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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des N in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. November 1995, Zl. 4.341.972/1-III/13/92, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. November 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 29. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 2. März 1992 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 18. November 1992, mit dem festgestellt worden war, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Befragung am 17. November 1992 zu seinen Fluchtgründen befragt, angegeben, er gehöre der albanischen Minderheit an, außerdem sei er seit 1991 Mitglied der demokratischen Partei der Albaner. Er habe jedoch auf Grund seiner Mitgliedschaft nie Schwierigkeiten gehabt und habe sich auch politisch nicht betätigt. Im Jahre 1990 habe er in Pristina an Demonstrationen für bessere Arbeitsbedingungen und eine gerechtere Behandlung der Albaner teilgenommen. Er sei wegen dieser Teilnahmen mehrmals von der Polizei geladen worden und hätte sich in Pristina bei der dortigen Polizei melden müssen. Dennoch habe er diese Ladungen mißachtet. Im Jänner 1991 habe er einen Einberufungsbefehl zum Militär erhalten, nach dessen Inhalt er sich innerhalb von zwei Wochen in Pristina hätte melden müssen. Den Einberufungsbefehl habe er nicht selbst gesehen, diesen habe sein Vater entgegengenommen und ihm den Inhalt mitgeteilt. Sein Vater habe den Einberufungsbefehl dem Briefträger sofort wieder mitgegeben. Er selbst (der Beschwerdeführer) habe sich innerhalb der zwei Wochen jedoch nicht gemeldet und da sich das Militär bei ihm auch nicht gemeldet habe, habe er angenommen, die Sache sei erledigt. Im März 1991 habe er jedoch dann den zweiten Einberufungsbefehl erhalten und diesen ebenfalls mißachtet. Ab diesem Zeitpunkt sei die Polizei mehrmals zu ihm nach Hause gekommen, sodaß er gezwungen gewesen sei, sich zu verstecken. Er sei nur mehr selten zu Hause gewesen und habe bei Freunden genächtigt. Am 3. September 1991 sei der dritte Einberufungsbefehl gekommen; da er jedoch keinesfalls für die Serben habe kämpfen wollen und damit habe rechnen müssen, daß er bei Mißachtung dieses Befehles verhaftet werden würde, habe er sich zur Flucht entschlossen. Ansonsten habe er keinerlei Fluchtgründe anzugeben, hinsichtlich seiner Religion sei er in seinem Heimatland keinen Schwierigkeiten ausgesetzt gewesen.
Die Behörde erster Instanz erachtete die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht als vorliegend, ohne jedoch auf die von ihm angegebenen Fluchtgründe im einzelnen einzugehen. In seiner Berufung machte der Beschwerdeführer keinen von seinen Angaben in
erster Instanz abweichenden Sachverhalt geltend.
Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. November 1995 richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat nach Darstellung des Verfahrensganges und der von ihr in Anwendung gebrachten Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 ausgeführt, der Beschwerdeführer habe konkrete, asylrechtlich relevante, gegen seine Person gerichtete Verfolgungshandlungen nicht glaubhaft machen können. Ladungen von der Polizei seien grundsätzlich rechtstaatliche Instrumentarien bei Verdacht von rechtswidrigem Verhalten und ließen keine Rückschlüsse auf eine asylrechtlich relevante Verfolgungsmotivation des Staates zu. Umstände, daß der Beschwerdeführer infolge der Ladung mit asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen hätte rechnen müssen, habe er nicht dargetan. Ebensowenig seien durch die Nichtbefolgung dieser Ladungen in weiterer Folge für den Beschwerdeführer aslyrechtlich relevante Nachteile erwachsen. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten Weigerung, den Einberufungsbefehlen Folge zu leisten, führte die belangte Behörde aus, die Einberufung zur Militärdienstleistung stelle regelmäßig keine Verfolgung im Sinne des § 1 AsylG 1991 dar, wenn die staatlichen Maßnahmen der Durchsetzung staatsbürgerlicher Pflichten dienten. In diesem Sinne stelle die Militärdienstpflicht und deren Sicherstellung durch Strafandrohung eine auf einem originären und sourveränen staatlichen Recht beruhende legitime Maßnahme dar, weshalb eine unter Umständen auch strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion als solche keine Verfolgung im Sinne des § 1 AsylG 1991 darstelle. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Beweggründe, der geforderten Militärdienstpflicht nicht nachzukommen, sei asylrechtlich insofern unbeachtlich, als sie für sich noch keine Rückschlüsse auf eine Verfolgungsmotivation des Staates zuließen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen gewesen, daß mit seiner Einberufung eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre. Auch wenn die Weigerung zur Ableistung des Militärdienstes auf Gewissensgründe zurückzuführen hätte sein sollen, würde dies nicht bedeuten, daß der Beschwerdeführer aus diesen - nach außen nicht in Erscheinung tretenden Gründen - Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 zu befürchten gehabt hätte. Darüber hinaus nahm die belangte Behörde den Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 an, weil sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kroatien und Slowenien aufgehalten habe.
Der Beschwerdeführer verweist in der Beschwerde ausschließlich darauf, er habe glaubhafte Gewissensgründe für die Verweigerung der Wehrdienstleistung geltend gemacht, ein Fronteinsatz in einem Krieg, den er nicht befürworte und die Teilnahme an einem Bürgerkrieg, die ihn zwingen würde, unter Umständen auf eigene Landsleute zu schießen, sei für ihn mit seinem Gewissen unvereinbar und nicht zumutbar. Überdies hätte die Erfüllung seiner Wehrpflicht den sofortigen Kriegseinsatz bedeutet, bei dem er den Greueltaten der serbischen Machthaber schutzlos ausgeliefert gewesen wäre. Auch unter Berücksichtigung der derzeitigen Situation in seinem Heimatland sei nicht damit zu rechnen gewesen, daß er im Falle einer Aburteilung wegen Wehrdienstverweigerung einer geordneten Gerichtsbarkeit unterworfen gewesen wäre. Im übrigen bestritt der Beschwerdeführer das Vorliegen des Ausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991.
Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf welches des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - auf Grund der Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz AsylG 1991 nicht zu. In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde sich bei Begründung des angefochtenen Bescheides u.a. auch auf den Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 gestützt, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat (hier: Kroatien und Slowenien) vor Verfolgung sicher war. Auf dem Boden der richtigerweise von ihr anzuwendenden alten Rechtslage hätte aber die belangte Behörde von diesem Ausschließungsgrund zu Ungunsten des Beschwerdeführers nicht Gebrauch machen können, weil dem Asylgesetz (1968) - demzufolge in solchen Verfahren lediglich die bescheidmäßige Feststellung zu treffen war, ob der Betreffende als Flüchtling im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sei oder nicht - eine derartige Bestimmung fremd war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1007, und vom 27. Jänner 1994, Zlen. 93/01/0441, 0442).
Daraus allein ist für den Beschwerdeführer jedoch nichts zu gewinnen, da sich die belangte Behörde auch mit seiner Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (inhaltlich übereinstimmend mit § 1 Z. 1 AsylG 1991) auseinandergesetzt hat. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, daß auf Grund des AsylG 1991 abweichende verfahrensrechtliche Bestimmungen zu ungunsten des Beschwerdeführers angewendet worden wären.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht. Allerdings kann eine darauf zurückzuführende Furcht vor Verfolgung dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung bzw. eine unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen schärfere Sanktionen für die Verweigerung des Wehrdienstes drohen (vgl. dafür insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14089/A). Der Beschwerdeführer hat nach dem oben sinngemäß wiedergegebenen Inhalt seiner Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren einen Zusammenhang zwischen seiner Einberufung und derartigen Gründen nicht hergestellt, und ist ein solcher auf Grund des bloßen Umstandes, daß er der albanischen Minderheit angehört, auch nicht erkennbar (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1996, Zl. 95/01/0076). Beweggrund für die Weigerung, der Einberufung nicht Folge zu leisten, war nach seinen Angaben lediglich, daß er "jedoch keinesfalls für die Serben kämpfen wollte". Insoweit die Beschwerde geltend macht, es sei ihm die Ableistung des Militärdienstes aus Gewissensgründen nicht zumutbar gewesen, weil er den Krieg, in dem er hätte mittätig sein sollen, nicht befürworte, sowie daß er unter Umständen "auf eigene Landsleute" hätte schießen müssen, serbische Machthaber verschafften sich laufend unter "strikter Anwendung von Greueltaten Raison", er habe auch eine "geordnete Gerichtsbarkeit" im Falle seiner Aburteilung nicht zu erwarten gehabt, stellen sich diese Ausführungen als im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG nicht mehr beachtliche Neuerungen dar, auf die aus diesem Grunde nicht eingegangen werden kann.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010634.X00Im RIS seit
20.11.2000