Entscheidungsdatum
06.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z2Spruch
L518 2142045-1/14E
L518 2142047-1/18E
L518 2142046-1/12E
L518 2207770-1/8E
L518 2141217-1/14E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 27.11.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus Steininger als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. Armenien, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Kindsmutter, alle vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne SINGER (nunmehr nach Verkündung durch RA Dr. Häupl), gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 11.11.2016, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , sowie vom 13.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP5“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien. Die männliche bP 1 und die weibliche bP 2 sind Ehegatten und die Eltern der minderjährigen bP 3 und 4. bP 1, 2 und 5 (Mutter der bP 1) brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 01.04.2013 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) für sich Anträge auf internationalen Schutz ein. Für die in Österreich geborenen bP 3 und 4 wurden von der Mutter als gesetzlichen Vertreterin am 15.12.2014 und am 03.07.2018 entsprechende Anträge eingebracht.
I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 1 Folgendes vor:
„Ich habe in der Ukraine bei meiner Tätigkeit als Kraftfahrer bei dem Mann meiner Tante XXXX gearbeitet. Wir haben des Öfteren auch Aufträge von einem sehr reichen Geschäftsmann namens XXXX erhalten. XXXX hat meinen Reisepass diesem Geschäftsmann auf seinen Wunsch gegeben. Am Anfang als ich noch legal in der Ukraine aufhältig war, habe ich für diesen Geschäftsmann seine Mitarbeiter hin und her transportiert.
Im Jahr 2009 wurde XXXX festgenommen und für ein Jahr Gefängnis verurteilt. Unter anderem hat auch XXXX von einer staatlichen Pipeline Öl gestohlen. Als ich erfuhr, dass er vom Gefängnis entlassen wurde, habe ich ihn angerufen, damit ich meinen RP abholen konnte. Wir haben für den XXXX 2011 einen Termin vereinbart. Am XXXX 2011 war ich bei ihm er hat mir meinen Reisepass und Geld gegeben, dass ich nach Armenien zurückfahren konnte. Ich sollte für ihn Zigaretten kaufen gehen. Als ich nach ca. 15 min zurückkam, sah ich den XXXX Blutüberströmt am Boden liegen. Bei ihm waren, die zwei Zigeuner, die ich von früher kannte. Einer von ihnen hatte eine Axt in der Hand mit der er vermutlich den XXXX umgebracht hatte. Daraufhin flüchtete ich und ging nach Armenien zurück.
Am XXXX 2013 waren diese Leute das erste Mal bei uns in der Wohnung und suchten nach mir, da wusste ich sofort, dass sie mich umbringen wollten, weil ich Zeuge bei einem Mord war.
Zur Polizei konnte ich nicht gehen weil ich keinen Namen von ihnen wusste. Davon abgesehen sind diese Leute sehr gefährliche Kriminelle. Als sie am XXXX 2013 wieder zu uns kamen und meine Mutter schlugen und bedrohten entschlossen wir uns das Land zu verlassen.
bP2 und 5 beriefen sich auf die Gründe der bP1 und auf den gemeinsamen Familienverband. Für die minderjährigen bP wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:
? Geburtsurkunden bP 2 und 3
? Meldezettel
? Heiratsurkunde bP 1 und 2
? Armenische Geburtsurkunde bP 1, 2 und 5
? Befund Nierenoperation in Armenien bP 5
? Befund vom 04.03.2015 bP 5 (Spirale wurde entfernt) sowie weitere ärztliche Schreiben aus Österreich, welche überwiegend ohne / mit unauffälligem Befund blieben
? Unterstützungsschreiben eines Invalidenverbandes mit Anmerkung, dass die bP 1 und 5 zweimal bei Aufräumarbeiten freiwillig mithalfen
? Militärausweis bP 1
? Unterlagen zu Deutschkursen
? Taufscheine
I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei.
Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gewährt.
In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.
I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP 1):
- betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes:
Als Grund für Ihren Asylantrag führten Sie an, dass am XXXX 2013 unbekannte Personen zu Ihrer Mutter gekommen wären und diese geschlagen hätten. Diese Ihnen unbekannten Personen hätten Sie gesucht. Es hätte sich dabei um jene Personen gehandelt, welche in der Ukraine eine Person namens XXXX ermordet hätten. Erklärend führten Sie aus, dass am XXXX 2012 in der Siedlung XXXX in der Region XXXX , Ukraine eine Person namens XXXX vor dessen Wohnhaus getötet worden wäre und Sie wären Zeuge dieses Mordes gewesen.
Zudem hätten jene Ihnen unbekannte Personen, welche Ihnen nach dem Leben trachten würden, für Öl bezahlt, das sie nicht erhalten hätten. Dieser Handel wäre im Jahr 2009 über die Bühne gegangen, Genaueres wäre Ihnen nicht mehr erinnerlich. Dies alles hätte in der Ukraine stattgefunden.
Sie führten zudem aus, dass dieses Öl von Ihnen im Jahr 2009 in der Ukraine und zwar in der Siedlung XXXX in der Region XXXX versteckt worden wäre. Die Ihnen unbekannten Personen hätten nun seit 2009 nach diesem Öl gesucht. Diese Ihnen unbekannten Personen hätten auch die Reisepässe von Ihnen, Ihrer Mutter und Ihrer Frau an sich genommen.
Sie hätten nie Anzeige bei den zuständigen Behörden in der Ukraine erstattet, denn Sie hätten befürchtet selbst ins Visier der ukrainischen Behörden zu geraten. Sie hätten nie Anzeigen gegen die Personen erstattet, welche Ihnen in Armenien nachgestellt hätten, denn die genannten unbekannten Personen wären am XXXX 2013 in Begleitung eines Polizeibeamten und am XXXX 2013 ohne die Begleitung eines Polizeibeamten bei Ihrer Mutter aufgetaucht.
Sie führten zudem aus, dass Sie telefonisch vom Vater Ihrer Freundin XXXX mit dem Namen XXXX , welcher in der Ukraine leben würde, bedroht worden wären. Begründend führten Sie dazu aus, dass XXXX von jenen Personen, welche Sie verfolgen würden, üble Lügengeschichten über Sie erfahren hätte.
Sie gaben an, Sie wären nach dem Tode des Vaters in die Ukraine übersiedelt, hätten die letzten Schuljahre bis 2003 in der Ukraine und in Armenien absolviert. Dann hätten Sie bis ins Jahr 2005 bei Ihrem Onkel als Fahrer (Zusteller von Bäckereien und Mehlspeisen) gearbeitet. Dann wären Sie nach Armenien zurückgekehrt um im Zeitraum zwischen XXXX 2005 bis XXXX 2007 in Armenien den Wehrdienst zu absolvieren.
Nach Ableistung des Wehrdienstes wären Sie in die Ukraine zurückgekehrt, hätten dort aber kein dauerndes legales Aufenthaltsrecht mehr erhalten und hätten dann, zusammen mit Ihrem Onkel, dem Bäcker und Konditormeister, Öl-Pipelines angebohrt. Sie selbst wären bei dieser Tätigkeit nur ein kleines Rädchen gewesen, hätten beim Graben nach den Pipelines geholfen, wären Schmiere gestanden.
Am XXXX 2009 wäre Ihr Onkel festgenommen worden, auch XXXX wäre festgenommen worden. Sie, und andere „kleine Rädchen“ hätten sich dem Zugriff der Polizei entziehen können. Sie hätten dann versucht in den Besitz Ihres Reisepasses zu gelangen um damit nach Armenien zurückkehren zu können, dies wäre Ihnen aber nicht gelungen, denn ihr Reisepass hätte sich im Besitz von XXXX befunden.
Sie hätten sich dann in ein Ihnen namentlich unbekanntes Dorf in der Ukraine begeben, wo Sie sich bis Juli 2011 aufgehalten hätten. Dieses kleine Dorf befände sich unweit XXXX , Region XXXX , ca. 20 bis 25 Kilometer von XXXX entfernt.
Im genannten Zeitraum also vom XXXX 2009 bis Juli 2011 hätten Sie in einem kleinen Ihnen namentlich unbekannten Dorf bei einer Frau aufgehalten, deren Name Ihnen nicht mehr erinnerlich wäre – Sie glaubten jedoch, dass ihr Name XXXX gewesen sei. Sie hätten für XXXX bis Juli 2011 diverse Arbeiten verrichtet, hätten für sie Gras gemäht, Bäume gepflegt, Holz geschnitten und ihre Tiere gepflegt.
Dann hätten Sie im Jahr 2012 eine Ukrainerin kennengelernt. Diese hätte den Namen XXXX (Familienname nicht erinnerlich) geführt. Diese hätte Sie dann finanziell unterstützt und mit Ihnen Ausflüge unternommen, da diese Geld und ein Auto besessen hätte.
Sie hätten die Arbeit (Abzapfen von Öl aus staatlichen Pipelines), die Sie in der Ukraine gegen Ihren Willen verrichten hätten müssen, da Ihnen von XXXX der armenische Reisepass vorenthalten worden wäre und Sie ohne Reisepass nicht in die Republik Armenien zurückkehren hätten können.
Am XXXX 2012 hätte Ihnen dann die Person namens XXXX den armenischen Reisepass ausgefolgt, hätte Ihnen noch 500 US Dollar übergeben und Sie wären dann in die Heimat Armenien ausgereist.
In Ihrer Heimat Armenien hätten Sie dann ab 28.07.2012 bei der Mutter Unterkunft genommen und diese nach einem kurzen Zeitraum der Erholung bei den Arbeiten am Markt (Gemüsehandel) unterstützt. Sie hätten diese Tätigkeit bis zur Ihrer Ausreise aus Armenien im März 2013 ausgeübt.
Im März 2013, genauer am XXXX 2013 wären dann unbekannte Personen zu Ihrer Mutter gekommen, hätten diese geschlagen – woraufhin Sie, Ihre Mutter und Ihre Gattin die Heimat am 28.03.2016 fluchtartig verlassen hätten.
Ihr Vorbringen ist aus mehreren Gründen nicht glaubhaft.
Sie gaben an Ihr Reisepass wäre Ihnen am XXXX 2013 von Ihnen unbekannten Personen, welche aus der Ukraine nach Armenien gekommen waren, weggenommen worden. Sie wären an diesem Tage nicht zuhause gewesen. Sie wären damals mit Ihrer Frau im Elternhaus Ihrer Frau gewesen. Das Elternhaus wäre in der Stadt XXXX .
Ihre Frau gab diesbezüglich jedoch zu Protokoll, dass die Reisepässe sich nach wie vor in Armenien befinden würden und zwar im Hause Ihrer Mutter. Davon dass die Reisepässe von unbekannten Personen mitgenommen worden wäre, berichtete Ihre Frau nichts. Sie führte aus, diese hätten in der Eile im Hause zurückgelassen werden müssen.
Auch wenn Ihre Frau über Ihr Fluchtvorbringen wenig bis gar nichts zu berichten wusste, so ist es nicht nachvollziehbar, dass Ihre Gattin keine Kenntnis davon hätte, wären die Reisepässe tatsächlich von unbekannten Dritten mitgenommen worden.
Sofern Sie sich mit Ihre Ausreisegründen darauf stützen, dass unbekannte Dritte aus der Ukraine Sie in Armenien verfolgten und unter Druck gesetzt hätten, so wird dem entgegengehalten, dass eine derartige Verfolgung schon aus dem Grund nicht glaubhaft ist, da Sie sich in der Ukraine im Zeitraum XXXX 2009 bis Juli 2012 (also drei Jahre) im Hause einer alten Frau namens XXXX unbehelligt leben und arbeiten konnten und niemand von Ihren Verfolgern in diesem Zeitraum an Sie herangetreten ist. Während des Aufenthalts bei XXXX haben Sie sich nicht etwa in deren Haus versteckt gehalten, sondern am öffentlichen Leben teilgenommen, im Jahr 2012 eine Ukrainerin namens XXXX kennengelernt und mit dieser gemeinsam Ausflüge unternommen, da diese Geld und ein Auto besessen hätte.
Es ist vollkommen unglaubhaft, dass Sie sich nicht an den Namen eines Dorfes erinnern, in dem Sie drei Jahre Ihres Lebens zugebracht haben wollen.
Zudem ist nicht glaubhaft und nachvollziehbar, dass Sie mangels eines armenischen Reisepasses gezwungen gewesen wären in der Ukraine zu verweilen, Sie haben sich während des Aufenthaltes in der Ukraine nicht etwa in Gefangenschaft befunden, Sie konnten sich frei bewegen und auf die Frage, warum Sie zum Beispiel die Gelegenheit nicht wahrgenommen hätten mit Hilfe von XXXX die Hauptstadt Kiew aufzusuchen, dort die Botschaft von Armenien zu konsultieren und dort einen neuen armenischen Reisepass zu erwirken, angegaben, dass Sie daran gar nicht gedacht hätten.
Sie haben aufgrund der behaupteten Verfolgung bzw. aufgrund der behaupteten Übergriffe und Drohungen oder aufgrund der behaupteten Unterdrückung (Unterschlagung von Dokumenten) weder in der Ukraine noch in Armenien Anzeige erstattet. Begründend führten Sie aus, dass Sie in der Ukraine selbst an der Begehung strafrechtlicher Delikte (Diebstahl von Öl aus staatlichen Pipelines) beteiligt gewesen wären und die Personen, welche Ihre Mutter in Armenien aufgesucht hätten, sich in Begleitung eines armenischen Polizeibeamten befunden hätten.
Sie haben sich ab dem 20.07.2012 bis XXXX 2013 oder 28.03.2013 unbehelligt von Ihren Verfolgern und auch unbehelligt von den Behörden in Ihrer Heimat Armenien aufgehalten.
Alle diese Tatsachen weisen darauf hin, dass keine Verfolgung vorlag und sich bei der von Ihnen präsentierten Fluchtgeschichte um ein reines Konstrukt handelt. Eine asylrelevante Verfolgung in der Heimat Armenien war Ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen.
Unabhängig von Ihren unglaubhaften Schilderungen, stünde Ihnen auch in Armenien eine schutzwillige und –fähige Behörde zur Verfügung, sollten Sie dort der Gewalt von Privatpersonen bzw. Kriminellen ausgesetzt sein.
Nicht unerwähnt soll in diesem Zusammenhang bleiben, dass Sie sich exakt an den Tag erinnern können, als Sie zum Militärdienst einrückten und als Sie vom Militärdienst zurückkehrten. Wichtige Details in Ihrem Fluchtvorbringen, wie z.B. der vollständige Name des „ XXXX “ und der vollständige Name von „ XXXX “ sind Ihnen nicht erinnerlich.
Dass Ihnen aufgrund der begangenen kriminellen Delikte in der Ukraine aufgrund asylrelevanter Merkmale eine strengere Bestrafung als dem durchschnittlichen armenischen Staatsangehörigen durch die Behörden Armeniens drohe, ist nicht anzunehmen.
Sie verfügen im Heimatland über Familie und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie, sollten Sie in die Heimat zurückkehren, dort keine Unterkunftsmöglichkeit und keine Unterstützung von Seiten der Familie vorfänden, selbst wenn sich im Elternhaus (Holzhaus) keine Unterkunftsmöglichkeit für Sie findet.
Dass Sie nie politisch aktiv waren, dass Sie weder aufgrund Ihrer Religion noch aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme hatten, ergibt sich daraus, dass Sie dies verneint haben als Sie konkret danach befragt wurden.
Andere Umstände brachten Sie nicht vor und ergaben sich auch nicht.
In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.
I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.
I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.
I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bP ein glaubwürdiges Vorbringen erstattet hätten und sehr gut integriert wären. Eine Verhandlung sei unerlässlich.
I.5. Mit Urkundenvorlagen vom 31.07.2019 und 17.09.2019 wurden Deutschprüfungszertifikate, Bescheide des AMS, Bestätigungen des Kindergartens, eine Bestätigung des Arbeitgebers der bP 1, eine Bestätigung des Vermieters (Zivilinvalidenverband), ein Dienstvertrag der bP 5 und ein Empfehlungsschreiben vorgelegt.
I.6. Für den 27.11.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde – in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen. Eine Stellungnahme langte am 19.11.2019 ein
Zu Beginn der Verhandlung brachten die befragten bP vor, bisher die Wahrheit gesagt zu haben und brachten keine Umstände vor, welche gegen die Annahme der Beweiskraft iSd § 15 AVG in Bezug auf die bisher durchgeführten Einvernahmen Zweifel aufkommen ließen.
Vorgelegt in der Verhandlung wurde von den bP:
- 1 Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters, sowie drei weitere Empfehlungsschreiben
- Ein Leasingvertragsoffert für einen BMW X5 SUV
- Eine Anmeldebestätigung für die A2 Prüfung am 10.01.2020 von der P1
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.
Die Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.
Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.
Mit Schreiben vom 02.12.2019 bzw. 11.12.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt und wurde mit letzteren Schreiben auch die nunmehrige Bevollmächtigung von RA Dr. Häupl bekannt gegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien
Bei den bP handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.
Die bP 1 und 2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage. Auch die bP 5 ist ein arbeitsfähiger Mensch mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage. bP 1, 2 und 5 wurden in Armenien geboren und haben dort die Schule besucht.
Die bP 1 hat in der Ukraine einen Teil der Schulausbildung abgeleistet und danach dort zweitweise – mit Unterbrechungen wegen Aufenthalten in Armenien - gearbeitet. Die bP 1 arbeitete und lebte eine zeitlang in der Ukraine, vor ihrer Ausreise nach Europa arbeitete sie ca. 2 Jahre als Händler in Armenien. Die bP 2 hat nach der Schule die Universität besucht und das Pädagogikstudium abgeschlossen. Die bP 5 machte nach der Schule eine Ausbildung zur Buchhalterin und arbeitete als Buchhalterin und später als Händlerin. Die bP 1 und 2 lebten vor ihrer Ausreise nach Österreich in dem Haus der Mutter (bP5) in XXXX , welches seit der Ausreise leer steht.
Familienangehörige leben nach wie vor in Armenien. Die Mutter der bP 2 lebt in Armenien mit den Geschwistern der bP 2. Die Mutter besitzt eine Eigentumswohnung. Der Vater arbeitete in Russland und besucht regelmäßig seine Familie in Armenien. Darüber hinaus leben Onkel und Tanten der bP 2 und bP 1 in Armenien.
Die bP haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur im Spruch genannten Familie zu zählen ist. Die bP 1 ist Taufpate eines in Österreich lebenden armenischen Kindes.
Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit ca. 6 ½ Jahren im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein.
bP 1, 2 und 5 haben Deutschkurse besucht. Die bP 1 hat die A1 Prüfung, die bP 2 die B1 Prüfung absolviert. Die bP 5 hat die A1 Prüfung bestanden. Sie sind strafrechtlich unbescholten.
Die bP 1 arbeitet seit April 2017 für 40h als Gartenarbeiter mit entsprechenden Beschäftigungsbewilligungen. Die bP 2 arbeitete von April 2019 bis November 2019 für 20h als Gartenarbeiterin. 2016 und 2017 arbeitete die bP 2 zeitweise für einige Monate saisonal. Die bP 5 arbeitete zwischen August und November 2019 für 30 h im Gastgewerbe. Die bP beziehen im Entscheidungszeitpunkt Grundversorgung, aufgrund ihrer jeweiligen Beschäftigungssituationen scheinen Zeiten seit Mitte 2018 auf, in welchen die Familie teilweise keine Grundversorgung bezog.
Die bP 1, 2 und 5 sind bei ihrem ehemaligen Vermieter, einem Invalidenverband in Österreich ehrenamtlich tätig.
Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP ist durch deren Eltern gesichert.
Die bP 3 besucht den Kindergarten, die bP 4 die Krabbelstube.
Im Jahr 2012 wurden bei der bP 5 in Armenien Harnsteine entfernt. Die bP leidet aktuell an Bluthochdruck und wird ihre Schilddrüse regelmäßig kontrolliert. Sie nimmt bei Bedarf Schmerztabletten wegen Kopf- und Nackenschmerzen sowie Blutdrucktabletten.
Die Identität der bP steht fest.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Armenien
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Politische Lage
Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).
Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a).
Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).
Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).
Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 7.5.2019
? ARMENPRESS – Armenian News Agency (10.12.2018): My Step – 70.44%, Prosperous Armenia – 8.27%, Bright Armenia – 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 21.3.2019
? ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/, Zugriff 8.5.2019
? BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605, Zugriff 21.3.2019
? CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 7.5.2019
? OSCE/ODIHR – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true, Zugriff 21.3.2019
? RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html, 21.3.2019
? RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html, Zugriff 21.3.2019
? 168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government’s economic policy – PM Pashinyan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html, Zugriff 21.3.2019
Sicherheitslage
Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 20.3.2019). Die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach dauern an. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist geschlossen. Im Jahr 2018 fanden mehrere Waffenstillstandsverletzungen entlang der Kontaktlinie zwischen den gegnerischen Streitkräften und anderswo an der zwischenstaatlichen Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien statt, die zu einer Reihe von Todesfällen und Verlusten führten (gov.uk 21.3.2019, vgl. EDA 7.5.2019).
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Duschanbe stattfand, mehrere Schritte zum Abbau der Spannungen zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften, wie z.B. die Installierung einer direkten "operativen" Kommunikationslinie zwischen den beiden Seiten und die Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts (Eurasianet 1.10.2018).
Quellen:
? CFR - Council on Foreign Relations (20.3.2018): Nagorno-Karabakh Conflict, https://www.cfr.org/interactives/global-conflict-tracker#!/conflict/nagorno-karabakh-conflict, Zugriff 21.3.2019
? EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (7.5.2019): Reisehinweise für Armenien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/armenien/reisehinweise-armenien.html, Zugriff 7.5.2019
? Eurasianet (1.10.2018): Aliyev and Pashinyan hold first talks, agree on tension-reducing measures, https://eurasianet.org/aliyev-and-pashinyan-hold-first-talks-agree-on-tension-reducing-measures, Zugriff 21.3.2019
? UK Gov (7.5.2019): Foreign travel advice, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/armenia, Zugriff 7.5.2019
Regionale Problemzone: Bergkarabach (Nagorny Karabach)
Die sogenannte „Republik Bergkarabach“ („RBK“, russ.: Nagorny Karabach; in Armenien auch Arzach genannt) wird von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Die aserbaidschanische Regierung besitzt faktisch jedoch keine Kontrolle über das Gebiet. Auch Armenien erkennt die „Republik Bergkarabach“ offiziell nicht an, praktisch sind beide aber wirtschaftlich und rechtlich stark verflochten. Die Bewohner von Bergkarabach erhalten neben ihrem RBK-Pass auch armenische Pässe (AA 7.4.2019).
Laut Angaben der selbsternannten Republik von Nagorny Karabach (auch Republik Artsach), umfasst das Gebiet mehr als 12.000 km², wobei hiervon 1.041 km² unter aserbaidschanischer Okkupation stünden. Die Bevölkerung belief sich 2013 auf rund 147.000 Einwohner, wovon 95% Armenier sind, nebst Russen, Ukrainern, Griechen, Georgiern und Aseri (NKR 21.3.2019).
Die sog. Republik Bergkarabach kontrolliert das in Aserbaidschan früher als Autonome Region Bergkarabach verwaltete Gebiet sowie weitere sieben Provinzen Aserbaidschans in den Grenzgebieten zu Armenien und Iran und in der Region um Agdam. Der Kreis Shahumyan nördlich der früheren Autonomen Region ist unter aserbaidschanischer Kontrolle, wird aber ebenfalls von der „RBK“ beansprucht, da es sich nach deren Logik um „von Aserbaidschan besetztes Gebiet“ mit ehemals armenischer Bevölkerungsmehrheit handelt. Insgesamt befindet sich etwa 13% des Staatsgebiets von Aserbaidschan unter armenischer Kontrolle, d.h. der sog. Republik Bergkarabach (AA 7.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).
Der amtierende Präsident Sahakyan, dessen zweite Amtszeit zu Ende ging, wurde im Juli 2017 mit 28 von 33 Stimmen zum Übergangspräsidenten gewählt. Er besiegte Eduard Agabekyan, den Vorsitzenden der oppositionellen „Bewegung 88“. Nach der neuen Verfassung ist der Präsident sowohl Staats- als auch Regierungschef und hat die volle Autorität, Kabinettsmitglieder zu ernennen und zu entlassen. Nach der Einweihung von Sahakyan im September 2017 wurde das Amt des Premierministers abgeschafft (FH 1.2018).
Die Justiz ist in der Praxis nicht unabhängig und die Gerichte werden von der Exekutive sowie von mächtigen politischen, wirtschaftlichen und kriminellen Gruppen beeinflusst. Die Verfassung garantiert grundlegende Verfahrensrechte, aber Polizei und Gerichte halten diese in der Praxis nicht immer ein. Die Regierung kontrolliert viele der Medien und die öffentlichen Fernseh- und Radiosender haben keine lokale Konkurrenz. Die meisten Journalisten praktizieren Selbstzensur, insbesondere bei Themen im Zusammenhang mit dem Friedensprozess. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, lässt aber Einschränkungen im Namen der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und anderer staatlicher Interessen zu. In der Verfassung ist die Armenische Apostolische Kirche als "nationale Kirche" des armenischen Volkes verankert. Die Religionsfreiheit anderer Gruppen wird in der Praxis eingeschränkt. Proteste sind in der Praxis relativ selten. Die Behörden blockieren Versammlungen und Demonstrationen, wenn sie diese als Bedrohung der öffentlichen Ordnung wahrnehmen, einschließlich Veranstaltungen, die von armenischen Aktivisten der Opposition geplant sind. Proteste, die die diplomatischen und sicherheitspolitischen Interessen des Territoriums unterstützen oder bestimmte wirtschaftliche Missstände anprangern, werden eher toleriert (FH 1.2018).
Es gibt keine Erkenntnisse, wonach Personen bei Bekanntwerden einer (auch) aserbaidschanischen Herkunft mit staatlichen Übergriffen zu rechnen hätten. In Bergkarabach gelten den armenischen Regelungen vergleichbare Vorschriften zur kostenlosen medizinischen Behandlung. Im Sozialwesen gibt es „behördliche“ Unterstützung. Die wirtschaftliche Situation in Bergkarabach ist nach allgemeiner Einschätzung besser als in Armenien (AA 7.4.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien
? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Nagorno-Karabakh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442453.html, Zugriff 16.10.2018
? NKR – The Office of the NKR President (21.3.2019): NKR, General information, http://www.president.nkr.am/en/nkr/generalInformation/, Zugriff 21.3.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 21.3.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte. Die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Nach bisher vorliegenden Informationen hat sich die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis seit Mitte 2018 verbessert. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wurde bisher durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert. Es gibt Anzeichen, dass allein der Regierungswechsel im Mai 2019 zu weniger Korruption in der Justiz geführt hat. Hinsichtlich des Zugangs zur Justiz gab es bereits Fortschritte, dass die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 7.4.2019). Zwar muss von Gesetzes wegen Angeklagten ein Rechtsbeistand gewährt werden, doch führt der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Jerewans dazu, dass dieses Recht den Betroffenen verwehrt wird (USDOS 13.3.2019).
Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 4.2.2019). Allerdings entließen viele Richter nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 etliche Verdächtige in politisch sensiblen Fällen aus der Untersuchungshaft, was die Ansicht von Menschenrechtsgruppen bestätigte, dass vor den Ereignissen im April/Mai 2018 gerichtliche Entscheidungen politisch konnotiert waren, diese Verdächtigen in Haft zu halten, statt gegen Kaution freizulassen (USDOS 13.3.2019).
Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Sie leiden allerdings unter Personalmangel. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 setzte sich das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter fort, und einige Menschenrechtsanwälte erklärten, es gebe keine rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz. Anwälte berichteten, dass das Kassationsgericht in der Vergangenheit das Ergebnis aller wichtigen Rechtssachen an niedere Richter diktiert habe. Im Februar wurde mit der Umsetzung der Verfassungsänderungen 2015 der Oberste Justizrat (HJC) gebildet. Viele Beobachter gaben dem HJC die Schuld für Machtmissbrauch und die Ernennung von Richtern, die mit der früheren Regierungspartei verbunden waren. Anwälte erklärten auch, dass die Kontrolle der HJC über die Ernennung, Beförderung und Verlegung von Richtern die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt habe. NGOs berichten, dass Richter die Behauptungen der Angeklagten, ihre Aussage sei durch körperlichen Übergriffe erzwungen worden, routinemäßig ignorieren (USDOS 13.3.2019).
Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber die Justiz hat dieses Recht nicht durchgesetzt. Zwar sieht das Gesetz die Unschuldsvermutung vor, Verdächtigen wird dieses Recht jedoch in der Regel nicht zugesprochen. Das Gesetz verlangt, dass die meisten Prozesse öffentlich sind, erlaubt aber Ausnahmen, auch im Interesse der "Moral", der nationalen Sicherheit und des "Schutzes des Privatlebens der Teilnehmer". Gemäß dem Gesetz können Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise präsentieren und den Behördenakt vor einem Prozess einsehen. Allerdings haben Angeklagte und ihre Anwälte kaum Möglichkeiten, die Aussagen von Behördenzeugen oder der Polizei anzufechten. Die Gerichte neigen währenddessen dazu, routinemäßig Beweismaterial zur Strafverfolgung anzunehmen. Zusätzlich verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 11.4.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 11.4.2019
Sicherheitsbehörden
Die Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD oder eng. NSS) für die nationale Sicherheit, die Geheimdienstaktivitäten und die Grenzkontrolle zuständig ist (USDOS 13.3.2019, vgl. AA 7.4.2019). Beide Behörden sind direkt der Regierung unterstellt. Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 7.4.2019).
Der Sonderermittlungsdienst führt Voruntersuchungen in Strafsachen durch, die sich auf Delikte von Beamten der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Justizorgane beziehen und von Personen, die einen staatlichen Sonderdienst ausüben. Auf Verlangen kann der Generalstaatsanwalt solche Fälle an die Ermittler des Sonderermittlungsdienstes weiterleiten (SIS o.D., vgl. USDOS 13.3.2019). Der NSD und die Polizeichefs berichten direkt an den Premierminister. NSD, SIS, die Polizei und das Untersuchungskomitee unterliegen demzufolge der Kontrolle der zivilen Behörden (USDOS 13.3.2019).
Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen. Angeklagte haben ab dem Zeitpunkt der Verhaftung Anspruch auf Vertretung durch einen Anwalt bzw. Pflichtverteidiger. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festhalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne das das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien
? SIS - Special Investigation Service of Republic of Armenia (o.D.): Functions Of Special Investigation Service, http://www.ccc.am/en/1428578692, Zugriff 10.4.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 10.4.2019
Folter und unmenschliche Behandlung
Das Gesetz verbietet solche Folter und andere formen von Misshandlungen. Dennoch gab es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 13.3.2019). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur „Samtenen Revolution“ immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 7.4.2019).
Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden (USDOS 13.3.2019). In einem Antwortschreiben an die Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 20.12.2018 auf 49 (HCA 1.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien
? HCA – Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf, Zugriff 10.4.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 10.4.2019
Korruption
Armenien verfügt nicht über wirksame Schutzmaßnahmen gegen Korruption. Dem bis 2018 an der Macht befindlichen Parlament gehörten einige der wohlhabendsten Wirtschaftsführer des Landes an, die trotz Interessenkonflikten ihre privatwirtschaftlichen Aktivitäten fortsetzten. Auch die Beziehungen zwischen Politikern und anderen Oligarchen haben die Politik historisch beeinflusst und zu einer selektiven Anwendung des Gesetzes beigetragen. Die Berichte über systemische Korruption, auch in allen drei Staatsgewalten, gingen jedoch weiter. Nach der "Samtenen Revolution" im Mai 2018 leitete die neue Regierung Untersuchungen zur Bekämpfung der Korruption ein, die systemische Korruption in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens aufdeckte. Das SIS leitete zahlreiche Strafverfahren gegen mutmaßliche Korruption durch ehemalige Regierungsbeamte und deren Angehörige sowie Parlamentarier ein, deren Fälle von einigen tausend bis zu Millionen von US-Dollar reichten (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019).
Ministerpräsident Pashinyan, für dessen Regierung die Korruptionsbekämpfung ein hochrangiges Ziel darstellt, berichtete im Juli 2018, dass innerhalb zweier Monate bereits 20,6 Milliarden Armenische Dram (36,8 Millionen Euro) an Geldern aus Steuerhinterziehungen sichergestellt wurden. Betroffen waren 73 Unternehmen, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Die Summe bezog sich ausschließlich auf die Steuerschuld (Haypress 13.7.2018, vgl. JAMnews 24.7.2018). Während die meisten Beobachter der Meinung sind, dass es reichlich Beweise für Fehlverhalten gibt, warnten einige, dass es eine schmale Linie zwischen soliden Rechtsfällen und politisch motivierten gibt. Die mit der ehemaligen, langjährigen Regierungspartei verbündeten Eliten zeigten erheblichen Widerstand gegen diese Ermittlungen und schienen den Antikorruptionskurs der neuen Regierung zu erschweren (FH 4.2.2019).
Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2017 belegte Armenien den Rang 105 von 180 Ländern (2017: 107 von 180 Staaten) und erhielt wie 2017 einen Wert von 35 auf einer Skala von 100 [100 ist der beste, 0 der schlechteste Wert] bezüglich der Korruption im öffentlichen Sektor (TI 2018).
Quellen:
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 10.4.2019
? Haypress (13.7.2018): Armenien: Paschinjans Regierung holt 42 Mio. Dollar an Steuerhinterziehung zurück, https://haypressnews.wordpress.com/2018/07/13/armenien-paschinjans-regierung-holt-42-mio-dollar-an-steuerhinterziehung-zurueck/, Zugriff 29.3.2019
? JAMnews (24.7.2018): Armenia’s fight against corruption: a JAMnews series on the first steps of the new Armenia, https://jam-news.net/armenias-fight-against-corruption-a-jamnews-series-on-the-first-steps-of-new-armenia/, Zugriff 9.11.2018
? TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/ARM, Zugriff 29.3.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 29.3.2019
NGOs und Menschrechtsaktvisten
Die Zivilgesellschaft ist in Armenien aktiv und weitgehend in der Lage, frei zu agieren. Das Gesetz über öffentliche Unternehmen und das Stiftungsrecht wurden kürzlich mit einer Reihe positiver Änderungen verabschiedet, darunter die Möglichkeit, direkt einkommensschaffende oder unternehmerische Aktivitäten durchzuführen; weiters die Möglichkeit von Freiwilligenarbeit sowie die Möglichkeit für Umweltorganisationen, die Interessen ihrer Mitglieder in Umweltfragen vor Gerichten zu vertreten. Es gibt jedoch noch eine Reihe von Herausforderungen. Zum Beispiel die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Steuerverpflichtungen im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen, das Fehlen klarer Regeln für den Zugang zu öffentlichen Mitteln sowie klarer Regelung für die Verwendung privater Daten. Einschränkungen gibt es für zivilgesellschaftliche Organisationen, die mit sensiblen Themen wie den Rechten von Minderheiten und einigen Gender-spezifischen Fragen arbeiten (OHCHR 16.11.2018). Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fehlen lokale Mittel und sind weitgehend auf ausländische Geber angewiesen (FH 4.2.2019).
Die Zivilgesellschaft war sehr aktiv bei den Protesten 2018, den anschließenden Konsultationen mit der Regierung in politischen Fragen und bei der Überwachung der Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen im Dezember 2018 (FH 4.2.2019).
Quellen:
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 29.3.2019
? OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.11.2018): Statement by the United Nations Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Clément Nyaletsossi VOULE, at the conclusion of his visit to the Republic of Armenia, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23882&LangID=E, Zugriff 29.3.2019
Ombudsperson
Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte „Ombudsperson für Menschenrechte“ muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen (AA 7.4.2019).
Mit den im März 2017 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen wurde der Zuständigkeitsbereich des Büros der Bürgerbeauftragten erweitert. Es kann Gesetzesvorschläge einbringen, Rechtsvorschriften aus Menschenrechtssicht überprüfen, förmliche Gutachten durchführen und Empfehlungen zu Rechts- und Rechtsvollzugsmängeln abgeben. Experten zufolge reichten jedoch der Grad der Ermächtigung und die Ressourcen des Büros der Ombudsperson nicht aus, um das neue Mandat des Büros umzusetzen (USDOS 20.4.2018).
Die Zivilgesellschaft hat die Arbeit des Büros der Ombudsperson während der Proteste von April bis Mai 2018 allgemein als gut erachtet. Nach Angaben der Website des Menschenrechtsverteidigers arbeitete das Büro bei Protesten 24 Stunden am Tag, um den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. In der ersten Jahreshälfte 2018 meldete das Büro eine beispiellose Zahl von Bürgerbeschwerden und -besuchen, die es auf ein gestiegenes Vertrauen in die Institution und neue Erwartungen der Öffentlichkeit zurückführte (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien
? USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html, Zugriff 28.3.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 28.3.2019
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und –freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt. Presse und Menschenrechtsorganisationen berichten allerdings nachvollziehbar von Fällen willkürlicher Festnahmen (AA 7.4.2019).
Zu den Menschenrechtsfragen gehörten Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung; Polizeigewalt gegen Journalisten; physisches Einschreiten von Sicherheitskräften bei Versammlungen; Beschränkungen der politischen Partizipation; systemische Regierungskorruption; Verbrechen mit Gewalt oder Drohungen gegen Mitglieder sexueller Minderheiten; unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Menschen mit Behinderungen in zuständigen Einrichtungen Institutionen und schlimmste Formen von Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019, vgl. HRW 17.1.2019). Die neue Regierung hat Schritte, auch strafrechtliche, unternommen, um Missbrauch zu untersuchen und zu ahnden, insbesondere gegen ehemalige Regierungsvertreter. Am 3. Juli 2018 erhob der Sonderermittlungsdienst (SIS) Anklage gegen einige ehemalige hochrangige Beamte im Zusammenhang mit ihrer angeblichen Rolle bei den Zusammenstößen nach den Wahlen im Jahr 2008, als acht Zivilisten und zwei Polizisten getötet wurden (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019‘): World Report 2019 – Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002243.html, 29.3.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 29.3.2019
Meinungs- und Pressefreiheit
Die Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel (AA 7.4.2019, vgl. USDOS 20.4.2018). Journalisten zeichneten neun Monate nach dem politischen Machtwechsel ein gemischtes Bild. Während die Regierung nicht mehr versucht, die Berichterstattung direkt zu orchestrieren, erweisen sich die neuen Behörden als dünnhäutig gegenüber Kritik. Premierminister Pashinyan selbst hat wiederholt öffentliche Angriffe auf Journalisten gestartet, von denen viele in den Medien sagen, dass sie ein Klima der Einschüchterung gegen kritische Berichterstattung geschaffen haben (Eurasianet 6.2.2019, vgl. USDOS 13.3.2019).
Im Jahr 2018 wurden 13 neue Klagen gegen Reporter und Medienvertreter eingereicht. Alle zitierten Artikel 1087.1 des RoA Zivilgesetzbuches ("Beleidigung und Verleumdung"). Im Jahr 2018 verkündeten die Gerichte neun Urteile gegen Medie