TE Lvwg Erkenntnis 2021/2/17 LVwG-2020/40/2224-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.02.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §58

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde des AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 31.08.2020, Zl ***, betreffend eine Übertretung der Tiroler Bauordnung 2018,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.       Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:

„Herr AA, rechtsfreundlich vertreten durch RA BB, **** Z, Adresse 1, hat es als Geschäftsführer der Fa. CC zu verantworten, dass die Maßnahmen des Bescheides der Marktgemeinde Z vom 24.01.2012, Zahl: ***, zumindest bis zum 24.09.2019 nicht umgesetzt wurden. Die Marktgemeinde Z meldete diesen Sachverhalt mit E-Mail vom 24.09.2019 und teilte hierzu mit, dass seit Baubeginnsmeldung vom 13.04.2015 keine Fertigstellungsmeldung einlangte. Mit dem angeführten Bescheid wurde die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes bis zum 29.06.2012 rechtskräftig angeordnet. Auszug aus dem bettreffenden Bescheid:

1.       Entgegen dem behördlich genehmigten Bauplan wurde am nordöstlichen Eck im 2. Obergeschoss eine Terrasse ausgeführt. Diese Terrasse ist zu entfernen und durch das geplante Pultdach zu ersetzen.

2.       Das 2. Obergeschoss wurde beim nordöstlichen Hauseck wesentlich in Richtung Norden vergrößert. Die Außenwand des 2. Obergeschosses sowie des darüber liegenden Dachgeschosses, im Plan von DD mit einer Länge von 6,87 m kotiert, ist dergestalt in Richtung Süden zu verschieben, dass sie der genehmigten Baueingabe entspricht. Die beschriebene Außenwand ist von der Linie, die im Lageplan des Vermessungsbüros DD mit den Punkten H18 und H19 definiert ist, um 4,32 m in Richtung Süden zu versetzen.

3.       Das Vordach im Bereich des nordöstlichen Hauseckes ist nicht wie im genehmigten Bauplan gegenüber der restlichen Vordachkante zurückversetzt. Das Dach ist wie im Lageplan des Vermessungsbüros DD sowie in den genehmigten Bauplanen Grundriss 3. Obergeschoss und Ansicht Ost dargestellt abzuändern.

Herr AA hat es somit zu verantworten, dass die unter den Punkten 1-3 angeführten baulichen Anlagen und sohin zumindest bis zum 24.09.2020 ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne eine entsprechende Baubewilligung oder abweichend von der Baubewilligung oder ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben ohne eine entsprechende Bauanzeige, erheblich abweichend von der Bauanzeige, ungeachtet einer Untersagung nach § 30 Abs. 3 dritter Satz oder vorzeitig ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach § 37 Abs. 2 ausgeführt wurden.

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Verwaltungsübertretung begangen:

§ 67 Abs. 1 lit. a Tiroler Bauordnung 2018, LGBl. Nr. 28/2018 zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 65/2020

Über den Beschuldigten wird aufgrund der angeführten Übertretung folgende Geldstrafe verhängt:

gemäß § 67 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2018, LGBl. Nr. 28/2018 idgF € 8.000,00

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle folgende Ersatzfreiheitsstrafe:

3 Tage

Der Bestrafte hat gemäß § 64 Abs. 2 VStG als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit € 10,00 zu bemessen, zu bezahlen, das sind € 800,00.

Sohin ergibt sich ein Gesamtbetrag von € 8.800,00.“

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde bringt der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass der Bescheidadressat unrichtig sei. Bauwerberin sei die Firma EE gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund nunmehr die Firma EE und damit der Beschuldigte als Geschäftsführer dieser eigenständigen Rechtsperson verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sein solle, wo diese Gesellschaft im Bauverfahren keine Partei sei. Es werde ausdrücklich der Einwand der Verjährung wiederholt. Die virulenten Baumaßnahmen seien bereits vor dem 01.07.2011 fertiggestellt worden, der zugrundeliegende Baubescheid der Marktgemeinde Z datiere vom 31.12.2010. Am 02.07.2011 sei durch den Amtssachverständigen der Marktgemeinde Z festgestellt worden, dass das Bauvorhaben abweichend vom Baubescheid ausgeführt worden sei. Daraus ergebe sich, dass damals das Bauvorhaben bereits abgeschlossen gewesen sei. Insofern falle der gegenständliche Sachverhalt noch in die alte Rechtslage, bei der eine konsenswidrige Bauführung noch ein Zustandsdelikt gebildet habe. Es liege eine unzulässige Doppelbestrafung vor. Der Beschuldigte sei bereits mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.07.2016, SZ-92-2016, für den gegenständlichen Sachverhalt bestraft worden.

II.      Sachverhalt:

Mit „Bescheid“ des Bürgermeisters der Marktgemeinde Z vom 24.01.2012, Zl ***, wurde der „Familie A zu Handen Herrn FF“ ein baupolizeilicher Auftrag gemäß § 39 TBO 2011 erteilt.

III.     Beweiswürdigung:

Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich zur Gänze aus dem Akt der belangten Behörde und ist insofern auch unstrittig.

IV.      Erwägungen:

Nach § 58 Abs 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Nach dem Abs 2 dieser Bestimmung sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

Weiters muss aus einem Bescheid hervorgehen, an wen er sich richtet, da jede individuelle Norm an eine bestimmte Person gerichtet sein muss.

So hat der Verwaltungsgerichtshof (vgl VwGH 20.11.2003, 2001/09/0199 mwN) ausgesprochen, dass notwendiges Inhaltserfordernis eines jeden Bescheides die mit der Personumschreibung getroffene Wahl des Normadressaten ist.

Als Adressat eines Bescheides kommt nur eine – individuell bestimmte – Person im rechtlichen Sinn, also jemand, dessen Rechte oder Pflichten durch die individuelle Norm gestaltet oder festgestellt werden können, in Betracht. Positiv formuliert ist daher Voraussetzung für die Entstehung eines Bescheides, dass zumindest einem Adressaten in Bezug auf den Gegenstand des Bescheides Rechts- und damit auch Parteifähigkeit zukommt, weil dieser ansonsten ins Leere ginge. Die Tauglichkeit des Bescheidadressaten ist gem § 9 AVG nach den Verwaltungsvorschriften und subsidiär nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 56 Rz 55f).

Die Bezeichnung des Normadressaten gehört überdies zum normativen Spruchinhalt iSd § 59 Abs 1 AVG (zur „Sache“), sodass der Bescheid die (natürliche oder juristische) Person, an die er ergeht, im Spruch zu nennen hat. Gleichzeitig stellt es nach stRsp keinen (gemeint wohl: keinen wesentlichen) Verstoß gegen § 59 AVG dar, wenn die Behörde im Spruch zwar den Verpflichteten zunächst abstrakt (zB als Eigentümer einer Liegenschaft) bezeichnet, dann aber erst in der Zustellverfügung diejenige physische oder juristische Person benennt, auf welche sich der Spruch bezieht. In einem solchen Fall kommt der Zustellverfügung wesentliche Bedeutung zu, weil erst dadurch die notwendige Individualisierung bewirkt wird (VwSlg 14.048 A/1994), der Spruch also seinen vollen Inhalt erhält. Es mangelt also der Erledigung an der Bescheidqualität, wenn die deutliche Konkretisierung des Bescheidadressaten auch in der Zustellverfügung unterbleibt (vgl Hengstschläger/Leb AVG § 56 Rz 42).

Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist einer Umdeutung nur in den Fällen zugänglich, in welchen der gesamte Bescheidinhalt die von der Behörde gewählte Personenumschreibung als ein - den wahren behördlichen Willen verfälschendes - Vergreifen im Ausdruck erkennen lässt (vgl VwGH 20.11.2003, 2001/09/0199 mwN).

Anders gewendet zählt auch die Benennung (zumindest) einer (tauglichen) Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechts in förmlicher Weise gestalten will bzw die Träger der bescheidförmig begründeten Rechte und Pflichten sein soll zu jenen – damit konstitutiven – Merkmalen, deren Fehlen einen Bescheid erst gar nicht entstehen lässt, also absolut nichtig macht (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 56 Rz 41).

Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass soweit auf den ersten Blick Zweifel bestehen, ob sich eine Erledigung an eine Nichtperson oder eine (dahinter stehende) juristische oder natürliche Person richtet, nur dann ein Bescheid vorliegen kann, wenn eine nähere Auslegung der Erledigung in ihrem Zusammenhalt sowie iVm den maßgeblichen Rechtsvorschriften eindeutig ergibt, dass sie einen Rechtsträger zum Adressaten hat. Sie ist hingegen sowohl dann absolut nichtig, wenn der Adressat nicht zweifelsfrei feststeht als auch dann, wenn es diesem (eindeutig feststehenden Adressat) an der notwendigen Rechtssubjektivität mangelt (vgl Hengstschläger/Leeb AVG § 56 Rz 60).

Angewandt auf den vorliegenden Sachverhalt ist der dem gegenständlichen Strafverfahren zugrundeliegende Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Z vom 24.01.2012, Zl ***, welcher als Bescheidadressaten die Familie A ausweist und auch in der Begründung ausschließlich als Bauwerberin die Familie A bezeichnet von einem Nichtbescheid auszugehen, zumal es sich bei einer Familie weder um eine natürliche noch um eine juristische Person handelt und es ihr an der notwendigen Rechtsubjektivität mangelt.

Soweit dieser Bescheid an die Familie A gerichtet ist, der es an Rechtssubjektivität mangelt, kommt die mit der Erlassung dieses Bescheides intendierten normativen Wirkung mangels eines geeigneten Rechtssubjektes, auf das sich dieser auswirken könnte, nicht zu Stande, der Bescheid geht insoweit ins Leere (vgl VwGH 30.04.2002, 97/08/0465mwn).

Die belangte Behörde stützt ihr Straferkenntnis spruchgemäß darauf, dass der Beschwerdeführer es zu verantworten habe, dass die Maßnahmen des Bescheides der Marktgemeinde Z (gemeint wohl des Bürgermeisters der Marktgemeinde Z) vom 24.01.2012 zumindest bis zum 24.09.2019 nicht umgesetzt worden wären. Das sohin der Tatvorwurf auf die Nichteinhaltung eines Nichtbescheides lautet, erweist sich das Verhalten als straflos, weshalb der Beschwerde bereits aus diesem Grund Folge zu geben war und spruchgemäß zu entscheiden war.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Bescheidadressat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.40.2224.1

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten