TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/30 96/01/0032

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Veröffentlicht am 30.04.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des G in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. November 1995, Zl. 4.323.155/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. November 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 18. August 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 20. August 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 18. November 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 31. August 1991 angegeben, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Nationalität an und sei Moslem. Zu seinen Fluchtgründen gab er an:

"Ich bin ein Albaner und werde deswegen im KOSOVO durch die serbische Besatzung - das ist die Miliz und die Beamten der Behörden, die ausschließlich Serben sind - unterdrückt. Meinen Glauben habe ich aber ungehindert ausüben dürfen. Politisch habe ich mich nie betätigt und nahm seit 1988 regelmäßig an diesen Demonstrationen in P teil und ich wurde am 19.12.1989 im Zuge einer Demonstration von der serbischen Miliz ausgeforscht, verprügelt von 6 - 7 Milizionären und es wurde, weil ich damals noch zu jung war, kein Strafverfahren gegen mich eingeleitet. Wegen meiner erlittenen Verletzungen wurde ich sogar in ein Krankenhaus gebracht. Mir wurde damals die Nase gebrochen und ich hatte auch Schädelverletzungen. Ich habe jetzt noch, von diesen Schlägen Erinnerungslücken und fallweise Schwindelanfälle. Diese Verletzungen werde ich durch einen Arzt feststellen lassen. Aus Angst vor dem kommenden Bürgerkrieg habe ich mit meinen Freunden das Land verlassen und in Österreich um Asyl angesucht. Es stimmt, wenn ich sage, daß ich nur wegen meiner Jugend damals nicht verurteilt worden bin. Es besteht aber jetzt immer noch die Möglichkeit, daß ich wieder verhaftet werde und ich war außerdem 9 Tage im Krankenhaus in P und habe dieses selbständig wieder verlassen, sobald ich wieder halbwegs gehen konnte. Ich hatte Angst vor einer weiteren Verhaftung. Vor etwa 1 Monat hat mich die Miliz zu Hause gesucht, da war ich aber schon in Maribor und bei einem Besuch in der Heimat haben mir meine Eltern das erzählt und daraufhin habe ich beschlossen, das Land zu verlassen - mit meinen Freunden - und in Österreich um Asyl anzusuchen."

In der gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 18. November 1992 erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor:

"Ich bin Kosovo-Albaner. Am 19.12.1989 nahmen mich die Polizeibehörden als Demonstranten fest und brachten mich ins Gefangenenhaus. Sie schlugen mich und mißbrauchten mich. Danach lag ich als schwerverletzter Patient acht Tage lang im Krankenhaus. Als ich mich ein bißchen erholt hatte, flüchtete ich nach Kroatien, nach Bosnien und zuletzt nach Slowenien. Aus Slowenien kehrte ich wieder zurück nach Kosovo. Die Polizeibehörden verfolgten mich sofort wieder und deshalb mußte ich schon wieder flüchten."

Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab. Sie ging davon aus, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei. Dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz Asylgesetz 1991, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Die belangte Behörde verneinte das Vorliegen von Gründen im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991, weil dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine nachvollziehbare Begründung für seine objektiv empfundene Furcht entnommen werden könne, die unter den § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu subsumieren wäre, weshalb weder die Flüchtlingseigenschaft indiziert sei noch zur Gewährung von Asyl führen könne. Die belangte Behörde sprach dem Vorbringen betreffend die Teilnahme des Beschwerdeführers an der Demonstration im Dezember 1989 und der daran anschließenden Ausforschung und Mißhandlung den zeitlichen Konnex zur Ausreise ab. Im übrigen wäre dieses Vorbringen unglaubwürdig.

Zur Behauptung, die Miliz habe nach dem Beschwerdeführer zu Hause während seines Aufenthaltes in Maribor gesucht, führte die belangte Behörde aus, dieses Vorbringen sei "ausgesprochen allgemein gehalten" und erwecke den Eindruck, daß es der Asylgewährung dienen solle, nicht aber den Tatsachen entspreche. Der Beschwerdeführer habe nicht annähernd dartun können, aus welchem Grunde die Miliz nach ihm gefragt haben solle. Zur Angst des Beschwerdeführers vor dem kommenden Bürgerkrieg führte die belangte Behörde aus, daß das Asylrecht nicht die Aufgabe habe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution und sonstigen Unruhen hervorgingen. Wesentlich für den Flüchtlingsbegriff sei die Furcht vor einer gegen den Asylwerber selbst konkret gerichteten Verfolgungshandlung, nicht die Tatsache, daß es Kämpfe zwischen der Gruppe, welcher der Asylwerber angehöre, und anderen Gruppen im Heimatstaat gebe. Auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder religiösen Minderheit gebe als solche noch keinen Grund für die Gewährung von Asyl. Aufgrund des vom Beschwerdeführer dargelegten Sachverhaltes komme die Asylgewährung nicht in Frage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde verkennt, daß sie im gegenständlichen Fall das Asylgesetz (1968) anzuwenden hatte (siehe das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf dessen Ausführungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Denn die Behörde erster Instanz hat den Bescheid vom 18. November 1992 erst am 23. November 1992 erlassen. Demnach war das Verfahren in erster Instanz am 1. Juni 1992, dem hiefür maßgeblichen Zeitpunkt, noch in erster Instanz anhängig. Dennoch wurde der Beschwerdeführer dadurch nicht in seinen Rechten verletzt, weil die von der belangten Behörde herangezogenen Fluchtgründe des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 mit jenen des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ident sind und der Beschwerdeführer im weiteren Verwaltungsverfahren kein Sachvorbringen erstattet hat, auf das die belangte Behörde zufolge Verkennung der Anwendbarkeit des Asylgesetzes (1968) nicht eingegangen wäre. Denn das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers wiederholt einerseits in gekürzter Form den bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 31. August 1991 vorgebrachten Sachverhalt, andererseits präzisiert der Beschwerdeführer bloß den bereits in der ersten Einvernahme enthaltenen Umstand, daß er nach einer ersten Flucht nach Slowenien wieder in den Kosovo zurückgekehrt sei. Es wurden von der belangten Behörde auch keine vom Asylgesetz (1968) abweichenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen zu Ungunsten des Beschwerdeführers angewendet.

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, daß die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen habe, "ob der Beschwerdeführer im Jahr 1988 regelmäßig an Demonstrationen teilgenommen hat. Dies würde, auch wenn es sich um ein länger zurückliegendes Ereignis handelt, allenfalls indizieren, daß in Anbetracht des bevorstehenden Bürgerkrieges - der Bf befand sich im wehrdienstfähigen Alter - zu befürchten war, daß der Bf eingezogen werden würde". Auf dieser Vermutung des Beschwerdeführers basieren die gesamten Ausführungen zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit, weil diese ausschließlich auf einer "Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst" aufbauen, auf welchen die belangte Behörde hingewiesen habe. Abgesehen davon, daß der angefochtene Bescheid keine Ausführungen zu einem drohenden Militärdienst des Beschwerdeführers enthält, übersieht er, daß er während des gesamten Verwaltungsverfahrens keine Andeutung gemacht hat, daß ihm in konkreter Weise die Ableistung des Militärdienstes drohe. Die nunmehrige Vermutung des Beschwerdeführers in der Beschwerde stellt sich daher einerseits als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar, andererseits könnte eine derart entfernte Möglichkeit einer Einziehung zum Militärdienst eine wohlbegründete Furcht im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht glaubhaft machen.

Die Ansicht der belangten Behörde, die im Anschluß an die Demonstration im Dezember 1989 erlittenen Mißhandlungen stünden in keinem zeitlichen Konnex zur Ausreise des Beschwerdeführers, ist deshalb nicht als rechtswidrig zu erkennen, weil der Beschwerdeführer nach seiner diesen Vorfällen folgenden ersten Ausreise wieder in den Kosovo zurückgekehrt ist. Der Beschwerdeführer hat - nach seinen Angaben - durch seine Eltern nach der Rückkehr davon erfahren, daß "die Miliz" ihn zu Hause gesucht habe. Er hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde Angaben dazu gemacht, aus welchen Gründen ihn die Miliz gesucht habe, noch daß sich diese einmalige Suche wiederholt habe. Nach den Angaben des Beschwerdeführers ist daher ein Zusammenhang zwischen dieser Suche nach ihm und den Ereignissen im Gefolge der Vorfälle im Dezember 1989 nicht zu erkennen. Ohne diesen Zusammenhang verbleibt aber nur die einmalige Suche der Miliz nach dem Beschwerdeführer und die Furcht vor dem kommenden Bürgerkrieg als Grund für die Ausreise des Beschwerdeführers. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie der bloß einmaligen Suche nach dem Beschwerdeführer keine asylrechtliche Relevanz zugemessen hat. Die Ausführungen der belangten Behörde zur Angst vor dem drohenden Bürgerkrieg werden vom Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht bekämpft und stehen auch nicht im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung.

Insoferne der Beschwerdeführer weitere Verfahrensmängel rügt, so legt er - abgesehen vom bereits behandelten Vorbringen hinsichtlich der vermuteten Einberufung - nicht dar, inwieferne die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Denn er erstattet kein Vorbringen, was er bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften im Verwaltungsverfahren vorgebracht hätte.

Der gerügte Begründungsmangel liegt nicht vor, weil die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid in einer den §§ 58 Abs. 2, 60 und 67 AVG entsprechenden Weise zu erkennen gegeben hat, daß sie den angefochtenen Bescheid auf die Angaben des Beschwerdeführers stützt, und dieser die darauf beruhenden für die Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtslage zusammengefaßt erkennen läßt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010032.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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