Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 9. Dezember 1996, Zl. Vd-4401/2/Br, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist in einer Sozialversicherungssache und Zurückweisung eines Einspruches als verspätet (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse, 6021 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Abweisung des Einspruches gegen den Bescheid vom 23. Juni 1996, soweit er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wohnt in H, X-Straße.
Mit Bescheid vom 18. Jänner 1996 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer GesmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG einen Betrag von S 106.351,69 samt Verzugszinsen "unverzüglich nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen" zu bezahlen. Nach der Zustellverfügung sollte dieser Bescheid an den Beschwerdeführer an der Adresse "A, X-Straße 7" zugestellt werden. Nach dem aktenkundigen Rückschein wurde dieser Bescheid nach einem Zustellversuch am 23. Jänner 1996 und Einlegung der Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach am 23. Jänner 1996 (Beginn der Abholfrist) beim Postamt H hinterlegt. Der Rückschein langte am 24. Jänner 1996 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ein. Nach dem 13. Februar 1996 (Datum des Poststempels) wurde das Kuvert mit dem Vermerk "nicht behoben" der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zurückgemittelt (wie sich aus einer bei den Verwaltungsakten befindlichen Ablichtung des Kuverts ergibt).
Am 23. April 1996 langte ein Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom 22. April 1996 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ein, worin dieser (zusammengefaßt) vorbrachte, daß dem Beschwerdeführer erst am 17. April 1996 durch Zustellung eines Exekutionsbewilligungsbeschlusses bekanntgeworden sei, daß der Bescheid vom 18. Jänner 1996 erlassen worden sei. Dieser sei ihm mittlerweile mittels Telefax in Abschrift übermittelt worden. Unter Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer nicht in A, sondern in H wohne, macht der Beschwerdeführer geltend, daß der Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Gestützt auf das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe "eine
Verständigung über die Hinterlegung ... im Hausbrieffach nie
vorgefunden, dies weder am 23. Jänner 1996, noch später", beantragt er, ihm erstens den Bescheid vom 18. Jänner 1996 zuzustellen und zweitens eventualiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Erstattung eines Einspruches gegen den vorgenannten Bescheid zu bewilligen und beantragte zum Beweis dafür die Einvernahme seiner Ehegattin, die "vom 23. Jänner 1996 weg" während der gesamten Dauer der Hinterlegungsfrist für die tägliche Entleerung des Hausbrieffaches Sorge getragen habe. Ferner bot der Beschwerdeführer seine eigene Einvernahme an. Mit den beiden genannten Anträgen war ein Einspruch gegen den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 18. Jänner 1996 verbunden.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nahm telefonischen Kontakt mit dem Postamt H auf und legte darüber einen Aktenvermerk vom 23. Mai 1996 an. Danach habe ein näher bezeichneter Bediensteter den Namen des Zustellers genannt. Weiters habe er angegeben, daß es in A keine X-Straße gebe. Alle "Rsb-Zustellungen" gingen über das Postamt H. A habe "keine eigene Zustellung". Wenn die Adressierung auf "A" laute, so sei dies kein Problem. Der Zusteller wisse, daß die X-Straße in H sei. Der Zusteller, der den gegenständlichen Rückschein ausgestellt habe, habe mitgeteilt, daß er seit fünf Jahren im Gebiet der X-Straße in H zustelle. Wenn er die dort vermerkte Adresse lese, sei für ihn klar, daß damit die X-Straße in H gemeint sei. Wenn auf dem Rückschein die Vermerke "Verständigung" und "Hinterlegung" angekreuzt seien, so werde dies auch durchgeführt. Mit Sicherheit habe er - wie in jedem Fall - eine Verständigung beim Beschwerdeführer in das "Postfach" gelegt. Auch habe er den Zustellversuch beim Beschwerdeführer an der Adresse X-Straße 7 in H vorgenommen.
Mit Bescheid vom 3. Juni 1996 wies die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Antrag des Beschwerdeführers auf Zustellung des Bescheides sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Nach der Begründung dieses Bescheides vertrat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nach einer Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers und des Verwaltungsgeschehens die Auffassung, daß die Zustellung an den Beschwerdeführer ordnungsgemäß erfolgt sei, wie mit den Angaben des Zustellers belegt sei. Dessen Angaben, daß eine "Hinterlegung" einer Verständigung im Hausbrieffach erfolgt sei, seien in Verbindung mit den angekreuzten Vermerken auf dem Rückschein glaubwürdig.
Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages begründete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse damit, daß der Beschwerdeführer ausgeführt habe, daß weder er noch seine Ehegattin eine Verständigung über die Hinterlegung im Hausbrieffach vorgefunden hätten; andere Umstände wie etwa eine längere Abwesenheit von der Abgabestelle habe er nicht vorgebracht, die eine Verhinderung durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis als glaubhaft" hätten erscheinen lassen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse legte den Einspruch gegen die Abweisung des Zustell- und Wiedereinsetzungsantrages und jenen gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 18. Jänner 1996 der belangten Behörde mit einer Stellungnahme vor, in der sie im wesentlichen ihren bisherigen Rechtsstandpunkt wiederholte.
Die belangte Behörde holte eine Gegenäußerung des Beschwerdeführers zum Vorlagebericht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und zum handschriftlichen Aktenvermerk vom 23. Mai 1996 (betreffend die Stellungnahmen des Postamtes) ein. In seiner Gegenäußerung hielt der Beschwerdeführer im wesentlichen seinen Rechtsstandpunkt aufrecht, kritisierte das Unterbleiben von sachdienlichen Ermittlungsschritten, sowie eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens zum Wiedereinsetzungsantrag. Dies verband der Beschwerdeführer mit Anträgen auf Einvernahme der beiden Postbediensteten, seiner Ehegattin und seiner selbst.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 23. Juni 1996 (betreffend die Anträge auf Bescheidzustellung und auf Wiedereinsetzung) als unbegründet abgewiesen, jenen gegen den Bescheid vom 18. Jänner 1996 als verspätet zurückgewiesen. Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde in ihrem Bescheid aus, daß die unrichtige Bezeichnung der Abgabestelle im Bescheid vom 18. Jänner 1996 mit "A, X-Straße 7" anstelle von "H, X-Straße 7" nichts daran ändere, daß die Zustellung des Bescheides im Postwege an der richtigen Abgabestelle versucht und durch Hinterlegung am Postamt H bewirkt worden sei. Dies ergebe sich nicht erst durch die Auskünfte der beiden Postbeamten, sondern bereits aus dem im Akt erliegenden Rückschein, wonach die Zustellung durch Hinterlegung beim Postamt H nach Verständigung über die Hinterlegung durch Einlegen eines Verständigungszettels in das Hausbrieffach der richtigen Abgabestelle beurkundet werde. Da aber in A eine X-Straße 7 nicht existiere, sei keine andere Vorgangsweise denkmöglich, als jene, daß auch die Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach des Empfängers eingelegt worden sei. Daß es eine Verwechslungsmöglichkeit mit einer X-Straße 7 in A geben könnte, habe nicht einmal der Beschwerdeführer behauptet und könne aufgrund der Auskunft der Postbeamten ausgeschlossen werden. Weiters sei darauf hinzuweisen, daß bereits eine frühere Verständigung an dieser Adresse zugestellt und von der Ehegattin des Beschwerdeführers übernommen worden sei. Schon damals hätte die Möglichkeit bestanden, auf diese Unrichtigkeit in der Adressierung hinzuweisen. "Aus welchen Gründen immer" habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse allerdings auch den weiteren Bescheid vom 3. Juni 1996 (betreffend die Abweisung des Zustell- und Wiedereinsetzungsantrages) weder an den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers noch an die inzwischen "hinlänglich bekannte richtige Bezeichnung der Abgabestelle zugestellt", sondern wiederum an die Abgabestelle "X-Straße 7, A". Auch diese Zustellung sei im Wege einer Hinterlegung erfolgt und zwar wie beim ersten Bescheid durch Einlegen der Verständigung in das Hausbrieffach und Hinterlegung beim Postamt H. Durch diese beiden erfolgreichen Zustellungen sei hinreichend dokumentiert, daß auch Briefsendungen, die an die Adresse A, X-Straße 7, adressiert seien, ordnungsgemäß an die richtige Abgabestelle zugestellt würden und daß auch das Einlegen der Verständigung über die Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 2 Zustellgesetz in das Hausbrieffach ordnungsgemäß vorgenommen werde. Gemäß § 17 Abs. 4 Zustellgesetz sei aber die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die in § 21 Abs. 2 ZustellG genannte Verständigung beschädigt oder entfernt worden sei. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 6257/A vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet habe, daß die "ordnungsgemäß angebrachte Benachrichtigung von der Hinterlegung durch dritte Personen entfernt worden" sei. Der Hinweis darauf, daß weder der Beschwerdeführer noch seine Gattin eine Verständigung über die Hinterlegung vorgefunden hätten, gehe aber im Hinblick auf die Bestimmung des § 17 Abs. 4 Zustellgesetz ohnedies ins Leere, sodaß sich die Aufnahme der dazu angebotenen Beweise erübrige, wie die belangte Behörde fortfährt. Umstände, die eine Ersatzzustellung unzulässig gemacht hätten, habe der Beschwerdeführer nicht einmal geltend gemacht. Da somit die Zustellung des Bescheides vom 18. Jänner 1996 als ordnungsgemäß anzusehen und der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Grund zur Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand nicht gegeben sei, habe dem Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 3. Juni 1996 kein Erfolg beschieden sein können und sei der damit verbundene Einspruch gegen den Bescheid vom 18. Jänner 1996 als verspätet zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist zur Begründung des angefochtenen, aber auch des erstinstanzlichen Bescheides, ebenso wie zu den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen darauf hinzuweisen, daß die Frage, ob der seinerzeitige erstinstanzliche Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 18. Jänner 1996 ordnungsgemäß zugestellt wurde, vom Problem der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu unterscheiden ist:
Könnte von einer ordnungsgemäßen Zustellung nicht ausgegangen werden, dann wäre die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von vornherein nicht erforderlich, da diesfalls in Ermangelung der Zustellung des Bescheides vom 18. Jänner 1996 an eine andere Partei der erstinstanzliche Bescheid über die Haftung des Beschwerdeführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG noch gar nicht erlassen wäre. Die Behandlung des Wiedereinsetzungs-(aber auch des Zustell-)antrages setzt somit die Klärung der Frage voraus, ob die Zustellung des Bescheides vom 18. Jänner 1996 in Ansehung der Bestimmungen des Zustellgesetzes ordnungsgemäß erfolgt ist. Bejahendenfalls ist erst dann die weitere Frage zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch ein von ihm rechtzeitig geltend gemachtes, unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis an der Wahrnehmung der mit dieser (ordnungsgemäßen) Zustellung ausgelösten Einspruchsfrist gehindert war.
1. Zur Frage der Zustellung:
Aktenkundig und nicht weiter strittig ist, daß der Bescheid vom 18. Jänner 1996 in der Zustellverfügung unrichtig adressiert war: Während der Beschwerdeführer in H, X-Straße 7, wohnte (und wohnt) und somit dieser Ort als Abgabestelle im Sinne des § 4 Zustellgesetz in Betracht gekommen ist, erfolgte die Zustellverfügung (ebenso wie die Adressierung der aufgrund dieser Zustellverfügung abgefertigten Postsendung) unter der Adresse X-Straße 7, A. Feststeht (und wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen), daß eine Adresse A, X-Straße 7, nicht existiert, sowie ferner, daß A im Zustellbereich des Postamtes H, also im Zustellbereich des gleichen Postamtes liegt wie die tatsächlich existierende X-Straße 7.
Gemäß § 5 zweiter Satz ZustellG ist auf der Sendung und auf dem Rückschein neben dem Empfänger auch die Abgabestelle anzugeben. Diese ist in der Zustellverfügung von der Behörde festzulegen (Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6, Rz 204).
Nach der Rechtsprechung muß aus der Bezeichnung des Empfängers einer Sendung zweifelsfrei erkennbar sein, für wen sie bestimmt ist. Fehlt eine solche hinreichende Individualisierung, weil zufolge Namensgleichheit und Anschrift die angeführten Merkmale auf mehrere Personen zutreffen, so hat weder die Hinterlegung einer solchen Sendung noch die Verweigerung ihrer Annahme (wohl aber die Übernahme der Sendung durch eine dieser Personen) die Wirkung einer Zustellung (vgl. das Erkenntnis vom 24. September 1987, Zl. 87/02/0038). § 7 Zustellgesetz bewirkt aber dann keine Heilung der Zustellung, wenn die Zustellverfügung in bezug auf die Person des Empfängers verfehlt ist. Die allfällige Weiterleitung an die (in der Zustellverfügung nicht genannte) Person, für die das Schriftstück (eigentlich) seinem Inhalt nach bestimmt wäre, heilt den Zustellmangel nicht (vgl. den Beschluß vom 27. Juni 1995, Zl. 94/04/0206). Es muß also aus der Bezeichnung des Empfängers einer Sendung zweifelsfrei erkennbar sein, für wen sie bestimmt ist, wobei allerdings eine unvollständige Bezeichnung des Empfängers (z.B. durch Fortlassen des akademischen Grades) mangels einer konkreten Verwechslungsmöglichkeit keinen Zustellmangel begründet (vgl. das Erkenntnis vom 11. Oktober 1995, Zl. 95/03/0231).
Auch ein Verstoß gegen die Vorschrift, beim "zuständigen Postamt" zu hinterlegen, belastet einen Zustellvorgang mit einem Mangel. Auch in einem derartigen Fall gilt aber gemäß § 7 Zustellgesetz die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Welches Postamt für eine vorzunehmende Zustellung zuständig ist, bestimmt sich, da das Zustellgesetz hierüber nicht selbst Regelungen trifft, nach den Vorschriften über die Zustellung von Postsendungen (§ 1 Abs. 2 Zustellgesetz). Für die Abgabe einer Postsendung ist gemäß § 138 der Postordnung jenes Postamt zuständig, in dessen Postbezirk die auf der Postsendung angegebene Abgabestelle liegt - Abgabepostamt (vgl. das Erkenntnis vom 28. März 1988, Zl. 87/10/0070).
Da gemäß § 13 Abs. 1 Zustellgesetz die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen ist und gemäß § 13 Abs. 5 Zustellgesetz außerhalb der Abgabestelle vorbehaltlich des § 24 (unmittelbare Ausfolgung bei der Behörde) rechtswirksam nur zugestellt werden kann, wenn die Annahme der Sendung nicht verweigert wird, ist vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechung zu prüfen, ob durch die unrichtige Bezeichnung der Postleitzahl und des Abgabeortes eine solche Fehlbezeichnung der Abgabestelle vorliegt, welche infolge der gegebenen Verwechslungsmöglichkeit die Zustellung unwirksam macht. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß eine solche Fehlbezeichnung der Abgabestelle solange nicht vorliegt, als dadurch sowohl der Zustellversuch an der richtigen Abgabestelle als auch die Hinterlegung beim zuständigen Postamt sichergestellt ist (vgl. dazu etwa auch das Erkenntnis vom 22. Mai 1996, 92/14/0095). Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Abgabestelle in ihrer tatsächlichen Bezeichnung gar nicht existiert (also eine Verwechslungsmöglichkeit der Abgabestelle ausscheidet), die Sendung tatsächlich in den Zustellbereich des zuständigen Postamtes gerät und dieses sowohl an der richtigen Abgabestelle einen Zustellversuch bzw. die Verständigung von der Hinterlegung vornimmt und danach beim zuständigen Postamt hinterlegt wird. Wie aus der vorstehenden Rechtsprechung ersichtlich ist, schadet etwa die Fehlbezeichnung des Adressaten (oder seine nicht eindeutige Bezeichnung) nämlich nur dann, wenn ein Empfänger, auf den die tatsächliche Bezeichnung paßt, auch wirklich existiert und daher eine Verwechslungsfähigkeit gegeben ist. Fehlt eine solche Verwechslungsfähigkeit, ist also völlig klar, daß die Zustellverfügung jene Person bezeichnet, an die sich der Bescheid richtet, dann liegt ein Zustellmangel nicht vor. Anderes kann auch bei einer Fehlbezeichnung der Anschrift nicht gelten:
Dies ergibt sich zum einen daraus, daß das Gesetz bei der Abgabestelle die Organe der Post weniger streng bindet als bei der Person des Empfängers; hält sich dieser an der Abgabestelle nicht regelmäßig auf, so kann die Post eine Nachsendung an eine andere inländische Abgabestelle nach postrechtlichen Vorschriften vornehmen (§ 18 Abs. 1 Z. 1 ZustellG). Ferner können gemäß § 62 Abs. 4 AVG Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigt werden. Fehlzitate und Schreibfehler stehen aber dem richtigen Bescheidverständnis auch dann nicht im Wege, wenn noch kein Berichtigungsbescheid erlassen worden ist (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 21. Juni 1990, Slg. Nr. 13233/A, vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/14/0026, und vom 9. Juni 1994, Zl. 92/06/0224), soferne eine Verwechslungsgefahr nicht besteht (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 13. Februar 1992, Zl. 91/06/0191, und vom 20. Oktober 1994, Zl. 91/06/0151 u.a.). Dafür, daß die Berichtigung des Spruches eines Bescheides weniger strengen Voraussetzungen unterläge als die Berichtigung einer Zustellverfügung, fehlt im Gesetz jeder Anhaltspunkt. Fehlt es also (wie hier) an der Verwechselbarkeit, dann spricht nichts dagegen, die unrichtige Bezeichnung der Abgabestelle unter der weiteren Voraussetzung, daß die richtige Abgabestelle auch für das Zustellpostamt erkennbar ist, im berichtigten Sinne zu lesen.
Die Feststellungen der belangten Behörde, daß ein Zustellversuch unternommen und danach die Hinterlegungsanzeige in das Postbrieffach eingelegt wurde, wurden vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht mit konkreten Ausführungen in Zweifel gezogen. Einer Einvernahme der Postbediensteten bedurfte es bei dieser Sachlage schon deshalb nicht, weil der Zustellvorgang ordnungsgemäß beurkundet wurde und substantiierte Zweifel an der Richtigkeit der Beurkundung vom Beschwerdeführer nicht vorgetragen worden sind.
Die Zustellung des Bescheides vom 18. Jänner 1996 erfolgte daher mängelfrei. Deshalb war die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Zustellantrages richtet, abzuweisen.
2. Zur Wiedereinsetzung:
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Beschwerdeführer durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis an der Wahrnehmung der Einspruchsfrist gehindert wurde. Die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad minderen Versehens überschreitet. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, im fraglichen Zeitraum keine Kenntnis von einer Hinterlegungsanzeige erlangt zu haben, wobei er vorbrachte, daß seine Ehegattin täglich den Briefkasten entleert, so wird damit der Sache nach eine solche Unkenntnis vom Zustellvorgang geltend gemacht. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kommt es dabei nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer behauptet, die Hinterlegungsanzeige sei durch dritte Personen entfernt worden; auf welche Weise eine solche Hinterlegungsanzeige verschwunden ist, wird demjenigen, der von einem Zustellvorgang gar keine Kenntnis erlangte, in der Regel nicht bekannt sein. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er (bzw. seine Ehegattin) habe während des "gesamten Hinterlegungszeitraumes eine Hinterlegungsanzeige nicht vorgefunden", würde daher - würde man es für erwiesen halten und würde man ferner annehmen, daß die Entleerung des Hausbrieffaches täglich mit der entsprechenden Sorgfalt erfolgt ist - einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen.
Ob der Wiedereinsetzungsgrund vorliegt und ob den Beschwerdeführer dabei ein den Grad minderen Versehens übersteigendes Verschulden trifft, ist durch geeignete Ermittlungen festzustellen. Dabei wäre die Einvernahme der Ehegattin des Beschwerdeführers sowie die Einvernahme des Beschwerdeführers selbst durchaus geeignet, den Sachverhalt aufzuhellen. Von diesbezüglichen Ermittlungsschritten war die belangte Behörde nicht schon deshalb entbunden - wie sie nach der Begründung ihres Bescheides offenbar meinte - weil sie von der ordnungsgemäßen Verständigung über die Hinterlegung durch Einlegung des Verständigungszettels in das Hausbrieffach ausgegangen ist. Feststeht, daß die Verständigung auf die beschriebene Art in das Hausbrieffach eingelegt wurde, kann dennoch nicht von vornherein gesagt werden, daß die Einvernahme des Beschwerdeführers bzw. seiner Ehegattin zu den Umständen eines späteren Verschwindens der Hinterlegungsanzeige nichts Zweckdienliches beizutragen vermöchte. Die Unterlassung dieser beantragten Einvernahmen stellt daher eine vorwegnehmende Beweiswürdigung dar, die den Verwaltungsverfahrensgesetzen fremd ist. Diese Einvernahmen sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, daß die Benachrichtigung von der Hinterlegung durch dritte Personen entfernt worden sei. Jemand, der von einer Zustellung keine Kenntnis hat, wird in der Regel von sich aus keine nähere Auskünfte darüber geben können, wer gegebenenfalls die Hinterlegungsanzeige entfernt hat. Ein diesbezügliches Vorbringen des Beschwerdeführers ist daher - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht zu erwarten.
Durch die Unterlassung der Aufnahme der beantragten Beweise ist der belangten Behörde somit eine Verletzung von Verfahrensvorschriften unterlaufen, bei deren Unterbleiben sie zu einem anderen Ergebnis des Verfahrens hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Entscheidung über die Wiedereinsetzung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
3. Zur Zurückweisung des Einspruches:
Soweit sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Einspruches als verspätet richtet, war sie hingegen abzuweisen:
Die belangte Behörde war bei Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Einspruches an ihre Entscheidung über die Wiedereinsetzung gebunden, sodaß die Zurückweisung des Einspruches nicht rechtswidrig war. Sollte im fortgesetzten Verfahren die Wiedereinsetzung bewilligt werden, dann träte das Verfahren ohnehin in die Lage zurück, in der es sich vor Eintritt der Versäumung befunden hat (§ 72 Abs. 1 AVG). In diesem Fall würde also der den Einspruch als verspätet zurückweisende Teil des angefochtenen Bescheides von Gesetzes wegen außer Kraft treten, ohne daß es einer ausdrücklichen Aufhebung bedürfte (vgl. dazu schon das Erkenntnis vom 23. Mai 1956, Slg. 4070/A, aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0367 mwH).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Im Hinblick auf die Gebührenfreiheit des Verfahrens gemäß § 110 ASVG war der Antrag auf Zuerkennung von Stempelgebühren abzuweisen. Im Hinblick darauf, daß die Kostensätze der genannten Verordnung Pauschalsätze sind, konnte auch dem Antrag, 20 % Umsatzsteuer aus diesem Betrag zuzuerkennen, keine Folge gegeben werden. In diesem Umfang mußte daher das Kostenmehrbegehren abgewiesen werden.
Durch die Erledigung in der Sache ist der Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 EmpfängerDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 zuständige PostamtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997080022.X00Im RIS seit
14.12.2000Zuletzt aktualisiert am
09.02.2012