Entscheidungsdatum
10.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z2Spruch
L518 2186508-1/13E
L518 2186511-1/13E
L518 2186505-1/10E
L518 2186514-1/10E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 11.12.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus Steininger als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , XXXX , Geburtsname XXXX alias XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. Armenien, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch den Vater, alle vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 15.01.2018, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.12.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP4“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 23.08.2017 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz ein.
Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten und Eltern der minderjährigen bP 3 und 4.
Bereits im Jahr 2013 stellten die bP Asylanträge in Frankreich.
I.2.1. Im Zuge der Erstbefragung am 07.09.2015 gab die bP 1 in Österreich zum Fluchtgrund an:
Im XXXX wurde ein guter Freund von mir, XXXX , ermordet. Ich wusste, wer und
warum er umgebracht wurde. Die Mörder meines Freundes drohten, auch mich umzubringen.
Deshalb verließ ich das Land. Die Einzelheiten werde ich beim Asylamt bekanntgeben.
Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?
Ich werde von den Mördern meines Freundes umgebracht.
…
Die Polizei hat mit unter Druck gesetzt und auch geschlagen, damit ich gegen die Mäder nicht aussage.
Weiters führte die bP 1 an, dass die Familie im Oktober 2013 Armenien legal verlassen hätte und in Frankreich einen Asylantrag stellte. Dann hätten sie die Aufforderung im Juni 2015 erhalten, dass sie Frankreich verlassen müssen uns seien daher nach Österreich mit dem Auto gefahren.
I.2.2. Am 03.05.2016 wurde die bP 1 - nach erster Abschiebung nach der Dublin-Verordnung am 05.04.2016 gemeinsam mit den Kindern nach Frankreich - wiederum erstbefragt. Die bP 2 entzog sich durch gezieltes Untertauchen der ersten Abschiebung (Aktenvermerk vom 05.04.2016). Alle bP wurden am 07.06.2016 zum teilweise zweiten Mal nach Frankreich abgeschoben. Die bP 1 und 2 wurden am 07.07.2016 nach Wiedereinreise wieder erstbefragt in Österreich und am XXXX 2017 teilweise zum dritten Mal nach Frankreich abgeschoben. Aufgrund des gehäuften vormaligen aggressiven Verhaltens der bP 1 gegen Beamte wurde sie zuletzt im Rahmen der Abschiebung in Sicherheitsverwahrung genommen. Die bP gaben an, nach Überstellung durch die österreichischen Behörden nach Frankreich dort nicht versorgt worden zu sein.
Nach letztmaliger Einreise in Österreich am 23.08.2017 wurde die bP 1 wiederum von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen.
Am 11.09.2017 teilten die französischen Behörden mit, dass einer Überstellung nicht zugestimmt wird, da die bP zwischenzeitlich nach Armenien zurückgekehrt wären und von dort aus erneut in das österreichische Bundesgebiet eingereist wären.
Am 17.10.2017 wurden die gegenständlichen Verfahren in Österreich zugelassen.
I.2.3. Vor dem BFA brachte die bP 1 am XXXX 2017 im Wesentlichen zum Fluchtgrund Folgendes vor:
LA: Was waren alle Ihre konkreten, die genauen und zeitlich aktuellen Gründe, dass Sie
Armenien verlassen mussten und Sie nicht zurück nach Armenien können, erzählen Sie
bitte?
VP:
Beginn der freien Erzählung:
Im XXXX nach dem Tod meines Freundes XXXX haben meine Probleme
angefangen. Mein Freund wurde genau an dem Tag seiner Verlobung getötet. Die Eltern
seiner Verlobten waren gegen diese Eheschließung. Ich und mein anderer Freund wussten
genau, wer der Mörder ist. Es wurde ein anderer, Unschuldiger dafür belangt. Die Polizei ist
korrupt. Ich und mein Freund wussten namentlich, wer hinter dieser Tat steht und wollte dies
an die Polizei weitergeben. Eine ganz wichtige Sache ist, dass die Verlobte von diesem
getöteten Freund ist XXXX . Da dieser Bürgermeister
sehr autoritär und einflussreich ist, hat er sehr große Macht. Als Auftraggeber dieses Mordes
haben sie das natürlich nicht zugelassen, dass es ermittelt wird und der Richtige zur
Verantwortung gezogen wird. Sie steuerten es so, dass es zu Gunsten der
Bürgermeisterfamilie ausgefallen ist. Sogar der Polizeiermittler wurde überfahren. Der Neffe
des Bürgermeisters sitzt heute im Gefängnis aufgrund der Tötung meines Freundes
XXXX . Zuvor wurde er mehrmals ermahnt, dass er sich aus dieser Sache
heraushalten soll. Ich war auch bei der Polizei, doch sie hat nichts gemacht. Auch wurde ich
vom Leibwächter des Polizeichefs ermahnt, dass ich mich heraushalten soll. Sonst würde ich
Probleme mit der Polizei bekommen. Daraus folgend habe ich beschlossen, Armenien zu
verlassen.
Ende der freien Erzählung.
LA: Wer war Ihr anderer Freund?
VP: Sein Name ist XXXX , er wurde im XXXX getötet.
LA: Wer ist der Mörder Ihres Freundes ist XXXX ?
VP: XXXX , der Neffe des Bürgermeisters.
LA: Wo hält sich die Familie des XXXX auf?
VP: In Russland, den genauen Ort weiß ich nicht.
LA: Warum gingen Sie nicht auch nach Russland?
VP: Ich habe nicht daran gedacht. Ich suchte einen sicheren Ort, aber einen sichereren
Ort wie Österreich fand ich nicht.
LA: Können Ihre Eltern in Armenien normal leben?
VP: Meine Eltern können normal leben, aber die Leute waren bei meinen Eltern.
LA: Wo befindet sich dieser XXXX ?
VP: Er ist im Gefängnis.
LA: Warum haben Sie sich aus der Sache nicht herausgehalten – Sie kennen doch die
örtlichen Gepflogenheiten?
VP: Mein Freund war wie ein Bruder für mich.
LA: Wann genau wurde Ihr Freund XXXX ermordet?
VP: Der Mord ereignete sich am XXXX 2012.
LA: Wie heißt der richtige Mörder?
VP: XXXX .
LA: Welchen Beweis haben Sie, dass dieser XXXX tatsächlich der
Mörder ist?
VP: Mein Freund hat oft darüber gesprochen. Nachgefragt gebe ich an, nicht dabei
gewesen zu sein und sich meine Aussagen auf Mutmaßungen beruhen.
LA: Wer wurde des Mordes beschuldigt?
VP: Das war ein XXXX .
LA: Wurde er verurteilt?
VP: Ja, er wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.
LA: Wurden Sie im Jahr 2012 auch ermahnt, dass Sie sich heraushalten sollen?
VP: Ja ich wurde auch ermahnt, sowohl der Bürgermeisterclan, als auch die Polizei.
LA: Wann war die letzte Ermahnung seitens dieses Clans oder der Polizei?
VP: Im Sommer 2017.
LA: Schildern Sie diese Bedrohungshandlung:
VP: Ich war am Grabstein von meinem Freund XXXX . Es hielten zwei Autos an, einige
Männer stiegen aus und haben auf mich eingeredet, wo ich mich die letzte Zeit aufgehalten
hätte. Sie schlugen auf mich ein. Ich wurde bewusstlos geschlagen und dann ins
Krankenhaus musste.
LA: Wer waren diese Männer?
VP: Der Bürgermeisterclan.
LA: Woher wussten diese, dass Sie sich genau zu diesem Zeitpunkt am Grab befinden?
VP: Das war der Jahrestag. XXXX hat etwa 70.000 Einwohner und jeder kennt jeden.
LA: Haben Sie in Armenien in Erwägung gezogen, Ihren Wohnsitz innerhalb des Landes
zu ändern, z.B. nach XXXX ?
VP: Ich würde gefunden werden.
LA: Warum haben Sie Angst, wenn Sie niemandem etwas sagen, wer sollte Sie
belangen?
VP: Das sind die Ehre und meine Erinnerungen.
LA: Diese Erinnerung haben Sie ja in XXXX auch?
VP: Ich habe immer noch Angst.
LA: Wer drohte, Sie umzubringen - der Mörder Ihres Freundes sitzt doch im Gefängnis.
VP: Der Clan ist nicht im Gefängnis.
LA: Ware Sie vom „Berg Karabach – Konflikt“ betroffen?
VP: Nein.
LA: Ich bin mit den Fragen zu den Fluchtgründen soweit fertig. Wollen Sie dazu noch
etwas sagen? Haben Sie alle Ihre Gründe geltend gemacht? Hatten Sie genug Zeit und
Möglichkeit, alle Ihre Gründe geltend zu machen?
VP: Nein, ich konnte nicht alles schildern.
LA: Bitte schildern Sie weiter:
VP: Ich möchte noch anmerken, dass der Leibwächter des Polizeichefs mich brutal
geschlagen hat, er hat zu mir gesagt, entweder soll ich das Land verlassen oder so leben,
dass man mich nicht bemerkt. Meine Familie und Kinder würden sonst nicht verschont
bleiben und ich kann ganz leicht ins Gefängnis gesteckt werden. Das ist alles.
I.2.4. bP2 – bP4 beriefen sich auf die Gründe der bP1 und auf den gemeinsamen Familienverband.
I.2.5.
Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:
? Armenischer Arztbrief betreffend bP 1 über Behandlung im Jahr 2017
? Armenischer Führerschein bP 1
? Diplom über Ausbildung bP 1
? Diplom Wirtschaftsuniversität bP 2 sowie Ausbildung zur Visagistin
I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei.
Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen gewährt.
In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.
I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1) :
…
- ? Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres
Herkunftsstaats:
Sie gaben bei Ihrer Erstbefragung am 07.09.2015 zu Protokoll, dass im Jahr 2012 Ihr Freund
XXXX ermordet wurde und Sie wissen würden, warum dieser getötet wurde. Von
den Mördern Ihres Freundes wären auch Sie mit dem Umbringen bedroht worden und hätten
aus diesem Grund Armenien erstmalig im Jahr 2013 verlassen. Dieses Vorbringen wird der
nachfolgenden Beweiswürdigung zugrunde gelegt, andere Fluchtgründe haben Sie über
ausdrückliches Nachfragen nicht geltend gemacht.
Vorab sah sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl veranlasst, sich mit der Frage
zu beschäftigen, ob Sie unabhängig Ihres Fluchtvorbringens von potenzieller „vulnerability“
betroffen sind. Nachdem Sie bei Ihrer Einvernahme angaben, dass es Ihnen gut gehen
würde, Sie gesund wären und nicht auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen
wären, ist diese Frage zu verneinen.
Die von Ihnen zu Protokoll gegebenen personsbezogenen Daten sowie Lebensgeschichte
bieten keine Hinweise auf das Vorliegen einer individuell besonders herausragenden
Stellung Ihrer Person innerhalb der armenischen Gesellschaft, etwa durch Geburt, sozialer
Stellung, religiösen Fachwissens, etc. Das bedeutet in Verbindung mit Ihrem unbedenklichen
Gesundheitszustand und Kenntnis der Amts-/Landessprache auf Muttersprachenniveau im
Grundsätzlichen, dass eine neuerliche gesellschaftliche Sozialisation Ihrer Person in
Armenien Platz greifen kann. In diesem Zusammenhang wird darauf hinzuweisen sein, dass
Sie hier in Österreich über keinerlei sonstiges familiäres Umfeld verfügen und dazu noch mit
kulturellen, sprachlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen konfrontiert sind, die Ihnen
völlig fremd sein müssen. Wenn man dann noch bedenkt, dass Sie bis nach Österreich
reisen konnten - und dies ohne Sprachkenntnisse oder sonstige Unterstützung - dann wird
man wohl davon ausgehen müssen, dass Sie mangels Anzeichen beachtenswerter
psychischer/physischer Problemstellungen im Grundsätzlichen nicht einer besonderen
Schutzwürdigkeit bedürfen und eine Rückkehr nach Armenien, d.h. in eine Ihnen
soziokulturell und sprachlich vertraute Umgebung, zumutbar ist.
Wie dem Protokoll Ihrer Erstbefragung zu entnehmen ist, wäre im Jahr 2012 Ihr Freund
namens XXXX ermordet worden. Sie würden wissen, warum dieser umgebracht
wurde und würden von den Mördern Ihres Freundes auch mit dem Umbringen bedroht
worden sein. Aus diesem Grund hätten Sie gemeinsam mit Ihrer Familie erstmalig im
Oktober 2013 Armenien verlassen und hätten in Frankreich am 30.10.2013 einen Asylantrag
gestellt.
Bei Ihrer Einvernahme am XXXX 2017 wurden Sie befragt, wie über Ihren Asylantrag in
Frankreich entschieden wurde, worauf Sie angaben, dass Ihr Antrag abgewiesen wurde, weil
Ihnen kein Glaube geschenkt wurde.
Wie im Verfahrenslauf ersichtlich ist, reisten Sie von Frankreich aus insgesamt dreimal nach
Österreich und wurden aufgrund der Dublin – Bestimmungen dreimal nach Frankreich
abgeschoben. Letztmalig wurden Sie am XXXX 2017 nach Frankreich abgeschoben, was
dem Bericht des Stadtpolizeikommandos SCHWECHAT über die erfolgte Abschiebung vom
06.02.2017 zu entnehmen ist.
Sie gaben weiter zu Protokoll, dass Sie von Frankreich aus am XXXX 2017 „freiwillig“ nach
Armenien zurückkehrten und von Armenien aus am XXXX 2017 mit Ihrer Familie wiederum
schleppergestützt nach Österreich reisten. Ihre Rückkehr in Ihr Herkunftsland rechtfertigt
auch die Entscheidung der französischen Asylbehörde, einer nochmaligen Überstellung von
Österreich nach Frankreich nicht zuzustimmen. Somit musste Ihr Asylverfahren in Österreich
zugelassen und inhaltlich geprüft werden.
Bei Ihrer inhaltlichen Einvernahme am XXXX 2017 wurde noch, bevor Sie zu Ihren
Ausreisegründen befragt wurden, auf Ihre persönlichen Umstände eingegangen. Sie
schilderten, am XXXX in XXXX geboren worden zu sein. Die armenische Stadt
XXXX liegt im Westen des Staatsgebietes und ist mit über XXXX Einwohnern nach der
Hauptstadt XXXX (etwa eine Million Einwohner) XXXX Stadt Ihres
Herkunftslandes. Sie hätten sich immer in dieser Stadt aufgehalten, absolvierten Ihre
zehnjährige Schulbildung und eine dreieinhalbjährige Universitätsausbildung zum Manager
für Zahntechnik. Ihre Eltern würden sich ebenso wie Ihr Bruder XXXX XXXX aufhalten.
Ihr Bruder XXXX würde sich in Russland aufhalten und dort als Ingenieur arbeiten. Sie
hätten im Jahr 2007 Ihre Gattin geheiratet. Weiter wurden in den Jahren 2009 und 2010 Ihre
beiden Söhne geboren. Beruflich hätten Sie als Manager für Firmen in XXXX gearbeitet.
Im Rahmen einer „Freien Erzählung“ bekamen Sie die Möglichkeit, Ihre Ausreisegründe
vorzubringen. Sie gaben an, dass im XXXX nach dem Tod Ihres Freundes namens
XXXX Ihre Probleme angefangen hätten. Dieser wäre genau am Tag seiner
Verlobung getötet worden. Die Eltern seiner Verlobten wären gegen eine Eheschließung
gewesen und Sie, sowie ein weiterer Freund würden genau wissen, wer XXXX
umgebracht hat. Belangt wäre jedoch eine andere Person worden. Weiter gaben Sie zu
Protokoll, das die Polizei korrupt wäre und Sie, sowie Ihr weiterer Freund wissen würden,
wer hinter der Tat steht. Die „Verlobte“ wäre XXXX XXXX .
Sie schilderten, dass dieser Bürgermeister sehr autoritär und einflussreich wäre und über
große Macht verfügen würde. Demzufolge wäre nicht korrekt ermittelt worden und der
tatsächliche Mörder nicht für seine Tat belangt worden. Sie bezeichneten die
Bürgermeisterfamilie als Auftraggeber dieses Mordes und schilderten, dass diese alles so
gesteuert hätte, dass die Ermittlungen zu Gunsten dieser Familie ausgefallen wären und
sogar der Neffe des Bürgermeisters heute im Gefängnis „inhaftiert“ wäre. Dieser würde
aufgrund der Tötung Ihres XXXX XXXX seine Haftstrafe verbüßen. Auch
wäre dieser zuvor mehrmals ermahnt worden, dass er sich aus der Sache heraushalten soll.
Sie hätten sich auch an die Polizei gewandt, diese hätte jedoch nichts unternommen. Sie
schilderten weiter, dass Sie vom Leibwächter des Polizeichefs ermahnt wurden, dass
Sie sich heraushalten, da Sie ansonsten Probleme mit der Polizei bekommen würden.
Deshalb hätten Sie beschlossen, gemeinsam mit Ihrer Familie Armenien zu verlassen.
Bei den Fragen, welche Ihnen im Anschluss an Ihre „Freie Erzählung“ gestellt wurden,
konnten die Namen der Beteiligten erhoben werden. Weiter hätten Sie nicht in Erwägung
gezogen, anstelle nach Frankreich, bzw. Osterreich wie die Familie des XXXX
nach Russland zu gehen und Ihre Eltern in XXXX Ihr Leben „normal“, bzw.
„unbedroht“ führen können.
Auf die Frage, warum Sie sich nicht „herausgehalten“ haben, gaben Sie zu Protokoll, dass
Ihr Freund wie ein Bruder für Sie gewesen sei.
Dass der tatsächliche Mörder ein gewisser XXXX wäre, würden Sie
vermuten. Sie haben den Mord also nicht beobachtet und würden sich ausschließlich auf
Mutmaßungen stützen.
Angesprochen auf Ihre „letzte Bedrohungshandlung“ gaben Sie zu Protokoll, dass Sie im
Sommer 2017 am Grab Ihres Freundes XXXX gestanden wären, genau zu
diesem Zeitpunkt zwei Autos angehalten hätten und einige Männer auf Sie zugekommen
wären, welche Sie befragt hätten, wo Sie sich die letzte Zeit aufgehalten hätten. Diese
hätten auf Sie eingeschlagen, sodass Sie im Krankenhaus behandelt werden mussten.
Weiter gaben Sie zu Protokoll, dass Sie diese Männer den Bürgermeisterclan zuordnen
würden. Auch wären Sie genau am Todestag Ihres Freundes XXXX an dessen
Grab gestanden.
Auch wurden Sie befragt, warum Sie Ihren Wohnsitz nicht beispielsweise nach XXXX
verlegt hätten, worauf Sie angaben, auch in XXXX gefunden zu werden.
In Zusammenschau muss festgestellt werden, dass Ihr Vorbringen nur bedingt glaubhaft ist.
Es ist unter Einbeziehung der landeskundlichen Feststellungen möglich, dass Sie derartiges
erlebt haben, doch muss man sich wirklich die Frage stellen, ob Ihr Vorbringen überhaupt
einen Ausreisegrund darstellt. Sie sind doch lediglich aufgefordert worden, sich aus
diesem Fall herauszuhalten – Sie waren weder beteiligt, noch hatten Sie außer der
freundschaftlichen Beziehung zu diesem Verlobten irgendeinen Anknüpfpunkt. Sie halten
sich aus dieser Sache heraus, dies belegen Ihre Reisen nach Frankreich, bzw. Österreich.
Genauso wird auch beurteilt, dass Sie beispielsweise in XXXX Ihr Leben fortsetzen
können. In diesem Zusammenhang muss auf den Punkt „Bewegungsfreiheit“ der
landeskundlichen Feststellungen hingewiesen werden.
Dass Sie genau nach fünf Jahren von Angehörigen der Bürgermeisterfamilie am Grab
zusammengeschlagen werden, ist absolut unglaubhaft. Nicht nur aus dem Grund, dass ein
Friedhof eine „Stätte der letzten Ruhe“ darstellt sondern auch aus Gründen des zeitlichen
Zusammenhangs. Sie kehrten, wie Sie am XXXX 2017 angaben, freiwillig nach Armenien
zurück und haben lediglich das Grab Ihres Freundes aufgesucht. Es ist nicht
nachvollziehbar, dass Sie „nach fünf Jahren“ am Grab Ihres Freundes „krankenhausreif“
geschlagen werden. Sollte sich dies tatsächlich ereignet haben, hätten Sie einen Grund
dafür liefern müssen, beispielsweise eine aggressive Anschuldigung.
Auch ist nicht glaubhaft, dass Sie aus Gründen der Schutzsuche nach Österreich gekommen
sind, denn es wäre einleuchtend, dass Sie sich ein Land aussuchen, in welchen zumindest
Ihre Sprache (gute Russisch-Kenntnisse) gesprochen wird. Ebenso schilderten Sie, dass die
Familie Ihres Freundes XXXX nach Russland gegangen wäre.
Was den Mord an Ihrem Freund betrifft, stützen sich Ihre Angaben ausschließlich auf
Mutmaßungen und können Ihrerseits nicht belegt werden. Auch sind Sie davon nicht
betroffen. Ob tatsächlich der „richtige Mörder“ für sein begangenes Verbrechen belangt
wurde, liegt nicht im Ermessen der österreichischen Asylbehörde.
Ebenfalls wurden Sie lediglich ermahnt, dass Sie sich aus dieser Sache heraushalten sollen.
Dies ist in Zusammenschau in XXXX , wohlgemerkt in einer Millionenstadt leicht
möglich.
Bezüglich Asylrelevanz ist anzumerken, dass Ihre geschilderten Bedrohungshandlungen,
sofern diese tatsächlich stattgefunden haben, von Privatpersonen ausgegangen sind und in
keinerlei zeitlichen Zusammenhang stehen. Dieser Mord wurde bereits im Jahr 2012
begangen. Aufgrund der Beurteilung wäre es Ihnen sogar möglich, Ihr Leben in der Stadt
XXXX fortzusetzen.
Auch während Ihres Aufenthaltes in Österreich fällt es Ihnen nicht schwer, sich aus der
„Sache herauszuhalten“. Demzufolge kann Ihnen auch zugemutet werden, sich
beispielsweise in XXXX „aus der Sache herauszuhalten“.
Die Aufforderung zum Distanzieren an einer Sache kann nicht als Verfolgungshandlung im
asylrechtlichen Sinn gewertet werden. Nochmalig wird darauf hingewiesen, dass Sie an
diesem „Mord“ gemäß Ihren Angaben nicht in irgendeiner Weise beteiligt waren. Nach
Ansicht der Behörde ist Ihnen und Ihrer Familie ein normales und erträgliches Leben in
Armenien möglich.
Sie können auch nicht verlangen, dass Sie von der Republik Österreich aufgrund „Ihrer Ehre“
ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz zugesprochen bekommen, dafür besteht absolut
kein Grund.
Asyl kann in Österreich jenen Personen gewährt werden, welche glaubhaft machen können,
dass sie von offizieller Seite verfolgt werden. Diese Verfolgung muss ihre Ursache in einem
Grund haben, welcher in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführt ist. Politische
Verfolgung, Verfolgung aufgrund der Rasse, der Nationalität oder der Religion, sowie eine
Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sind jene
Gründe, welche im Zuge des Asylverfahrens glaubhaft gemacht werden müssen, um eine
Asylberechtigung zu erhalten. Sie konnten wie in diesem Punkt begründet, nicht glaubhaft
machen, dass Sie, sofern Sie sich „aus der Sache“, von welcher Sie nicht einmal am Rande
betroffen sind, heraushalten, in Armenien irgendeiner Bedrohung ausgesetzt wären.
Ergänzend muss wiederholt darauf verwiesen werden, dass sich Ihre Furcht auf einen
„Konflikt zwischen Privatpersonen“ bezieht und Sie daran nicht beteiligt sind.
Es mangelt somit in Gesamtschau an einem in der Genfer Flüchtlingskonvention
aufgezählten Fluchtgrund im Hinblick auf Ihre Person. Zumal jene Gründe, welche gemäß
der Genfer Flüchtlingskonvention zur Gewährung von Asyl führen würden und in dieser
taxativ – also erschöpfend – aufgezählt sind, von Ihnen nicht vorgebracht wurden, war aus
diesem Vorbringen und in Ermangelung einer Deckung mit der GFK bzw. dem AsylG Ihr
Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des
Asylberechtigten abzuweisen.
In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.
I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem von der georgischen Zentralregierung kontrollierten Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, im Falle der Bedürftigkeit die Übernahme der Behandlungskosten durch den Staat auf Antrag möglich ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist sowie Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. Ebenso besteht ein staatliches Rückkehrprogramm, welches ua. materielle Unterstützung für bedürftige Rückkehrer, darunter auch die Zurverfügungstellung einer Unterkunft nach der Ankunft in Armenien bietet.
I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb Rückehrentscheidung und Abschiebung in Bezug auf Armenien zulässig sind.
Die bB ging davon aus, dass es sich bei der Republik Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG handelt.
I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bP einen glaubwürdigen Sachverhalt geschildert hätten. Die Behörde hätte ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und keine entsprechenden Feststellungen im Hinblick auf das Vorbringen der bP getroffen. Die Länderfeststellungen zur Korruption und Schutzfähigkeit der Polizei in Armenien würden das Vorbringen der bP bestätigen. Zudem ginge aus dem Bescheid nicht hervor, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde. Es bestünde für die bP in Armenien keine innerstaatliche Fluchtalternative.
Vorgelegt mit der Beschwerde wurde von den bP:
? Sprachzertifikate
? Studienausweise
? Empfehlungsschreiben
? Befundbericht bP 2
I.5. Für den 11.12.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde – in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.
Zu Beginn der Verhandlung brachten die befragten bP vor, bisher die Wahrheit gesagt zu haben und brachten keine Umstände vor, welche gegen die Annahme der Beweiskraft iSd § 15 AVG in Bezug auf die bisher durchgeführten Einvernahmen Zweifel aufkommen ließen.
Vorgelegt in der Verhandlung wurde von den bP:
? Konvolut an Integrationsunterlagen, Schulzeugnisse, Sprachzertifikate, Empfehlungsschreiben
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.
Die Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.
Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.
Mit Schreiben vom 19.12.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien
II.1.1.1. Bei den bP handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.
Die bP 1 und 2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage. Die bP 1 hat nach der Schule in Armenien eine Ausbildung zum Zahntechniker gemacht, jedoch als Verkäufer und Manager gearbeitet. Die bP 2 hat nach der Schulausbildung ein Wirtschaftsstudium mit Diplom abgeschlossen und später eine Ausbildung zur Visagistin absolviert. Als Visagistin arbeitete die bP bis zur Geburt der Kinder. Vor der Ausreise lebten die bP gemeinsam in XXXX im Haus der Eltern der bP 1.
Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP ist durch deren Eltern gesichert.
Familienangehörige (Eltern und Bruder der bP 1, Eltern der bP 2) leben nach wie vor in Armenien. Weiters leben Onkel und Tanten in Armenien.
Die in Armenien arbeitenden Eltern der bP 1 verfügen über ein Haus, in welchem die bP vor der Ausreise lebten. Die Eltern der bP 2 verfügen über ein Haus und Geschäftsräumlichkeiten in Armenien. Sie leben zeitweise in Armenien und zeitweise in Russland. Ein Bruder und eine Schwester der bP 2 leben ebenfalls als Asylwerber in Österreich im gemeinsamen Haushalt mit den bP. Eine weitere Schwester der bP 2 lebt in Frankreich.
Die bP 1, 3 und 4 wurden dreimal, die bP 2 zweimal aufgrund der Dublin Verordnung nach Frankreich abgeschoben, wo ihr im Jahr 2013 gestellter Asylantrag negativ beschieden wurde. Zwischen Februar 2017 und August 2017 hielten sich die bP in Armenien bei den Eltern der bP 1 auf.
Die bP 2 leidet an Migräne und nimmt bei Bedarf Schmerzmittel ein.
Die volljährigen bP haben Zugang zum armenischen Arbeitsmarkt und es steht ihnen frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen.
Ebenso haben die bP Zugang zum –wenn auch weniger leistungsfähigen im Vergleich zum österreichischen - Sozialsystem des Herkunftsstaates und könnten dieses in Anspruch nehmen.
Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
II.1.1.2. Die bP halten sich seit ihrer letzten Wiedereinreise seit ca. 2 ½ Jahren in Österreich auf.
Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung und haben einen Deutschkurs besucht. Die volljährigen bP haben beim Roten Kreuz Erste Hilfe Kurse besucht. Die bP 1 und 2 haben die A2 Prüfung absolviert sowie Werte- und Orientierungskurse besucht. Die bP 2 arbeitet ehrenamtlich seit Dezember 2019, die bP 1 seit November 2019 bei der Caritas. Die bP 2 hilft in der Pfarrgemeinde mit und hat 2018 einer Familie im Haushalt geholfen. Sie sind strafrechtlich unbescholten.
bP 3 und 4 besuchen die Schule und sprechen Deutsch. Die bP 3 und 4 spielen Fußball in einem Verein. Die bP 3 besucht Taekwondo.
Die Identität der bP steht nicht fest.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Politische Lage
Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).
Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a).
Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).
Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).
Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 7.5.2019
? ARMENPRESS – Armenian News Agency (10.12.2018): My Step – 70.44%, Prosperous Armenia – 8.27%, Bright Armenia – 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 21.3.2019
? ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/, Zugriff 8.5.2019
? BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605, Zugriff 21.3.2019
? CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 7.5.2019
? OSCE/ODIHR – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true, Zugriff 21.3.2019
? RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html, 21.3.2019
? RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html, Zugriff 21.3.2019
? 168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government’s economic policy – PM Pashinyan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html, Zugriff 21.3.2019
Sicherheitslage
Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 20.3.2019). Die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach dauern an. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist geschlossen. Im Jahr 2018 fanden mehrere Waffenstillstandsverletzungen entlang der Kontaktlinie zwischen den gegnerischen Streitkräften und anderswo an der zwischenstaatlichen Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien statt, die zu einer Reihe von Todesfällen und Verlusten führten (gov.uk 21.3.2019, vgl. EDA 7.5.2019).
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Duschanbe stattfand, mehrere Schritte zum Abbau der Spannungen zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften, wie z.B. die Installierung einer direkten "operativen" Kommunikationslinie zwischen den beiden Seiten und die Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts (Eurasianet 1.10.2018).
Quellen:
? CFR - Council on Foreign Relations (20.3.2018): Nagorno-Karabakh Conflict, https://www.cfr.org/interactives/global-conflict-tracker#!/conflict/nagorno-karabakh-conflict, Zugriff 21.3.2019
? EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (7.5.2019): Reisehinweise für Armenien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/armenien/reisehinweise-armenien.html, Zugriff 7.5.2019
? Eurasianet (1.10.2018): Aliyev and Pashinyan hold first talks, agree on tension-reducing measures, https://eurasianet.org/aliyev-and-pashinyan-hold-first-talks-agree-on-tension-reducing-measures, Zugriff 21.3.2019
? UK Gov (7.5.2019): Foreign travel advice, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/armenia, Zugriff 7.5.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte. Die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Nach bisher vorliegenden Informationen hat sich die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis seit Mitte 2018 verbessert. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wurde bisher durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert. Es gibt Anzeichen, dass allein der Regierungswechsel im Mai 2019 zu weniger Korruption in der Justiz geführt hat. Hinsichtlich des Zugangs zur Justiz gab es bereits Fortschritte, dass die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 7.4.2019). Zwar muss von Gesetzes wegen Angeklagten ein Rechtsbeistand gewährt werden, doch führt der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Jerewans dazu, dass dieses Recht den Betroffenen verwehrt wird (USDOS 13.3.2019).
Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 4.2.2019). Allerdings entließen viele Richter nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 etliche Verdächtige in politisch sensiblen Fällen aus der Untersuchungshaft, was die Ansicht von Menschenrechtsgruppen bestätigte, dass vor den Ereignissen im April/Mai 2018 gerichtliche Entscheidungen politisch konnotiert waren, diese Verdächtigen in Haft zu halten, statt gegen Kaution freizulassen (USDOS 13.3.2019).
Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Sie leiden allerdings unter Personalmangel. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 setzte sich das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter fort, und einige Menschenrechtsanwälte erklärten, es gebe keine rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz. Anwälte berichteten, dass das Kassationsgericht in der Vergangenheit das Ergebnis aller wichtigen Rechtssachen an niedere Richter diktiert habe. Im Februar wurde mit der Umsetzung der Verfassungsänderungen 2015 der Oberste Justizrat (HJC) gebildet. Viele Beobachter gaben dem HJC die Schuld für Machtmissbrauch und die Ernennung von Richtern, die mit der früheren Regierungspartei verbunden waren. Anwälte erklärten auch, dass die Kontrolle der HJC über die Ernennung, Beförderung und Verlegung von Richtern die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt habe. NGOs berichten, dass Richter die Behauptungen der Angeklagten, ihre Aussage sei durch körperlichen Übergriffe erzwungen worden, routinemäßig ignorieren (USDOS 13.3.2019).
Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber die Justiz hat dieses Recht nicht durchgesetzt. Zwar sieht das Gesetz die Unschuldsvermutung vor, Verdächtigen wird dieses Recht jedoch in der Regel nicht zugesprochen. Das Gesetz verlangt, dass die meisten Prozesse öffentlich sind, erlaubt aber Ausnahmen, auch im Interesse der "Moral", der nationalen Sicherheit und des "Schutzes des Privatlebens der Teilnehmer". Gemäß dem Gesetz können Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise präsentieren und den Behördenakt vor einem Prozess einsehen. Allerdings haben Angeklagte und ihre Anwälte kaum Möglichkeiten, die Aussagen von Behördenzeugen oder der Polizei anzufechten. Die Gerichte neigen währenddessen dazu, routinemäßig Beweismaterial zur Strafverfolgung anzunehmen. Zusätzlich verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 11.4.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 11.4.2019
Sicherheitsbehörden
Die Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD oder eng. NSS) für die nationale Sicherheit, die Geheimdienstaktivitäten und die Grenzkontrolle zuständig ist (USDOS 13.3.2019, vgl. AA 7.4.2019). Beide Behörden sind direkt der Regierung unterstellt. Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 7.4.2019).
Der Sonderermittlungsdienst führt Voruntersuchungen in Strafsachen durch, die sich auf Delikte von Beamten der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Justizorgane beziehen und von Personen, die einen staatlichen Sonderdienst ausüben. Auf Verlangen kann der Generalstaatsanwalt solche Fälle an die Ermittler des Sonderermittlungsdienstes weiterleiten (SIS o.D., vgl. USDOS 13.3.2019). Der NSD und die Polizeichefs berichten direkt an den Premierminister. NSD, SIS, die Polizei und das Untersuchungskomitee unterliegen demzufolge der Kontrolle der zivilen Behörden (USDOS 13.3.2019).
Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen. Angeklagte haben ab dem Zeitpunkt der Verhaftung Anspruch auf Vertretung durch einen Anwalt bzw. Pflichtverteidiger. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festhalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne das das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien
? SIS - Special Investigation Service of Republic of Armenia (o.D.): Functions Of Special Investigation Service, http://www.ccc.am/en/1428578692, Zugriff 10.4.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 10.4.2019
Folter und unmenschliche Behandlung
Das Gesetz verbietet solche Folter und andere formen von Misshandlungen. Dennoch gab es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 13.3.2019). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur „Samtenen Revolution“ immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 7.4.2019).
Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden (USDOS 13.3.2019). In einem Antwortschreiben an die Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 20.12.2018 auf 49 (HCA 1.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien
? HCA – Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf, Zugriff 10.4.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 10.4.2019
Korruption
Armenien verfügt nicht über wirksame Schutzmaßnahmen gegen Korruption. Dem bis 2018 an der Macht befindlichen Parlament gehörten einige der wohlhabendsten Wirtschaftsführer des Landes an, die trotz Interessenkonflikten ihre privatwirtschaftlichen Aktivitäten fortsetzten. Auch die Beziehungen zwischen Politikern und anderen Oligarchen haben die Politik historisch beeinflusst und zu einer selektiven Anwendung des Gesetzes beigetragen. Die Berichte über systemische Korruption, auch in allen drei Staatsgewalten, gingen jedoch weiter. Nach der "Samtenen Revolution" im Mai 2018 leitete die neue Regierung Untersuchungen zur Bekämpfung der Korruption ein, die systemische Korruption in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens aufdeckte. Das SIS leitete zahlreiche Strafverfahren gegen mutmaßliche Korruption durch ehemalige Regierungsbeamte und deren Angehörige sowie Parlamentarier ein, deren Fälle von einigen tausend bis zu Millionen von US-Dollar reichten (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019).
Ministerpräsident Pashinyan, für dessen Regierung die Korruptionsbekämpfung ein hochrangiges Ziel darstellt, berichtete im Juli 2018, dass innerhalb zweier Monate bereits 20,6 Milliarden Armenische Dram (36,8 Millionen Euro) an Geldern aus Steuerhinterziehungen sichergestellt wurden. Betroffen waren 73 Unternehmen, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Die Summe bezog sich ausschließlich auf die Steuerschuld (Haypress 13.7.2018, vgl. JAMnews 24.7.2018). Während die meisten Beobachter der Meinung sind, dass es reichlich Beweise für Fehlverhalten gibt, warnten einige, dass es eine schmale Linie zwischen soliden Rechtsfällen und politisch motivierten gibt. Die mit der ehemaligen, langjährigen Regierungspartei verbündeten Eliten zeigten erheblichen Widerstand gegen diese Ermittlungen und schienen den Antikorruptionskurs der neuen Regierung zu erschweren (FH 4.2.2019).
Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2017 belegte Armenien den Rang 105 von 180 Ländern (