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StVONorm
StVO 1960 §5 Abs9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Brauhart, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. HM in P, vertreten durch Dr. Karl Polak, Rechtsanwalt in Linz, Ferihumerstraße 11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. September 1985, Zl. VerkR-15.229/2-1985-II/H, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) ergangenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 19. Juni 1984 um 1.37 Uhr in Linz, Hauptplatz-Nibelungenbrücke-Rudolfsstraße einen dem Kennzeichen nach bezeichneten Pkw, alkoholbeeinträchtigt gelenkt; er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; gemäß § 99 Abs. 1 lit. a wurde eine Geld- und eine Ersatzarreststrafe verhängt; gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 wurde ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens und gemäß § 5 Abs. 9 StVO die Kosten des „Alkotests“ von S 45,-- und jene der klinischen Untersuchung von S 1.232,-- dem Beschwerdeführer auferlegt.
Zur strittigen Frage der Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers standen der Erstbehörde als Grundlage für ihre Feststellungen zur Verfügung die Anzeige, Befund und Gutachten des Polizeiarztes Dr. RB, Befund und Gutachten des Polizeiarztes Dr. HW, die Zeugenaussage des Dr. RB und eine ergänzende Stellungnahme des erwähnten Dr. HW. Dem Beschwerdeführer wurde Parteiengehör gewährt, er bestritt die Richtigkeit der amtsärztlichen Befunde und Gutachten und beantragte die Einholung von Sachverständigengutachten aus dem Fache der Augenheilkunde und aus dem Fache der Neurologie. Der Berufungsbehörde stand zusätzlich zur Verfügung die - privat abgegebenen - augenärztlichen Gutachten des Dr. S vom 9. Dezember 1980 und vom 3. Dezember 1984 sowie das Aktengutachten der Amtssachverständigen Dr. P vom 26. Februar 1985, ergänzt am 5. Juni 1985. Zur ebenfalls strittigen Frage der Auferlegung von Kosten nach § 5 Abs. 9 StVO lagen der Berufungsbehörde vor die Honorarnoten des Dr. RB vom 6. Juli 1984, die Dienstanweisung der Bundespolizeidirektion Linz vom 5. Jänner 1984 und das Rundschreiben der Österreichischen Ärztekammer vom 23. November 1983. Dem Beschwerdeführer wurde Parteiengehör gewährt.
In der Begründung des bestätigenden Berufungsbescheides stützte sich die Berufungsbehörde unter anderem auf die von Dr. RB beim Beschwerdeführer festgestellten Alkoholisierungssymptome, nämlich deutlichen Alkoholgeruch, unsicheren Verlauf der Romberg-Probe, träge Pupillenreaktion, grobschlägiger Nystagmus in der Dauer von 15 Sekunden sowie verminderte Reaktionsfähigkeit. Dies rechtfertige den Schluß, daß der Beschwerdeführer sein Fahrzeug zur Tatzeit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Zur strittigen Höhe der Kosten stellte die Berufungsbehörde fest, zur Untersuchungszeit (2.30 Uhr) sei kein Polizeiarzt im Dienst gewesen. Es seien die Richtlinien der Österreichischen Ärztekammer eingehalten worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 StVO darf, wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber gilt der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt.
Gemäß § 5 Abs. 9 StVO sind die Kosten der Untersuchung dann vom Untersuchten zu tragen, wenn bei einer Untersuchung nach Abs. 2 oder 4 dieses Paragraphen eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des Abs. 1 festgestellt worden ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Oktober 1973, Slg. N.F. Nr. 8477/A u.v.a.) ist unter einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO zu verstehen, daß sich der Fahrzeuglenker in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug nicht zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften nicht zu befolgen vermag. Eine auf die Einwirkung durch Alkohol zurückzuführende Fahruntüchtigkeit stellt - ohne Rücksicht auf die Höhe des Alkoholspiegels - eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO dar.
Demnach geht die Rechtsrüge der Beschwerde, ein Erreichen oder Überschreiten der 0,8 %o-Grenze sei nicht mit Sicherheit festgestellt worden, ins Leere. Aber auch die Verfahrensrüge hinsichtlich des Schuldspruches ist nicht gerechtfertigt:
Die Art der Durchführung der Probe der Pupillenreaktion wurde in der Stellungnahme der Amtssachverständigen Dr. P vom 5. Juni 1985 geschildert; der Beschwerdeführer hat sich, trotz gewährtem Parteiengehör, im Verwaltungsstrafverfahren mit dieser gutachtlichen Stellungnahme nicht konkret und unter Anführung angeblich widersprechender Fachliteratur auseinandergesetzt. Seinem Versuch, dies nunmehr erstmals in der Beschwerde nachzuholen, steht das Neuerungsverbot entgegen.
Ebenso verstößt gegen das Neuerungsverbot die Behauptung der Beschwerde, zur Durchführung einer zuverlässigen Nystagmusprobe sei eine „Leuchtbrille nach Frenzel“ erforderlich.
Der Befund Dris. P vom 26. Februar 1985 legt sowohl die leichte Kurzsichtigkeit als auch das leichte Schielen des Beschwerdeführers zugrunde und führt danach schlüssig aus, diese Mängel an den Augen des Beschwerdeführers haben auf die Nystagmusprobe nach Taschen keinen Einfluß. Der Beschwerdeführer ist dem im Verwaltungsstrafverfahren nicht unter Hinweis auf andere wissenschaftliche Erkenntnisse entgegengetreten.
Daß bei der Nystagmusprobe fünf Umdrehungen „in zirka 10 Sekunden“ und nicht in genau 10 Sekunden vorgenommen worden seien, ergab sich weder aus der Befundaufnahme noch aus der Zeugenaussage des Dr. B; auch die belangte Behörde hat keine solche Feststellung getroffen (Seite 4, 5 und 7 des Berufungsbescheides).
Die Behauptung, der Rückschluß von der Nystagmusprobe auf die Alkoholbeeinträchtigung sei „approximativ mit großen Fehlerquellen“, wurde im Verwaltungsstrafverfahren nicht durch entsprechende Hinweise auf Literatur untermauert.
Dr. S wurde vom Beschwerdeführer privat, und zwar zum Teil lange vor dem gegenständlichen Strafverfahren, beigezogen; es war und ist nicht die Aufgabe eines privat beigezogenen Arztes, ohne Kenntnis der Umstände des Einzelfalles - nämlich der Befundaufnahme durch Dr. B und der nachfolgenden Begutachtung durch diesen, durch Dr. W und durch Dr. P - seine Ansicht über die angebliche „Unzuverlässigkeit der klinischen Ergebnisse“ auszusprechen.
Wie die Behörde medizinische Fachfragen in anderen Verfahren gelöst hat, ist für die Erledigung der gegenständlichen Beschwerde unentscheidend.
Auch der Befund Dris. B beinhaltete einige Symptome, die nicht auf Alkoholisierung hinwiesen; so daß mit der Behauptung, der Puls von 80 in der Minute spräche gegen eine Alkoholisierung, nichts zu gewinnen ist; das Gleiche gilt von der Befundaufnahme hinsichtlich des Ganges, des Benehmens und der Finger-Finger-Probe.
Die allgemeine Behauptung, Dr. B habe sich „völlig unrichtiger Untersuchungsmethoden“ bedient, blieb teils im Verwaltungsstrafverfahren unbewiesen, teils wurde sie - siehe oben - als unzulässige Neuerung erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhoben.
Da der Beschwerdeführer - unwiderlegt - angab, keinen „Nachtrunk“ getätigt zu haben und auch nichts über Alkoholkonsum zwischen 1.37 Uhr (Zeitpunkt der Anhaltung) und 2.30 Uhr (Zeitpunkt der Befundaufnahme durch Dr. B) vorbrachte, kann die zeitliche Differenz zwischen der Tatzeit 1.37 Uhr und der Befundaufnahme nur in dem Sinne zum Nachteil des Beschwerdeführers gewertet werden, daß die Befundaufnahme zur Tatzeit noch stärkere Alkoholisierungssymptome ergeben hätte. Auch von einem „Sturztrunk“ kann in Anbetracht des vom Beschwerdeführer behaupteten Trinkendes um 24.00 Uhr des Vortages keine Rede sein.
Hinsichtlich der Kostentragung nach § 5 Abs. 9 StVO behauptet der Beschwerdeführer, er sei „von Amtsärzten untersucht“ worden, „welche hiefür ihren Gehalt beziehen und in der Nachtzeit entsprechende Zuschläge erhalten“. Dazu hat die belangte Behörde auf Grund der Aktenlage festgestellt, daß zur Untersuchungszeit kein Polizeiarzt im Dienst gewesen sei, weshalb der nicht im Dienst befindliche Polizeiarzt Dr. B herangezogen worden sei. Daher konnte dieser unter Berufung auf die Dienstanweisung der Bundespolizeidirektion vom 5. Jänner 1984, die sich, was die Höhe der dort verzeichneten Sätze betrifft, auf das Rundschreiben der österreichischen Ärztekammer vom 23. November 1983 stützen konnte, sein Honorar mit S 1.120,-- zuzüglich 10 % Mehrwertsteuer verzeichnen, welche Verzeichnung die Auferlegung der Kosten der klinischen Untersuchung in der Höhe von S 1.232,-- begründete.
Da es somit der Beschwerde nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 21. März 1986
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1986:1985180378.X00Im RIS seit
10.03.2021Zuletzt aktualisiert am
10.03.2021