde habe sich mit Integration und Situation in Österreich nicht auseinandergesetzt. Die belangte Behörde habe das Recht auf Parteiengehör verletzt, indem sie beinahe sämtliche Aktenbestandteile, welche die wesentliche Entscheidungsgrundlage darstellen würden, von der Akteneinsicht ausgenommen habe. Die belangte Behörde habe die zutiefst zum Ausdruck gebrachte Reue des Beschwerdeführers und sein Bestreben, in Zukunft ein gesetzestreues Leben zu führen, nicht in die Entscheidung einbezogen. Der Beschwerdeführer habe jeglichen Kontakt zu seinen falschen Freunden abgebrochen. Hätte die belangte Behörde sämtliche Aspekte des Lebenswandels des Beschwerdeführers einbezogen, wäre sie zu einer positiven Zukunftsprognose gelangt. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den Beschwerdeführer näher zu Fluchtgründen und Rückkehrsituation zu befragen. Die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz sei schlecht. Der Beschwerdeführer werde als gescheiterter Rückkehrer stigmatisiert werden. Rückkehrer aus dem westlichen Ausland seien gefährdet. Eine Unterstützung des Beschwerdeführers durch die verbleibenden Verwandten sei nicht vorstellbar. Allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage seien schlecht. Es bestehe das reale Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Es könne nicht von einem besonders schweren Verbrechen die Rede sein, der Beschwerdeführer sei bei der ersten Verurteilung minderjährig und bei der letzten gerade 18 gewesen. Die Ausschlussklauseln seien in Anbetracht der schwerwiegenden Folgen restriktiv auszulegen. Der Beschwerdeführer stehe in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seiner in Österreich aufhältigen Familie. Er habe sein gesamtes Leben mit Eltern und Geschwistern im gemeinsamen Haushalt gelebt.
Mit Ladung vom 20.11.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 14.11.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seiner Rückkehrsituation und seinen Lebensverhältnissen befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Der Beschwerdeführer verfügt auch über Deutschkenntnisse.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.11.2015, 154 HV 5/2015g, wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahles gemäß §§ 127, 130 erster Fall, 15 StGB und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon zehn Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden (Jugendstraftat).
Der Beschwerdeführer hat:
? mit Gewalt gegen eine Person bzw. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anderen Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nämlich:
o am 04.06.2015 mit einem Mittäter einem Opfer ein Mobiltelefon, wobei der Beschwerdeführer das Opfer zur Übergabe des Mobiltelefons aufforderte, der Mittäter sich dem Opfer in den Weg stellte und der Beschwerdeführer das Opfer am Kragen packte, es festhielt und ihm eine Ohrfeige verpasste, wobei es lediglich deshalb beim Versuch blieb, da das Opfer sich befreien und flüchten konnte;
o am 27.05.2015 einem Opfer ein Mobiltelefon, indem er ihn nach Guthaben fragte, nach dessen Verneinung sagte: „Mann, ich klatsch dir eine!“, daraufhin das Opfer an den Handgelenken umfasste und nach dem Mobiltelefon griff, dabei gegen die linke Wade des Opfers drückte, sodass dieser Rückwärts zu Boden stürzte und der Beschwerdeführer anschließend sagte: „Willst du Stress mit Tschetschenen“, „Ich mach dich fertig, Alter!“, wobei er auf eine dort befindliche Auslagescheibe zeigte, wobei es lediglich deshalb beim Versuch blieb, weil Passanten in der Nähe waren und das Opfer laut auf die Situation hinwies;
? gewerbsmäßig Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
o weggenommen, nämlich am 25.09.2015 ein Mobiltelefon, in dem er das Opfer am Arm nahm und das Mobiltelefon aus der rechten vorderen Hosentasche zog
o wegzunehmen versucht, indem er in diversen Geschäftslokalen Waren an sich nahm und ohne Bezahlung das Geschäft verließ, wobei er jeweils von einem Ladendetektiv beobachtet wurde, nämlich:
? am 26.09.2015 mit einem Mittäter Verfügungsberechtigten eines Bekleidungsgeschäftes eine Jacke im Wert von EUR 49,–;
? am 15.06.2015 Verfügungsberechtigten eines Bekleidungsgeschäftes Kleidungsstücke im Gesamtwert von EUR 32,97;
? am 07.08.2015
? Verfügungsberechtigten eines Bekleidungsgeschäftes eine Hose im Wert von EUR 19,–;
? Verfügungsberechtigten eines weiteren Bekleidungsgeschäftes eine Hose im Wert von EUR 19,–;
? am 07.09.2018 Verfügungsberechtigten eines Bekleidungsgeschäftes eine Hose und eine Weste im Gesamtwert von EUR 44,–
? am 25.09.2015 Verfügungsberechtigten eines Elektrofachhändlers ein Handycover im Wert von EUR 32,99 sowie ein Handyladegerät im Wert von EUR 9,99;
? am 13.07.2015 Verfügungsberechtigten eines Bekleidungsgeschäftes einen Pullover im Wert von EUR 13,–;
? am 23.09.2015 mit einem Mittäter Verfügungsberechtigten einer Drogerie Kosmetikartikel im Gesamtwert von circa EUR 18,–;
? vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Marihuana, gewerbsmäßig anderen durch gewinnbringenden Verkauf am 06.07.2015,
o überlassen, nämlich
? einer Person ein Baggie zu 0,7 g zu einem Preis von EUR 10,–
? unbekannten Suchtgiftabnehmern in mehrfachen Angriffen insgesamt 18 Baggies;
o zu überlassen versucht, indem er weitere 19 Baggies zu 11,1 g zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf an unbekannte Suchtgiftabnehmer bereithielt.
Mildernd wurden das Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel und dass es bei den meisten Fakten beim Versuch geblieben ist, erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen mit einem Vergehen, die Begehung der Taten während eines offenen Strafverfahrens und die Tatwiederholung berücksichtigt.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25.04.2016, 162 HV 30/2016v, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall und 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wovon sechs Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden (Jugendstraftat).
Der Beschwerdeführer hat gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
? wegzunehmen versucht, nämlich
o am 22.03.2016 Verfügungsberechtigten eines Elektrofachhändlers ein Ladekabel im Wert von EUR 19,99, wobei es nur deshalb beim Versuch geblieben ist, weil der Beschwerdeführer von einem Zeugen beobachtet und nach Passieren des Kassenbereichs angehalten werden konnte;
o am 18.03.2016 zwei Privatpersonen deren Mobiltelefone in nicht mehr festzustellendem Wert;
? weggenommen, am 18.03.2018 einer Privatperson ein Mobiltelefon im Wert von EUR 200,–.
Mildernd wurde das Geständnis, dass es überwiegend beim Versuch geblieben ist, die schwierigen familiären Verhältnisse, die Schadensgutmachung und die herabgesetzte Steuerungsfähigkeit, erschwerend eine einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall berücksichtigt.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.06.2016, 162 HV 31/2016s, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall, Abs. 2 erster Fall StGB, des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahles, teilweise durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 1 erster Fall StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.11.2015, 154 HV 5/2015g, zu einer Zusatzstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon zehn Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden (Jugendstraftat).
Der Beschwerdeführer hat
? am 07.04.2014 mit einem Mittäter mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Messer, dem Opfer eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld in Höhe von EUR 5,– mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem der Mittäter das Opfer in den Schwitzkasten nahm und umklammerte, der Beschwerdeführer ihn trat, ihm ein Messer zeigte und ihm sodann EUR 5,– aus der Hosentasche nahm und dem Mittäter gab, wodurch das Opfer eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich einen Sprung im Ellenbogen erlitt, wobei die schwere Verletzung dem Mittäter nicht zuzurechnen ist;
? fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, nämlich
o mit einem Mittäter in drei Angriffen durch Einsteigen in einen Lagerplatz Verfügungsberechtigten eines Lebensmittelgeschäftes diverse Lebensmittel, Süßigkeiten und Getränke im Gesamtwert von ca. EUR 284,–, indem einer der beiden über ein 3,5 m hohes Tor und einen 5 m hohen Palettenstapel in den Lagerplatz einstieg, die Waren an sich nahm und sie der andere jenseits des Tores entgegennahm, nämlich
? am 20.09.2014
? zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt zwischen 22.09.2014 und 24.09.2014,
? am 26.09.2014;
o in der Nacht von 12.08.2014 auf 13.08.2014 durch Einbruch in einen PKK ein Nagelpflegesetz, indem er das Fenster des PKWs mit seiner Faust einschlug und das Nagelpflegeset an sich nahm;
o mit einem Mittäter gewerbsmäßig, indem sie Gegenstände aus den unversperrten PKWs an sich nahmen, nämlich
? in der Nacht von 29.08.2014 auf 30.08.2014 einem Opfer ein Mobiltelefon im Wert von ca. EUR 200,–;
? in der Nacht von 13.09.2014 auf 14.09.2014 einem Opfer ein Fernglas im Wert von EUR 1.500,–, ein Navigationsgerät im Wert von ca. EUR 200,–, einen Fotoapparat im Wert von ca. EUR 400,– und zwei LED-Taschenlampen im Gesamtwert von EUR 100,–
? zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt von 19.09.2014 bis 21.09.2014 einem Opfer eine Fotokamera im Wert von EUR 70,–;
? am 20.09.2014 einem Opfer ein Etui im Wert von EUR 30,–;
? am 20.09.2014 einem Opfer ein Navigationsgerät im Wert von EUR 100,–;
? am 20.09.2020 einem Opfer eine Geldbörse und eine Sonnenbrille im Wert von EUR 120,–;
? am 14.09.2014 zumindest 30 weiteren nicht mehr festzustellenden Personen verschiedene nicht mehr festzustellende Gegenstände von nicht mehr festzustellendem Wert;
? von August bis September 2014n zumindest weiteren nicht mehr festzustellenden Personen verschiedene nicht mehr festzustellende Gegenstände von nicht mehr festzustellendem Wert;
? zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im August 2014 einem nicht mehr festzustellenden Gewahrsamsträger ein Mobiltelefon von nicht mehr festzustellendem Wert sowie Bargeld iHv EUR 20,–.
Mildernd wurde das Geständnis und die Unbescholtenheit, erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die mehrfache Tatwiederholung und die Doppelqualifikation beim Raub berücksichtigt.
Mit Urteil des Landesgerichts Wien vom 09.11.2016, 152 HV 84/2016m, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 und 2 StGB unter Bedachtnahme auf die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25.04.2016, 162 HV 30/2016v, und vom 06.06.2016, 162 HV 31/2016s, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt (Jugendstraftat).
Der Beschwerdeführer hat am 11.03.2016 mit drei Mittätern versucht, zwei Opfern fremde bewegliche Sachen, nämlichen deren Geldbörsen und Handys, mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie diese verfolgten, anschließend umkreiste, der Beschwerdeführer sie an der Jacke packte, sie ihnen Schläge versetzten, ihre Hosentaschen durchsuchten und die Herausgabe der genanntem Wertgegenstände forderten, wobei es aufgrund der Weigerung der Opfer und ihrer Gegenwehr beim Versuch blieb.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20.06.2017, 141 HV 21/2017t, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Zudem wurde die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.11.2015, 154 Hv 5/2015g gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.
Der Beschwerdeführer hat
? mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen oder abgenötigt, nämlich
o mit einem Mittäter
? am 07.02.2017 einem Opfer Bargeld in Höhe von EUR 15,–, ein Mobiltelefon im Wert von EUR 200,– und Lautsprecher im Wert von EUR 30,–, indem der Mittäter dem Opfer beim Vorbeigehen in den Bauch schlug, ihn aufforderte, mit ihm mitzukommen, da draußen Leute warten würden, die mit ihm reden wollen würden, ihn danach mit einem Arm „umarmte“ und nach draußen führte, während der Beschwerdeführer neben dem Opfer ging, sie ihn gegen eine Wand drückten und schließlich beide seine Kleidung durchsuchten und die genannten Gegenstände an sich nahmen;
? am 12.03.2017 einem Opfer ein Mobiltelefon im Wert von EUR 200,–, eine Geldbörse im Wert von EUR 8,–, Sportschuhe im Wert von EUR 150,–, eine Jacke im Wert von EUR 200,–, eine Zigarettenpackung im Wert von EUR 4,50 und Bargeld in Höhe von EUR 5,–, sowie einem weiteren Opfer ein Ladekabel im Wert von EUR 10,– und Bargeld in Höhe von EUR 10,–, indem die Opfer von ihnen angesprochen und zum Herzeigen der Mobiltelefone aufgefordert wurden, der Mittäter einem Opfer das Mobiltelefon aus der Hand nahm und einsteckte, die Opfer aufgefordert wurde, ihnen zu flogen, danach der Mittäter ein Opfer aufforderte, seine Jacke und seine Schuhe auszuziehen und als sich dieses weigerte, der Beschwerdeführer auf ihn hintrat, woraufhin das Opfer eingeschüchtert Jacke und Schuhe auszog und dem Mittäter übergab, der Mittäter anschließend die Geldbörse aus der Jackentasche nahem, während der Beschwerdeführer das andere Opfer aufforderte, ihm sein Geld zu geben und seine Bauchtasche zu öffnen, was dieser auch tat, woraufhin der Beschwerdeführer ein Handyladekabel aus der Bauchtasche nahm und das Opfer ihm EUR 100,– übergab;
o am 17.03.2017 zwei Opfern insgesamt EUR 9,– Bargeld und ein Mobiltelefon im Wert von EUR 180,–, indem er ihnen, nach er sie aufgehalten hatte, seine im Hosenbund steckende Spielzeugpistole zeigte und mit der Drohung „Sie sollen keinen Scheiß machen“ zur Ausfolgung von Bargeld und Handys zwang
? am 17.03.2017 Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, zu hindern versucht, indem er wiederholt mit den Fäusten auf die einschreitenden Beamten einschlug und mit den Füßen auf sie eintrat, wobei die Festnahme letztendlich vollzogen werden konnte;
? gewerbsmäßig Verfügungsberechtigten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
o wegzunehmen versucht, wobei es beim Versuch blieb, weil er vom Ladendetektiv angehalten wurde, nämlich
? am 10.02.2017 Verfügungsberechtigten einem Sportfachhändler Boxhandschuhe, eine Umhängetasche und ein T-Shirt im Wert von EUR 74,50, indem er in der Umkleidekabine die Diebstahlssicherung und Verpackungen entfernte und mit den Waren ohne zu bezahlen den Kassenbereich passieren wollte;
? am 30.01.2017 Verfügungsberechtigten eines Elektrofachhändlers einen Lautsprecher im Wert von EUR 29,99, indem er den Lautsprecher in seinen Hosenbund einsteckte und den Kassenbereich ohne zu bezahlen passierte;
o weggenommen, nämlich am 30.01.2017 Verfügungsberechtigten eines Bekleidungsgeschäftes eine Jacke im Wert von EUR 29,99.
Als erschwerend wurden die einschlägige Vorstrafenbelastung, der rasche Rückfall, die Tatbegehung während mehrerer offener Probezeiten, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die Faktenmehrheit beim gewerbsmäßigen Diebstahl, als mildernd das reumütige Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, sowie das Alter unter 21 zu den Tatzeitpunkten berücksichtigt.
Die Eltern des Beschwerdeführers stammen beide aus Paktia. Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in der Provinz Paktia, Distrikt Samkani nahe der Pakistanischen Grenze geboren. Er lebte bis zum Sturz der Taliban in Pakistan, dann kehrte er mit seiner Familie nach Afghanistan zurück.
Der Vater des Beschwerdeführers reiste bereits im Jahr 2003 in das Bundesgebiet ein, stellte am 01.10.2003 und am 02.03.2003 Anträge auf internationalen Schutz, wurde am 05.08.2009 von Großbritannien nach Österreich Rücküberstellt und stellte am 05.08.2009 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.03.2010 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der Beschwerdeführer reiste mit seinem jüngeren Bruder und seiner Mutter am 06.10.2012 legal ins Bundesgebiet ein. Bis dahin verblieben sie im Herkunftsdorf.
Der Mutter des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.02.2014 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Mit Erkenntnissen vom selben Tag wurden auch dem Beschwerdeführer, seinem jüngeren Bruder und seinem Vater gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Der Beschwerdeführer hält sich seit 06.10.2012 in Österreich auf. Er hat in Österreich die Hauptschule, die Sonderschule und die polytechnische Schule besucht.
Der Beschwerdeführer befand sich von 26.09.2015 bis 24.02.2016 und von 22.03.2016 bis 20.01.2017 und befindet sich seit 17.03.2017 erneut in Haft. Er wird voraussichtlich am 15.01.2021 aus der Haft entlassen. In der Haftanstalt hat der Beschwerdeführer Deutschkurse besucht und als Maler/Anstreicher, sowie als Schlosser gearbeitet. Mit Ausnahme der Haft-Zeiträume lebte der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und Geschwistern im gemeinsamen Haushalt.
Die Eltern des Beschwerdeführers, sein jüngerer Bruder und seine jüngere Schwester leben in Österreich, in XXXX . Zudem ist ein Onkel mütterlicherseits im Bundesgebiet aufhältig. Seine Angehörigen haben den Beschwerdeführer in der Haftanstalt regelmäßig besucht, auch telefonischer Kontakt besteht.
Ein Onkel des Beschwerdeführers lebt in Kuwait und ein weiterer in Dubai.
In Afghanistan im Herkunftsdorf leben noch zwei ältere Brüder des Beschwerdeführers und seine Großmutter väterlicherseits. Sie leben in einem neu gebauten Haus. Zudem sind noch weitere Verwandte des Beschwerdeführers (Onkeln, Cousins, etc.) in der Herkunftsprovinz aufhältig. Die Angehörigen in Afghanistan arbeiten selbst und erhalten finanzielle Unterstützung vom Vater des Beschwerdeführers und seinen Onkeln in Kuwait und Dubai. Der Beschwerdeführer steht mit seinen Angehörigen im Herkunftsstaat in Kontakt.
1.2. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Der Beschwerdeführer reiste mit etwa 13 Jahren aufgrund eines Visums im Rahmen der Familienzusammenführung aus dem Herkunftsstaat aus und nach Österreich ein. Sonstige unmittelbare Gründe für seine Ausreise können nicht festgestellt werden.
Es kommt zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Personen, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Betroffene wurden etwa bedroht, gefoltert oder getötet, weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen gemacht und „Ausländer“ geworden seien oder als Spione oder auf andere Weise ein westliches Land oder die Regierung unterstützen würden.
Heimkehrer aus westlichen Ländern sind mit Misstrauen der örtlichen Gemeinschaft aber auch von Staatsbeamten konfrontiert.
Für Männer ist das Risiko, als „verwestlicht“ wahrgenommen zu werden, im Allgemeinen gering und hängt von den individuellen Umständen ab.
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Die Provinz Paktia zählt zu den volatilen Provinzen Afghanistans, Taliban und Haqqani-Netzwerk sind präsent. Zuletzt kam es im Jahr 2019 zu 218 zivilen Opfern, ein Rückgang um 49 % im Vergleich zu 2018. Hauptursache für zivile Opfer sind Bodenkämpfe, gezielte Tötungen und Suchoperationen. Für den Distrikt Samkani sind für den Zeitraum 01.01. bis 31.03.2020 keine sicherheitsrelevanten Vorfälle verzeichnet, für das Jahr 2019 3 bzw. 9. In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen und Luftangriffen. Der Herkunftsdistrikt kann auf dem Landweg von Kabul aus über den Kabul-Gardez-Highway und die Provinz Logar erreicht werden. An dieser Autobahn errichten die Taliban Checkpoints, durchsuchen Autos, suchen Regierungsangestellte, entführen Zivilisten, etc. Im Mai 2018 wurde die Straße nach Kämpfen mit den afghanischen Sicherheitskräften von den Taliban geschlossen.
Der durch die afghanische Regierung geleistete Menschenrechtsschutz ist trotz ihrer ausdrücklichen Verpflichtungen, nationale und internationale Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, inkonsistent. Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden unabhängig von der tatsächlichen Kontrolle über das betreffende Gebiet durch den Staat und seine Vertreter, regierungsnahe Gruppen und regierungsfeindliche Gruppierungen statt. Straflosigkeit ist weit verbreitet. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen sind insbesondere in umkämpften Gebieten verbreitet. Das formale Justizsystem ist schwach ausgeprägt, Korruption, Drohungen, Befangenheit und politische Einflussnahme sind weit verbreitet, es mangelt an ausgebildetem Personal und Ressourcen. Die Sicherheitskräfte wenden unverhältnismäßige Gewalt an, Folter ist in Haftanstalten weit verbreitet.
Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt, die Wirtschaft stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig und stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor, der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht. Lebensgrundlage von 80 % der Bevölkerung ist die Landwirtschaft. Ca. 44 % der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 54 % zwischen 15 und 64. Jedes Jahr treten sehr viele junge Afghanen in den Arbeitsmarkt ein, während die Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten können.
Die afghanische Wirtschaft wurde hart von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie getroffen. Als Folge sind die Preise von Grundnahrungsmitteln stark gestiegen. Aufgrund der Maßnahmen gibt es weniger Gelegenheitsarbeit. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, was etwa zu einer Verschärfung von Armut, einem Rückgang der Staatseinnahmen und einer geringeren Nachfrage nach Arbeitskräften führt. Besonders von weiterer Verarmung betroffen sind von Tagelöhner-Einkommen abhängige Familien.
Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung im Sinne von Ausgangsbeschränkungen, Beschränkungen des wirtschaftlichen Lebens oder der Bewegungsfreiheit sind aktuell nicht in Kraft.
Afghanistan ist von der COVID-19-Pandemie betroffen, dies gilt auch für Balkh. Das afghanische Gesundheitssystem ist mangelhaft, der überwiegende Anteil der Bevölkerung hat jedoch Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung. Die medizinische Versorgung ist in großen Städten und auf Provinzebene sichergestellt. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildetem Personal, mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. In Distrikten mit guter Sicherheitslage werden in der Regel mehr und bessere Leistungen angeboten. Die Behandlungskosten sind hoch. Mazar-e Sharif verfügt über mehrere Krankenhäuser und sonstige Behandlungseinrichtungen. Bedingt durch die begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und die begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan unzureichend erfasst. Krankenhäuser und Kliniken haben Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19.
Mazar-e Sharif steht unter Regierungskontrolle, Kampfhandlungen finden im Wesentlichen nicht statt, es kommt jedoch zu Sicherheitsvorfällen. Die Kriminalität ist zuletzt gestiegen. Die Stadt verfügt über einen internationalen Flughafen, über den sie Stadt sicher erreicht werden kann.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf seinen aktenkundigen afghanischen Identitätsdokumenten (Reisepass, Tazkira). Die Feststellungen zu Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben im Lauf seiner Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihren Entscheidungen zugrunde. Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen beruht auf den in Zusammenschau mit seinem Schulbesuch, seinem Deutschkursbesuch in der Haftanstalt und seines längeren Aufenthaltes in Österreich plausiblen Angaben.
Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.
Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhen auf den im Akt einliegenden teils gekürzten Urteilsausfertigungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien.
Die Feststellungen zum Lebenswandel des Beschwerdeführers vor der Einreise beruhen auf den Angaben seiner Eltern in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.02.2014 und dem Asylgerichtshof am 17.10.2013.
Die Feststellungen zu Verfahren und Status der Angehörigen des Beschwerdeführers, sowie des Beschwerdeführers selbst beruhen auf den im Akt einliegenden, deren Verfahren betreffenden Erkenntnissen, sowie dem Akteninhalt und sind unstrittig.
Das Einreisedatum ist aktenkundig, die Feststellungen zum Schulbesuch beruhen auf den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen zu den Haftzeiten gehen aus dem im Akt einliegenden Auszug aus dem zentralen Melderegister in Zusammenschau mit den bereits angeführten Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien hervor. Zudem liegt auch eine Vollzugsinformation der Haftanstalt, in der der Beschwerdeführer aktuell seine Haftstrafe verbüßt, im Akt ein (OZ 8). Aus dieser ergibt sich auch der Entlassungszeitpunkt. Dass der Beschwerdeführer ansonsten im Haushalt seiner Eltern lebte, hat er selbst angegeben und erscheint dies auch plausibel.
Die Feststellungen zu den Onkeln in Kuwait und Dubai beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 02.04.2018 (AS 16), wo er auch angab, die Angehörigen in Afghanistan würden selbst arbeiten und zudem Unterstützung von seinem Vater und den Onkeln in Kuwait und Dubai erhalten.
In seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde gab der Beschwerdeführer an, im Herkunftsstaat seien noch Familienangehörige aufhältig, nämlich Großeltern, Onkeln und Cousins. Zudem gibt er an, er habe zwei Schwestern in Afghanistan, diese seien verheiratet (AS 16). Seine Eltern haben jedoch im Lauf seiner Verfahren stets angegeben, dass ihre beiden weiteren, in Afghanistan verbliebenen Kinder, die im Zeitpunkt der Einreise des Beschwerdeführers, seines jüngeren Bruders und seiner Mutter bereits volljährig waren, Söhne sind (etwa Einvernahmeprotokoll vom 02.04.2013, S 4 [Zuerkennungsakt, AS 91]; Verhandlungsprotokoll vom 20.02.2014, S. 3 [OZ 4, Akt zu W160 1435667-1; Verhandlungsprotokoll vom 17.10.2013, S. 5, 6-7 [OZ 3, Akt zu C20 435.667-1/2013) und zählten noch einige weitere Verwandte auf und bestätigten stets, es bestehe Kontakt zu den Söhnen im Herkunftsstaat. Auch der Beschwerdeführer gab in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 20.09.2018 noch an, er habe nicht in der Anstalt, aber draußen Kontakt ins Heimatland gehabt, es seien ja seine Onkel (AS 16). Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.12.2020 behauptete der Beschwerdeführer, nichts von Familie in Afghanistan zu wissen und gibt erst auf konkrete Nachfrage an, seine Großeltern würden in Afghanistan leben (OZ 12, S. 4). Damit und auch in Kontrast zu seinen früheren Angaben und den Angaben seiner Eltern wird offenkundig, dass der Beschwerdeführer im Lauf seines Verfahrens versucht hat, seine sozialen Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat zu verschleiern. Entsprechend wurde den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 02.04.2018, sowie den Angaben seiner Eltern folgend Feststellungen zu den Angehörigen im Herkunftsstaat getroffen.
2.2. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe es unterlassen, den Beschwerdeführer zu etwaigen vorliegenden Fluchtgründen bzw. zu seiner Rückkehrsituation näher zu befragen und sei der Beschwerdeführer nie zu etwaigen eigenen Fluchtgründen befragt worden (AS 241) ist zunächst anzumerken, dass die Mutter des Beschwerdeführers als dessen gesetzliche Vertreterin in ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 02.04.2013 angab, ihre Angaben würden für sie selbst und für ihre beiden Söhne gelten (Zuerkennungsakt, AS 87) und angibt, sie sei mit ihren Söhnen nach Österreich gekommen, um bei ihrem subsidiär Schutzberechtigten Ehemann zu leben. Sie wolle, dass ihre Kinder den gleichen Schutz erhalten. Es habe keine konkreten Probleme gegeben (Zuerkennungsakt, AS 89). Sie wurde vom Bundesasylamt auch nochmals gefragt, ob sie eine konkrete individuelle Bedrohung ihrer Person oder ihrer Söhne vorbringen wolle, was sie verneinte und verneinte auch, bezüglich ihrer beiden minderjährigen Söhne noch etwas ergänzen zu wollen (Zuerkennungsakt, AS 91). Der Beschwerdeführer selbst wurde schließlich im Aberkennungsverfahren durch die belangte Behörde am 20.09.2018 niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde er gefragt, was gegen eine Rückkehr in sein Heimatland sprechen würde und was er dort befürchte. Hierauf gab der Beschwerdeführer an: „Angst habe ich vor nichts in Afghanistan, aber für immer dort bleiben und leben, das kann ich nicht. Mein Vater würde mich nie zurückholen wegen meiner Straftaten, da ich hier schlechte Freunde hatte.“ (AS 17). Auf Nachfrage der belangten Behörde, warum er nicht für immer dortbleiben und leben könne, gibt der Beschwerdeführer an: „Meine Familie, meine Mutter, ist hier in Österreich.“ Zudem wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde im Zuge derselben Einvernahme detailliert zu sozialen Anknüpfungspunkten und Lebensverhältnissen befragt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.12.2020 äußerte der Beschwerdeführer keinerlei Rückkehrbefürchtungen oder Fluchtgründe. Abseits allgemeiner Ausführungen zur Sicherheits- und Versorgungslage, die in oberflächlichen Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer gestellt werden, enthält auch die Beschwerde keinerlei konkretes Fluchtvorbringen. Entsprechend wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit etwa 13 Jahren aufgrund eines Visums im Rahmen der Familienzusammenführung aus dem Herkunftsstaat aus und nach Österreich einreiste und konnten sonstige unmittelbare Gründe für seine Ausreise nicht festgestellt werden. Für den Fall der Rückkehr wurde eine Gefährdung nicht konkret vorgebracht, sondern gibt der Beschwerdeführer viel mehr – wie bereits zitiert – im Wesentlichen an, dass er sich vor einer Rückkehr nicht fürchtet, jedoch bei seiner Familie verbleiben will.
Die Feststellungen zur Situation von Rückkehrern aus dem westlichen Ausland beruhen auf den UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe i) Als „verwestlicht“ wahrgenommene Personen, S. 52-53, sowie der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 13. Individuals perceived as ,Westernised‘, S. 65-66). Letztere berichtet insbesondere, dass das Risiko für Männer, als „verwestlicht“ wahrgenommen zu werden, gering ist. Auch das Länderinformationsblatt bestätigt, dass Rückkehrer aus dem „westlichen Ausland“ mit Misstrauen der afghanischen Gesellschaft rechnen müssen (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr).
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.07.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) und den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), alle vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 20.11.2020 (OZ 10) in das Verfahren eingebracht.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Paktia beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.26. Paktya/Paktia, dem ebenso mit Ladung vom 20.11.2020 (OZ 10) in das Verfahren eingebrachten EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020 und der EASO Country Guidance.
Die Feststellungen zur Menschenrechtslage beruhen auf den UNHCR-Richtlinien, Kapitel II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Unterkapitel C. Die Menschenrechtssituation, S. 26 ff., sowie dem damit übereinstimmenden Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Rechtsschutz/Justizwesen, 5. Folter und unmenschliche Behandlung und 10. Allgemeine Menschenrechtslage. Mangels konkreter Anhaltspunkte im Vorbringen des Beschwerdeführers wurden genauere Feststellungen zu den jeweiligen Themenkreisen nicht getroffen.
Die Feststellungen zur Wirtschaftslage in Afghanistan beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 20. Grundversorgung und dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020.
Der negative Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die afghanische Wirtschaft geht aus dem Länderinformationsblatt, insbesondere Information vom 21.07.2020 hervor und wird auch vom EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020 bestätigt. Dieser berichtet etwa, dass für das Jahr 2020 ein Rückgang des BIP von 5,5 bis 7,4 % erwartet wird (Kapitel 2.1.1 Economic growth, S. 23), von einem Anstieg der Arbeitslosenrate für das Jahr 2020 (Kapitel 2.2.1. Unemployment, S. 28), von insgesamt negativen Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auf Arbeitsmarkt, Geschäftsaktivitäten, Armutsrate, etc. (etwa Kapitel 2.2.2 Employment opportunities and working conditions, S. 29-30; Kapitel 2.3.1. General trends, S. 36), einem verringerten Zugang zu Einkommen für arme städtische Haushalte, insbesondere für Tagelöhner (Kapitel 2.3.2. Urban poverty, S. 37) und einem Anstieg der Lebensmittelpreise (Kapitel 2.4.1. General situation, S. 39).
Im Hinblick auf aktuelle Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung geht aus dem Länderinformationsblatt hervor, die „landesweite Abriegelung“ sei zuletzt am 06.06.2020 um drei Monate verlängert worden, ebenso die Schließung der Schulen (Information vom 21.07.2020). Informationen zu einer darüberhinausgehenden Verlängerung waren allerdings nicht auffindbar (Vgl. etwa die aktuelle Informationen bietende Homepage der US-Botschaft in Afghanistan: https://af.usembassy.gov/covid-19-information/, abgerufen am 18.12.2020). Der Beschwerdeführer hat auch kein Vorbringen im Hinblick auf aktuelle Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung erstattet.
Die Feststelllungen zur COVID-19-Pandemie beruhen auf dem Länderinformationsblatt, insbesondere Information vom 21.07.2020. Die Feststellungen zur Gesundheitsversorgung beruhen ebenso auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Medizinische Versorgung, sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020, Kapitel 2.6 Health care, S. 45 ff.).
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Aberkennung des Status des Asylberechtigten)
Eingangs ist anzumerken, dass sich der Status als Asylberechtigter beim Beschwerdeführer ausschließlich gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 vom Status seiner Mutter ableitet, wobei die diesbezüglichen Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht mehr vorliegen (Straffälligkeit gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 iVm § 2 Abs. 3 und 4 AsylG 2005). Eigene Fluchtgründe wurden dagegen nicht konkret vorgebracht.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vorliegt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.
Für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein: Der Asylberechtigte muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (jüngst etwa 26.02.2019, VwGH Ra 2018/18/0493).
Gegenständlich weist der Beschwerdeführer fünf rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf und wurde wiederholt wegen Verbrechen verurteilt. Der Beschwerdeführer hat damit Verbrechen im Sinne des § 17 StGB begangen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Verurteilung, die zueinander im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stehen, als Einheit zu werten, weil der Fremde die der zweiten Verurteilung zu Grunde liegende Tathandlung schon vor dem Zeitpunkt der ersten Verurteilung begangen hat. In einem solchen Fall manifestiert sich der besondere Unwertgehalt mehrfachen deliktischen Handelns – anders als bei einem Rückfall nach dem früheren Gerichtsurteil – nicht darin, dass der Fremde trotz dieser Verurteilung wieder eine strafbare Handlung gesetzt hat, sondern liegt im insgesamt verwirklichten deliktischen Verhalten (VwGH 14.06.2012, 2011/21/0153).
Gegenständlich wurde der Beschwerdeführer zwei Mal, nämlich mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.06.2016, 162 Hv 31/2016s, unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.11.2015, 154 Hv 5/2015g, und mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 09.11.2016, 152 Hv 84/2016m, unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25.04.2016, 162 Hv 30/2016v und das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.06.2016, 162 Hv 31/2016s, zu einer Zusatzstrafe gemäß § 31 und 40 StGB verurteilt. Diese Verurteilungen sind demnach als Einheit zu werten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sei etwa bewaffneter Raub. Dabei kommt es nicht allein auf die Strafdrohung an und es genügt nicht, wenn ein abstrakt als „schwer“ einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist. Es ist eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen. Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen erweist sich bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose als zulässig (etwa VwGH 22.10.2020, Ra 2020/14/0456).
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.06.2016, 162 HV 31/2016s, wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 erster Fall und Abs. 2 zweiter Fall StGB verurteilt, wobei der der Verurteilung zugrundeliegende Raub unter Verwendung eines Messers, das der Beschwerdeführer führte, begangen würde und zudem beim Opfer eine an sich schwere Körperverletzung verursacht wurde. Eine vom Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ umfasste Tat liegt damit grundsätzlich vor.
Aber auch unter Berücksichtigung der ausführlich festgestellten konkreten Tatbegehung erweist sich die Tat als an sich schweres Verbrechen. Einzubeziehen ist zudem, dass der Beschwerdeführer neben dem bereits angeführten schweren Verbrechen des schweren (bewaffneten) Raubes wiederholt das Verbrechen des Raubes begangen hat und insgesamt – sofern in Freiheit – seit dem Jahr 2014 mit Regelmäßigkeit unzählige Straftaten begangen hat, in denen er sich mit Gewalt gegen Personen richtete und sich fremdes Vermögen zueignete. So können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch im Fall einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und insofern verhängter, beträchtlicher und überwiegend unbedingter Freiheitsstrafen, verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als „besonders schweres Verbrechen“ qualifiziert werden (VwGH 22.10.2020, Ra 2020/14/0456). Dazu, dass der Beschwerdeführer die Delikte überwiegend noch minderjährig begangen hat, ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer nach Entlassung aus einer 10-monatigen Haft und bereits mehrfach wegen Raubes verurteilt innerhalb von drei Wochen nach Haftentlassung – nunmehr volljährig – erneut einen Raub beging und dieser Tat bis zu seiner neuerlichen Festnahme abgesehen von einigen Vermögensdelikten ohne Gewaltanwendung gegen Personen innerhalb kürzester Zeit noch zwei weitere Raube folgen ließ. Weiter ist angesichts der insgesamt hohen Zahl von durch den Beschwerdeführer verwirklichten strafbaren Handlungen ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer einen Großteil seiner Taten als Minderjähriger begangen hat, von dessen Gemeingefährlichkeit und einem überwiegen der öffentlichen Interessen auszugehen (Vgl. VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0289). Insbesondere ist auch das „Wohlverhalten“ des Beschwerdeführers seit seiner letzten Verurteilung vom 20.06.2017 ausschließlich auf den Umstand zurückzuführen, dass sich der Beschwerdeführer noch immer in Haft befindet.
Auch im Fall einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und insofern verhängter, beträchtlicher und überwiegend unbedingter Freiheitsstrafen, können verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als „besonders schweres Verbrechen“ qualifiziert werden (VwGH 22.10.2020, Ra 2020/14/0456).
Der Beschwerdeführer hat damit den Asylausschlussgrund des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 verwirklicht und erfolgte die Aberkennung des Status des Asylberechtigten durch die belangte Behörde zu Recht. Die Beschwerde war im Ergebnis hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVM § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 ist einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Zwar widerspricht es nach der die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Statusrichtlinie, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106). Nachdem aber eine mit der Statusrichtlinie im Einklang stehende Interpretation des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer Auslegung contra legem führen würde, hielt der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr („real risk“) einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Ab