TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/17 W168 2229106-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.2020
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Entscheidungsdatum

17.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs3

Spruch


W168 2229106-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2020, Zl. 1259014107-200136274, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abgewiesen.

II. Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der weiteren Spruchpunkte behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige aus China, wurde im Zuge von Kontrollen am 27.01.2020 in einer Sushi Bar in Graz bei Arbeiten in der Küche auf frischer Tat betreten. Die BF wurde in Folge von Beamten der PI Graz HBF zu ihrem unangemeldeten Wohnsitz begleitet und es konnte festgestellt werden, dass die BF über keinerlei gültige Dokumente verfügte. Aufgrund der illegalen Arbeitsaufnahme, der fehlenden gültigen Dokumente bestand der Verdacht des illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet. Eine daraufhin durchgeführte EKIS/IZR/VIS Abfrage verlief negativ. Eine ZMR Abfrage ergab, dass die BF vom 08.08.2018 – 06.09.2019 in Wien gemeldet war und ein weiterer gemeldeter Wohnsitz im Bundesgebiet nicht festgestellt werden konnte. Die BF wurde daraufhin festgenommen in das PAZ Graz gebracht.

Am 27.01.2020 wurde gegen die BF ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung eingeleitet.

Mit Mandatsbescheid gem. §76 Abs. 2 Z2 FPG iVm §57 Abs. 1 AVG des BFA vom 28.01.2020 wurde über die BF die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, bzw. zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Bei der Niederschriftlichen Einvernahme gab die BF an, dass sie in China als Fabriksarbeiterin gearbeitet habe und in der Provinz Hebei in der Stadt XXXX vor der Ausreise gelebt habe. Die BF bestätigte auf Vorhalt durch das BFA ausdrücklich, dass sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten würde, kein gültiges Aufenthaltsrecht habe, über keine Dokumente sowie über nicht genügten finanzielle Mittel zur Finanzierung des Lebensunterhaltes verfügen würde. Sie wäre gesund und hätte ihren Reisepass in Linz verloren. Eine Verlustanzeige hätte sie nicht erstattet, weil sie sich nicht auskennen würde. Sie wäre im Sommer 2015 von Shanghai nach Wien geflogen und hätte sich seit diesem Zeitpunkt in Österreich aufgehalten. Sie hätte sich in Linz, Salzburg, Wien und Graz aufgehalten. Auf Vorhalt des BFA, dass die BF nur vom 08.08.2018 – 06.09.2019 in Wien gemeldet war, führte diese aus, dass sie in Österreich einen Sohn auf die Welt gebracht habe. Sie hätte diesen XXXX genannt und diesen am XXXX in Wien auf die Welt gebracht. Den Namen des Vaters kenne sie nicht. Sie wisse nicht wo die Geburtsurkunde wäre. Der Sohn würde sich nunmehr in Wien bei Adoptiveltern befinden. Diese wären Chinesen. Sie wisse jedoch nicht wie diese heißen würden, bzw. kenne sie die Adresse dieser nicht. Sie wäre insgesamt nur ein Mal im Dezember 2018 bei ihrem Sohn gewesen. Betreffend der Einreise befragt, führte die BF aus, dass sie einen Schlepper 80.000 Yuan gegeben habe und dieser für sie die Ausreise organisiert habe. Sie hätte einen gefälschten Reisepass mit Visum bekommen. Sie hätte zum Zeitpunkt der Einreise über rund €1000 verfügt. Die Cousine der BF würde in Salzburg leben und wäre zu ihr gekommen. Sie würde in Österreich nur putzen und würde rund €1000 verdienen und würde sich den Alltag in Österreich durch illegale Arbeit finanzieren. Sie hätte rund ein Monat nach ihrer Einreise im Jahre 2015 Arbeit gefunden. Sie dürfe nicht sage, wo sie gearbeitet hätte. Die chinesischen Arbeitgeber wären sauer. Bis auf die Cousine in Salzburg hätte sie keine Verwandten in Österreich. Ihren Sohn hätte sie anderen Landsleuten übergeben. Mit dem Vater des Sohnes hätte sie keinen Kontakt mehr. Sie dürfe seinen Nahmen auch nicht sagen, da auch dieser illegal in Österreich wäre. Die Adoptiveltern hätten das Sorgerecht für den Sohn. In China würden sich die Mutter der BF und deren Tochter aufhalten und sie hätte über das Internet mit diesen Kontakt. Sie hätte keine Ahnung gehabt, wie man sich anmeldet, deswegen hätte sie dies auch nicht getan. Die Länderinformationen zu China würde sie nicht benötigen. Sie könne nicht nach China zurück, da sie einen Sohn in Österreich habe. Befragt wo der Sohn geboren wurde, führte die BF aus, dass sie nicht wisse in welchen Krankenhaus diese gewesen wäre, bzw. würde sich die Klinik im 16. Bezirk befinden. Der BF wurde in Folge mitgeteilt, dass aufgrund der illegalen Beschäftigung, des illegalen Aufenthaltes beabsichtigt sie eine Rückkehrentscheidung mit einem Aufenthaltsverbot zu erlassen und die BF nach Erlangung eines HRZ nach China abzuschieben.

Mit Bescheid des BFA vom 29.01.2020 wurde I. ein Aufenthaltstitel auf berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §57 AsylG nicht erteilt, II. Gem. §10 Abs. 2 AsylG iVm §9 BFA – VG eine Rückkehrentscheidung gem. §52 Abs. 1 Ziffer 1 FPG erlassen, III. gem. §52 Abs. 2 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gem. $46 FPG zulässig ist, IV. gem. §53 Abs. 1 ivM Abs. 2 Ziffer 6, 7 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren erlasen, V. der Beschwerde wurde gem. §18 Abs. 2 Z 1 BFA – VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und VI. eine Frist für eine freiwillige Ausreise gem. §55 Abs. 3 FPG nicht gewährt.

Hiergegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Am 04.02.2020 stellte die BF im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 14.02.2020 wurde die BF im PAZ HG, durch einen Organwalter des BFA, in Anwesenheit eines beeideten Dolmetschers sowie einer Rechtsberatung niederschriftlich einvernommen. Dabei gab die Beschwerdeführerin insbesondere zu Protokoll, dass diese in keinen Abhängigkeitsverhältnis zu Personen im Bundesgebiet stehen würde, diese jedoch ein Kind in Österreich habe. Dieses Kind wäre am XXXX geboren; sie hätte es jedoch nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Sie könne die Adresse des Kindes nicht angeben, weil sie der deutschen Sprache nicht mächtig wäre, sie wisse jedoch, wo sich das Kind aufhalten würde. In Österreich hätte die BF als Haushaltshilfe gearbeitet. Arbeitsberechtigung hierfür hätte sich jedoch nicht gehabt. Im Herkunftsstaat wurden sich ihre Mutter und ihre minderjährige Tochter, geb. XXXX aufhalten. Diese würde bei den Eltern leben. Beiden würde es gut gehen. Ihr Ehemann wäre 2013 verstorben. Danach befragt, führte die BF aus, dass sie noch nie Probleme mit den Behörden ihres Heimatlandes gehabt hätte. Zu den Gründen für die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz befragt, führte die BF aus, dass diese der Gruppe der Falun Gong angehören würde und diese Gruppe in China verfolgt werden würde, bzw. führte die BF weiters aus: (Auszug aus BFA – EV Protokoll)

Warum stellen Sie einen Asylantrag. Schildern Sie mir möglichst ausführlich unter Anführung von Fakten Ihren ausschlaggebenden Fluchtgrund?

VP:      Ich bin in sehr ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Meine Eltern haben mich dann verheiratet mit diesem Mann. Er ist eine Art Hooligan. Er trinkt sehr viel. Er wurde dann sehr handgreiflich. Auch mein Schwiegervater war so. Vorallem, weil ich keinen Sohn geboren hab. Das war bis 2013. Ich dachte, ich könnte ein neues Leben anfangen. Meine Schwiegereltern haben gedroht, wenn ich nochmals heiraten sollte. Sie haben mir auch unterstellt, dass ich meinen Mann umgebracht habe. … Ich habe dann überall nach Hilfe gesucht und bin durch Zufall auf Falun Gong gestossen. Sie haben mir geholfen. Wir haben auch viel meditiert. Mir ging es damals sichtlich besser. Es kam dann irgendwann die Polizei. Wir waren zu fünft. Drei sind weggelaufen, zwei sind verhaftet worden.

LA:      Wann war dieser Vorfall?

VP:      Das war im Frühjahr 2015.

LA:      Sie konnten auch davonlaufen?

VP:      Ja.

LA:      Haben Sie sonst Probleme in Ihrem Heimatland?

VP:     Nein, sonst nicht.

Auf mehrere seitens des BFA an die BF gestellte Nachfragen zu Einzelheiten der Falun Gong Bewegung, konnte die BF zusammenfassend keinerlei nähere Einzelheiten nennen.

Die BF befragt, welche Gründe gegen eine Rückkehr nach China sprechen würden führte die BF folgendes aus: (Auszug EV Protokoll)

V:       Sie haben Ihre Mutter in China, die kann Sie scherlich anfänglich unterstützen und können Sie auch einer Arbeit nachgehen. Laut Ihren Angaben haben Sie vor Ihrer Ausreise aus China gerbeitet!

VP:      In China habe ich nur drei Monate in einer Kleiderfabrik gearbeitet. Ich bin vor Erschöfung zwei Mal kolapiert und wurde dann entlassen. Wie soll ich da je wieder eine Arbeit finden. Mit meiner Körpergröße würde ich niemals eine Arbeit finden. In China bekommen nur Personen eine Arbeit, welche mindestens 1,6 m groß sind. Ich glaube, ich finde auch in Österreich keine Arbeit.

V:       Wieso Sie haben doch Schwarzgearbeitet!

VP:      Oft hat man mich gesehen und hat mir dann keine Arbeit geben.

LA:      China hat eine Größe von fast 9,6 Millionen qkm, eine Einwohnerzahl von fast 1,4 Millia-den. Sie haben die Möglichkeit sich überall in China niederlassen!

VP:      Es ist nicht so einfach, wie man das glaubt. Für jemand wie mich, ohne technisches Background, ohne Wissen, ohne Hintergründe habe ich keine Möglichkeit zu bestehen. Ich habe auch keinen Mann, der hinter mir steht. So wie ich werde ich in China nicht überleben.

V:       Sie konnten auch bis zu Ihrer Ausreise überleben und auch arbeiten!

VP:      Wenn ich überleben könnte, wäre ich niemals ausgereist.

Abschließend befragt, führte die BF folgendes aus: (Auszug aus EV- Protokoll)

Dem RB wird die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen.

Frage der RB:  Was befürchten Sie passiert, wenn Sie wieder nach China zurückmüssten.

VP:      Ich habe Angst vor allem.

Frage der RB: Können Sie das konkretisieren?

VP:      Ich habe Angt vor der Familie, der Regierung vor allem. Meine Mutter und ich zuhause, hat man in der Nacht Ziegel reingeschmissen. Man wollte unser Haus ansuchen. Das ist ein traumatisches Erlebnis. Daher habe ich auch Angst nachhause zu fahren.

Aus der über die BF am 28.01.2019 verhängten Schubhaft wurde die BF seitens des BFA aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes während der am 14.02.2020 stattgefundenen Verhandlung entlassen und wurde in Folge seitens des LEFÖ – IBF zugesagt, die BF in einer Schutzwohnung unterzubringen und die BF, wo die BF nach Angaben der Vertretung gemeldet ist.

Mit Bescheid des BFA vom 24.02.2020 wurde I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 04.02.2020 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen, II. gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China abgewiesen, III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt, IV. gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG 2005, BGBl. INr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen, V. wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach VR China zulässig ist, VI. gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, VII. der Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt und VIII. verfügt, dass gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.

Das BVwG erkannte der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 29.01.2020 zunächst die aufschiebende Wirkung gem. §18 Abs. 5 BFA – VG zu. Mit Bescheid des BVwG vom 12.05.2020 wurde dieser Bescheid durch das BVwG behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Nachholung von im gegenständlichen Verfahren erforderlichen weiteren Ermittlungen bzw. zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA und Asyl zurückverwiesen.

Dies insbesondere, da die belangte Behörde keine, bzw. eine ausreichenden Abklärungen und Feststellungen zu einem sich aus dem Akteninhalt bzw. aus den Angaben der BF selbst ergebenden Aufenthalt eines Sohnes im Bundesgebiet angestellt hat und diesbezüglich auch keine ausreichenden Abwägungen vorgenommen hat, ob eine Ausweisung der BF aus dem Bundesgebiet einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte darstellen könnte.

Gegen den Bescheid des BFA vom 24.02.2020 wurde unter Berücksichtigung der gem. Covid - 19 Verordnung erstreckten Fristen fristgerecht Beschwerde mit 28.05.2020 erhoben.

Im Wesentlichen wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der belangten Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe.

Zu Spruchpunkt I wurde ausgeführt, dass die BF ihre Ausführungen betreffend einer asylrelevante Verfolgung aufgrund der durch diese angegebene Zugehörigkeit zur Falun Gong Bewegung nicht weiter aufrecht erhalten würde. Jedoch würde dem Umstand Rechnung tragend, dass die BF in der VR China wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von Gewalt bedrohten Frauen verfolgt werden würde, für diese die Definition eines Flüchtlings im Sinne der GFK zutreffen, weil sich die Verfolgungshandlungen und asylrelevanten Diskriminierungen unter Art 10 Abs 1 lit a und d der Statusrichtlinie subsumieren lassen würden. Der BF würde auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehen, da sie die Familie ihres verstorbenen Ehemannes und deren Anhänger sie in ganz China finden können. Somit wäre dem BF internationaler Schutz gem. § 3 AsylG zu gewähren gewesen.

Zu Spruchpunkt II wurde ausgeführt, dass wie bereits unter Spruchpunkt I ausgeführt worden wäre, der BF auch keine innerstaatliche Fluchtalternative aus den oben genannten Gründen offenstehen würde. Hätte die Behörde demnach ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, hätte sie der BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen.

Zu den weiteren Spruchpunkten wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die BF angegeben habe, dass sie in Österreich ein Kind zur Welt gebracht hätte. Die BF hätte sich im Zeitraum der Geburt vom 08.08.2018 bis zum 06.09.2018 in Wien an der Adresse Lederergasse 35/12 – 13 aufgehalten. Hierbei würde es sich um die Büroadresse von LEFÖ – IBF handelt. Durch eine Mitarbeiterin des Vereines im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 14.02.2020 zur Zahlr W140 2228481 – 1 hätte entsprechendes bestätigt werden können. Hätte man diese bezüglich der Geburt des angegebenen Sohnes und der in Folge erfolgten Adoption, bzw. der sich durch die BF vorbehaltenen Besuchsmöglichkeit erkundigt, so hätte die Behörde durch einfache Ermittlungsschritte abklären können, ob die BF einen Sohn in Österreich geboren hätte.

Auch hätte die Behörde keine Ermittlungsschritte diesbezüglich angestellt, ob es sich bei der BF um ein Opfer von Menschenhandelt handeln könnte. Die Zeugin hätte nicht ausschließen können, dass es sich bei der BF um ein Opfer von Menschenhandel handelt. Die BF wäre auch in einer Schutzwohnung des LEFÖ – IBF untergebracht und an deren Büroadresse aufrecht gemeldet. Auch diesbezüglich hätte die Behörde entsprechende Abklärungen vornehmen müssen um den maßgeblichen Sachverhalt zu erheben und insbesondere durch eine geschulte Person des gleichen Geschlechtes erheben müssen, ob es sich bei der BF um ein Opfer von Menschenhandlel handelt. Aufgrund des mangelhaften durchgeführten Ermittlungsverfahrens häte die belangte Behörde den Bescheid mit Verfahrensfehlern belastet und dieser wäre daher rechtswidrig. Bei einem entsprechend sorgsam geführten Ermittlungsverfahren wäre die Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangt.

Zur Frage ob §57 Abs. 1 Z 2 AslG vorliegt wurde ausgeführt, dass die Behörde es unterlassen habe, ob betreffend der BF ein Opfer von Menschenhandel vorliegt. Die Behörde hätte weitere Ermittlungen anstellen müssen. Es wäre anzuzweifeln, dass die BF zu angemessenen Arbeitsbedingungen angestellt gewesen ist, bzw. nach dem österreichischen Kollektivvertrag entlohnt worden wäre. Auch die Mitarbeiterin des LEFÖ – IBF hätte nicht ausschließen können, dass es sich bei der BF um ein Opfer von Menschenhandel handeln könnte. Es wäre nicht ersichtlich, ob der Fall dem BKA weitergeleitet worden wäre, bzw. wäre anzunehmen, dass tatsächlich ein Fall des §57 Abs. 1 Z 2 AslG vorliegt. Die diesbezügliche Beweiswürdigung wäre mangelhaft.

Zur Rechtswidrigkeit der Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass die Behörde keine Ermittlungen zum Familienleben der BF durchgeführt habe, insbesondere zum angegebenen Sohn und dessen Adoption unter Vorbehalt der Möglichkeit von Besuchen vorgenommen habe. Ein Eingriff in Art. 8 EMRK bei einer Rückkehr der BF nach China in Bezug auf den Aufenthalt des Sohnes in Österreich könne damit nicht ausgeschlossen werden.

Zur Rechtswidrigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III) wurde festgehalten, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht ausgeführt würde, wohin die Beschwerdeführerin abgeschoben werden soll. Es wäre in der Begründung und in den Länderfeststellungen die Volksrepublik China angeführt und daher wäre anzunehmen, dass die BF dorthin abgeschoben werden soll. Allerdings hätte sich die Behörde nicht mit der aktuellen Situation in China aufgrund des Coronavirus Pandemie auseinandergesetzt. In China wäre seitens der WHO am 30.01.2020 ein Gesundheitsnotstand internationaler Tragweite ausgerufen worden. Seitens des Außenministeriums wäre hinsichtlich China aufgrund des Coronavirus ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4) und eine Partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) ausgegeben worden, bzw. wären internationale Flüge eingestellt worden. Daher wäre davon auszugehen, dass eine Abschiebung der BF bzw. eine Rückkehr nach China für die BF zumindest vorübergehend weder zumutbar noch zulässig sei.

Zur Rechtswidrigkeit des Einreiseverbotes (Spruchpunkt IV) wurde ausgeführt, dass die Erlassung eines Einreisverbotes seit der Novelle BGBL I 2013/68 (FNG – Anpassungsgesetzt) nicht mehr zwingend gesetzlich vorgeschrieben wäre. Da bereits die Rückkehrentscheidung rechtswidrig wäre, wäre auch die Erlassung des Einreiseverbotes rechtswidrig. Jedenfalls wäre die Erlassung des Einreiseverbotes in der Dauer von drei Jahren aufgrund der Nichtdurchführung einer Abwägung der privaten Interessen der BF mit dem öffentlichen Interesse an einer Ausweisung unrechtmäßig und unverhältnismäßig.

Zur Rechtswidrigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und der Nichtgewährung der Frist für die freiwillige Ausreise wurde ausgeführt, dass die Behörde zu Unrecht vom Primat der freiwilligen Ausreise abgewichen wäre. Das Verhalten der BF wäre kein solches, welches die sofortige Ausreise der BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebieten würde.

Weiters wurden die Anträge gestellt, das das Bundesverwaltungsgericht möge ?

-        eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes unter Einvernahme der BF durchführen; ? der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen sowie den

-        Spruchpunkt über die Aberkennung der aW als rechtswidrig aufheben; ? der Beschwerde stattgeben und der BF Asyl zuerkennen

-        in eventu ? der Beschwerde stattgeben und der BF den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen

-        in eventu ? der Beschwerde stattgeben und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliegen und der BF eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 Abs 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist;

-        in eventu: ? der Beschwerde stattgeben und feststellen, dass die gem. § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 55 AsylG vorliegen und der BF daher gem. § 58 Abs 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen zu erteilen ist;

-        in eventu: ? der Beschwerde stattgeben und feststellen, dass die Abschiebung der BF nach China zumindest vorübergehend unzulässig ist;

-        in eventu: ? den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt VI. (Einreiseverbot) ersatzlos beheben

-        in eventu: ? die Dauer des dreijährigen Einreiseverbotes auf eine angemessene Dauer herabsetzen

-        in eventu: ? den Bescheid im angefochtenen Umfang beheben und zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückverweisen
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der VR China und ist unberechtigt in das Bundesgebiet eingereist.

Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen.

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine junge gesunde Frau im arbeitsfähigen Alter. Der Beschwerdeführerin ist eine Teilnahme am Erwerbsleben im Herkunftsstaat zumutbar.

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich keine Personen, zu denen ein besonders zu berücksichtigendes Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnis besteht. Die Beschwerdeführerin hat mehrere familiäre Anknüpfungspunkte in China und ihren Angaben nach ein zur Adoption freigegebenes Kind in Österreich.

1.2. Zu den Beschwerdegründen:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin die VR China aufgrund einer glaubwürdigen, sie unmittelbar persönlich treffenden asylrelevanten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in der VR China asylrelevant bedroht wurde oder auf anderer Weise einer relevanten psychischer oder physischer Gewalt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt war.

Die seitens der Beschwerdeführerin zu Protokoll gegebenen Gründe für das Verlassen der VR China weisen keine Asylrelevanz auf, bzw. hat die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer auch hinkünftigen asylrelevanten Bedrohung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei einer allfälligen Rückkehr nach China insgesamt nicht glaubhaft machen können.

Bei einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in die VR China besteht für diese als arbeitsfähige Frau im berufsfähigen Alter, mit angegeben familiären Bezugspunkten im Herkunftsstaat ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf, auch unter besonderer Berücksichtigung der gegenwärtigen Lage aufgrund der Corona Pandemie, keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft diese dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der Vornahme der gegenständlichen Entscheidung hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. vollinhaltlich und abschließend auf das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren stützend, sowie vollinhaltlich die tragenden Erwägungen des BFA, sowie die diesbezüglichen Würdigungen des BFA übernehmend die gegenständliche Entscheidung treffen.

Das BFA hat keine, bzw. keine ausreichenden Ermittlungen und Abklärungen betreffend die privaten Verhältnisse der BF in Österreich vorgenommen. Insbesondere ist das BFA davon ausgegangen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine alleinstehende, kinderlose Frau handelt und hat bei der gegenständlichen Entscheidung nicht berücksichtigt, dass sich ein Kind der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet befindet.

Ebenso wurden seitens des BFA, trotz des Vorliegens von diesbezüglichen Indizien, keine ausreichenden Ermittlungen dahingehend vorgenommen, ob es sich bei der Beschwerdeführerin um ein mögliches Opfer von Menschenhandel handelt.

Aufgrund des Inhaltes des vorliegenden Verwaltungsaktes kann im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht geklärt werden, ob eine Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte darstellt.

Der verfahrensgegenständiche Sachverhalt ergibt sich abschließend aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des BFA. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das BVwG konnte im gegenständlichen Verfahren unterbleiben.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)
1.         Politische Lage

Letzte Änderung: 25.1.2020

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,385 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2018) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 14.1.2020).

China ist in 22 Provinzen, fünf Autonome Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) untergliedert (AA 3.2019a). Hongkong hat seit dem Souveränitätsübergang vom Vereinigten Königreich auf die Volksrepublik China zum 1. Juli 1997 den Status einer Sonderverwaltungsregion (Special Administrative Region - SAR). Grundlage für den Souveränitätsübergang ist die von den beiden Regierungschefs am 19. Dezember 1984 in Peking unterzeichnete ‚Gemeinsame Erklärung‘. Nach dem dort verankerten Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ kann Hongkong für 50 Jahre sein marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem aufrechterhalten und genießt einen hohen Grad an politischer und rechtlicher Autonomie. Zum 1. Juli 1997 trat auch das Hongkonger „Basic Law“ in Kraft und löste die koloniale Verfassung ab. Macau wurde nach einem ähnlichen Abkommen am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Vereinigung mit Taiwan zur „Wiederherstellung der nationalen territorialen Integrität“ bleibt eines der erklärten Kernziele chinesischer Politik (AA 3.2019a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein „sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht“ (AA 3.2019a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 13.3.2019). Die KP ist die allbestimmende politische Kraft. Der 19. Parteitag hat im Oktober 2017 ein neues Zentralkomitee (ZK) gewählt, dem alle wichtigen Entscheidungsträger in Staat, Regierung, Armee und Gesellschaft angehören. Xi Jinping ist seit 2012 Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas. Das Zentralkomitee wiederum wählt das Politbüro (25 Mitglieder) und den Ständigen Ausschuss des Politbüros (derzeit 7 Mitglieder). Letzteres ist das ranghöchste Parteiorgan und gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor durch die Parteiführung erarbeitet, wobei über das genaue Verfahren und dessen Grad der Formalisierung keine Klarheit besteht (AA 3.2019a vgl. USDOS 13.3.2019).

Xi Jinping ist zudem Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Kommunistischen Partei Chinas und Oberkommandierender der Streitkräfte, die seit 1997 direkt der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt sind. Der 2018 erneut gewählte Ministerpräsident Li Keqiang leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem „inneren Kabinett“ aus vier Stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung (AA 3.2019a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt (FH 2.2019a). Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der Nationale Volkskongress (NVK) ist formal das gesetzgebende Organ der VR China. Er tagt als Plenum einmal jährlich und beschließt mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren nationale Gesetze (LVAk 9.2019). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung (FH 1.2017a). Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 2.2019a). Eine parlamentarische Opposition zur KPCh gibt es nicht (AA 22.12.2019). Es gibt weitere acht kleine „demokratische Parteien“, die auch im Nationalen Volkskongress, aber vor allem in der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes vertreten sind. Deren Vorsitzender ist Wang Yang. Das Gremium unter Führung der KP Chinas hat lediglich beratende Funktion (AA 3.2019a).

Der Nationale Volkskongress hat mit seiner ersten Sitzung der 13. Legislaturperiode (5. - 20. März 2018) Xi Jinping erneut zum Staatspräsidenten gewählt (AA 3.2019a). Xi Jinping ist Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Kommunistischen Partei Chinas und Oberkommandierender der Streitkräfte (AA 3.2019a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 13.3.2019). Durch die Kommunistische Partei Chinas wurde 2019 in jenen von ihr als kritisch eingestuften gesellschaftlichen Bereichen der Einsatz repressiver Maßnahmen intensiviert (HRW 14.1.2020). Vorrangige Ziele der chinesischen Führung sind die Entwicklung des „Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter“ und die Verwirklichung des „chinesischen Traums vom großartigen Wiederaufstieg der chinesischen Nation“. Die Wahrung der politischen und sozialen Stabilität unter Führung der Partei gilt als wichtigstes Ziel der KP Chinas. Die strenge Führung durch die Partei soll dabei in allen Bereichen der Gesellschaft durchgesetzt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reform und Stärkung der Partei. Schwerpunkte sind der Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft sowie die Stärkung der zentralen Kontrolle der Parteiführung.

Die von Deng Xiaoping im Jahr 1978 verkündete Ära von „Reform und Öffnung“ hat China eine lange Phase anhaltend hohen Wachstums gebracht. Vor dem 40-jährigen Jubiläum von „Reform und Öffnung“ im Dezember 2018 scheinen die wirtschaftlichen Reformanstrengungen jedoch weitgehend zum Erliegen gekommen zu sein. Angesichts der dramatischen Herausforderungen durch den demografischen Wandel, die Umweltbelastungen und die weiter zunehmende soziale Ungleichheit erscheint eine Fortsetzung der Reformagenda umso dringlicher. (AA 3.2019a).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

?        AA - Auswärtiges Amt (3.2019a): China – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/-/200846, Zugriff 26.9.2019

?        CIA - Central Intelligence Agency (14.1.2020): The World Factbook - China, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 20.1.2020

?        FH - Freedom House (2.2019a): Freedom in the World 2019 – China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002611.html, Zugriff 21.10.2019

?        FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 21.10.2019

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 20.1.2020

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.190

?        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html, Zugriff 14.10.2019
2.         Sicherheitslage

Letzte Änderung: 29.1.2020

Seit Dezember 2019 wurden in Wuhan (Hauptstadt der Provinz Hubei) und in weiteren Provinzen zahlreiche Fälle einer unbekannten Lungenkrankheit diagnostiziert. Bei den Erkrankten wurde eine Infektion mit einem neuartigen Coronavirus nachgewiesen (BMEIA 28.1.2020a). Aktuell steigen die Fallzahlen deutlich an, es es sind Todesfälle aufgetreten und die Erkrankung breitet sich in China weiter aus. Die Quelle und Übertragungswege der Infektion sind nicht abschließend geklärt, die Übertragung von Mensch zu Mensch ist aber inzwischen wissenschaftlich gesichert (AA 28.1.2020). Die Stadt Wuhan ist seit dem 23.01.2020 von der Außenwelt weitgehend abgeschottet. Auch die 70 km östlich gelegene Metropole Huanggang wurde isoliert. Der Bahnverkehr und andere öffentliche Verkehrsverbindungen wurden eingestellt (BMEIA 28.1.2020a). Im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus werden Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit unterschiedlichen Ausmaßes verhängt. Davon kann zunehmend auch der Fernreiseverkehr betroffen sein. Allgemein ist derzeit mit erheblichen Einschränkungen der Mobilität innerhalb Chinas zu rechnen (AA 28.1.2020).

Aufgrund einer massiven Präsenz von Sicherheitskräften in besonders gefährdeten Regionen ist eine Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen in China generell niedrig (GW 25.9.2019). Dennoch kann es vereinzelt zu Demonstrationen und Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften kommen. Auch sind In den letzten Jahren in China Anschläge verübt worden. (EDA 23.1.2020). Die Risiken beschränken sich hauptsächlich auf die Autonome Region Xinjiang. Konflikte und mutmaßliche Diskriminierung und Ungleichbehandlung durch die Han-Mehrheitsbevölkerung, wie auch weit verbreitete „Anti-Halal“ Kampagnen [Anmerkung d. Staatendokumentation: dem Verbot einer Etikettierung von Waren mit den arabischen Schriftzeichen für „Halal“] und die anhaltende harte Linie der lokalen Regierung, können die anhaltende Problematik der muslimischen Gemeinschaft ethnischer Minderheiten über die uigurischen Minderheiten hinaus noch verschärfen (AA 28.1.2020; vgl. GW 25.9.2019).

Landerwerb ohne volle Einbeziehung der örtlichen Betroffenen stößt zunehmend auf Proteste, insbesondere in Guangdong, Fujian, Zhejiang, Jiangsu, Shandong und Sichuan. Proteste wegen der Modalitäten von Zwangsumsiedlungen wie auch Entschädigungsleistungen sind an der Tagesordnung und die Behörden verfolgen einige der Anführer solcher Proteste strafrechtlich. Die Wahrscheinlichkeit von Protesten, vor allem in Form von Demonstrationen und Blockaden, wird in Bezug auf den Bau größerer Infrastrukturprojekte, dem Bergbau, etc. auch weiterhin hoch eingeschätzt (GW 25.9.2019; vgl. USDOS 13.3.2019) .

China hat anhand der Vorkommnisse der späten 1980er Jahre gelernt, dass soziale Spannungen zu einer ernsthaften Gefährdung des Systems führen können. Infolgedessen wurde ein engmaschiges Kontroll- und Regulierungssystem (z.B. Social Credit System) sowohl in urbanen Kerngebieten als auch in den peripheren Siedlungsgebieten der Minderheiten aufgebaut (LVAk 9.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

?        AA – Auswärtiges Amt (28.1.2020): China: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/chinasicherheit/200466#content_1, Zugriff 29.1.2020

?        BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (28.1.2020a): China, Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/china/, Zugriff 29.1.2020

?        

?        GW - GardaWorld (25.9.2019): China Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china, Zugriff 24.1.2020

?        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (23.1.2020): Grundsätzliche Einschätzung, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/china/reisehinweise-fuer-china.html, Zugriff 29.1.2020

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.228

?        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html, Zugriff 14.10.2019

2.1.    Tibet

Letzte Änderung: 25.1.2020

China regiert Tibet über die Administration der „Autonomen Region Tibet“ (TAR) und 12 autonome Präfekturen bzw. Landkreise in den angrenzenden Provinzen Sichuan, Qinghai, Gansu und Yunnan (FH 1.2019b). Durch die Behörden in den tibetischen Gebieten wird die Religionsfreiheit, wie auch die freie Meinungsäußerung, die Bewegungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit weiterhin stark eingeschränkt (HRW 14.1.2020). Staatliche Repressionen der Meinungs-, Religions-, Bewegungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit von Tibetern in der Autonomen Region Tibet (TAR), wie auch in anderen tibetischen Gebieten haben sich verstärkt und werden in einem höheren Außmaß betrieben als in anderen Gebieten des Landes (USDOS 13.3.2019).

Unter der tibetischen Bevölkerung besteht angesichts einer chinesischen Politik der wirtschaftlichen Expansion die wenig Rücksicht auf Mitbestimmung, kulturelles Erbe und religiöse Freiheit nimmt, eine große Frustration. Besonders in den tibetischen Gebieten Sichuans, Gansus und Qinghais kam es seit 2009 zu über 100, meist tödlichen, Akten von Selbstverbrennung, die von religiösen Versammlungen, Protesten und schließlich einer oft gewaltsamen Auflösung durch Sicherheitsorgane gefolgt wurden. Einige Tibeter wurden wegen Anstiftung zur Selbstverbrennung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt (ÖB 11.2019).

Die Regierung geht gegen vermeintlich separatistische Kräfte in Tibet mit besonderer Härte vor (AA 22.12.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

?        FH - Freedom House (1.2019b): Freedom in the World 2019 – Tibet, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/tibet, Zugriff 23.10.2019

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 20.1.2020

?        ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China

?        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html, Zugriff 14.10.2019

2.2.    Xinjiang

Letzte Änderung: 25.1.2020

Die chinesische Regierung wirft Teilen der uigurischen Bevölkerung in der Autonomen Provinz Xinjiang (XUAR), im äußersten Westen Chinas, separatistische Bestrebungen und terroristische Aktivitäten vor und wertet diese als Bedrohung gegen den Staat (ÖB 11.2019).

2013 erfolgte eine Eskalation der Gewalt, bei der ca. 200 Menschen ums Leben kamen. Die Gewalt griff zunehmend auch auf andere Regionen Chinas über. 2013/2014 kam es zu drei, offenbar von Uiguren verübten Anschlägen, die sich gegen Unbeteiligte richteten (AA 15.10.2014). Die seit Jahren eskalierende Gewaltspirale konnte durch die umfassende Repression 2016 scheinbar zwar gebremst, aber nicht gestoppt werden, wie eine Reihe bekannt gewordener blutiger Anschläge mit insgesamt 18 Toten seit Jahresende 2016 zeigt. 2015 hat sich nach chinesischen Angaben die Zahl der Verurteilungen wegen Terrorismus und Separatismus auf über 1.400 verdoppelt. Der allergrößte Teil dieser Urteile steht aller Voraussicht nach in Zusammenhang mit Xinjiang, wo im August 2016 das erste Antiterrorgesetz auf Provinzebene verabschiedet wurde. Den Behörden ist es bisher weitgehend gelungen, die Unruhen lokal zu begrenzen. Eine existentielle Bedrohung für China stellen sie nicht dar. Die chinesische Regierung fürchtet jedoch den Fortgang der blutigen Scharmützel und potentiell eine Wiederkehr einzelner Attacken auch außerhalb Xinjiangs (AA 14.12.2018).

Die chinesische Führung hat in mehreren Verlautbarungen darauf hingewiesen, dass es nach ihrer Überzeugung direkte Verbindungen zwischen uigurischen Separatisten und den afghanischen Taliban und Al Qaida gebe und dass ein energisches Vorgehen gegen den uigurischen Separatismus, Extremismus und Terrorismus Teil des internationalen Kampfes gegen den Terror sei (AA 22.12.2019). Zudem macht China seit Jahren im Exil lebende uigurische Separatisten für Angriffe in Xinjiang verantwortlich (Aljazeera 1.3.2017).

In der Autonomen Region Xinjiang (XUAR) verfolgt die chinesische Zentralregierung einen zweigleisigen Ansatz: zum einen verstärkte Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung der Gefährdungs-Triade (religiöser) Extremismus, (ethnischer) Separatismus und (internationaler) Terrorismus, zum anderen Wirtschaftsförderung und Erhöhung des Lebensstandards der Menschen mit dem Ziel der Gewährleistung sozialer Stabilität bzw. Eindämmung von Unruhepotential (AA 22.12.2019).

Die 2014 gestartete besonders repressive Kampagne „Strike Hard“ wird unvermindert gegen die türkisch-muslimische Bevölkerung fortgesetzt (HRW 14.1.2020). Im Laufe des Jahres intensivierte die Regierung ihre Strategie der Massenverhaftung von Mitgliedern muslimischer Minderheitengruppen in der autonomen Region der Uiguren (Xinjiang) deutlich. Es wird berichtet, dass die Behörden schätzungsweise 800.000 Menschen, unter Umständen mehr als zwei Millionen Uiguren, ethnische Kasachen und andere Muslime willkürlich in Internierungslagern festhalten, deren Zielsetzung in der Vernichtung ihrer religiösen und ethnischen Identitäten liegt. Von Regierungsbeamten wird behauptet, dass diese Lager zur Bekämpfung von Terrorismus, Separatismus und Extremismus benötigt würden. Internationale Medien, Menschenrechtsorganisationen und ehemalige Häftlinge berichten davon, dass Sicherheitskräfte in den Lagern Häftlinge misshandelt, gefoltert und getötet haben (USDOS 13.3.2019; vgl. FH.2.2019a).

Vertrauliche Dokumente der Kommunistischen Partei Chinas aus den Jahren 2017 und 2018 beschreiben, wie die Verfolgung und Internierung insbesondere von Uiguren in Umerziehungslagern in Xinjiang organisiert wird. Die „China Cables“ genannten Papiere geben Anleitung zur Gestaltung des Lagerlebens und zur strengen Überwachung der Uiguren in den Lagern und außerhalb davon und bestätigen im Wesentlichen Berichte von Beobachtern und ehemaligen Lagerinsassen. Die Berichte widersprechen der offiziellen chinesischen Darstellung, dass es sich bei den von der Regierung errichteten Lagern lediglich um Einrichtungen zur beruflichen Weiterbildung handelt (NYT 16.11.2019; vgl. WZ 25.11.2019).

Der Einsatz von Technologien zur massenhaften Überwachung und sozialen Kontrolle durch die Behörden ist beispiellos. Die Integrated Joint Operations Platform (IJOP), ein Computerprogramm, das im Mittelpunkt der Massenüberwachungssysteme von Xinjiang steht, überwacht viele Facetten des Lebens der Menschen, einschließlich ihrer Bewegungen und ihres Stromverbrauchs und alarmiert die Behörden, wenn Unregelmäßigkeiten aufscheinen (HRW 14.1.2020). So werden über eine App, die sogenannte Integrated Joint Operations Platform (IJOP) personenbezogene Daten gesammelt. Das IJOP-System registriert und überwacht Bewegungs- und Standortdaten auf ID-Karten und Mobiltelefonen. Durch das System als problematisch gekennzeichnete Vorfälle haben sofortige Untersuchungen zur Folge. Abhängig vom Grad der wahrgenommenen Bedrohung und basierend auf der Programmierung, kann die Bewegungsfreiheit einer Person eingeschränkt werden, indem das Verlassen eines registrierten Standorts ebenso, wie auch ein Betreten öffentlicher Räume wahrgenommen werden (HRW 1.5.2019).

Die IJOP-App bewertet auch Regierungsbeamte nach ihrem Arbeitserfolg bei der Erfüllung von Aufgaben und ist ein Werkzeug übergeordneter Vorgesetzter zur Überprüfung untergeordneter Beamter (HRW 1.5.2019). Mehr als eine Million Beamte sind durch die Regierung zur Überwachung mobilisiert worden (HRW 17.1.2019).

Um der wachsenden internationalen Besorgnis über die Niederschlagung entgegenzuwirken, organisierten die chinesischen Behörden mehrere, streng kontrollierte Reisen für ausgewählte Journalisten und Diplomaten - auch von der UN - nach Xinjiang und erklärte Ende Juli 2019, dass „die meisten“ in den Lagern für „politische Bildung“ in Xinjiang „in die Gesellschaft zurückgekehrt“ sind. Beide Behauptungen werden von Beobachtern bezweifelt (HRW 14.1.2020), zumal Berichten zufolge eine unbekannte Zahl Internierter nicht in Freiheit, sondern in streng kontrollierte Zwangsarbeit entlassen worden sind (BAMF 16.12.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Darüber hinaus werden durch die Behörden auch weiterhin Kinder, deren Eltern interniert sind oder sich im Exil befinden, ohne elterliche Zustimmung in staatlichen „Kinderfürsorge-Einrichtungen“ und Internaten ohne Zugang betreut (HRW 14.1.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China,

?        AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019

?        AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

?        Aljazeera (1.3.2017): ISIL video threatens China with 'rivers of bloodshed', http://www.aljazeera.com/news/2017/03/isil-video-threatens-china-rivers-bloodshed-170301103927503.html, Zugriff 20.11.2019

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (16.12.2019): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2022112/briefingnotes-kw51-2019.pdf, Zugriff 21.1.2020

?        FH - Freedom House (2.2019a): Freedom in the World 2019 – China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002611.html, Zugriff 21.10.2019

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 20.1.2020

?        HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002248.html, Zugriff 22.10.2019

?        HRW - Human Rights Watch (1.5.2019): China’s Algorithms of Repression, https://www.hrw.org/report/2019/05/01/chinas-algorithms-repression/reverse-engineering-xinjiang-police-mass-surveillance, Zugriff 14.10.2019

?        NYT – New York Times (16.11.2019): The Xinjiang Papers. ‘Absolutely No Mercy’: Leaked Files Expose How China Organized Mass Detentions of Muslims, https://www.nytimes.com/interactive/2019/11/16/world/asia/china-xinjiang-documents.html, Zugriff 21.11.2019

?        ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China

?        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html, Zugriff 14.10.2019

?        WZ – Wiener Zeitung (25.11.2019): Enthüllungen um chinesische Umerziehungslager, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2039665-Enthuellungen-um-chinesische-Umerziehungslager.html, Zugriff 25.11.2019

2.3.    Hongkong

Letzte Änderung: 25.1.2020

Vor der Rückgabe Hongkongs durch die Briten am 1. Juli 1997 wurde ausgehandelt, dass Hongkong nach der Formel „Ein Land, zwei Systeme“ als Sonderverwaltungsregion seine freie Marktwirtschaft, seine eigene Währung, sein eigenes Rechtswesen, ein politisches System mit demokratischen Elementen und garantierten bürgerlichen Freiheiten wie der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit, 50 Jahre lang beibehalten dürfe, also bis 2047 (AA 8.2019).

Im ersten Jahrzehnt nach der Übergabe funktionierte dieses Arrangement für beide Seiten weitgehend reibungslos. 2010 kam es zu ersten großen Demonstrationen, 2014 zu wochenlangen Massenprotesten, an denen Zehntausende teilnahmen. 2019 entzündete sich die Protestwelle an Plänen für ein umstrittenes Auslieferungsgesetz. Die Demonstranten werfen der Führung in Peking eine immer stärkere Einmischung in Hongkonger Belange und den Abbau der bürgerlichen Freiheiten vor (AA 8.2019; vgl. LVAk 9.2019). Seit Anfang Juni 2019 führen Großdemonstrationen, unangekündigte Protestaktionen sowie Aufrufe zum Streik immer wieder zu Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens. Seit dem 11. November 2019 finden täglich Demonstrationen mit Straßenblockaden in vielen, auch touristisch frequentierten Stadtteilen, statt. Es kommt zu teils heftigen Zusammenstößen mit der Polizei, bei welchen bisher mehrere Personen getötet worden sind (AA 22.11.2019; vgl. TG 14.11.2019, ZO 11.11.2019).

Die chinesische Staats- und Parteiführung hat die Regierung von Hongkong wiederholt aufgefordert, mit aller Härte gegen die Demonstranten vorzugehen und sie wegen „Aufstand“ strafrechtlich zu verfolgen. Mittlerweile werden nur noch vereinzelt Demonstrationen und Versammlungen genehmigt, was eine deutliche Einschränkung der Versammlungsfreiheit darstellt (AA 22.12.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

?        AA - Auswärtiges Amt (14.11.2019): Hongkong: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/hongkongsicherheit/200854, Zugriff 20.11.2019

?        AA - Auswärtiges Amt (9.2019): China – Außen- und Europapolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/hongkong-node/sonderstatus-hongkong/2239262, Zugriff 23.10.2019

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.228

?        TG – The Guardian (14.11.2019): Second death in week as Xi Jinping demands end to Hong Kong violence, https://www.theguardian.com/world/2019/nov/14/second-death-in-hong-kong-protests-as-xi-demands-end-to-violence, Zugriff 20.11.2019

?        ZO – Zeit Online (11.11.2019): Polizei schießt erneut Demonstranten an, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-11/hongkong-demonstration-gewalt-schuesse-video-verletzter, Zugriff 20.11.2019
3.         Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 25.1.2020

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen (AA 22.12.2019). Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei auf ungeteilte Macht gegenüber (FH 2.2019a). Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert, neben sozialer Not eine der Hauptquellen von Unzufriedenheit in der chinesischen Gesellschaft (AA 3.2019a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 22.12.2019). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2019). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sogenannter „Leitlinien“. Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen solche, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen „Leitlinien“ der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 2.2019a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines „sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung“ unter dem Motto „den Gesetzen entsprechend das Land regieren“. Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, d.h. der Kommunistischen Partei (KP), keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2019).

Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2019).

Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahme seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen „Unabhängigkeit“ von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es – vor allem auf unterer Gerichtsebene – noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2019).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll „Fehlverhalten“ von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) und die Oberste Staatsanwaltschaft haben wiederholt gefordert, „Falschurteile“ der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die tatsächliche Gerichtspraxis ist allerdings davon noch weit entfernt (AA 22.12.2019).

Das umstrittene System der „Umerziehung durch Arbeit“ („laojiao“) wurde 2013 offiziell abgeschafft. Missbräuchliche Einweisungen politisch missliebiger Personen (vor allem Petitionäre oder Dissidenten) in psychiatrische Anstalten aber auch willkürliche Festsetzungen in sogenannten schwarzen Gefängnissen („black jails“ bzw. „legal education center“) ohne faires Gerichtsverfahren oder aufgrund falscher oder gefälschter medizinischer Gutachten kommen weiterhin vor (AA 22.12.2019).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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