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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Februar 1997, Zl. SD 200/97, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. Februar 1997 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Beschwerdeführerin lebe seit 1982 in Österreich. Sie sei in den Jahren 1983 bis 1987 fünfmal wegen Diebstahls rechtskräftig verurteilt worden, weshalb gegen sie im Jahr 1988 (nach vorhergegangener Verwarnung) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren verhängt worden sei. Aufgrund der Fürsprache der Bewährungshilfe habe die Beschwerdeführerin wiederholt Vollstreckungsaufschübe erhalten. Obgleich auch in dieser Zeit weitere Verurteilungen wegen Diebstahls erfolgt seien, sei das Aufenthaltsverbot im Jahr 1994 aufgehoben worden, um der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Integration zu geben. Nunmehr sei sie mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Oktober 1996 wegen gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie leide an Kleptomanie, vermöge nichts daran zu ändern, daß ihr Aufenthalt die öffentliche Sicherheit i.S. des § 18 Abs. 1 FrG gefährde und ihr Fehlverhalten dem öffentlichen Interesse i.S. des Art. 8 Abs. 2 MRK zuwiderlaufe. In diesem Zusammenhang sei nicht unbeachtlich, daß die Beschwerdeführerin die Straftaten auch in Gesellschaft verschiedener anderer Mittäterinnen jugoslawischer Staatsangehörigkeit begangen habe. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG sei ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, sofern dem nicht die §§ 19 oder 20 leg. cit. entgegenstünden.
Die Beschwerdeführerin habe zwei Kinder, von denen eines, das die 1. Klasse Volksschule besuche, an Asthma leide. Auch die Eltern und ein Bruder der Beschwerdeführerin lebten in Österreich. Aufgrund dessen liege ein beträchtlicher Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin i.S. des § 19 FrG vor. Dieser Eingriff sei aber nunmehr zum Schutz der Rechte Dritter und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, dringend geboten. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Kleptomanie lasse sich in diesem Zusammenhang keineswegs zu ihren Gunsten verbuchen. Die Wiederholungsgefahr lasse sich durch den Hinweis, daß sie sich einer psychotherapeutischen Behandlung unterzöge, nicht beseitigen. Die Auswirkungen auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin seien zweifelsohne beträchtlich, doch seien die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes höher zu bewerten und den öffentlichen Interessen der Vorrang einzuräumen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen "formeller und materieller Rechtswidrigkeit" aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die - auf der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung der rechtskräftigen Verurteilung der Beschwerdeführerin zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Höhe von zehn Monaten beruhende - Ansicht der belangten Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und aufgrund des dieser Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls zugrunde liegenden Fehlverhaltens auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Sicherheit) gerechtfertigt sei, unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese rechtlichen Beurteilungen keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot gegen die Beschwerdeführerin sei im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten. Eine solche Notwendigkeit könne nicht bestehen, wenn der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich seit 1982 trotz mehrfacher Diebstähle, unter welchem Titel auch immer, toleriert worden sei. Der Charaktermangel der Beschwerdeführerin, der zu wiederholten Diebstählen geführt habe, bestehe seit mehr als einem Jahrzehnt und sei amtsbekannt; dies habe aber die Behörde nicht veranlaßt, die Beschwerdeführerin außer Landes zu schaffen. Das "nun begangene Delikt" sei aus demselben Charaktermangel begangen worden; es habe sich am Verhalten der Beschwerdeführerin nichts geändert. Aufenthaltsverbote seien kein Mittel der Strafrechtspflege, sondern ein Mittel der "politischen Behörden", vom Ausland drohende Gefahren abzuwehren. Die Gefahr, die von der Beschwerdeführerin ausgehe, sei aber eine typische "Inlandsgefahr". Derartige Gefahren abzustellen, sei Aufgabe der Strafgerichte, denen dazu die entsprechenden Mittel zur Verfügung stünden.
2.2. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Hinsichtlich der Unhaltbarkeit der Beschwerdemeinung, Aufenthaltsverbote dienten dazu, "vom Ausland drohende Gefahren abzuwenden", während die "Abstellung" von Gefahren, die von seit langem im Inland aufhältigen Personen ausgingen ("Inlandsgefahr") allein Aufgabe der Strafgerichte sei, genügt es, auf die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes regelnden Bestimmungen der §§ 18 bis 20 FrG zu verweisen. Was aber das Tolerieren (im Wege von Vollstreckungsaufschüben) eines weiteren Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich trotz eines gegen sie bestehenden Aufenthaltsverbotes in den Jahren 1988 bis 1994 anlangt, so kann aus diesem Umstand keinesfalls - wie dies die Beschwerde tut - abgeleitet werden, daß das neuerliche (einschlägige) gravierende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin, das zur rechtskräftigen Verurteilung im Jahr 1996 geführt hat, das Dringend-geboten-sein eines (neuerlichen) Aufenthaltsverbotes gegen sie nicht zu begründen vermöge. Vielmehr macht die erwähnte Verurteilung der Beschwerdeführerin die von ihr ausgehende große Gefahr für die öffentliche Sicherheit und damit für die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele der Verhinderung strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte Dritter sehr deutlich, liegt dieser Verurteilung doch eine gewerbsmäßige Tatbegehung zugrunde, also die Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. Leukauf/Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3 § 130 Rz 2). Das solcherart gegebene öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin ist von solchem Gewicht, daß die Notwendigkeit eines Aufenthaltsverbotes auch unter Bedachtnahme auf ihre beachtlichen gegenläufigen Interessen zu bejahen ist. Daran ändert schließlich auch der Beschwerdeeinwand nichts, daß die wiederholten, so auch die der Verurteilung im Jahr 1996 zugrunde liegenden Diebstähle auf einen Charaktermangel bzw. auf Kleptomanie der Beschwerdeführerin zurückzuführen seien, wird doch durch diese - behauptete - Disposition die von der Beschwerdeführerin ausgehende nachhaltige Gefahr für das dargestellte öffentliche Interesse nicht gemindert, geschweige denn obsolet.
3. Konnte somit die belangte Behörde die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über die Beschwerdeführerin als im Grunde des § 19 FrG zulässig beurteilen, so ist auch das Ergebnis der nach § 20 Abs. 1 leg. cit. vorgenommenen Abwägung unbedenklich. Wenn die Beschwerdeführerin den Vorrang des öffentlichen Interesses an der Beendigung ihres Aufenthaltes gegenüber ihren privaten und familiären Interessen an einem Verbleib in Österreich mit dem Argument der langen Dauer ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet in Abrede stellt, so ist ihr zum einen entgegenzuhalten, daß dieser Aufenthalt durch ein sechs Jahre aufrechtes Aufenthaltsverbot und für diese Zeit wiederholt gewährte Vollstreckungsaufschübe gekennzeichnet war - Umstände, welche das Gewicht des Kriteriums "Dauer des Aufenthaltes" (§ 20 Abs. 1 Z. 1 FrG) nicht unwesentlich relativieren, und zum anderen darauf hinzuweisen, daß die für das "Ausmaß der Integration" (§ 20 Abs. 1 Z. 1 FrG) essentielle soziale Komponente durch die Vielzahl der auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftaten eine deutliche Minderung erfahren hat. Von daher gesehen ist die belangte Behörde zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von einem Aufenthaltsverbot gegen die Beschwerdeführerin schwerer wögen als die mit dieser Maßnahme verbundenen Auswirkungen auf ihre und ihrer Familie Lebenssituation.
4. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180207.X00Im RIS seit
20.11.2000