TE Vwgh Beschluss 2021/2/15 Ra 2021/01/0030

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Veröffentlicht am 15.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A N, in P, vertreten durch Dr. Sebastian Siudak in 4040 Linz, Blütenstrasse 15/5/5.13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2020, Zl. W260 2202476-1/28E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Afghanistans, auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH), der deren Behandlung mit Beschluss vom 9. Dezember 2020, E 3465/2020-5, ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 4 B-VG zur Entscheidung abtrat.

3        Begründend führte der VfGH unter anderem aus, das

„Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Frage der Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten auseinandergesetzt. Ihm kann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiegt (vgl. VfSlg. 19.086/2010).“

4        In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung hat die Revision nicht aufgezeigt.

9        Sofern sich die Revision gegen das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung die Möglichkeit der Rückkehr des jungen, gesunden, arbeitsfähigen Revisionswerbers mit Berufserfahrung in seine Herkunftsregion zu seiner dort lebenden und zur zumindest vorübergehenden finanziellen Unterstützung fähigen Familie zu Grunde legte. Die Revision zeigt nicht nachvollziehbar auf, dass insbesondere infolge der Covid-19 Pandemie bezogen auf die konkrete Situation des Revisionswerbers im Fall der Rückführung in seine Herkunftsregion eine Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre (zur nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK vorzunehmenden Einzelfallprüfung sowie zur Frage, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr [„real risk“] einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht, s. etwa VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255; vgl. im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie auch VwGH 7.9.2020, Ra 2020/18/0273; 16.9.2020, Ra 2020/14/0389; 5.10.2020, Ra 2020/19/0330; 7.10.2020, Ra 2020/20/0337; jeweils mwN).

10       Liegt - wie vorliegend in der Herkunftsregion - keine Verletzung des Art. 3 EMRK vor, so kommt es auf die Frage der Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative (IFA) nicht mehr an (vgl. VwGH 22.1.2021, Ra 2020/01/0423, Rn. 6, mwN).

11       Im für deren Zulässigkeit maßgeblichen gesonderten Vorbringen der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

12       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 15. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010030.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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