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L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe NiederösterreichNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der Niederösterreichischen Landesregierung gegen das am 15. Oktober 2019 mündlich verkündete und am 15. Jänner 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, Zl. LVwG-AV-983/001-2019, betreffend Kostenersatz nach dem Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mödling; mitbeteiligte Partei: S M, vertreten durch die anwaltschriefl KG in 2340 Mödling, Kaiserin Elisabeth-Straße 2), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. August 2019 wurde die Mitbeteiligte gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 Niederösterreichisches Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG) verpflichtet, die im Zeitraum vom 1. Jänner 2018 bis 30. Juni 2019 aufgewendeten Kosten für Hilfe bei stationärer Pflege im Betrag von € 36.936,66 zu ersetzen.
2 Begründend ging die belangte Behörde davon aus, dass die Mitbeteiligte wegen des Verkaufs von Grundbesitz „zu einem hinreichenden Einkommen“ gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln „in Form aus Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27 EStG 1988“ in der Höhe von € 115.000 gelangt sei. Gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 gehörten Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern zu den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen.
3 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und brachte unter anderem vor, der Differenzbetrag zwischen Verkehrswert und Veräußerungserlös in der Höhe von € 115.000 stelle kein Kapitalvermögen im Sinne des § 27 EStG 1988 dar. Unter Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 seien beispielsweise Einkünfte aus der Veräußerung von GmbH-Anteilen oder Aktien zu verstehen, keinesfalls jedoch der oben erwähnte Differenzbetrag einer Grundstücksveräußerung.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich wurde der Beschwerde Folge gegeben und der Bescheid vom 19. August 2019 aufgehoben. Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der einmalige Verkaufserlös bzw. der durch die über dem Verkehrswert erfolgte Veräußerung entstandene Gewinn sei nicht unter Einkünfte aus Kapitalvermögen iSd § 27 EStG 1988 zu subsumieren. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich von einem umfassenden Einkommensbegriff auszugehen und das „tatsächliche“ Einkommen des Hilfeempfängers wesentlich. Der wesentliche Unterschied zwischen Einkommen und verwertbarem Vermögen bestehe unter dem zu behandelnden Gesichtspunkt darin, dass es sich beim Einkommen um laufende, aber nicht unbedingt regelmäßige Einnahmen in Geld handle, beim Vermögen hingegen um (im jeweiligen Zeitraum) bereits vorhandene Werte, mögen sie auch aus dem Überschuss nicht verbrauchten Einkommens stammen (Verweis auf VwGH 30.9.1994, 93/08/0001). Im gegenständlichen Fall handle es sich beim Verkaufsobjekt um das im Eigentum der Mitbeteiligten stehende Haus, das bis zur Heimunterbringung der Befriedigung des Wohnbedarfes gedient habe. Es habe sich jedenfalls bis zum Verkaufszeitpunkt um Vermögen der Mitbeteiligten gehandelt, welches seit Abschaffung des Regressanspruches unangetastet zu bleiben habe. Es sei daher bei der Veräußerung von Vermögen nicht von der Lukrierung von Einkommen auszugehen. Würde man der Ansicht der belangten Behörde folgen, so würde durch den Kostenersatz die verfassungsrechtlich verankerte Abschaffung des Pflegeregresses ad absurdum geführt werden. Da der Erlös bzw. die Differenz zwischen Verkehrswert und Verkaufserlös nicht als Einkommen zu werten sei, sei die Vorschreibung des Kostenersatzes nicht rechtmäßig gewesen.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Niederösterreichischen Landesregierung.
7 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
8 Die Revision erweist sich als nicht zulässig:
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180-0182, 0187; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).
13 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob „eine Vermögensvermehrung unter den Einkommensbegriff“ des NÖ SHG falle. Das Verwaltungsgericht habe nicht näher begründet, warum - entgegen § 27 Abs. 3 EStG 1988 - „ein einmaliger Zufluss unter den Vermögens-, nicht jedoch unter den Einkommensbegriff“ falle. Es fehle „gesicherte Rechtsprechung“ des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob „Einkünfte, welche sich aus dem Gewinn der Veräußerung der Liegenschaft ergeben, als Einkommen oder Vermögen zu qualifizieren“ seien.
14 Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt:
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Vorschriften der Sozialhilfegesetze der Länder ist der Einsatz eigener Mittel (nämlich des Einkommens und des verwertbaren Vermögens) unabhängig davon vorzunehmen, von wem und aus welchem Rechtsgrund bzw. Titel der Hilfesuchende dieses Einkommen und/oder Vermögen erhält bzw. erhalten hat. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Arten eigener Mittel besteht unter dem zu behandelnden Gesichtspunkt lediglich darin, dass es sich beim Einkommen um laufende, aber nicht unbedingt regelmäßige Einnahmen in Geld handelt, beim Vermögen hingegen um (im jeweiligen Zeitraum) bereits vorhandene Werte, mögen sie auch aus dem Überschuss nicht verbrauchten Einkommens entstanden sein (vgl. VwGH 28.2.2018, Ra 2016/10/0055, mit Verweis auf das vom Verwaltungsgericht genannte Erkenntnis VwGH 30.9.1994, 93/08/0001; siehe weiters VwGH 5.11.2020, Ra 2019/10/0199; 26.9.2019, Ra 2018/10/0199).
16 Bei der hier relevanten Frage des nachträglichen Kostenersatzes geht es aber nicht um die Frage, ob Geldmittel in einem bestimmten Zuerkennungszeitraum zugeflossen oder bereits vorhanden waren. Vielmehr ist nach § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ SHG entscheidend, ob der Hilfeempfänger - weil er zu hinreichendem Einkommen gelangt ist - Ersatz für die für ihn aufgewendeten Kosten zu leisten hat. Für eine solche Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich, zumal es nicht um den Abspruch geht, was zu einem bestimmten Zeitpunkt (etwa jenem der Erlassung des verwaltungsbehördlichen Bescheides) oder in einem bestimmten Zeitraum rechtens war, sondern um die aktuelle Begründung einer Zahlungsverpflichtung des Revisionswerbers (vgl. nochmals VwGH 28.2.2018, Ra 2016/10/0055, mit Verweis auf das zum NÖ SHG ergangene Erkenntnis VwGH 29.10.2007, 2006/10/0108). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu sozialhilferechtlichen Kostenersatzregelungen daher etwa Nachzahlungen von Ausgleichszulage oder Familienbeihilfe nicht als Einkommen, sondern als Vermögen angesehen (vgl. abermals VwGH 28.2.2018, Ra 2016/10/0055, mit Verweis auf VwGH 21.10.2009, 2006/10/0077; 23.4.2007, 2007/10/0011; 31.5.2006, 2003/10/0203; 20.9.2001, 2000/11/0214). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Vorschriften der Sozialhilfegesetze der Länder über die Heranziehung des Vermögens bei der Vorschreibung eines Kostenbeitrages zu den Kosten der Sozialhilfe sind zudem Ersparnisse als Vermögen des Hilfeempfängers zu behandeln; es ist nicht maßgeblich, aus welchen Quellen die Ersparnisse gebildet wurden. Auch wenn die Ersparnisse aus Einkommensteilen gebildet wurden, die bei der Gewährung von Sozialhilfe „außer Ansatz zu bleiben haben“, sind sie als Vermögen im Sinne der Regelungen über die Heranziehung des Vermögens bei der Leistung von Kostenersatz anzusehen (vgl. zu § 38 NÖ SHG etwa VwGH 23.4.2007, 2007/10/0011; 31.5.2006, 2003/10/0203; 19.12.2005, 2003/10/0200).
17 Davon ausgehend wird mit dem oben wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen aber nicht dargetan, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, wird doch nicht aufgezeigt, weshalb der im März 2019 (einmalig) zugeflossene Verkaufserlös hinsichtlich des von der Mitbeteiligten (nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes: vor der Unterbringung in einem Alten- und Pflegeheim im April 2017 durch jedenfalls 10 Jahre) bewohnten Hauses im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung im Oktober 2019 - im Ausmaß einer „Vermögensvermehrung“ bzw. eines „Veräußerungsgewinnes“ - als „laufende Einnahme in Geld“ anzusehen gewesen wäre. Es bedarf daher auch keiner weiteren Auseinandersetzung damit, dass die in der Amtsrevision erwähnte Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln, LGBl. Nr. 9200/2-4 idF LGBl. Nr. 45/2018, nach § 7 eine Heranziehung des Hilfeempfängers zum Kostenersatz gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ SHG lediglich dann vorsieht, wenn „sein monatliches Einkommen“ einen näher genannten Betrag erreicht.
18 Soweit im Zulässigkeitsvorbringen auf § 27 Abs. 3 EStG 1988 Bezug genommen wird, bedarf es auch diesbezüglich keiner weiteren Auseinandersetzung, weil es sich bei der hier in Rede stehenden privaten Grundstücksveräußerung - wie der Amtsrevisionswerberin durch die Bezugnahme an anderen Stellen der Revision auf § 30 EStG 1988 offenbar ohnehin bewusst ist - um keine Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt. Rechtsfragen im Zusammenhang mit der zuletzt genannten Bestimmung - die in § 1 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln idF LGBl. Nr. 45/2018 nicht genannt wird - werden in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht geltend gemacht.
19 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 10. Februar 2021
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100032.L00Im RIS seit
27.04.2021Zuletzt aktualisiert am
27.04.2021