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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des N in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. September 1995, Zl. 4.339.104/2-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. September 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 31. Mai 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 1. Juni 1995 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. Juli 1995 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28. Juni 1995 im Beisein seines Vertreters angegeben, er habe während der Anhängigkeit der Berufung in einem vorangegangenen Asylverfahren mit einem Freund in Ungarn "ein bißchen umherfahren" wollen. Nach fünftägigem Aufenthalt in Ungarn habe er niemanden finden können, der ihn "illegal über die Grenze zurückbringen" habe können, weshalb er nicht nach Österreich, sondern in seine Heimat zurückgekehrt sei. Seine Fluchtgründe stellte der Beschwerdeführer folgendermaßen dar:
"Die Situation hat sich nun stark verschlechtert. Es gibt Zwangsrekrutierungen, alleine in unserer Gegend wurden 70 Leute rekrutiert.
Wurden Verfolgungshandldungen gegen Sie gesetzt, seit Sie in Ihre Heimat zurückkehrten? Bis März 1995 nicht, seither ja.
Was ereignete sich? Die Polizei kam dreimal zu uns nach Hause.
Weshalb? Man fragte nach mir. Ich habe mich in den letzten beiden Monaten nur tagsüber zu Hause aufgehalten, mein Vater wurde meinetwegen mitgenommen und verhört.
Weshalb wurde nach Ihnen gesucht, bzw. gefragt? Ich nehme an, daß man mich rekrutieren wollte, als Vorwand gab man jedoch an, daß ich seinerzeit lieber die Arbeitsstelle verlassen habe, als zu unterschreiben.
Was sollten Sie unterschreiben? Daß wir serbische Staatsbürger sind und das ganze Vermögen Serbien gehört und daß wir uns der serbischen Gesetzgebung unterwerfen.
Sie hatten in Ihrem ersten Asylverfahren behauptet, aus Furcht vor der Einberufung geflüchtet zu sein, weshalb kehrten Sie dann trotzdem zurück? Die Situation war diesbezüglich etwas besser, seit März/April 1995 wurde jedoch verschärft vorgegangen.
Erfolgten die nunmehrigen Nachforschungen der Polizei vor oder nach der Ausstellung Ihres Personalausweises? Danach. Ich nehme an, daß ich den Ausweis um den Jahreswechsel 1994/1995 bekommen habe.
Wurde Ihnen eine Einberufung oder eine Ladung zu einer Militärbehörde in irgendeiner Form zugestellt? Es wurden zuletzt keine Ladungen mehr zugestellt, seit ich zurückgekehrt bin, habe ich keine Ladung erhalten.
Hatten Sie abgesehen von der Ausstellung Ihrer Licna-Karta irgendwelchen Kontakt mit Behörden, Behördenorganen oder dem Militär? Nein.
Haben Sie Ihren Grundwehrdienst abgeleistet? Nein. Haben Sie mit dem Militär noch nie Kontakt gehabt? Nein.
Wenn mir meine Aussage aus dem ersten Asylverfahren vom 28.4.1992 vorgehalten wird, in der ich angab, ich hätte von 1987-1988 Militärdienst in B geleistet, gebe ich an: Ich habe damals angegeben, daß ich keinen Militärdienst geleistet habe. Die Einvernahme war damals in serbokroatisch erfolgt, ich habe nicht angegeben, daß ich beim Militär war.
Wurde Ihnen diese damalige Niederschrift zur Kenntnis gebracht? Es war kein Dolmetsch dabei, der Beamte sprach selbst serbokroatisch, ich habe zugestimmt, daß wir keinen Dolmetsch brauchen.
Wurde Ihnen diese Niederschrift verlesen? Ich kann mich nicht mehr erinnern.
Wollen Sie weitere Fluchtgründe vorbringen? Der Hauptgrund wurde von mir geschildert. Ich möchte dem österreichischen Staat nicht zur Last fallen, ich brauche nur die Aufenthaltsbewilligung, wenn ich mich sicher gefühlt hätte, wäre ich zu Hause geblieben."
Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag unter anderem deswegen ab, weil die behaupteten Fluchtgründe unglaubwürdig seien. Diesbezüglich führte sie aus:
"Ihrem Vorbringen hinsichtlich einer drohenden Einberufung kann kein Glauben geschenkt werden. Bereits Ihr erster Asylantrag stützte sich auf denselben Grund. Sie vermochten jedoch weder damals noch jetzt in irgendeiner Form glaubhaft zu machen, daß Sie tatsächlich rekrutiert werden sollten. Bereits aus Ihrem eigenen Verhalten läßt sich klar erkennen, daß Sie dieser Gefahr wohl tatsächlich nie ausgesetzt waren und auch derzeit nicht ausgesetzt sind.
Noch während des laufenden Berufungsverfahrens haben Sie österreich wieder freiwillig verlassen und kehrten in die Heimat zurück. Ihre Aussage, Sie hätten von Ungarn nicht mehr nach Österreich zurückkehren können, stellt sich als reine Schutzbehauptung dar. Sie waren bereits am 21.4.1992 illegal zu Fuß nach Österreich eingereist und Sie reisten auch am 31.5.1995 wieder illegal zu Fuß nach Österreich ein. Sie waren auch am 30.6.1993, nachdem Sie das Bundesbetreuungsquartier verlassen hatten, illegal nach Ungarn gelangt. Ihnen ist also durchaus bekannt, wie und wo man Grenzen illegal überqueren kann. Es erscheint daher keinesfalls glaubhaft, daß Sie gerade nach Ihrem "Umherfahren" in Ungarn nicht mehr nach Österreich gelangen hätten können. Keinesfalls konnte sich aus dieser Situation für Sie jedoch die Notwendigkeit ergeben haben, ausgerechnet in den Kosovo zurückkehren zu müssen, wenn Sie dort der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wären. Vielmehr ist anzunehmen, daß Sie dorthin zurückzukehren wünschten, woraus wieder geschlossen werden kann, daß Sie tatsächlich keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt waren und sind.
Gegen die Gefahr einer Verfolgung bzw. Rekrutierung spricht auch, daß Sie völlig legal einen Personalausweis am 9.8.1993 in Suva Reka ausgestellt erhielten. Sie hatten diesen Ausweis zum Zeitpunkt der Einvernahme nicht bei sich und behaupteten, dieser Ausweis sei Ihnen zum Jahreswechsel 1994/1995 ausgestellt worden, woraufhin es zu mehrfachen Nachforschungen der Polizei ab März 1995 gekommen sei. Nach Vorlage Ihres Ausweises stellte sich jedoch heraus, daß Sie diesen bereits seit August 1993 besitzen und die Behörden somit seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von Ihrer Anwesenheit hatten. Im Falle einer tatsächlich beabsichtigten Verfolgung Ihrer Person, wäre es somit wohl weit früher zu polizeilichen Maßnahmen gegen Sie gekommen. Unter diesem Aspekt in Zusammenhang mit Ihrer freiwilligen Rückkehr in die Heimat kann wohl nur davon ausgegangen werden, daß Sie dort keiner Gefahr einer Verfolgung bzw. Rekrutierung ausgesetzt waren und sind.
Sie selbst gaben auch an, bis zu Ihrer Ausreise am 29.5.1995 keinerlei Kontakt mit irgendwelchen Behörden oder dem Militär gehabt zu haben. Ihre behauptete mögliche Rekrutierung stellt sich somit als reine Hypothese dar. Es gibt keinen einzigen Hinweis, daß Ihrer Behauptung auch nur die geringste Wahrheit zugrundeliegen könnte."
Die dagegen erhobene Berufung wendet sich gegen die dem Beschwerdeführer abgesprochene Glaubwürdigkeit unter dem Gesichtspunkt "Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften", das sich ansonsten ausführlich gegen die Annahme der Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ungarn richtet, mit der Behauptung eines Begründungsmangels und mangelnden Parteiengehörs und führt dazu aus:
"Tatsächlich kann die Behörde erster Instanz keine tatsächlichen Gründe anführen, warum sie das Vorbringen des BW tatsächlich als unglaubwürdig ansehen. Die Hoffnung des BW nachdem ein Asylantrag von ihm in Österreich abgelehnt wurde, es nochmals in seinem Heimatland zu versuchen, da allenfalls ein Neuanfang für ihn möglich sein könnte, zeigt in jedem Fall, daß der BW für seine Flucht keine wirtschaftlichen Gründe hatte, erst nach der neuerlichen Verhandlung hat der BW eingesehen, daß seine ursprüngliche Hoffnung nicht berechtigt war."
Ansonsten bekämpft der Beschwerdeführer in der Berufung mit ausführlicher Begründung unter dem Gesichtspunkt "Inhaltliche Rechtswidrigkeit" die Eventualbegründung der Behörde erster Instanz, daß abgesehen von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers die bloße Einberufung zum Militärdienst auch aus rechtlichen Erwägungen nicht zur Asylgewährung im konkreten Fall führen könnte.
Die belangte Behörde erließ daraufhin den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie schloß sich den Ausführungen der Behörde erster Instanz zur Frage der fehlenden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers an, betrachtete daher die Eventualbegründung der Behörde erster Instanz hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung der Einberufung zum Militärdienst als "nicht entscheidungsrelevant" und nahm die Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ungarn im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 an.
Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde gegen die Aberkennung seiner Glaubwürdigkeit vor:
"Nach Auffassung des Beschwerdeführers wurde seine Darstellung der Fluchtgründe seitens der I. Instanz überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, und schlußendlich im Bescheid der I. Instanz ungeprüft als unglaubwürdig abgetan.
Ferner mangelt es nach Auffassung des Berufungswerbers dem Bescheid I. Instanz insbesondere einer ausreichenden Begründung, weil die I. Instanz zur Begründung ihres Bescheides lediglich lapidar den Gesetzeswortlaut wiederholt, und darauf verweist, daß die Darstellung des Beschwerdeführers als solche nicht glaubwürdig sei.
Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist daher das Verfahren I. Instanz zum einen infolge Nichterfüllung der bestehenden Ermittlungspflicht, sowie infolge des eklatanten Verstoßes gegen den Grundsatz des Parteiengehörs mangelhaft, und sowohl in formeller, als auch in materieller Hinsicht mit Rechtswidrigkeit behaftet.
Die Behörde II. Instanz hat in ihrem angefochtenen Bescheid vom 18.09.1995 gestützt auf das Ermittlungsergebnis der I. Instanz, und ohne dem Beschwerdeführer die Gelegenheit zu einer ergänzenden Stellungnahme, bzw. ergänzenden Berufungsausführung abzugeben, die angefochtene Entscheidung getroffen.
Auch die Behörde II. Instanz begründet den abweisenden Bescheid lediglich durch die Wiederholung der verba legales und nimmt auf den seitens des Beschwerdeführers in seiner Berufung vorgebrachten Einwendungen und dessen weiteren Vorbringen keinen Bezug, sodaß nach Auffassung des Berufungswerbers er auch durch die Entscheidung II. Instanz in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt wurde, und diese ebenso wie die Behörde I. Instanz unter Verletzung der Ermittlungspflicht die angefochtene Entscheidung getroffen hat."
Darüber hinaus beantragt der Beschwerdeführer "die Einleitung eines Verbesserungsauftrages zur Abgabe einer ergänzenden Sachverhaltsdarstellung durch den Beschwerdeführer", weil dieser wegen Erkrankung "einen Besprechungstermin" bis Ablauf der Beschwerdefrist nicht werde wahrnehmen können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der ihm insoweit obliegenden eingeschränkten Prüfung - die Kontrolle beschränkt sich darauf, zu prüfen, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie unter anderem den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, jedoch nicht ob der Akt einer Beweiswürdigung richtig ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) - nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die aus den Behauptungen des Beschwerdeführers im vorangegangenen Asylverfahren und dem Fehlen jedes KONKRETEN Hinweises des Beschwerdeführers darauf, daß der behauptete Militärdienst ihm tatsächlich drohte, von der Behörde geschöpften Argumente sind nicht von vornherein ungeeignet, die Glaubwürdigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers zu dem ihm drohenden Militärdienst als nicht gegeben erscheinen zu lassen. Die Ausführungen in der Berufung ("Neuanfang") und die - angesichts der oben wiedergegebenen Ausführungen der Behörde erster Instanz unverständlichen - Ausführungen in der Beschwerde zeigen nicht auf, warum eine Einberufung des Beschwerdeführers zum Militärdienst entgegen der Ansicht der belangten Behörde glaubwürdig drohen sollte.
Der belangten Behörde ist auch dahingehend zu folgen, als sie begründet, daß ein unglaubwürdiges Vorbringen nicht als Grundlage für die Feststellung eines asylrechtlich relevanten Sachverhaltes und eine daran anknüpfende rechtliche Beurteilung dienen könne.
Entspricht eine Beschwerde formell den gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Einbringung, hat eine Aufforderung, die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zu ergänzen, nicht zu ergehen. Die gegenständliche Beschwerde entspricht den Voraussetzungen unter anderem der §§ 24, 28 und 29 VwGG über Form und Inhalt einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der "Antrag auf Einleitung eines Verbesserungsauftrages zur Abgabe einer ergänzenden Sachverhaltsdarstellung durch den Beschwerdeführer" entbehrt daher einer gesetzlichen Grundlage. Es wäre dem Beschwerdeführer hingegen nicht verwehrt gewesen, aus eigenem bis zur Beschlußfassung Ergänzungen der Beschwerde im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte vorzunehmen, was der Beschwerdeführer im konkreten Fall innerhalb des Zeitraumes von mehr als einem Jahr seit Einbringung der Beschwerde unterlassen hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides zur Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ungarn sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010224.X00Im RIS seit
20.11.2000