TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/21 L506 2159196-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.08.2020
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Entscheidungsdatum

21.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L506 2159196-1/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.06.2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet, einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am XXXX gab er anlässlich der Erstbefragung als Grund für seine Ausreise an, er habe mit einer Partei namens ‚ XXXX ‘ zusammengearbeitet, welche gegen die Regierung gewesen sei; aus diesem Grund habe er Probleme mit der Regierung bekommen. Er sei bedroht worden, weshalb er geflüchtet sei. Weitere Ausreisegründe habe er nicht. Im Rückkehrfall sei sein Leben in Gefahr.


3. Am 27.06.2016 langte bei der Behörde eine Mitteilung der PI XXXX über die Beteiligung des BF an einem Raufhandel und seine Wegweisung aus der Asylunterkunft ein.

4. Am 19.10.2016 erfolgte die Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA).

Eingangs der Einvernahme gab der BF gänzlich andere Identitätsdaten als in der Erstbefragung an und erklärte, dass alles, auch, was seine Familie betreffe, gelogen gewesen sei. Zutreffend sei nur der geltend gemachte Ausreisegrund. Der BF gab an, seine originale Geburtsurkunde vorzulegen, der vorgelegte Reisepass (AS 147) sei jedoch gefälscht.

Der BF gab zu seinen Ausreisegründen an, sein Vater sei im Vorjahr einen Tag nach dem Fest zur Beendigung der Fastenzeit hingerichtet worden; seiner Mutter gehe es schlecht, da zu den unmöglichsten Zeiten von den Beamten nach dem BF gefragt werde.

Er sei im Jahr 1388 (2009) bereits für ein Jahr inhaftiert gewesen, obwohl er nichts verbrochen habe. Mittlerweile sei ohne Verhandlung seitens des Gerichts ein Todesurteil gefällt worden. Dies sei vor 20 Tagen in den iranischen Medien zusammen mit einem Foto des BF publiziert worden. Der BF verwies dazu auf die offizielle Website zweier staatlicher Zeitungen vom XXXX .

Der Grund für die Verurteilung sei Widerstand gegen die Staatsgewalt gewesen; als er sich gegen Beamte des Geheimdienstes habe wehren wollen, habe er einen zu Boden gestoßen, sodass dieser eine schwere Kopfverletzung erlitten habe, an welcher er verstorben sei. Es sei jedoch keine Absicht, sondern ein Unfall gewesen und habe er sich lediglich ‚freiraufen‘ gewollt. Das Bild der Anzeige über das Urteil wurde ausgedruckt und zum Akt genommen (AS 131).

Gefragt nach seiner politischen Tätigkeit erklärte der BF, im Jahr 2009 bei den Unruhen dabei gewesen zu sein und sei er im Zuge der Demonstrationen auch verhaftet worden und für 1 Jahr und 3 Monate in Haft gewesen. In den beiden letzten Jahren habe er bis zur Hinrichtung seines Vaters sehr geringfügig in der ‚ XXXX ‘ Bewegung mitgearbeitet. Sein Vater sei Mittelsmann für die Autonomie anstrebende kurdische Freiheitspartei gewesen, weshalb er hingerichtet worden sei. Es sie nie ein offizieller Grund für die Hinrichtung genannt worden; dessen Anwalt habe mehrfach Akteneinsicht bei Gericht genommen und habe gesagt, es handle sich nicht um eine Verurteilung wie üblich und sei auch kein plausibler Grund für diese Verurteilung angeführt worden. Die Akte, die es über den BF selbst gebe, resultiere aus seinen Problemen. Der Grund für die Auseinandersetzung sei darin gelegen, dass dem BF untersagt worden sei, eine anständige Bestattung für seinen Vater zu veranlassen, weshalb es zu dem Gerangel mit dem Etelaat-Mitarbeiter gekommen sei. Es bestehe ein offizieller Haftbefehl gegen den BF, welcher vermutlich bei Gericht in XXXX liege.

Vor seiner Ausreise habe er sich in der Ortschaft XXXX in der Provinz XXXX in einer Gartenvilla seines Vaters aufgehalten; danach sei er in den nächsten 3-4 Monaten in XXXX nahe der armenischen Grenze bei einem Freund seines Vaters namens XXXX gewesen. Im Februar 2016 sei er von dort nach XXXX zurückgekehrt und von dort mit einem gefälschten Reisepass in die Türkei gereist. Dieser enthalte sein Foto, jedoch die Daten seines Onkels und habe er dafür 40 Mio. Toman Schmiergeld bezahlt.

Er habe auch in Österreich falsche Daten angegeben, da er wusste, dass es bilaterale Abkommen bzgl. Bestrafung und Auslieferung mit dem Iran gebe; er habe sich jedoch erkundigt und erfahren, dass dies für Asylwerber nicht gelte.

Sie seien von den Beamten des Geheimdienstes an der Bestattungszeremonie für den Vater des BF gehindert worden. Sie hätten viele Gäste gehabt und habe der BF im Zuge der Diskussionen begonnen, den verstorbenen geistlichen Führer Kohmeni und dessen Nachfolger und Handlanger zu beschimpfen. Es seien 3 Soldaten und 4 höherrangige Militärangehörige anwesend gewesen; als ein Leutnant dem BF Handschellen anlegen habe wollen, habe ihm dieser mit dem Schlagstock auf das Scheinbein des BF geschlagen und sei dieser zu Boden gefallen und sei der BF festgehalten worden. Als man ihm die Handschellen habe anlegen wollen, habe der BF mit dem Knie gegen den Brustkorb des Leutnants gestoßen, welcher nach hinten gefallen und mit dem Kopf aufgeschlagen sei. Die anderen Beamten hätten den BF losgelassen, seien zu dem Verletzten gerannt und hätten ihm seine Onkel namens XXXX und XXXX zur Flucht verholfen. Diese seien nun im zentralen Gefängnis in XXXX inhaftiert. Die Menschenmenge habe die Soldaten umzingelt und die Onkel hätten den BF in ein Auto gestoßen und sei er zu seinem Onkel XXXX gebracht worden, wo er sich versteckt habe. Er habe 10 Minuten gewartet und habe alles genommen, was er kriegen habe können und sei mit dem Bus nach XXXX und weiter zum Garten gefahren, wo er sich 25 Tage aufgehalten habe. Dann sei er mit dem öffentlichen Bus zum Freund seines Vater XXXX nach XXXX gefahren.

Über Befragen gab der BF an, er selbst sei im XXXX Gefängnis nahe XXXX , wo jeder hinkomme, der auffällig gegen das Regime agiere, inhaftiert gewesen.

5. Das BFA veranlasste in weiterer Folge die Überprüfung der vorgelegten Dokumente (Reisepass, Geburtsurkunde) und richtete am 15.12.2016 eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA hinsichtlich des Vorbringens des BF. Mit Bericht der Staatendokumentation vom 20.01.2017 erfolgte eine entsprechende Anfragebeantwortung.

6. Am 28.04.2017 erfolgte eine weitere behördliche Niederschrift, in der der BF Gelegenheit hatte, sich zu den Rechercheergebnissen der Staatendokumentation zu äußern. Der BF erklärte dazu, die Daten der Person, die er genannt habe, seinen in der Zeitschrift vermerkt und gab über weiteres Nachfragen zu den behördlichen Ermittlungsergebnissen und ob er dazu nichts angeben wolle, an, er wolle nichts sagen und legte stattdessen ein Deutschzertifikat vor.

Weiter gefragt, wieso dem BF lt. der vorgelegten Zeitschrift neben Mord auch Menschenraub vorgeworfen werde, erklärte der BF, dies sei eine Zeitschrift und sei dies nicht die Wahrheit. Weiter gefragt, warum er sich beim Passamt in XXXX einen Reisepass besorgt und sich so der Gefahr entdeckt und verhaftet zu werden, ausgesetzt habe und warum er nicht illegal ausgereist sei, erklärte der BF, wenn man ihm eine ärztliche Überweisung unterschreibe, könne er alles beweisen. Ein Freund seines Vaters und eine weitere Person hätten alles für ihn erledigt und dafür 40 Mio. Toman verlangt.

Über Befragen, wann er in Haft gewesen und was der Grund für die Haft gewesen sei, erklärte der BF, er sei wegen aufständischer Aktivitäten anlässlich der Wahlproteste von 19.07.2009-August 2010 inhaftiert gewesen. Nach diesbzgl. Beweismitteln (Gerichtsurteil) gefragt, erkläre der BF, er glaube, so etwas im Iran zu haben.

Weiter gefragt, in welchem Zeitraum er für die ‚ XXXX ‘ Bewegung tätig gewesen sei, gab er an, von 1386-1389/1390, wovon er 2 Jahre sehr aktiv gewesen sei, indem er versucht habe, Freunde von seiner Meinung zu überzeugen. Er könne jedoch nicht beweisen, dass er dieser Partei angehört habe. Gefragt, weshalb er sich für die Belange der Kurden einsetzte, obwohl er nicht dieser Volksgruppe angehöre und schiitischer Moslem sei, gab der BF an, dass dies keine Kurden seien und einen Regierungssturz wollen, dies habe nichts mit der kurdischen Volksgruppe zu tun.

Gefragt, was sein Aufgabenbereich in der ‚ XXXX ‘ Bewegung gewesen sei, erklärte der BF, dies sei die Vorbereitung für den Umsturz des Regimes gewesen. Sein Ansprechpartner/Mittelsmann sei sein Cousin XXXX gewesen.

Aufgefordert, genau seine Verhaftung im Jahr 2009 zu beschreiben, gab der BF an, er sei zuerst verhaftet und festgenommen und dann freigelassen worden. Danach habe er mit seinem Onkel im Aktienhandel gearbeitet. Dann sei sein Vater einen Tag nach dem Fest zur Beendigung der Fastenzeit erhängt worden, wozu er nun eine Todesbestätigung zur Person seines Vaters vorlege; diese wurde als Beilage zum Akt genommen (lt. Übersetzung wurde diese vom Regierungsamt in XXXX am 07.05.2015 ausgestellt und wird als Hinrichtungsgrund ‚Vollzug der Strafgesetze‘ genannt). Anlässlich der Bestattungszeremonie habe der Etelaat versucht, diese zu verhindern. Sie hätten viele Gäste gehabt und habe der BF die iranischen Führer beleidigt, sodass es zu einem Handgemenge mit Sicherheitsbehörden gekommen sei. Zur Zeit nach seiner Entlassung gefragt, erklärte der BF, er habe sich einmal wöchentlich bei den Sicherheitsbehörden melden müssen und habe er 6 Monate lang eine Erklärung abgeben müssen; das letzte Jahr, bevor er das Land verlassen habe, sei er flüchtig gewesen.

Dies seien alle Gründe für die Asylantragstellung und könne er nicht mehr dazu angeben.

Nachgefragt gab der BF an, die 40 Mio. Toman seien sein Geld gewesen, da es ihm gut gegangen sei, seine beiden Onkel seien im zentralen Gefängnis in XXXX inhaftiert. Gefragt nach aktuellem Kontakt zu seinen politischen Freunden gab der BF an, lediglich zu seinem Cousin mütterlicherseits Kontakt zu haben, der mit ihm in derselben Bewegung tätig gewesen sei. Der BF legte einen Bericht vor, wonach XXXX (Anm. dies ist die Person, die der BF ermordet haben soll) an den Folgen eines Sauerstoffmangels verstorben sei und erklärte, der Familienanwalt habe dies besorgt, seine Familie habe es fotografiert und dem BF geschickt. Gefragt, ob aus dem Schreiben die Unschuld des BF hervorgehe, erklärte dieser, er sei Opfer dieser Umtriebe und werde versucht, durch die Unterstellung des Mordes, den BF zu vernichten. Er habe alles gesagt. Ein Onkel sei vor 2 Monaten zu einer 15jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, da der BF mit dessen Auto geflüchtet sei.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.).

Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.)

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Das BFA stellte zusammengefasst fest, dass im Falle des BF, dessen Identität nicht feststehe, keine Verfolgung im Sinne der GFK existent sei, da die seitens des BF angegebenen Gründe für die Asylantragstellung nicht glaubwürdig seien.

Die persönliche Glaubwürdigkeit des BF sei bereits druch dessen Versuch, die Behörden über seine Identität zu täuschen, erheblich beeinträchtigt.

Ferner seien die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen vage, widersprüchlich und nicht plausibel.

Auf die Anfragebeantwortung der österreichischen Botschaft XXXX bezugnehmend führte die belangte Behörde aus, dass zur behaupteten Hinrichtung des Vaters des BF keine Informationen gefunden worden seien und habe auch die Botschaft Bedenken bezüglich des Wahrheitsgehaltes der Angaben des BF geäußert, zumal die Angaben des BF der seit langer Zeit praktizierten Regel widersprechen, wonach die Leichen exekutierter Personen aufgrund von Sicherheitsbedenken niemals an ihre Familie zurückgegeben werden, sondern von den Behörden bestattet werden.

Auch werde die angebliche Begräbnisstätte in XXXX vorwiegend von farsisprachigen Schiiten bewohnt und die Wahrscheinlickeit, dass aus Sympathie für das Opfer Kämpfe ausgebrochen seien, sei gering.

Da die Angaben des BF nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten im Iran übereinstimmen, sei dem Vorbringen des BF die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Die in der zweiten Einvernahme vorgelegte Todesbestätigung den Vater des BF betreffend untermauere die Ansicht der Behörde, da daraus hervorgehe, dass dieser aufgrund des ‚Vollzugs der Strafgesetzte‘ hingerichtet worden sei, was die vom BF behauptete Rückgabe des Leichnams und eine öffentliche Bestattungszeremonie mit vielen Gästen ausschließe.

Auch die Behauptung des BF, wonach sein Vater ein Mittelsmann für eine nach Autonomie strebende kurdische Freiheitspartei gewesen und deswegen hingerichtet worden sei, sei nicht mit den allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftststaat vereinbar.

Der BF habe vage behauptet, dass sein Todesurteil bereits vom Gericht beschlossen sei und habe auf sein Foto in iranischen Medien verwiesen. Dem Rechercheergebnis der Botschaft zufolge, würden jedoch lediglich ‚normale‘ Straftaten (zB Vergewaltigung) nach Autorisierung durch einen Richter veröffentlicht werden, nicht jedoch staatssicherheitsrelevante Straftaten und würden lt. Staatendokumentation des BFA im Iran prinzipiell oppositionelle Tätigkeiten als Aktionen gegen die staatliche Gewalt gewertet werden und werde die Echtheit der genannten Inserate in den genannten Medien stark angezweifelt, zumal darin auch von Menschenraub die Rede sei, was der BF jedoch im Verfahren nicht erwähnt habe. Die Ansicht der Behörde werde durch die Angabe des BF selbst untermauert, indem er erklärt habe, dass dies lediglich eine Zeitschrift und nicht die Wahrheit sei. Die Behörde gehe daher davon aus, dass es sich bei den betreffenden Inseraten nicht um von iranischen Behörden autorisierte und beauftragte Inserate handle.

Der BF habe anlässlich der Erstbefragung ferner behauptet, mit der ‚ XXXX ‘ zusammengearbeitet zu haben, weshalb er mit der Regierung Probleme bekommen habe und bedroht worden sei, er habe jedoch in der Einvernahme angegeben, aufgrund der Vorkommnisse anlässlich des Begräbnisses seines Vaters die geistlichen Führer beschimpft zu haben und sei es zu einem Handgemenge gekommen, bei dem eine Person getötet worden sei, womit er die Gründe für seine Ausreise gänzlich ausgetauscht habe, was sein Vorbringen einmal mehr mit Unglaubwürdigkeit belaste.

Auch die Angaben des BF zur Tätigkeit für die genannte Partei seien widersprüchlich. Während der BF bei der Erstbefragung angebeben habe, mit dieser Partei zusammengearbeitet zu haben, habe er in der Einverahme ausgeführt, sehr geringfügig mitgearbeitet zu haben und habe er bei einer weiteren Eivernahme angegeben, zwei Jahre sehr aktiv für die Partei gewesen zu sein und habe der BF gleich darauf seine Angabe abgeschwächt. Auch die Aussage, dass diese Partei nichts mit Kurden zu tun habe, stehe in Kontrast zu den tatsächlichen Gegebenheiten, welche durch die Anfragebeantwortung bestätigt worden sei. Ferner habe der BF auch nicht das geringste Wissen über diese Bewegung aufweisen können, sodass nicht davon auszugehen sei, dass der BF für diese aktiv gewesen sei.

Auch die legale Ausreise des BF spreche gegen eine Verfolgung durch die iranischen Behörden, da der BF bei tatsächlicher Verfolgung niemals diesen Weg gewählt hätte und ihm eine Ausreise mit Sicherheit nicht möglich gewesen wäre, da er von den iranischen Behörden daran gehindert worden wäre und wäre für die Behörden auch erkennbar gewesen, dass die Daten im Reisepass nicht mit dem darin enthaltenen Lichtbild übereinstimmen würden und überprüfen die irnaischen Behörden bei Ausreisen von iranischen Staatsbürgern die Datenbanken auf eventuell nachträglich verhängte Ausreiseverbote.

Auch diese Vorgehensweise des BF spreche gegen eine Verfolgung, hätte er doch diesfalls die Möglichkeit einer illegalen Ausreise gewählt und sich weniger Gefahren ausgesetzt.

Letztlich habe der BF Griechenland und andere europäische Staaten durchreist, ohne einen Asylantrag zu stellen, was ebenso für andere Gründe des BF als jene der Schutzsuche spreche.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

In den weiteren Spruchpunkten hielt das BFA fest, dass dem BF keine Aufenthaltsberechtigung gem. § 57 zu erteilen sei, die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und die Abschiebung des BF zulässig sei; letztlich wurde begründet, aus welchem Grund die vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde.

8. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz seines gleichzeitig bevollmächtigten Vertreters vom 19.05.2017 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524). Der BF führte darin aus, dass er keine widersprüchlichen Angaben gemacht habe und seine Angaben mit den Verhältnissen im Herkunftsstaat vereinbar seien; seine Angaben würden den Tatsachen entsprechen und habe er keine falschen Angaben gemacht.

Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge

-) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz Folge gegeben und diesem der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt werde;

-) in eventu das Verfahren an die belangte Behörde zurückzuverweisen

-) in eventu die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären

-) in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen

-) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen

9. Gegenständliche Beschwerde langte samt bezug habendem Verwaltungsakt am 29.05.2017 in der hg. Gerichtsabteilung ein.

10. Am 07.09.2017 langte hg. der Untersuchungsbericht der LPD NÖ zum Reisepass und der Personenstandsurkunde des BF ein, wonach der Formularausdruck authentisch sei und ergaben sich bei der Untersuchung der eingetragenen Daten keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung.

11. Am 23.02.2018 wurde durch den Vertreter des BF ein Dokumentenkonvolut beinhaltend eine Deutschkursbestätigung A2, eine Sterbeurkunde des Vaters des BF samt Übersetzung, ein Zeitungsartikel zum Todesfall sowie eine Tauf- und Mitgliedsbescheinigung der XXXX vom 16.12.2017 und eine Bestätigung zum Austritt aus dem Islam vom 09.02.2018 vorgelegt.

12. Am 16.03.2018 langte hg. eine Beschwerdeergänzung ein, in der mitgeteilt wurde, dass die Anfrage zur Hinrichtung des Vaters in der falschen Stadt erfolgt sei; dieser sei in XXXX und nicht in der Stadt XXXX erfolgt.

13. Am 30.04.2018 wurden dieselben Urkunden wie unter Pkt. 11 erneut vorgelegt und am 23.07.2019 langten hg. Fotos ein, die den BF lt. Begleitschreiben anlässlich einer öffentlichen Präsentation der Bewegung ‚Nationaler Widerstand‘ in XXXX zeigen.

14. Am 05.06.2020 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der der BF und das BFA geladen wurden.

15. Am 18.06.2020 langte hg. ein Schriftsatz des Vertreters des BF ein, welcher dieser als ‚Rüge der Niederschrift, Kritik an der Verhandlungsführung‘ bezeichnete.

16. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

17. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde und durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.06.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2.       Feststellungen (Sachverhalt):

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

2.1.1. Die Identität des Beschwerdeführers, welcher Staatsangehöriger des Iran ist, steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist ledig, gesund und arbeitsfähig und verfügt über seine Familie (Mutter und ein Bruder) im Iran, zu der er in regelmäßigem Kontakt steht.

Der Beschwerdeführer hat die Grundschule besucht, maturiert, studiert und gearbeitet und bei seiner Familie in XXXX gewohnt.

2.1.2. Der Beschwerdeführer reiste aus dem Iran aus und illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

Es kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Iran für eine politische Bewegung aktiv war, noch dass dieser aufgrund seiner Tätigkeit für eine politische Bewegung oder aufgrund eines Raufhandels mit Todesfolge für einen Beamten anlässlich des Begräbnisses seines Vaters, von den iranischen Behörden gesucht wurde bzw. gesucht wird noch, dass der Beschwerdeführer vom Islam abgefallen und zum christlichen Glauben konvertiert ist.

Dass sich der Beschwerdeführer, der am XXXX in der XXXX XXXX getauft wurde, und Gottesdienste besucht, ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt, sich nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt hat und dieser Glaube für den Beschwerdeführer identitätsstiftend ist, kann nicht festgestellt werden.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

2.1.3. In Österreich hat der Beschwerdeführer keine nahen Angehörigen.

Er ist Mitglied in einem Ringer-Verein und lebt seit seiner Einreise von der staatlichen Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer hat die A2 Prüfung absolviert, verfügt über rudimentäre Deutschkenntnisse und ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich an Demonstrationen gegen das iranische Regime teilgenommen.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.


2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

0.       Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB XXXX 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB XXXX 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 3.2019a).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB XXXX 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA 12.1.2019).

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB XXXX 12.2018).

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB XXXX 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems“ sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a). Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem “Implementation Day” am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA15.2.2019a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.2.2019). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz XXXX an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr 2018 zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in „politischen“ Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen (ÖB XXXX 12.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 12.1.2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450, Zugriff 30.4.2019

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.4.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 30.4.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 30.4.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 30.4.2019

- WZ – Wiener Zeitung (11.1.2017): Das politische System des Iran, https://www.wienerzeitung.at/archiv/iran-2017/iran-hintergrund/524691-Das-politische-System-des-Iran.html?em_no_split=1, Zugriff 30.4.2019

1.       Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in XXXX Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt XXXX , erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von XXXX , kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in XXXX , wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB XXXX 12.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (11.6.2019b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 11.6.2019

- BMeiA – Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (11.6.2019): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 11.6.2019

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.6.2019): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 11.6.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

a.       Verbotene Organisation

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komalah-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 12.1.2019). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB XXXX 12.2018) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Im FFM-Bericht des Danish Immigration Service erklärt eine Quelle, dass sie noch nie davon gehört hätte, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wurde. Andererseits ist es aber laut einer anderen Quellen schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 11.6.2019

- AI – Amnesty International (15.6.2018): Urgent Action, Iranian Kurdish Woman denied Medical Care, UA: 151/14 Index: MDE 13/8598/201, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435509/1226_1529323691_mde1385982018english.pdf, Zugriff 11.6.2019

- AI – Amnesty International (11.2.2019): Amnesty International's written statement to the 40thsessionof theHuman RightsCouncil(25 February –22March 2019), MDE 13/9828/2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457788/1226_1550135137_mde1398282019english.pdf, Zugriff 11.6.2019

- DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 11.6.2019

- ÖB XXXX (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

b.       Volksmudschaheddin (Mujahedin-e-Khalq – MEK, MKO; People’s Mojahedin Organisation of Iran – PMOI; National Council of Resistance of Iran – NCRI)

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO, „iranische Volksmudschahedin“) gilt in Iran als Terror-Organisation, die für die Ermordung von 17.000 IranerInnen verantwortlich gemacht wird (ÖB XXXX 9.2017, vgl. Global Security o.D.). Es handelt sich um eine linksgerichtete Gruppierung, die in den 1960er Jahren gegründet wurde, um sich gegen den Schah zu stellen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wendete sie sich gegen die klerikalen Führer. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980er Jahren verlegten die Volksmudschaheddin ihr Camp in den Irak (Global Security o.D., vgl. ACCORD 7.2015, Guardian 9.11.2018). Saddam Hussein stellte ihnen eine große Militärbasis namens Camp Ashraf unweit der iranischen Grenze zur Verfügung (Guardian 9.11.2018). Zwischen 2009 und 2013 wurde Camp Ashraf von irakischen Sicherheitskräften zumindest zweimal überfallen und etwa 100 Menschen getötet. Daraufhin nahmen die USA die MEK von der Terrorliste, um weitere Todesopfer zu vermeiden. Nachdem die MEK offiziell nicht mehr als Terrororganisation galt, konnten die USA Albanien davon überzeugen, die übrigen 2.700 Mitglieder aufzunehmen. Diese wurden zwischen 2014 und 2016 nach Tirana geflogen. Mittlerweile sind viele von Ihnen in die EU und USA weitergereist (Guardian 9.11.2018). Im Exil hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat [National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Guardian 21.9.2012, vgl. ACCORD 9.2013).

Experten sind sich einig, dass die Volksmudschaheddin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016, vgl. Guardian 9.11.2018). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018, vgl. Arab News 22.1.2018).

Die Entwaffnung der Kämpfer der Volksmudschaheddin in Camp Ashraf und an anderen Orten nahe Bagdad erfolgte während der US-Invasion im Irak durch die Amerikaner. Die MEK-Führung habe sich von Saddam Hussein distanziert und ihre Opposition gegenüber der islamischen Regierung in XXXX betont. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die MEK aus Sicht der Amerikaner neu erfunden. Die MEK-Führung stellt sich selbst als demokratische und populäre Alternative zum islamischen Regime dar und behauptet, über Unterstützung der iranischen Bevölkerungsmehrheit zu verfügen (ÖB XXXX 9.2017). Inwieweit die MEK von der iranischen Bevölkerung unterstützt wird ist umstritten. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik, die iranische Regierung und deren Sicherheitsapparat zu stürzen. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen (ACCORD 7.2015). Die österreichische Botschaft berichtet hierzu, dass die MEK zwar die stärkste oppositionelle Bewegung ist und international präsent ist, aber sie genießt in Iran selbst aufgrund ihrer terroristischen Vergangenheit und der Unterstützung Saddam Husseins im Iran-Irak-Krieg kaum Unterstützung (ÖB XXXX 12.2018).

Die Streichung der MEK von der Liste terroristischer Organisation durch die EU und die Vereinigten Staaten 2012 wurde von iranischer Seite scharf verurteilt. Verbindungen zur MEK gelten in Iran als mohareb (Waffenaufnahme gegen Gott), worauf die Todesstrafe steht (ÖB XXXX 9.2017).

Die MEK konzentriert sich mittlerweile auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Iran führt eine Liste mit ca. 100 MEK-Unterstützern (hauptsächlich Anführern), die nicht nach Iran zurückkehren können, da sich das Interesse der Behörden auf sie richten würde (ACCORD 7.2015). In Bezug auf die Unterstützung der iranischen Bevölkerung für die MEK gibt es widersprüchliche Informationen.

Immer wieder wird Kommandanten der MEK von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, dass sie Mitglieder der MEK systematisch missbrauchen würden, um sie zum Schweigen zu bringen. Hierzu würden Folter, Einzelhaft, Beschlagnahmung von Vermögen und Trennung von Familien, um die Kontrolle über die Mitglieder zu behalten, angewendet. Solche Vorwürfe werden von der MEK kategorisch zurückgewiesen (Guardian 9.11.2018).

Quellen:

- ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord-iran-coi-compilation-july-2015.pdf, Zugriff 11.6.2019

- ACCORD (9.2013): Iran COI compilation, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1384784380_accord-iran-coi-compilation-september-2013-corrected-2013-11-18.pdf, Zugriff 11.6.2019

- Arab News (22.1.2018): Iranian people are ready to usher in a ‘new day’, http://www.arabnews.com/node/1274381, Zugriff 11.6.2019

- DW – Deutsche Wlle (28.3.2016): Iranische Volksmudschahedin in Albanien, http://www.dw.com/de/iranische-volksmudschahedin-in-albanien/a-19132961, Zugriff 11.6.2019

- Global Security (o.D.): Mujahedin-e Khalq Organization (MEK or MKO), http://www.globalsecurity.org/military/world/para/mek.htm, Zugriff 11.6.2019

- The Guardian (21.9.2012): Q&A: what is the MEK and why did the US call it a terrorist organisation? http://www.theguardian.com/politics/2012/sep/21/qanda-mek-us-terrorist-organisation, Zugriff 11.6.2019

The Guardian (9.11.2018): Terrorists, cultists – or champions of Iranian democracy? The wild wild story of the MEK, https://www.theguardian.com/news/2018/nov/09/mek-iran-revolution-regime-trump-rajavi, Zugriff 11.6.2019

- Iran Focus (18.1.2018): Iran Regime’s Weakness and Its Fear From Pmoi/Mek Exposed During the Uprising, https://www.iranfocus.com/en/index.php?option=com_content&view=article&id=32380:iran-regime-s-weakness-and-its-fear-from-pmoi-mek-exposed-during-the-uprising&catid=4:iran-general&Itemid=109, Zugriff 11.6.2019

- ÖB XXXX (9.2017): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426070/5818_1520415893_iran-oeb-bericht-2017-09.docx, Zugriff 11.6.2019

- ÖB XXXX (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

c.       PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (Partei für Freiheit und Leben in Kurdistan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)

Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbau einer kurdischen Nationalidentität, und man wollte die Assimilierung der Kurden durch die Zentralregierung verhindern. 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Ebendort hat auch die PKK ihre Basen und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK. Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Die PJAK ist die einzige kurdische Partei, die noch immer aktiv für ihre Ziele – z.B. Selbstbestimmung – in Iran kämpft. Angaben über die Stärke der PJAK-Kämpfer sind schwierig. Schätzungen liegen bei ca. 3.000 Kämpfern. Es gibt auch Einheiten mit Kämpferinnen (BMI 2015, ACCORD 7.2015). Die Hälfte der Kämpfer in Ostkurdistan sollen Frauen sein (TRAC o.D.)

Die PJAK liefert sich seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden (AA 12.1.2019). In den Jahren 2017 und 2018 kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit kurdischen Oppositionsgruppen (PJAK, KDP-Iran, Komala), mit mehreren Dutzend Festnahmen und zahlreichen Toten. Es ist weiterhin mit verschärften Repressalien gegen kurdische Organisationen zu rechnen. Unter den politisch Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB XXXX 12.2018). Die PJAK ist im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

-        Bei der PJAK gibt es zwei Arten von Mitgliedschaft: Zum einen professionelle Mitglieder, die unter anderem auch militärisches Training erhalten und Waffen tragen. Diese sind unverheiratet und haben ihr Leben der PJAK gewidmet. Sie werden von der PJAK z.B. in kurdische Dörfer oder Städte entsandt, wo sie versuchen, die Leute zu organisieren und verschiedene Komitees und legale Organisationen zu gründen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Professionelle Mitglieder nehmen an militärischen und politischen Aktivitäten der PJAK teil. Die zweite Gruppe bilden die semi-professionellen oder lokalen Mitglieder, die ein normales Leben mit ihren Familien führen. Sie nehmen nicht an militärischen Aktivitäten teil, führen aber politische Aktivitäten aus, wie z.B. Flyer verteilen. Um ein semi-professionelles Mitglied zu werden, muss man das Ausbildungsprogramm der Partei durchlaufen. Neben diesen beiden Gruppen gibt es auch noch die Sympathisanten, die selten auch Flyer verteilen oder an Demonstrationen teilnehmen. Diese sind nicht direkt an der Organisation von Demonstrationen beteiligt und haben auch keine Verbindung zur Organisation der Partei. Die Sympathisanten arbeiten unter der Führung der semi-professionellen Mitglieder. Da die PJAK in Iran eine verbotene Organisation ist, müssen sowohl Mitglieder als auch Sympathisanten mit ernstzunehmenden Strafen rechnen, wenn ihre Aktivitäten enthüllt werden (DIS/DRC 30.9.2013).

-        

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 11.6.2019

- ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord-iran-coi-compilation-july-2015.pdf, Zugriff 11.6.2019

- BMI – Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf, Zugriff 11.6.2019

- DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 11.6.2019

- DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (30.9.2013): Iranian Kurds, On Conditions for Iranian Kurdish Parties in Iran and KRI, Activities in the Kurdish Area of Iran, Conditions in Border Area and Situation of Returnees from KRI to Iran, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1380796700_fact-finding-iranian-kurds-2013.pdf, Zugriff 11.6.2019

- ÖB XXXX (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

- TRAC – Terrorism Research & Analysis Consortium (o.D.): Party of Free Life of Kurdistan (PJAK), https://www.trackingterrorism.org/group/party-free-life-kurdistan-pjak, Zugriff 11.6.2019

d.       Kurdish Democratic Party of Iran (KDPI/PDKI) und Komala(h) (Kurdistan Organization of the Communist Party of Iran, Komala, SKHKI)

Neben der PJAK zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI) zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran (AA 12.1.2019). Letztere wird von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die vom Irak aus das Regime bekämpft (AA 9.12.2015, vgl. BMI 2015).

Die kurdischen Oppositionspartien, insbesondere die KDPI, sind in Iran nicht sehr stark durch Mitglieder repräsentiert, sondern am ehesten durch Sympathisanten (ACCORD 7.2015). Die KDPI wurde 1945 gegründet und vom Schah im Jahr 1953 verboten und dadurch in den Untergrund verbannt. Die KDPI fordert kurdische Autonomie (TRAC o.D.) innerhalb eines demokratischen Iran (MERIP o.D.). Das Hauptquartier der KDPI, die sich in ihrer Geschichte mehrmals gespalten hat, befindet sich im Irak (MERIP o.D., vgl. ACCORD 7.2015).

Komalah (SKHKI) hat ihre Zentrale in der Autonomen Kurdischen Region Irak. Es gibt Parteimitglieder und –sympathisanten. Organisiert ist sie in einzelnen Zellen, die von Mitgliedern geführt werden. Die Mitglieder einer Zelle teilen sich die Arbeit auf, abe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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