TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/28 W168 2181008-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W168 2181008-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2017, Zl: 1051222708/150124586, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

A)

1.) beschlossen:

Hinsichtlich der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird das Verfahren wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

2.) zu Recht erkannt:

I.       Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II.      Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

III.    Der Beschwerde gegen die Spruchpunkt IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan wird gemäß § 52 FPG in Verbindung mit § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt.

IV.      Dem Beschwerdeführer wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und §58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.1. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (auch bezeichnet als: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste schlepperunterstützt unrechtmäßig in Österreich ein und stellte am 03.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG).

2. Am 03.02.2015 fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung statt. Zum Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass sein Vater in Drogengeschäfte verwickelt gewesen sei und viele Schulden gehabt habe, weshalb er verschwunden sei. Aufgrund der hohen Schulden habe die Mafia der Familie des Beschwerdeführers angedroht, den Beschwerdeführer als Drogenkurier einzusetzen, weshalb er geflüchtet sei. Zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, erklärte der Beschwerdeführer, dass er in Afghanistan vier Jahre die Grundschule besucht und keine Berufsausbildung erhalten habe. Seine Eltern und sein Bruder seien nach wie vor im Heimatland aufhältig.

3. Am 02.10.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Zu seinen persönlichen Angaben befragt, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er schiitischer Hazara sei und keine Identitätsdokumente vorlegen könne. Er sei in Kabul geboren worden, habe sieben Jahre eine Schule besucht und keine Berufsausbildung erhalten.

Zu seiner Reiseroute befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er bis Ungarn schlepperunterstützt gereist sei und ca. 12.500 US-Dollar für die Reise bezahlt habe. Die Geldmittel dafür habe ihm seine Mutter zur Verfügung gestellt. Auf Vorhalt, ob er in Erwägung gezogen habe, in einen sicheren Teil Afghanistans zu übersiedeln, erwiderte der Beschwerdeführer, dass andere Provinzen nicht sicher seien und es für Hazara zudem nicht sicher sei, anderen Provinzen zu leben. In Afghanistan würden neben seiner Mutter und seinem Bruder noch vier Onkeln väterlicherseits, vier Onkeln mütterlicherseits und eine Tante wohnhaft seien. Zuletzt habe er mit seinen Familienangehörigen vor sechs Monaten Kontakt gehabt. Die Fragen, ob er im Heimatland inhaftiert gewesen sei, Probleme mit Behörden gehabt habe oder gegen ihn aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen bestehen würden, wurden vom Beschwerdeführer verneint. Er sei jedoch Mitglied einer politischen Partei gewesen und habe aufgrund seines Religionsbekenntnisses sowie seiner Volksgruppenzugehörigkeit und mit Privatpersonen gröbere Probleme gehabt. Der Beschwerdeführer habe an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Familie von drei bewaffneten Männer aufgesucht worden sei, nachdem sie herausgefunden habe, dass sein Vater drogensüchtig gewesen sei. Die Angreifer hätten wegen Schulden seines Vaters Geld verlangt und den Beschwerdeführer zur Begleichung der Rechnung als Mitarbeiter rekrutieren wollen. Seine Mutter habe daraufhin repliziert, noch einen anderen Weg zu finden, um das ausstehende Geld aufzubringen. Ein Umzug in einen anderen Landesteil sei mangels sozialer und familiärer Anknüpfungspunkte nicht möglich gewesen, weshalb seine Mutter dem Beschwerdeführer geraten habe, sich zumindest in den Iran zu begeben. Nach einer Woche hätten sie Erspartes aufgetrieben und der Beschwerdeführer habe das Land verlassen können. Weitere Gründe für die Flucht aus seinem Heimatland seien seine Volksgruppen-bzw. Religionszugehörigkeit als schiitischer Hazara, da Rassismus in Afghanistan weit verbreitet sei und der Beschwerdeführer sowohl in der Schule als auch vor Behörden Probleme gehabt habe, da er aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes beleidigt worden sei. Die Frage, ob er von seinem Vater seit seiner Flucht wieder etwas gehört habe, verneinte der Beschwerdeführer. Die genaue Schuldensumme seines Vaters kenne er nicht, seine Familie habe lediglich von seiner Drogenabhängigkeit erfahren. Auf Vorhalt, dass nicht logisch nachvollziehbar sei, Schulden eintreiben zu wollen, ohne eine konkrete Geldsumme zu nennen, erwiderte der Beschwerdeführer, dass sie lediglich von hohen Schulden gesprochen hätten und sie auch auf Nachfrage seiner Mutter keine genauen Informationen gegeben hätten. Zur Frage, was die Männer gesagt hätten, um die Schulden des Vaters zu begleichen, erklärte der Beschwerdeführer, dass sie ihm keine Anleitung gegeben hätten. Zum weiteren Vorhalt, dass er in der Erstbefragung vorgebracht habe, als Drogenhändler zu arbeiten, um die Schulden abzuarbeiten, entgegnete der Beschwerdeführer, dass er dies geglaubt habe, aber die Männer keine konkreten Angaben gemacht hätten und ihn nur zu einer Arbeitstätigkeit nötigen hätten wollen. Auf Vorhalt, weshalb sie nicht in Erwägung gezogen hätten, die ausstehenden Schulden mit der für die Flucht aufgewendeten Geldsumme zu begleichen, brachte der Beschwerdeführer vor, dass sie nicht konkret gewusst hätten, um welchen Betrag es sich gehandelt habe, weshalb sie davon ausgegangen seien, dass die für den Schlepper ausgewendete Summe nicht ausreiche. Auf Aufforderung, die Männer zu beschreiben, führte der Beschwerdeführer aus, dass er sie nicht gekannt habe, sie jedoch lange Bärte gehabt und Armeegewand sowie eine Kalaschnikow getragen hätten. Befragt, ob sie die Männer mit der Waffe bedroht hätten, entgegnete der Beschwerdeführer, dass sie die Waffe nicht direkt auf sie gerichtet hätten. Die Frage, ob sie wegen der Bedrohung durch die Drogenhändler an die Polizei gewandt hätten, verneinte der Beschwerdeführer und führte aus, dass sie befürchtet hätten, größere Probleme zu bekommen und die Nachbarn von der Drogenabhängigkeit seines Vaters erfahren würden. Auf Vorhalt, dass es auch innerhalb der Volksgruppe der Hazara Polizisten gebe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass diese jedoch keine höheren Positionen bekleiden würden, weshalb sie sich nicht an die Polizei wenden hätten können. Zudem unternehme die Polizei in vielen Fällen nichts und sei für den Großteil der Bevölkerung nur wenig vertrauenswürdig. Auf Aufforderung, näher zu beschreiben, wie die Männer in sein Elternhaus gelangt seien, erwiderte der Beschwerdeführer, dass man Türen in Afghanistan tagsüber nicht verschließe, weshalb sie nachmittags ins Haus gestürmt seien und nach seinem Vater gefragt hätten. Zur Frage, wie er herausgefunden habe, dass sein Vater drogensüchtig sei, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass man Gerüchte wahrgenommen und die Abhängigkeit auch anhand seines äußeren Erscheinungsbildes erkannt habe. Zum weiteren Vorhalt, dass er vorher erwähnt habe, dass er nicht gewollt habe, dass seine Nachbarn von der Sucht seines Vaters erfahren würden, erklärte der Beschwerdeführer, dass die nähere Umgebung zwar über die Sucht Bescheid gewusst habe, jedoch nicht über Schulden bei den Drogenhändlern informiert gewesen sei. Das Verschwinden seines Vaters sei jedenfalls nicht bei der Polizei angezeigt worden, da diese jeden zur eigenständigen Suche auffordere. Befragt, ob er wisse, ob seine Familie nochmals von diesen Männern bedroht worden sei, entgegnete der Beschwerdeführer, dass die Männer sowohl vor und nach der erneuten Heirat seiner Mutter die Nachbarn über den Verbleib seines Vaters gefragt hätten. Sein Bruder habe auch Angst bekommen und deshalb ebenfalls den Herkunftsstaat verlassen. Auf Vorhalt, woher er diese Angaben erhalten habe, obwohl er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie habe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass er sich auf eine Information von vor einem halben Jahr beziehe. Er wisse jedenfalls nicht, um wen es sich bei den erwähnten Männern im Konkreten handle und welcher Gruppe sie angehören würden. Zur Frage, welcher Partei er angehört habe, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er als Minderjähriger mit seinem Großvater an Demonstrationen einer Partei teilgenommen habe, die sich für Hazara eingesetzt habe, er sei jedoch kein Mitglied gewesen. Die Frage, ob er für die Teilnahme an Demonstrationen oder Sympathien für diese Partei verfolgt worden sei, wurde vom Beschwerdeführer verneint. Bei einer Rückkehr in das Heimatland fürchte er nach wie vor die Verfolgung der erwähnten Männer sowie mögliche Probleme aufgrund seiner Volksgruppen-und Religionszugehörigkeit.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er im Bundesgebiet keine familiären Anknüpfungspunkte habe und nach Absolvierung mehrerer Kurse bereits die A2 Prüfung sehr gut bestanden habe. Eine Familie habe für ihn die Patenschaft übernommen und sie würden die Freizeit gemeinsam verbringen. Der Beschwerdeführer absolviere zudem eine Lehre als Kellner und besuche die Berufsschule. Nach seinem Lehrabschluss beabsichtige er, die Matura nachzuholen und weiterhin Deutsch zu üben. Er sei im Fußballverein und habe einen Kurs beim Roten Kreuz besucht. Die Fragen, ob er von einer gerichtlichen Untersuchung in Österreich als Zeuge oder Opfer, von einem zivil-oder strafgerichtlichen Gerichtsverfahren oder einer gerichtlichen Verfügung betroffen gewesen sei, wurden vom Beschwerdeführer verneint. Er habe in Österreich auch keinen Privatbesitz und verfolge den Abschluss seiner Ausbildung im Bundesgebiet.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom Beschwerdeführer folgende Integrationsunterlagen (in Kopie) zur Vorlage gebracht:

- ein Lehrvertrag vom 14.11.2016 für die Ausbildung im Lehrberuf „Restaurantfachmann“ vom 09.11.2016 bis zum 08.11.2019

-eine Bescheidausfertigung des AMS vom 08.11.2016 über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung

-ein Zertifikat, wonach der Beschwerdeführer eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 mit der Note „sehr gut“ bestanden habe

-eine Anmeldebestätigung für einen WIFI Kurs

-zahlreiche Unterstützungsschreiben, darunter eines über die Übernahme der Patenschaft

-ein Zeitungsausschnitt über die Übernahme der Patenschaft

ein Empfehlungsschreiben des Arbeitgebers vom 20.07.2017 ein weiterer Zeitungsauschnitt über seine Arbeitstätigkeit, mehrere Fotos (im Rahmen einer Tauffeier sowie eines Gottesdienstes und zahlreicher Ausflüge)

-ein Unterstützungsschreiben einer Theatergruppe vom 19.07.2017

-ein Zeitungsausschnitt über ein absolviertes Theaterprojekt

-ein Arztbrief eines Krankenhauses vom 14.04.2017 mit der Diagnose „redislozierter Korbhenkelriss rechtes Kniegelenk medialer Meniskus bei Zustand nach arthroskopischer Refixation“ (Meniskusriss)

-weiterer Arztbrief vom 21.09.2016 über eine geplante Operation wegen Meniskusriss, Vorsorgepass

-Empfehlungsschreiben des Fußballtrainers des Beschwerdeführers

-Spielerpass


4. Das BFA wies mit im Spruch angeführten Bescheid den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Innerhalb des Spruches wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme, auch auf Nachfrage hin, keine Summe nennen habe können, die sein Vater angeblich den unbekannten Männern schulden würde, diese Männer hätten immer nur von einer großen Summe gesprochen. Der Beschwerdeführer habe in seiner Erstbefragung zu Protokoll gegeben, dass er als Drogenhändler arbeiten habe sollen, in seiner Einvernahme beim BFA habe er hingegen nur angegeben, dass er für die Männer arbeiten hätte sollen. Es erscheine der Behörde nicht nachvollziehbar, dass die Männer nur von hohen Schulden gesprochen hätten, aber keine genaue Summe genannt hätten. Details habe der Beschwerdeführer nicht nennen können bzw. nicht angeben wollen. Für die Behörde sei es unerklärlich und nicht nachvollziehbar, weshalb sich der Beschwerdeführer mit seinem Problem nicht an die Polizei gewandt habe bzw. sich mit seiner Familie in einer anderen sicheren Provinz niedergelassen und sich dort eine neue Lebensexistenz errichtet habe. Der Beschwerdeführer habe zwar in seiner Einvernahme angegeben, politisch tätig gewesen zu sein. Weiters habe er auf Nachfrage konkret angegeben, dass er deshalb aber nie einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Die Frage bezüglich Problemen aufgrund seiner Volksgruppen-und Religionszugehörigkeit sei vom Beschwerdeführer bejaht worden. Wie den Länderinformationen zu Afghanistan zu entnehmen sei, gebe es keine Hinweise, dass die Volksgruppe der Hazara Gruppenverfolgung ausgesetzt sei. Im Rahmen der Einvernahme habe er allgemeine Diskriminierungen und Beschimpfungen angegeben, aber nie eine ihn persönlich ihn betreffende Verfolgungshandlung der Behörde darlegen können, weshalb auch eine Bedrohung aufgrund seiner Religions-und Volksgruppenzugehörigkeit ausgeschlossen werden könne. Dass er arbeitsfähig sei, ergebe sich aus seinem angegebenen Gesundheitszustand, seinem erwerbsfähigem Alter und seiner Berufserfahrung als Straßenverkäufer. Es werde nicht verkannt, dass die persönliche Sicherheitssituation in seinem Herkunftsort bedrohlich sei und dass er vordergründig nicht nach Kabul zurückkehren könne. Es sei ihm jedoch durchaus zumutbar, sich in einer sicheren Gegend wie Balkh niederzulassen. Aus den Länderfeststellungen ergebe sich, dass die Sicherheitslage in dieser Provinz im Vergleich zu anderen Provinzen Afghanistans als sicher einzustufen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der gesetzliche Vertreter des BF fristgerecht am 05.12.2017 Beschwerde und vorgebracht, dass die erkennende Behörde dem Beschwerdeführer in vollkommener Verkennung leicht zugänglicher Berichte vor, die vom Beschwerdeführer geschilderte Verfolgung sei unglaubwürdig, was gänzlich willkürlich erscheine. Wenn die Behörde nicht nachvollziehen könne, dass der Beschwerdeführer nicht wisse, wie hoch die Schulden gewesen seien und seine Mutter auch bei Männern der Drogenmafia nachgefragt habe, sei entgegenzuhalten, dass die Familie damals nicht viel Geld gehabt hätten, die Mutter des Beschwerdeführers sich Geld für die Flucht ausleihen habe müssen und auch ihren Schmuck verkaufen habe müssen. Hinsichtlich des Vorhaltes der belangten Behörde, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass der Beschwerdeführer nicht zur Polizei gegangen sei und Anzeige gemacht habe oder mit seiner Familie in einen anderen Landesteil gezogen sei, habe der Beschwerdeführer schon in der Einvernahme erklärt, dass sie kein Vertrauen in die afghanischen Sicherheitskräfte hätten, weil es in Afghanistan immer noch zu vielen Diskriminierungen der Hazara durch Behörden komme. Da die Familie außerhalb von Kabul keine Verwandten habe, habe die Mutter des Beschwerdeführers nicht in einen anderen Landesteil ziehen können. Es liege eine asylrelevante Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur religiösen und ethischen Gruppe der schiitischen Hazara vor. Zudem sei der Beschwerdeführer Verfolgung durch die Drogenmafia ausgesetzt, weil er sich der Zwangsarbeit als Drogenhändler entzogen habe. Auch der Umstand, dass er sich im westlich geprägten Österreich aufgehalten habe, könnte ihn aufgrund einer unterstellten politischen Einstellung oder einem unterstellten Werteabfall zur Zielschreibe von Übergriffen in Afghanistan machen. Im vorliegenden Fall liege keine innerstaatliche Fluchtalternative vor, da der Beschwerdeführer als schiitischer Hazara überall Verfolgung zu befürchten habe und durch die Verfolgung durch die Drogenmafia nirgends sicher sei. Der afghanische Staat sei nicht willens bzw. in der Lage, dem Beschwerdeführer ausreichend Schutz vor Verfolgungshandlungen zu garantieren. Der Beschwerdeführer habe sich bereits während seines Aufenthaltes in Österreich sehr gut integriert und spreche bereits gut Deutsch. Er habe eine Lehrstelle in der Gastronomie als Kellner und habe sich selbstständig zur Absolvierung einer Pflichtabschlussprüfung angemeldet. Vor einigen Tagen habe der Beschwerdeführer auch die B1 Prüfung absolviert, ein Zertifikat werde nachgereicht. Seine Freizeit verbringe der Beschwerdeführer meistens mit seiner Ersatzfamilie in Österreich, welche die Patenschaft für ihn übernommen habe. Er habe in Österreich durch seine gewinnende Art viele Freunde gefunden und auch eine neue Familie. Damit sei das Familienleben in Österreich um einiges mehr ausgeprägt, als es in Afghanistan sein würde, weil der Beschwerdeführer nicht zur Mutter zurückkönnte. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Der Beschwerde wurden Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan sowie ein Gutachten von Friederike Stahlmann angeschlossen.

Mit Schriftsatz vom 23.04.2018 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers ein Einschreiben über die Absolvierung eines Zeugnisses vom 19.12.2017, Prüfungszeugnis Deutsch-Test für Österreich vom 09.12.2017 auf dem Niveau B1, ein Jahreszeugnis vom 25.10.2017, ein Lehrvertrag vom 14.11.2016 für die Ausbildung als Restaurantfachmann und zahlreiche Fotos innerhalb des Familienverbandes der Patenfamilie des Beschwerdeführers und Unterstützungsschreiben zur Vorlage gebracht.

Mit Schriftsatz vom 06.11.2018 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers eine Vereinbarung über die freiwillige Mitarbeit zwischen der „Patenmutter“ des Beschwerdeführers und der Volkshilfe „Flüchtlings-und MigrantInnenbetreuung“ vom 24.11.2016, ein Zertifikat über die Teilnahme des Beschwerdeführers an Workshops zur Menschenrechtsbildung vom 22.08.2018 sowie ein Empfehlungsschreiben vom 11.04.2018 vorgelegt.

In einer Urkundenvorlage und einer ergänzenden Stellungnahme vom 21.12.2018 wurde vom Beschwerdeführer vorgebracht, dass der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privat-und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verfüge, da er ein Unternehmen aufgrund seiner herausragenden Deutschkenntnisse und seiner schulischen Erfolge von seinen Fähigkeiten überzeugen habe können. Wie bereits nachgewiesen, sei der Beschwerdeführer seit November 2016 als Lehrling im Bereich „Gastronomie“ tätig. Es sei demnach nicht von staatlichen Unterstützungsleistungen abhängig und zudem selbsterhaltungsfähig. Wie einem aktuellen Schreiben der WKO Oberösterreich zu entnehmen sei, zeichne sich der Beschwerdeführer nicht nur durch seine engagierte Mitarbeit persönlich aus, sondern sei seine Arbeitskraft aufgrund des Mangels an Lehrlingen in dieser Region auch dringend gebraucht. Folglich sei ein gewichtiges Interesse an der Aufenthaltsbeendigung im gegenständlichen Verfahren zu verneinen. Ein weiterer zentraler Aspekt des Privat-und Familienlebens, welcher den Beschwerdeführer in besonderem Maße auszeichne, stelle die Verankerung des Beschwerdeführers in eine österreichische Familie dar. Der Beschwerdeführer wohne mit seinen Ersatzeltern in einem gemeinsamen Haushalt, weswegen er bei ihnen auch seinen Nebenwohnsitz angemeldet habe und telefoniere täglich mit diesen. Als Teil der Familie nehme er auch an sämtlichen familiären Aktivitäten und Feiern teil. Dass der Beschwerdeführer nicht nur durch den Familienverband in die österreichische Gesellschaft integriert sei, sondern ebenso über einen überdurchschnittlich großen Freundeskreis und soziale Anknüpfungspunkte verfüge, werde durch ein Konvolut an entsprechenden Referenzschreiben nachgewiesen. Abseits seiner beruflichen Verpflichtungen und privaten Kontakten beteilige sich der Beschwerdeführer auch tatkräftig an Initiativen für eine gelungene Integration von neu in Österreich aufhältigen Personen, demnach sei er auch ehrenamtlich tätig. Zu beachten seien zudem seine schulischen Erfolge, was sich nicht zuletzt im aktuellen Jahreszeugnis der Berufsschule zeige. Mittlerweile könne der Beschwerdeführer seine Deutschkenntnisse nicht nur durch ein entsprechendes Zertifikat auf dem Niveau B1 nachweisen, sondern erfülle das Modul 2 der Integrationsvereinbarung. In Zusammenschau seiner tiefgreifenden beruflichen wie sozialen Verwurzelung in Österreich würde eine zwangsweise Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung seines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf die Achtung seines Privat-und Familienlebens in Österreich darstellen. Dem Schriftsatz wurden ein Unterstützungsschreiben der WKÖ vom 04.10.2018, ein Gutachten über die Beschäftigung von Asylsuchenden in Mangelberufen und die Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen vom 04.07.2018 sowie Fotos, zahlreiche Unterstützungsschreiben und Bestätigungsschreiben über eine ehrenamtliche Mitarbeit vom 21.09.2018 sowie vom 27.11.2018 und ein Prüfungszeugnis (Niveau B1) vom 09.12.2017 und ein Zeugnis zur Integrationsprüfung vom 17.11.2018 zur Vorlage gebracht.


5. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 27.12.2017 vom BFA vorgelegt.

6. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 28.02.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und sein gesetzlicher Vertreter persönlich teilnahmen. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil.

Zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er in Kabul gewohnt habe und sich nach wie vor seine Mutter und seine Tante aufhalten würden. Sein Bruder sei nach Kasachstan ausgewandert. Zur Frage, ob er mit seinen Familienangehörigen in Kontakt stehe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass er seine Mutter ca. ein-bis zweimal im Monat kontaktiere. Er habe bezüglich dem Verbleib seines Vaters keine aktuellen Informationen. Befragt, wie er im Heimatland seinen Lebensunterhalt verdient habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass er von Geldmittel seines Vaters gelebt habe und nach seinem Verschwinden ausgereist sei. Zur Frage, ob sich an den Gründen seiner Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheides irgendeine Veränderung ergeben habe, erwiderte der Beschwerdeführer, dass sein Bruder im Iran abgeschoben worden sei und daher ebenfalls zur Ausreise gezwungen worden sei. Neben der Ausreise seines Onkels hätten sich keine wesentlichen Änderungen ergeben.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zog der BF seine Beschwerde in Anwesenheit seines gewillkürten Vertreters hinsichtlich Spruchpunkt I. ausdrücklich zurück.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er im Jahr 2014 mit seiner Mutter und seinem Bruder zusammengelebt habe. Eines Tages hätten bewaffnete Männer seinen Vater gesucht und seine Mutter habe sich nach der konkreten Schuldensumme erkundigt, woraufhin die Männer zwar keinen genauen Betrag genannt, jedoch erklärt hätten, dass es sich um viel Geld handle. Anschließend hätten sie sich nach dem Beschwerdeführer selbst erkundigt, weshalb die Familie in Panik geraten sei und seine Mutter die Männer aufgefordert habe, das Haus zu verlassen. Der Familie sei daraufhin eine Schonfrist von zwei Wochen gewährt worden. Auf Nachfrage des Richters, wie hoch die Schulden seines Vaters gewesen seien, entgegnete der Beschwerdeführer, dass keine genaue Summe erwähnt worden sei und die Männer lediglich erklärt hätten, dass es sich um viel Geld handle. Befragt, wie viel er für die Schleppung nach Österreich bezahlt habe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass er dafür ungefähr 12.000,- US Dollar aufgewendet habe.

Zur Frage, wie sich seine Situation von jener von anderen jungen, gesunden Asylwerbern unterscheide, erklärte der Beschwerdeführer, dass es nicht viele junge, gesunde Personen in Afghanistan gebe, da viele Jugendliche drogensüchtig seien. Auf Vorhalt, dass die Sicherheitslage insbesondere in den Städten Herat oder Mazar- e Sharif den Würdigungen des BFA zufolge stabil sei und sich Angriffe hauptsächlich nur gegen „high profile“ Personen richten würden, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er nunmehr mehrere Jahre in Österreich verbracht habe und seinen Weg gefunden habe.

Zu seiner Integration befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er nunmehr im dritten Lehrjahr sei und 819,- Euro netto verdiene. Er sei auch im Fußballverein gewesen, mangels Vereinbarkeit mit seinen Dienstzeiten könne er nicht mehr an Turnieren teilnehmen, seine Arbeitstätigkeit bereite ihm jedoch Freude. Befragt, ob er in Österreich private Kontakte habe, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er im Arbeitsumfeld und durch seine „Familie“ viele Kontakte geknüpft habe und diese für ihn sehr wichtig seien. Auf Aufforderung, einen Freizeittag zu beschreiben, erklärte der Beschwerdeführer, dass er normalerweise zwei Tage frei habe und gerne sportlichen Aktivitäten nachgehe. Er habe einen Deutschkurs B1 mit Wertekurs absolviert, sich am WIFI angemeldet und ehrenamtliche Tätigkeiten bei einem Fest ausgeführt. Zudem habe er in seiner Schule große Bemühungen gezeigt und in zweieinhalb Jahren Arbeit viel gelernt und wolle nunmehr die Sprache perfektionieren.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden sechs Zeugen einvernommen. Der Arbeitgeber führte zur Person des Beschwerdeführers befragt aus, dass er für seine Tätigkeit gute Zeugnisse erhalten habe und auch als Vertretung zum Einsatz komme. Da ein Fachkräftemangel bestehe, hoffe er, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet bleiben dürfe. Zur inneren Einstellung des Beschwerdeführers befragt, erklärte der Zeuge, dass die Einstellung des Beschwerdeführers mit den kulturellen Werten in Österreich in Einklang stehe. Die zweite befragte Zeugin brachte vor, dass sie die Patenschaft für ihn übernommen habe und die gesamte Familie mit ihm die Freizeit verbringe. Die Töchter der befragten Zeugin erklärten ebenfalls, dass der Beschwerdeführer gut in die Familie integriert sei und mit ihm über alle Themen diskutieren könne. Die fünfte Zeugin gab zu Protokoll, dass sie den Beschwerdeführer als Obfrau eines Vereins begleiten habe können und wahrgenommen habe, dass er innerhalb des Familienverbandes seiner Patenfamilie gut integriert sei. Der sechste Zeuge brachte vor, dass der Beschwerdeführer ein Teil seiner Familie sei und beabsichtige, die Führerscheinprüfung zu absolvieren.

7. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden vom BF eine Integrationsmappe mit folgenden Unterlagen zur Vorlage gebracht:

-        Empfehlungsschreiben des Arbeitgebers vom 17.02.2019 über die herausragenden Leistungen des Beschwerdeführers

-        Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters der Stadt XXXX

-        zahlreiche weitere Unterstützungserklärungen bzw. Empfehlungsschreiben der Patenfamilie des Beschwerdeführers über den Alltag mit dem Beschwerdeführer.

-        Bescheid des AMS vom 08.11.2016 über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Restaurantfachmann (Lehrling) vom 09.11.2016 bis 08.02.2020

-        zahlreiche Fotos mit seiner Patenfamilie (Ski fahren, Geburtstag, Weihnachten).

-        Jahreszeugnis der Berufsschule XXXX (Schuljahr 2017/2018, für den Lehrberuf Restaurantfachmann, mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen)

-        Unterstützungsschreiben des Obmannes der Wirtschaftskammer Oberösterreich, wonach der Beschwerdeführer in einem Beruf mit nachgewiesenem Lehrlingsmangel ausgebildet werde und für den Betrieb eine Bereicherung darstelle

-        Bestätigung des Migrationsbeauftragten des AMS vom 12.10.2018, wonach es im Gastronomiebereich im Bezirk XXXX mehr offene Stellen gebe als Stellensuchende.

-        Lehrvertrag vom 14.11.2016 für die Ausbildung im Lehrberuf Restaurantfachmann vom 09.11.2016 bis 08.11.2019

-        weiteres Empfehlungsschreiben eines Restaurants über das herausragende Engagement des Beschwerdeführers

-        Empfehlungsschreiben des Klassenvorstandes des Beschwerdeführers

-        Zeugnis zur Integrationsprüfung vom 17.11.2018 (Niveau B1)

-        Prüfungszeugnis Deutsch-Test auf dem Niveau B1 vom 09.12.2017

-        Zertifikat vom 08.07.2016, dass der Beschwerdeführer die Prüfung auf dem Niveau A2 sehr gut bestanden habe

-        Vereinbarung über die freiwillige Mitarbeit zwischen der Patenfamilie des Beschwerdeführers und der Volkshilfe Flüchtlings-und MigrantInnenbetreuung

-        weitere 37 Empfehlungsschreiben

-        Schreiben der Vereinigten Linzer Wohnungsgenossenschaften vom 29.03.2017 über die Untervermietung über eine Wohnung an den Beschwerdeführer

-        Bestätigung der ehrenamtlichen Mitarbeit vom 27.11.2018

-        Bestätigung der ehrenamtlichen Mitarbeit vom 21.09.2018 („Botschafter“ beim Sommerfest eines Vereins).

-        Arztbrief vom 21.09.2016 (Diagnose: Korbhenkelriss mediales Meniskushinterhorn Knie rechts).

-        Arztbrief vom 14.04.2017 (Diagnose: Anhaltende Schmerzen rechts bei Zustand nach Refixation eines Korbhenkelrisses am rechten Kniegelenk im September)

-        Zahlreiche Fotos des Beschwerdeführers innerhalb des Familienverbands

-        Lohn/Gehaltsabrechnung Jänner 2019 (Nettogehalt 819,14,- Euro)

8. Mit Urkundenvorlage vom 22.02.2019 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers ein Bescheid des AMS vom 08.11.2016 über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung mit einem monatlichen Entgelt vom 645,- Euro sowie zahlreiche Unterstützungsschreiben übermittelt.

9. Mit durch den Vertreter ergänzend erstatteter Stellungnahme vom 13.03.2020 wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer über eine herausragende Integration verfügen würde und dieser über besonders intensive familiäre und soziale Bindungen in Österreich verfügen würde. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers würde zudem weiterhin eine relevante Gefahr für Leib und Leben des BF darstellen. Der BF hätte sich, nachdem dieser als Minderjähriger in Österreich vor über 5 Jahren seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätte, in Österreich ein schützenswertes Privat – bzw. Familienleben der Familie aufgebaut, die diesen als Paten aufgenommen hätte. Dieses schützenswerte Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in der Patenfamilie hätte sich im Laufe der Zeit in Österreich verfahrensmaßgeblich immer weiter intensiviert. Der BF würde in der Patenfamilie von seitens sämtlicher Familienmitglieder als ein vollwertiges Mitglied dieser Familie angesehen werden und wäre aus deren Mitte nicht mehr wegzudenken. Zur Bestätigung dieser Aussage wurden seitens sämtlicher Familienmitglieder über 10 individuell und aktuell verfasste Schreiben an das BVwG übermittelt, die das Bestehen einer besonderen emotionalen Verbindung dieser Personen mit dem Beschwerdeführer individuell begründet dargelegt haben. Ergänzend wurden durch den BF eine Vielzahl von weiteren Schreiben von Freunden, näheren Bekannten des Beschwerdeführers und Verwandten der Patenfamilie vorgelegt. Festgehalten wurde auch, dass diesen Unterstützungsschreiben insbesondere auch zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer über außergewöhnliche Deutschkenntnisse verfügen würde, bzw. bereits einen Innviertler Dialekt sprechen würde, bzw. die gesamte Beschwerdeverhandlung auf Deutsch durchgeführt worden wäre. Insbesondere wäre auch die erfolgreiche berufliche Integration des Beschwerdeführers hervorzuheben. Dieser hätte eine Lehre als Restaurantfachmann absolviert, eine Beschäftigungsbewilligung erhalten und wäre nun als ausgelernte Fachkraft in seinem ehemaligen Lehrbetrieb beschäftigt. Der Beschwerdeführer wäre daher selbsterhaltungsfähig und würde seinen Lebensunterhalt selbst in Österreich bestreiten. Zudem wäre der Beschwerdeführer in einem Mangelberuf tätig, bzw. wäre der Arbeitgeber dringend auf den Beschwerdeführer angewiesen und eine negative Entscheidung hätte auch für diesen weitreichende negative wirtschaftliche Folgen. Zur Bestätigung dieser Aussagen wurden die Lohn- und Gehaltsabrechnungen, sowie mehrere individuelle Schreiben des Arbeitgebers, sowie weiterer Mitarbeiter des Betriebes übermittelt, die über den positiven Arbeitserfolg des BF im genannten Betrieb berichten. Der BF verfügte damit über ein insgesamt schützenswertes Privat – und Familienleben in Österreich im Sinne des Art. 8 EMRK und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wäre damit unzulässig. Der BF hätte seinen Lebensmittelpunkt nunmehr seit über 5 Jahren in Österreich und dieser wäre auch aufgrund des Asylverfahrens rechtmäßig. Der Beschwerdeführer wäre seinen Mitwirkungspflichten stets nachgekommen und hätte das Verfahren in keinster Weise verzögert. Die Ankunft des BF im prägungsfähigen Alter und die innige Aufnahme in die österreichisches Pflegefamilie hätten dazu geführt, dass die Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat als deutlich schwächer zu beurteilen sind, als seine Bindungen an Österreich, wo er erwachsen geworden wäre, eine neue Heimat gefunden hätte, mit deren Werten, Normen und Gepflogenheiten sich der BF identifizieren würde. Der BF wäre zudem strafrechtlich unbescholten. Die außergewöhnliche berufliche wie auch soziale Integration (Familienanschluss in Österreich, Lehrabschluss, Berufstätigkeit in einem Mangelberuf, Selbsterhaltungsfähigkeit, „Verwestlichung“, tiefgreifende soziale Verwurzelung, ausgezeichnete Deutschkenntnisse, Entfaltung, hervorragende Zukunftsperspektiven, etc.), sowie die über 5 jährige Aufenthaltsdauer würden im Ergebnis dazu führen, dass die privaten Interessen des BF, die gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK normierten öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung in casu deutlich überwiegen würden. Es würde ein Fall vorliegen, bei dem die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären sei, bzw. dem BF eine „Aufenthaltsbewilligung plus“ gem. §55 Abs. 1 AsylG zu erteilen wäre. Betreffend der übermittelten Länderinformationen mit Stand 11/ 2019 wurde ausgeführt, dass der BF bei einer Rückkehr der Gefahr einer ihn unterstellten „westlichen“ Orientierung ausgesetzt wäre. Dies, da der BF bereits im jugendlichen Alter nach Österreich gekommen wäre und hier hinsichtlich seiner Wertehaltungen und Gepflogenheiten geprägt worden wäre. Der BF würde zudem einen westlichen Lebensstil pflegen, der den islamischen Vorgaben der afghanischen Gesellschaft widersprechen würde. Mit der seitens des BF in Österreich gelebten „normalen“ Verhaltensweise würde der BF eine innere Einstellung zeigen, die mit islamischen Grundsätzen nicht konform gehen würde. Dies würde insbesondere auch aus den vorgelegten Empfehlungsschreiben hervorgehen. Auch würde der BF regelmäßig an christlichen Feierlichkeiten im Familienverband teilnehmen. Dies würden auch die vorgelegten Fotografien belegen. Zudem hätte der BF in der Berufsschule aus Interesse am katholischen Religionsunterricht teilgenommen. Dies würde vom erheblichen Interesse des BF an der christlichen Weltanschauung zeugen. Die Sicherheitslage in Afghanistan wäre weiterhin äußerst prekär und dem BF würde zudem aufgrund seines persönlichen Profils (Verwestlichung, Rückkehrer, Verfolgungsgefahr aufgrund Familienzugehörigkeit, Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, etc. ) im Sinne des Art. 2 bzw. 3 EMRK keine relevante, sowie zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Afghanistan zur Verfügung stehen. Auch würde sich die Sicherheits- als auch Versorgungslage im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan als äußerst volatil darstellen. Es wäre dem BF daher aufgrund einer Kumulierung einzelner persönlicher Faktoren der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Der Stellungnahme wurden zahlreiche Fotos des Beschwerdeführers die ihn in der Patenfamilie, als auch mit Freunden und Bekannten zeigen, sowie die erwähnten Schreiben der Verwandten, Freunde und Arbeitskollegen, mitsamt den angeführten Ausbildungs- und Arbeitsbestätigungen als Beilage beigefügt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Kabul geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Religionszugehörigkeit der Schiiten und der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprachen Dari, Englisch und Deutsch. Der Beschwerdeführer kann in Afghanistan auf eine rund siebenjährige Schulbildung verweisen und war anschließend als Straßenverkäufer tätig.

Der Beschwerdeführer kam im Februar 2015 als Minderjähriger nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither ist er vorläufig aufenthaltsberechtigt im Bundesgebiet und kam seinen Mitwirkungspflichten stets nach.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zog der BF hinsichtlich Spruchpunkt I. seine Beschwerde in Anwesenheit seines gewillkürten Vertreters ausdrücklich zurück.

Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich gerichtlich unbescholten, auch verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen sind nicht aktenkundig. Der Beschwerdeführer leidet gegenwärtig nicht unter akut lebensbedrohlich schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen und befindet sich nicht in einer durchgehenden stationären Behandlung.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter, dem eine grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben zuzumuten ist.

In Afghanistan lebt seine Mutter, mit welcher der Beschwerdeführer in telefonischen Kontakt steht.

Aufgrund der sich aus den aktuellen Länderfeststellungen zu Afghanistan ergebenden gegenwärtigen allgemeinen Sicherheits- als auch Versorgungslage, insbesondere in den Städten Mazar – e Sharif oder Herat, sowie unter Berücksichtigung der individuellen und persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführer bedarf der Beschwerdeführer als junger, gesunder und insgesamter arbeitsfähiger Mann, der in Afghanistan aufgewachsen ist, eine der Landessprachen Afghanistans als Muttersprache spricht, bzw. mit der afghanischen Kultur und Lebensweise vertraut ist nicht eines subsidiären Schutzes in Österreich.

Der Beschwerdeführer erfüllt die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 nicht und ein solches wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

Der zum Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet mit Februar 2015 minderjährige Beschwerdeführer hält sich seit mittlerweile nachweislich seit über 5 Jahren im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer hat dokumentiert besondere und im gegenständlichen Verfahren besonders zu berücksichtigende integrative Anstrengungen im Bundesgebiet unternommen. Zudem verfügt der Beschwerdeführer in Österreich über ein insgesamt besonders zu berücksichtigendes bzw. schützenswertes Familien– und Privatleben, bzw. geht in Österreich durchgehend einer erlaubten Beschäftigung nach aus der dieser ein monatliches Entgelt erhält, welches über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG ist. Nach Durchführung einer Interessensabwägung des überaus hohen öffentlichen Interesses am Bestehen eines geordneten Fremden – und Asylwesens mit dem privaten Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet, dies auch unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beschwerdeführer die integrativen Schritte im Bewusstsein seines unsicheren Aufenthaltes gesetzt hat, war im gegenständlichen Einzelfall gem. Art. 8 EMRK insgesamt ein Überwiegen der Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet und eine verfahrensrelevant zu berücksichtigende nachhaltige Aufenthaltsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich festzustellen.

Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt: (gekürzt durch das BVwG aus den aktuellen Länderfeststellungen des BFA zu Afghanistan)

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee- Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.- amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

Quellen:

-        AJ - Al Jazeera (20.1.2019): Taliban attack in Afghanistan’s Logar kills eight security forces, https://www.aljazeera.com/news/2019/01/taliban-attack-afghanistan-logar- kills-security-forces-190120093626695.html. Zugriff 22.1.2019

-        IM - Il Messaggero (22.1.2019): Afghanistan, sangue sul disimpegno Usa: autobomba dei talebani contro scuola militare, 130 vittime, https://www.ilmessaggero.it/pay/edicola/afghanistan autobomba morti talebani-

4246561.html, Zugriff 22.1.2019

-        NYT - The New York Times (21.1.2019): After Deadly Assault on Afghan Base, Taliban Sit for Talks With U.S. Diplomats, https://www.nytimes.com/2019/01/21/world/ asia/afghanistan-taliban-attack-intelligence-wardak.html. Zugriff 22.1.2019

-        Reuters (15.1.2019): Afghan Taliban claim lethal car bomb attack in

Kabul.https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-idUSKCN1P909T. Zugriff 22.1.2019

-        RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (14.1.2019): Four Killed, 90 Wounded In Kabul Car-Bomb Attack, https://www.rferl.org/a/huge-blast-rocks-foreign-compound- in-kabul/29709334.html, Zugriff 22.1.2019

-        TG - The Guardian (21.1.2019): Taliban kill ‘more than 100 people’ in attack on Afghan military base, https://www.theguardian.com/world/2019/jan/21/taliban-kill- more-than-100-in-attack-on-afghan-military-base. Zugriff 22.1.2019

-        TN - The National (15.1.2019): Kabul attack: Taliban claims truck bomb and warns of more to follow, https://www.thenational.ae/world/mena/kabul-attack-taliban-claims- truck-bomb-and-warns-of-more-to-follow-1.813516. Zugriff 22.1.2019

-        Tolonews (21.1.2019) US, Taliban Hold Talks In Qatar With Peace Still Distant, https://www.tolonews.com/afghanistan/us-taliban-hold-talks-qatar-peace-still-distant.

Zugriff 22.1.2019

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen: KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle „Uranus“ statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des „Pashtunistan Square“ im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u.a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten: Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED

[Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan – Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 – 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes: Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte – laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat – Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven „selbsternannten“ ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule „Malika Omaira“ in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule „Biba Hawa“ im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018). Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weite

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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