TE OGH 2021/2/18 14Os131/20a

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Veröffentlicht am 18.02.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Nagy in der Strafsache gegen ***** S***** wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 16. September 2020, GZ 42 Hv 71/20i-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Mag. Ramusch LL.M. LL.M. des Angeklagten sowie seines Verteidigers Mag. Jahrmann zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtvornahme der Subsumtion der den Schuldspruchpunkten A./1./ und A./2./ zugrunde liegenden Taten jeweils auch nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

***** S***** hat durch die zu A./1./ und A./2./ beschriebenen Taten jeweils das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm weiterhin zur Last liegenden Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB nach § 143 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von

vier Jahren

verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die vom 18. Juni 2020, 8:15 Uhr, bis 16. September 2020, 11:13 Uhr, erlittene Vorhaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** S***** zweier Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A./) und jeweils eines Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB (B./) und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er

A./ durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben Nachgenannten eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz abgenötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem er

1./ am 1. Februar 2020 in T***** maskiert mit einer dunklen Sonnenbrille, einer dunklen Haube und einem über die untere Gesichtshälfte gezogenen weißen Tuch die Trafik des ***** B***** betrat, aus der linken Jackentasche eine Walther CO2-Pistole CP99 zog, diese der Angestellten ***** O***** vorhielt und sie mit der Äußerung „Ois do eine“ aufforderte, 1.700 Euro Bargeld herauszugeben,

2./ am 15. Februar 2020 in N***** maskiert mit einer dunklen Sonnenbrille, einer weißen Haube und einem über die untere Gesichtshälfte gezogenen dunklen Tuch die Trafik des ***** P***** betrat, der Angestellten ***** H***** die mitgebrachte Walther CO2-Pistole CP99 vorhielt und sie mit der Äußerung „Göd her, schnö“ aufforderte, 555 Euro Bargeld herauszugeben,

B./ fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, durch Aufbrechen einer Sperrvorrichtung Nachgenannten mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er Bargeld beinhaltende Zeitungskassen nach gewaltsamem Abdrehen der diese vor diebischen Zugriffen sichernden und sie mit den Ständern fest verbindenden (US 9 f) Montagebänder an sich nahm, von den Tatorten verbrachte, sodann mit einem Hammer einschlug und das darin befindliche Bargeld an sich nahm, und zwar

1./ in der Nacht zum 17. März 2020 in P*****, G*****, R*****, W*****, Ra*****, S***** und T***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten ***** W***** als Mittäter in zumindest 32 Angriffen Verfügungsberechtigten der M***** GmbH Bargeld in Gesamthöhe von zumindest 140 Euro,

2./ in der Nacht zum 26. April 2020 in K***** und A***** in zumindest sechs Angriffen nicht mehr ausforschbaren Verfügungsberechtigten Bargeld in Gesamthöhe von zumindest 10 Euro,

3./ am 22. März 2020 in N***** und L***** in zumindest sieben Angriffen Verfügungsberechtigten der M***** GmbH Bargeld in der Höhe von zumindest 15 Euro,

C./ Nachgenannte dadurch geschädigt, dass er fremde bewegliche Sachen, nämlich Zeitungstaschen samt Inhalt, aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, indem er sie anlässlich der unter Punkt B./ dargestellten Taten an sich nahm sowie an – den Tatopfern unbekannten – Orten deponierte und entsorgte.

Rechtliche Beurteilung

[3]            Gegen die zu A./1./ und A./2./ erfolgte Nichtannahme der Qualifikation nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.

[4]            Zutreffend zeigt die Staatsanwaltschaft auf, dass dem Erstgericht bei der nicht erfolgten Subsumtion der zur Begehung der Taten verwendeten Gaspistole der Marke Walther CP99 (Kaliber 4,5 mm [US 4]) unter das Tatbildmerkmal „Waffe“ (§ 143 Abs 1 zweiter Fall StGB) ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl auch US 8 f). Denn bei dieser Gaspistole handelt es sich um eine (minderwirksame [§ 45 Z 3 WaffG]) Waffe im technischen Sinn (§ 1 Z 1 WaffG), die jedenfalls den weiteren funktionellen Waffenbegriff (RIS-Justiz RS0093928) des § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB erfüllt (RIS-Justiz RS0094112, zuletzt 12 Os 127/18w, RS0094012). Die zu A./1./ und A./2./ angeklagten Taten sind demnach auf Basis des Urteilssachverhalts richtigerweise den Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB zu subsumieren.

[5]            Soweit die Beschwerdeführerin aus Gründen der Vorsicht das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der Verwendung einer Waffe iSd § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB moniert, sei angemerkt, dass der Vorsatz das normative Tatbestandsmerkmal „Waffe“ bloß in seinem sozialen Bedeutungsgehalt nach Art einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“, jedoch nicht dessen rechtliche Elemente umfassen muss (vgl 11 Os 46/13v, 11 Os 40/12k). Die Konstatierungen, wonach der Angeklagte mit seinem Verhalten bewusst drohen und die Opfer dadurch zur Bargeldherausgabe „bringen“ wollte (US 5) und die Pistole in der Erwartung verwendete, dadurch schneller an das Geld zu kommen (US 7), genügen den dargelegten Anforderungen.

[6]            Aufgrund des Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 10 StPO begründenden Subsumtionsfehlers war – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Schuldsprüche A./1./ und A./2./ in der Nichtannahme der Qualifikation nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben und in diesem Umfang auf Basis der – mängelfreien (Z 5) und keinen erheblichen Bedenken begegnenden (Z 5a) – Urteilsfeststellungen, die vom Angeklagten weder in der Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, noch in seiner Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur beanstandet wurden, wie aus dem Spruch ersichtlich in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).

[7]            Bei der durch die Aufhebung des Strafausspruchs erforderlichen Strafneubemessung war nach § 143 Abs 1 StGB von einem Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.

[8]            Als mildernd waren das reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB), der bisher ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) und die teilweise Schadenswiedergutmachung (§ 34 Abs 1 Z 14 StGB, vgl US 11), hingegen als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit zwei Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) und die Tatwiederholungen zu B./ und C./ (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) zu werten.

[9]            Davon ausgehend entspricht unter Berücksichtigung des Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwerts der Tat eine Freiheitsstrafe von vier Jahren dem Unrechts- und Schuldgehalt derselben sowie der Täterpersönlichkeit.

[10]           Die Anrechnung der Vorhaftzeiten gründet sich auf § 38 Abs 1 Z 1

StGB. Über die Anrechnung der nach Fällung des Urteils erster Instanz in der Vorhaft (§ 38

StGB) zugebrachten Zeit hat gemäß § 400 Abs 1 StPO die Vorsitzende des Erstgerichts mit Beschluss zu entscheiden (RIS-Justiz RS0091624&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">; Lässig, WK-StPO § 400 Rz 1).

[11]     Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

[12]     Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E130870

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00131.20A.0218.000

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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