TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/29 L504 2153321-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.10.2020
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Entscheidungsdatum

29.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


L504 2153321-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX , geb., StA. Libanon, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.08.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 23.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Libanon mit muslimisch-sunnitischen Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört und aus XXXX , Provinz XXXX , stammt.

Im Rahmen der Erstbefragung gab sie am 24.11.2015 bei der LPD als Begründung ihrer Ausreise Nachfolgendes an:

„[…]

Ich habe den Libanon verlassen, da ich Angst um mein Leben hatte. Es herrscht dort Bürgerkrieg zwischen Hisbollah und der Armee. Ich konnte meine Familie nicht mitnehmen, da dies mit fünf Kindern nicht zumutbar ist. Ich möchte aber meine Familie nachholen lassen. Meine Frau ist im 7. Monat schwanger.“

[…]“

Im Falle der Rückkehr habe sie „Angst im Krieg getötet zu werden“.

In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt brachte die bP zu ihren ausreisekausalen Problemen im Libanon im Wesentlichen Folgendes vor:

„[…]

F: Haben Sie im bisherigen Verfahren der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

A: Ja.

[…].

F: Haben Sie Einwände gegen die Anwesenden?

A: Nein, aber ich habe eine Frage, der Dolmetscher bei der Erstbefragung war Ägypter, es kann sein, dass er nicht alles verstanden hat. Der Dolmetscher hat mich damals nicht belehrt. Das wollte ich nur am Anfang festhalten, es kann gut sein, dass er meine Geschichte nicht verstanden hat.

[…]

F: Wo haben Sie in Libanon konkret gelebt? Nennen Sie Ihre letzte Wohnadresse im Libanon?

A: Ich wohnte in der Provinz GABAL LUBNAN und die Ortschaft heißt XXXX , Bezirk: XXXX

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe inklusive Details und Nebensächlichkeiten?

A: Ich komme aus der Ortschaft XXXX wo die Mehrheit Sunniten sind, es handelt sich um die einzige Ortschaft in unserer Provinz die sunnitisch ist. Um uns herum in den anderen Ortschaften gibt es Drusen, Schiiten und Christen. Es gibt auch in unserer Nähe Stützpunkte der Hisbollah sowie Sicherheitsbüros. Bei uns im Libanon ist es das jeder seiner religiösen Gruppe angehören muss, so ist unsere gesellschaftliche Struktur. Mit Anfang der syrischen Krise 2011 kamen sehr viele Syrer in den Libanon. Im Jahre 2013 hat die Hisbollah sich am Syrienkrieg beteiligt, das hatte zur Folge, dass immer mehr Syrer in den Libanon flüchteten. Logischerweise kamen auch syrische Flüchtlinge zu unserer Ortschaft. Wir in der Zukunftsströmung haben Hilfstätigkeiten angeboten, den Leuten geholfen Wohnungen zu finden.

Der Anführer der Zukunftsströmung Saadadin ALHARIRY hat uns unterstützt mit Hilfsgütern, dies funktionierte über den Koordinator der Zukunftsströmung Mahmud ALGAMAL und in weiterer Folge über die leitende Person den XXXX . Wir haben ehrenamtlich gearbeitet, des Weiteren haben wir an Demonstrationen teilgenommen. Wir waren gegen die Einmischung der Hisbollah in Syrien. Die Sicherheitskommission der Hisbollah war mehrmals in unserer Ortschaft und wollte Syrer mitnehmen um herauszufinden, ob diese auf Seiten des Regime oder der Opposition sind. Unser Stamm in der Ortschaft hat der Hisbollah gesagt, dass Sie keine Legitimation haben jemand mitzunehmen, da Sie nicht die staatliche Hoheitsgewalt haben und wir waren auch jene die gesagt haben, dass einzig der Sicherheitsapparat des libanesischen Staates befugt ist Personen mitzunehmen und zu verhören. Danach haben Sie versucht die Jugendlichen davon zu überzeugen in Syrien in den Krieg zu ziehen und wir haben eine Rolle dabei gespielt, dass Sie es nicht leicht hatten die Jugendlichen zu überzeugen. Sie wollten eigentlich unsere Verwandten rekrutieren, die ganze Gegend ist Sunnitisch. Am 30.11.2014 gab es einen bewaffneten Angriff, Sie stürmten unsere Ortschaft, es kam zu einer Schießerei. An dem einen Tag waren wir in Beirut, es gab ein Treffen zur Erinnerung an den von der IS getöteten Nuri ALGAMAL der auch Bruder des Koordinators der Zukunftsströmung ist. Wir waren in Beirut, meine Mutter rief mich an, kommt nicht zurück, denn die Miliz die die Hisbollah angegriffen hat, die Ortschaft angegriffen hat, mein Haus wurde von denen gestürmt, sie haben alle Häuser von den Leuten gestürmt die sich Ihnen gestellt haben. Meine Mutter rief bei mir an ich sollte nicht zurückkehren, denn die Hisbollah war bei mir, meine Mutter fragte was ich verbrochen habe. Meine Frau erlitt einen Schock.

Zwei Tage blieb ich in Beirut ich konnte nicht zurück, ich konnte auch keinen Kontakt zu meiner Frau aufnehmen, da Sie einen psychischen Schock erlitten hatte. Es kam zu Toten in unserer Ortschaft, es kam zu Drohnachrichten; Sie haben uns für den Tod der Personen verantwortlich gemacht, obwohl wir nicht Mal im Ort waren. Es kam zu telefonischen Bedrohungen, man versprach uns, dass das geflossene Blut der gefallenen Märtyrer nicht um sonst gewesen sein wird. Wir mussten feststellen, dass die Lage immer schlechter wurde, und entschieden uns deswegen in den mehrheitlich sunnitischen Norden des Libanon zu gehen. Sieben oder 8 Monate verbrachten wir im Norden des Libanons. Vom 30.11.2014 bis Mai wurden unsere Häuser drei oder vier Mal gestürmt, ich möchte noch erwähnen ich wohne im gleichen Objekt wie meine Eltern. Ich wurde von meiner Familie darüber informiert. Vom Mai- Juli wurde das Haus nicht mehr gestürmt, wir haben Sicherheit gespürt, ich wollte meine Familie wieder sehen, ich kehrte zurück, die ersten 10-15 passierte nichts. An einem Sonntag gegen 17:00 haben wir Schüsse gehört, wir wussten nicht was los ist. Sie wollten die Ortschaft stürmen, das war eine Minute nach dem die leitende Person angeschossen wurde. Ich konnte meine Wohnung nicht verlassen. Ich bin dann im Hause des XXXX untergetaucht, er ist Schiit, er wusste das ich damit nichts zu tun habe, er wohnt einen Stock über uns. Sie stürmten mein Haus, fanden mich nicht 20 Min waren Sie in der Ortschaft, dann zogen Sie sich zurück. Wir erfuhren, dass der Sohn von XXXX XXXX angeschossen wurde. Wir verließen die Ortschaft und gingen nach Beirut, wir blieben dort zwei Tage in einem Sicherheitsbüro der Zukunftsströmung, wir konnten dort nicht schlafen da es als Büro eingerichtet ist. Dann gingen wir zu einer Ortschaft namens XXXX in den Norden des Libanon, wir blieben dort zwei Monate, mussten dort feststellen, dass es nicht besser wird und unser Leben in Gefahr ist. Danach haben wir das Land verlassen. Ich bitte um internationalen Schutz.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

[…]

F: Warum hat die Hisbollah gerade Sie in Ihrem Haus gesucht?

A: Weil wir waren es die Sie daran gehindert haben wie z.b. meine Cousins zu rekrutieren bzw einer Gehirnwäsche zu unterziehen.

F: Was glauben Sie, wer die erschossenen Personen der Hisbollah getötet hat?

A: Ich weiß es nicht.

F: Was wissen Sie über die Zukunftsströmung?

A: Es ist eine politische Partei. Es geht darum den Staat von jeglichen bewaffneten Gruppierungen beschützen möchten.

F: Wie bewerkstelligen Sie dies?

A: Es gelingt Ihnen nicht denn sogar der Gründer unsrer Strömung wurde umgebracht.

F: Können Sie schildern wie und wie oft Sie bedroht wurden?

A: AW versucht ständig auszuweichen, es wird vom Dolmetscher erklärt er solle auf klare Fragen klare Antworten geben.

Ich wurde vier Mal bedroht, drei Mal wo ich im Norden im Libanon war, einmal wo ich mich in Beirut befunden habe und ein fünftes Mal wo ich mich bei den Nachbarn versteckt habe. Sie kamen mit Waffen, Sie waren schwer bewaffnet.

F: Bitte machen genau Angaben wie die Bedrohung ausgesehen hat, nur zu behaupten Sie wurden von Bewaffneten bedroht ist zu wenig.

A: Das Haus wurde gestürmt, Sie fragten nach meinem Namen, meine Frau bekam einen psychischen Zusammenbruch. Sie kamen schwer bewaffnet zu meiner Ehefrau und fragten wo ich bin.

F: Sonst noch etwas?

A: Passt.

F: Nochmal wie genau wurden SIE bedroht, wie viele waren es und was genau wollte Sie?

A: Ich wurde mittels einer Textnachricht am Handy bedroht, Sie sagten mir, dass das geflossene Blut der Märtyrer nicht umsonst sein wird. Sie stürmten mein Haus 5 Mal. Ich verließ mein Land obwohl ich 6 Kinder hatte und obwohl meine Ehefrau damals schwanger war, meinen neugeborenen Sohn kenne ich nicht einmal.

F: Hatten Sie persönlich jemals direkten Kontakt zur Hisbollah.

A: Nein.

F: Warum war es Ihnen nicht möglich im Norden des Libanons zu bleiben?

A: Weil es eine verlassene unbewohnte Gegend war, es gab dort keine Schule für die Kinder. Ich hatte dort auch kein Haus.

[…]

F: Haben Sie die Handynachrichten über Ihre Bedrohung aufgehoben?

A: Nein.

F: Woher hatte die Hisbollah Ihre Telefonnummer?

A: Sie haben Leute die mit Ihnen arbeiten.

F: Waren Sie nach Ihrer Ausreise noch einmal im Libanon?

A: Nein.

F: Wenn die Bedrohung bereits im November 2014 begonnen hat, warum haben Sie erst ein Jahr später Ihr Land verlassen?

A: Ich konnte damals nicht einfach meine Frau und Kinder zurück lassen, aber als die Lage schlechter wurde wusste ich, ich muss das Land verlassen.

F: Was befürchten Sie im Fall Ihrer Rückkehr nach Libanon?

A: Sie würden mich umbringen und ich würde meine Kinder nie wieder sehen, es wäre mein Ende.

F: Warum ist es Ihnen nicht möglich in einem anderen Teil Libanons zu leben?

A: Die Hisbollah hat im Libanon alles unter ihrer Kontrolle.

[…]“

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon nicht zuerkannt.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Fluchtgeschichte sei in wesentlichen Teilen sehr detailarm und habe die bP bei den Erlebnissen überwiegend von „wir“ gesprochen. Sie habe nicht plausibel darlegen können, warum die Hisbollah gerade an der bP ein derart großes Interesse haben sollte. Die bP habe nie persönlich Kontakt mit der Hisbollah gehabt. Die behaupteten Bedrohungen per Telefonnachricht seien unbescheinigt geblieben. Selbst wenn man die Fluchtgeschichte glauben würde, habe die bP im Nordlibanon, wo sie demnach bereits mehrere Monate unbehelligt gelebt habe, eine innerstaatliche Fluchtalternative. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Relevante Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht gegeben sein und werde daher eine Rückkehrentscheidung verfügt.

Gegen den Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass

* die bP 7 Monate im Norden untertauchte

* keine Anzeige erstattet wurde, weil die Sicherheitskräfte nichts unternehmen

* keine Ausweichmöglichkeiten besteht (IFA)

* die bP detaillierte und konkrete Angaben machte

* die Macht der Hisbollah, wird durch Artikel LE MONDE bestätigt, Artikel libanesischer Balanceakt am Abgrund; die bP wird in beiden Artikeln nicht namentlich genannt und ist ihnen auch kein Bezug zu dem Fluchtvorbringen zu entnehmen

* das Verfahren mangelhaft war

Am 10.08.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP und einer Vertreterin des Bundesamtes eine Verhandlung durch. Auf Grund des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges wurde die Verhandlung gem § 39 Abs 2 AVG gemeinsam mit dem Verfahren des zugleich mit ihr eingereisten und antragstellenden Bruders XXXX (L504 2153318-1) durchgeführt.

In der Verhandlung gab die bP zur Frage, welche Probleme sie aus aktueller Sicht im Falle einer Rückkehr erwarten würde ausschließlich sicherheitsrelevante Umstände vor. Auszug aus der Verhandlungsschrift:

„[…]

Sind Sie über die aktuelle Lage in Ihrem Herkunftsstaat informiert? Wenn ja, woher beziehen Sie ihre Informationen?

Durch Nachrichten, durch News und durch Youtube.

RV legt vor: Bericht „Libanon als Land am Abgrund“. Wird zum Akt genommen.

Seit Ihrer Ausreise aus Ihrem Heimatland ist nun schon einige Zeit vergangen. Würden Sie aus heutiger Sicht bei einer Rückkehr an Ihren früheren Wohnort noch Probleme erwarten? Wenn ja, geben Sie bitte konkret und vollständig alle Probleme an, die Sie persönlich für sich bei einer Rückkehr erwarten würden.

Mich suchen die Milizen. Das ist mein Ende, wenn ich zurückkehren würde in den Libanon. Ich würde nie wieder meine Kinder sehen. Das wäre mein Todesurteil. Bis heute habe ich mein jüngstes Kind noch nicht gesehen. Ich habe auch Angst um meine Frau. Wenn einer erfährt, dass sie eine Genehmigung hat, dass sie nach Israel reisen darf. Wenn dies jemand mitbekommt. Wenn einer der Milizen, oder einer der die jugendlichen in unserem Ort dies erfährt, bekomme ich die Probleme. Ich bin ihr Mann. Bei uns ist der Mann wie der Vormund.

Haben Sie damit alle Probleme genannt, die sie aktuell im Falle einer Rückkehr persönlich erwarten?

Ja, bei mir ist der Hauptgrund diese Miliz. Die ist noch immer in unserem Land. Vor einem Monat sind sie in unserem Ort einmarschiert. Wenn sie schauen, überall im Internet, im Ort XXXX sind immer Probleme. Wir haben immer Probleme. Es ist gefüllt mit Milizenbüros, lauter bewaffnete Personen gehen ganz normal auf der Straße. Es ist schon Alltag geworden.

[…]

Ergänzende Feststellungen zum Libanon (Quellen werden dem Vertreter in der Verhandlung ausgefolgt):

Ergänzende amtswegige Recherchen (durchgeführt am 04. u. 05.08.2020) über Google, Google News, ecoi.net (mit Suchbegriffen XXXX , Al-Mustaqbal, future movement) haben ergeben, dass es de facto keine Berichte gibt, die darauf hinweisen würden, dass aktuell sowie das letzte Jahr zurückblickend in XXXX bzw. im Libanon Mitglieder bzw. Sympathisanten der Al-Mustaqbal (Zukunftsströmung) deswegen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer für dieses Verfahren entscheidungsrelevanten Verfolgung oder Gefährdung unterliegen würden.

Die Recherchen haben auch nicht ergeben, dass es in XXXX aktuell und das letzte Jahr zurückblickend besondere sicherheitsrelevante Vorfälle gegeben hätte, die auf eine entscheidungsrelevante Gefährdung der dortigen Bevölkerung hinweisen würde.

Ich verstehe konkret nicht die Frage. Ich weiß, es herrschen immer Probleme im Ort XXXX . Es gibt dort Büros und Kasernen. XXXX ist ein Kasernenort, wo sich die meisten Kasernen befinden und die Büros. Ich habe auch von Google Berichte. Alles was die Hisbollah hat, befindet sich in XXXX . Sie haben einen eigenen Sicherheitsdienst, Jack Point, Büros Kasernen. Ihre Mitglieder und die, die für sie arbeiten. Es gibt immer Probleme. Aber nicht alles dürfen die Journalisten berichten.

[…]“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens durch das BVwG Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Identität und Herkunftsstaat

Name und Geburtsdatum stehen nicht fest.

Die bP bezeichnet sich der Volksgruppe der Araber und dem muslimisch sunnitischen Glauben zugehörig.

Ihre Staatsangehörigkeit und der hier der Prüfung zugrundeliegende Herkunftsstaat ist der Libanon.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise

Die bP ist im Libanon geboren und absolvierte in Beirut über 12 Jahre die Grundschule und von 2007/2008 bis 2011 die Universität in Beirut.

Ihren Lebensmittelpunkt hatte sie vor der Ausreise in XXXX .

Die bP war erwerbstätig und verfügte über Unterkunft. Nach ihren Angaben in der Erstbefragung war sie zuletzt als Drucker in einer Druckerei beschäftigt, lt. späteren Angaben in der Einvernahme beim Bundesamt hat sie zuletzt in einem Einkaufszentraum gearbeitet und war für die Mitarbeiter zuständig.

Sie wohnte insbesondere das letzte halbe Jahr vor der Ausreise in XXXX , dies ist südlich von Beirut.

1.3. Familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat

Die bP ist verheiratet und leben im Libanon die Ehegattin sowie ihre 6 gemeinsamen Kinder in der Eigentumswohnung (ca. 160 m2) der Mutter der bP in XXXX gemeinsam mit dieser. Die Ehegattin wird finanziell von der Mutter und Bekannten unterstützt.

Brüder:

XXXX lebt in XXXX in der Wohnung der Mutter. Er arbeitet im Geschäft in dem die bP tätig war als Verkäufer.

XXXX lebt in XXXX in einem anderen Bezirk in einem Miethaus. Er ist als Taxifahrer tätig.

XXXX ist minderjährig und lebt in XXXX bei der Mutter und besucht die Schule.

XXXX lebt in XXXX bei der Mutter und ist arbeitslos.

XXXX lebt bei der Mutter und ist Student. Zudem arbeitet er am Flughafen.

Schwester XXXX ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann in einem anderen Ort.

Das persönliche Verhältnis zu ihren Familienangehörigen ist sehr gut und ist die bP mit ihnen laufend in Kontakt.

Die bP gehört im Herkunftsstaat dem Stamm der XXXX an. In XXXX leben davon aktuell ca. 200 Personen. Die Stammesmitglieder sind so wie die anderen Clans die dort leben alle Sunniten.

Die bP hat weder beim Bundesamt noch in der Beschwerde oder in der Verhandlung angegeben, dass bei der Rückkehr in den Herkunftsstaat kein für sie zugängliches Netzwerk mehr bestünde.

1.4. Ausreisemodalitäten

Die bP kaufte in Beirut in einem Reisebüro ein Flugticket in die Türkei und flog am 16.10.2015 unter Verwendung ihres Reisepasses und Unterziehung der Ausreisekontrolle unbehelligt von Beirut nach Istanbul. Nach dortigem zwölftägigem Aufenthalt reiste sie schlepperunterstützt über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien bis nach Österreich, wo sie erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Sie wollte in keinem der anderen Länder einen Antrag stellen. Dies deshalb, weil es ihrer Ansicht nach in Österreich sehr gut sein soll.

1.5. Gesundheitszustand

Die bP hat in der Verhandlung keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt. Es kam nicht hervor, dass sie einer Covid-19 Risikogruppe angehört.

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich

Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes

Die bP begab sich mit Unterstützung einer kriminellen Schlepperorganisation und ohne Vorhandensein eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet.

Mit der am 23.11.2015 erfolgten Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangten die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung verlängert wurde.

Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise als rechtswidrig und stellt grds. gem. § 120 Abs 1 u. Abs 7 FPG eine Verwaltungsübertretung dar.

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich:

Die bP hat in Österreich keine als Familienleben zu wertenden Umstände dargelegt oder nachgewiesen. Sie lebt von ihrem ebenfalls in Österreich asylwerbenden Bruder getrennt und ist dieser Bruder als Asylwerber ebenfalls von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bedroht bzw. wurde für diesen mit Erkenntnis vom heutigen Tag ebenfalls eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Grad der Integration

Die bP besucht einen A1 - Deutschkurs, hat jedoch keine zu einem Zertifikat führende Prüfung abgelegt. An ehrenamtlicher Tätigkeit wurde die Verteilung von Masken wegen der Covid 19 Pandemie behauptet jedoch nicht bescheinigt. In der Freizeit trifft sich die bP mit Freunden und spielt Fußball in einem ägyptischen Verein. Sie besucht Museen und schaut sich die Architektur von Wien an. Sie behauptet, dass sie nach Arbeitsmöglichkeiten sucht.

Teilweise oder gänzliche wirtschaftliche Selbsterhaltung während des Verfahrens bzw. Teilnahme an möglicher und erlaubter Erwerbstätigkeit für Asylwerber (https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern#wieknnenasylwerberinnenundasylwerberbeschftigtwerden) oder Abhängigkeit von staatlichen Leistungen:

Die bP ist seit Antragstellung wirtschaftlich von der staatlichen Grundversorgung abhängig. In der Verhandlung legte sie eine am 07.08.2020 in Wien von einem Autohaus ausgestellte Einstellungszusage vor, wonach die bP unter der Bedingung der Erlangung eines diese Beschäftigung ermöglichenden Aufenthaltstitels und Erhalt einer Arbeitserlaubnis zu einem Nettogehalt von ca. 1200 Euro, bei 38 Wochenstunden, eingestellt würde.

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Familienleben; die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren:

Die bP hat diese privaten Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war.

Bindungen zum Herkunftsstaat:

Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat – im Gegensatz zu Österreich – problemlos verständigen und hat von 1984 bis 2015 in diesem Staat ihr Leben verbracht. Sie kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens. Ihre Familienangehörigen leben überwiegend nach wie vor im Herkunftsstaat. Die bP informiert sich nach wie vor über die Lageentwicklung im Heimatland.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführenden Parteien als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen:

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.

Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:

Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 FPG).

Die beschwerdeführenden Partei verletzten – trotz diesbezüglicher Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre gesetzlich auferlegte Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren. Sie versuchte dadurch die entscheidenden Instanzen zur Erlangung von internationalem Schutz zu täuschen.

Verfahrensdauer:

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 23.11.2015 gestellt und erging der Bescheid vom Bundesamt am 23.02.2017. Nach eingebrachter Beschwerde erging mit heutigem Erkenntnis die Entscheidung im Beschwerdeverfahren.

1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der von der bP problematisierten Rückkehrsituation aus maßgeblicher aktueller Sicht

a)       Betreffend ihrer aktuellen persönlichen Sicherheit / Verfolgung im Herkunftsstaat:

Die bP behauptete in der Verhandlung, dass sie im Falle der Rückkehr, aus maßgeblicher aktueller Sicht, befürchtet, dass sie sie von der Hisbollah getötet würde (VHS S 9).

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP zum Zeitpunkt der Ausreise einer konkreten Verfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt war. Die von ihr behauptete damalige und aktuelle Verfolgung durch die Hisbollah ist nicht glaubhaft bzw. nicht wahrscheinlich.

Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die bP im Zusammenhang mit ihrer als nicht glaubhaft erachteten und als ausreisekausal dargestellten Bedrohungslage im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer entscheidungsrelevanten realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

Aus der derzeitigen Lage ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts bestünde. Nach wie vor leben ihre Familienangehörigen und auch Stammesmitglieder in ihrem Herkunftsort.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP wegen der für die Ehegattin erteilten Zustimmung, dass diese ihre Schwester in Israel besuchen darf im Falle der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung oder Repressalien seitens staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure ausgesetzt wäre.

Am 21.08.2017 beantragte die bP die Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr in den Libanon nach Beirut, hat diesen Antrag aber in weiterer Folge zurückgezogen.

b)       Betreffend der aktuellen, persönlichen Versorgungssituation mit Lebensnotwendigem (insb. Lebensmittel, Unterkunft) im Herkunftsstaat:

Die bP hat hinsichtlich ihrer persönlichen Versorgungssituation im Falle der Rückkehr zuletzt in der Verhandlung persönlich keine Probleme vorgebracht (VHS S 9).

Auf die Frage in der Verhandlung welche Probleme die bP aktuell noch erwarten würde, brachte sie nur sicherheitsrelevante Umstände vor.

Es kann mangels Vorbringen der bP in der Verhandlung daher nicht festgestellt werden, dass sie aktuell im Falle der Rückkehr in den Libanon in Bezug auf die Erlangung von Lebensnotwendigem, insbesondere hinsichtlich Nahrung, Unterkunft, allfälliger medizinischer Behandlung, nicht das Notwendige erlangen könnten.

Die bP war im Hinblick auf Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln auch vor der Ausreise schon in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern.

c)       Betreffend ihrer aktuellen Versorgungssituation im Hinblick der Erlangung medizinischer Versorgung im Herkunftsstaat:

Die bP hat in der Verhandlung keine behandlungsbedürftige Erkrankung vorgebracht. Die medizinische Versorgung ist im Herkunftsstaat im Wesentlichen gesichert.

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

?        Deutsches auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in

Libanon, 24.01.2020

?        Google Abfrage v. 05.08.2019 zu „Cocid 19-Libanon“

?        Wikipedia, XXXX

?        Wikipedia, al-Mustaqbal, https://en.m.wikipedia.org/wiki/Future_Movement

?        www.ecoi.net, Suchabfrage zu sicherheitsrelevanten Vorfällen am 04.08.2020 zu Suchwort XXXX

?        Internetrecherche durchgeführt am 04. u. 05.08.2020) über Google, Google News, ecoi.net (mit Suchbegriffen XXXX , Al-Mustaqbal, future movement)

Politik

Libanon ist eine parlamentarische Demokratie nach konfessionellem Proporzsystem. Das

politische System basiert auf der Verfassung von 1926, dem ungeschriebenen Nationalpakt

von 1943 und dem im Gefolge der Taif-Verhandlungen am 30. September 1989 verabschiedeten

„Dokument der Nationalen Versöhnung“. Bei der im Abkommen von Taif vorgesehenen

allmählichen Entkonfessionalisierung des politischen Systems gibt es bisher keine Fortschritte.

Der Präsident (stets ein maronitischer Christ) wird für eine Amtszeit von sechs Jahren vom

Parlament gewählt. Nach über zweijähriger Vakanz wurde Michel Aoun am 30.10.2016 zum

Präsidenten gewählt.

Der Bürgerkrieg (1975 bis 1991) ruinierte das Land vollständig. In den nachfolgenden Jahren wurde unter Premierminister Rafik Hariri (Vater des derzeit geschäftsführend amtierenden PM Saad Hariri), der 2005 einem Attentat zum Opfer fiel, der Wiederaufbau des Landes vorangetrieben.

Nach dem bewaffneten Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah im Sommer 2006 geriet der Libanon in eine lang anhaltende innenpolitische Krise, die im Frühjahr und Sommer 2008 nach fast zwei Jahren in bewaffneten Auseinandersetzungen gipfelte. Im Rahmen einer Verhandlungslösung (Kompromiss von Doha) fand sie ihren Abschluss in der erfolgreichen Durchführung der Parlamentswahlen 2009 und der Ernennung des Präsidenten Michel Sleiman.

Auch wenn die verschiedenen innerstaatlichen Konflikte institutionell gelöst scheinen, bestehen die Ursachen weiter. Die destabilisierenden regionalen politischen und konfessionellen Spannungen haben infolge der Krise in Syrien seit Anfang 2011 deutlich zugenommen. So ist die Hisbollah erklärtes Ziel sunnitischer Extremisten, die sich mit Selbstmordanschlägen gegen schiitische Wohn- und Einflussgebiete für den Kampf der Schiiten-Miliz an der Seite von Baschar al-Assad in Syrien rächen wollen. Die größte christliche Partei des Landes (Free Patriotic Movement) ist demgegenüber politisch mit der Hisbollah verbündet und betrachtet diese als Stabilisierungsfaktor für Libanon und seine religiösen Minderheiten.

Die politische und militärische Rolle von Hisbollah bleibt damit struktureller Streitpunkt

für Libanon. Ihr politischer Arm hat dreizehn Vertreter im Parlament und 3 Minister (von

denen der Gesundheitsminister Jabak formal kein Hisbollah-Mitglied ist) im Kabinett. Ihr

„militärischer Arm“ ist von der EU seit 2013 als terroristische Vereinigung gelistet. Die Hisbollah bildet zumindest in ihren Hochburgen (Teile der Bekaa-Ebene, südliche Beiruter Vororte, Teilgebiete des Südens) weiterhin eine Art Staat im Staate und übernimmt dort neben sozialen und politischen Aufgaben faktisch auch die Funktion einer Sicherheitsbehörde. Parallel bestehen kleinere bewaffnete Milizen der AMAL-Partei des Parlamentspräsidenten Nabih Berri, drusische Bürgerwehren sowie christliche Milizen (etwa der Partei „Lebanese Forces“ sowie in Nähe zur Kataeb-Partei oder zur griechisch-orthodoxen Kirche), die sich im Spätsommer 2015 auch an Kampfhandlungen gegen aus Syrien einsickernde sunnitische Extremisten beteiligt haben.

Die Verfassungsinstitutionen, insbesondere Parlament, Regierung und Justizwesen, funktionieren im Prinzip nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, sind aber in ihrer tatsächlichen Arbeit politischen Einflussnahmen ausgesetzt. Die Gewaltenteilung ist in der Verfassung festgeschrieben, wird in der Praxis aber nur eingeschränkt respektiert; insbesondere in politisch brisanten Ermittlungsverfahren kommt es zu Versuchen der Einflussnahme auf die Justiz, z. B. bei der Ernennung von Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern oder zum Schutz politischer Parteigänger vor Strafverfolgung.

Neben den in mehrere Instanzen gegliederten und strukturell dem französischen Justizwesen angeglichenen Zivilgerichten existieren in Libanon konfessionelle Gerichtsbarkeiten, in deren Zuständigkeit die familienrechtlichen, bei den islamischen Religionsgemeinschaften auch die erbrechtlichen Verfahren, fallen.

Die Einhaltung der in der Verfassung garantierten richterlichen Unabhängigkeit ist in der

praktischen Durchführung durch verbreitete Korruption, chronischen Richtermangel und zum Teil auch politische Einflussnahme eingeschränkt.

Sicherheitslage

Die allgemeine Sicherheitslage ist insbesondere durch die derzeitigen Massenproteste und

Verkehrsblockaden unübersichtlicher geworden, stellt aber zunächst keine allgemeine Bedrohungslage dar. Im Grenzgebiet zu Israel kam es Ende 2018 (Aufdeckung von Tunnelanlagen durch die israelische Armee und kurzfristiger gegenseitiger Artilleriebeschuss im September 2019) zu erhöhten Spannungen, welche aber keine allgemeine Bedrohung der dortigen Bevölkerung darstellten. Anfang September beschoss die Hisbollah israelische Militärstellungen und -fahrzeuge nahe der Ortschaft Avivim an der israelisch-libanesischen Grenze mit mehreren Panzerabwehrlenkraketen. Israel hat seinerseits mit Artilleriebeschuss auf Ziele im südlichen Libanon reagiert. Nach wenigen Stunden wurden die Gefechte beidseitig wieder eingestellt.

Die Angriffe der Hisbollah erfolgten nach eigenen Angaben als Vergeltungsaktion auf

einen israelischen Angriff in Syrien am 24.8., bei dem zwei Hisbollah-Kämpfer getötet wurden, sowie einen Drohnenangriff in Süd-Beirut am 25.8., bei dem mutmaßlich eine Maschine zur Herstellung von Kurzstreckenraketen zerstört wurde.

Es kommt immer wieder zu teils schweren Auseinandersetzungen in den Palästinenser-Camps bzw. Ansiedelungen, z.T. mit Todesopfern. Zuletzt kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Palästinenserfraktionen in den Lagern Ain El-Hilweh sowie Mieh-Mieh. Terroristische Gruppen stehen unter hohem Verfolgungsdruck der Sicherheitskräfte. Dennoch muss weiter mit Attentaten gerechnet werden.

XXXX (auch XXXX oder XXXX )

XXXX ( arabisch : ???? ) ist eine Küstenstadt, die 12 Kilometer südlich von Beirut im Libanon liegt . Es ist im Sommer als Touristenziel bekannt, insbesondere für seine verschiedenen Strandresorts.

Der südliche Teil des internationalen Flughafens von Beirut befindet sich neben einer libanesischen Luftwaffenbasis in XXXX . Auch die Autobahn zwischen Beirut und dem Südlibanon führt durch XXXX . Der Stadt selbst fehlt jede Form der Stadtplanung, und in den letzten Jahren wurden die meisten Grünflächen durch Gewerbe- und Mehrfamilienhäuser ersetzt. Einige Gemüse- und Zitrusbäume wachsen immer noch in kleineren und verstreuten Gebieten. In der Industrie gibt es in diesem Bereich Aluminium- und Glasfabriken.

Neben Handel und Industrie beherbergt XXXX auch Bildungseinrichtungen wie eine Universität und zwei Schulen.

Bei einer am 04.08.2020 durchgeführten Recherche auf www.ecoi.net wurde als letzter sicherheitsrelevanter Vorfall in XXXX über ein Todesopfer bei einer Demonstration am 12.11.2019 berichtet.

Am 27.08.2020 wurde über die Suchmaschine Google auf http://www.naharnet.com/stories/en/274456-casualties-in-armed-clash-over-ashoura-banners-in- XXXX von einem jüngsten bewaffneten Zusammenstoß in XXXX berichtet. Am Donnerstagabend kam es in XXXX zu einem bewaffneten Zusammenstoß über Ashoura-Transparenten, bei dem zwei Menschen starben und drei weitere verletzt wurden. Medienberichten zufolge waren Anhänger der Hisbollah und Mitglieder der arabischen Stämme der Region, die den sunnitischen Geistlichen Sheikh Omar Ghosn unterstützen. Der libanesische Demokratische Parteivorsitzende Talal Arslan, der einen starken Einfluss in der Region hat, kontaktierte inzwischen alle politischen Parteien, um "einen Waffenstillstand zu erreichen und den Einsatz der Armee zu sichern", sagte die Partei. Medienberichten zufolge war der Zusammenstoß mit einem ähnlichen Streit verbunden, der vor etwa einer Woche ausgebrochen war. Die Armee gab später bekannt, dass der Zusammenstoß eingedämmt worden war und dass sie Patrouillen veranstaltete. In XXXX wurden vier Personen festgenommen, darunter zwei Syrer, und der Rest der Beteiligten wird verfolgt, fügte die Armee in einer Erklärung hinzu.

Betätigungsmöglichkeiten von Menschenrechtsorganisationen

In Libanon sind zahlreiche lokale und internationale, im öffentlichen Leben deutlich wahrnehmbare Menschenrechtsorganisationen tätig. Sie können grundsätzlich frei arbeiten. Die Anwaltskammer Beirut veranstaltet regelmäßig öffentliche Seminare zum Schutz der Menschenrechte.

Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen arbeiten offiziell mit staatlichen Stellen bei der Aus- und Fortbildung von Sicherheitskräften und anderen Staatsbediensteten zusammen, deren Arbeit Auswirkungen auf die Menschenrechtslage haben kann. Vertreter internationaler Organisationen wie Amnesty International (AI) und Human Rights Watch

(HRW) können sich im Land frei bewegen. HRW unterhält ein Regionalbüro in Beirut und

publiziert – wie lokale NROs – regelmäßig kritische Berichte zur Menschenrechtslage im

Land. Dennoch: Versuche der Einschüchterung und Beeinflussung durch politische Institutionen oder nicht-staatliche Akteure kommen vor. Libanon hat nach mehrjährigen Vorarbeiten im Herbst 2016 den Aufbau einer nationalen Menschenrechtsinstitution beschlossen, die seit Mai 2018 mit 10 Mitgliedern besetzt ist.

Im Libanon ist eine Delegation des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK)

vertreten. Das IKRK befasst sich mit der Situation in den Gefängnissen. Im Februar 2007 hat

das IKRK ein Protokoll mit der Regierung unterzeichnet, welche ihm auch den Zugang zu den Gefängnissen der Armee und des Verteidigungsministeriums erlaubt.

Rolle und Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden und des Militärs

Die führenden Positionen in den Sicherheitsbehörden werden u. a. nach konfessionellem Proporz vergeben. Die Forces de Sécurité Intérieure (FSI) ist die allgemein zuständige Polizei des Staates und gleichzeitig Hilfsorgan der Justiz (z. B. zum Führen des Kriminalregisters), sie wird durch einen sunnitischen General geleitet und steht der (ebenfalls sunnitischen) geschäftsführenden Innenministerin nahe. Die demgegenüber schiitisch geprägte General Security hat neben Fragen der Ein- und Ausreisekontrollen auch eine nachrichtendienstliche Funktion inne. Ihr Leiter wird der AMAL-Partei von Parlamentspräsident Berri zugeordnet.

Ein Polizeigesetz im engeren Sinne gibt es nicht. Anders als die beiden anderen Sicherheitskräfte gilt die Armee als parteipolitisch und konfessionell weitgehend neutral (trotz eines stets christlichen Oberbefehlshabers und zahlreicher christlicher Generäle) und genießt grundsätzlich hohes Ansehen in allen Bevölkerungsteilen. Sie nimmt in Libanon auch Aufgaben der inneren Sicherheit wahr, z. B. an den weit verbreiteten Kontrollpunkten. Daneben gibt es noch mehrere vorwiegend nachrichtendienstlich tätige Sicherheitsbehörden (Amn ad-Daula – Staatssicherheit; Amn al-Dschaisch – militärische Sicherheit; Sicherheitsdienst der Quwat al- Amn ad-Dakhili – Polizeikräfte; Nachrichtendienstliche Abteilung der General Security). Alle genannten Institutionen und Dienste arbeiten seit Frühjahr 2014 zwar verstärkt miteinander, gleichwohl sind ihre Kompetenzen nicht randscharf voneinander abgegrenzt. Dass die Institutionen einer bestimmten Konfession und ihrem politischen Lager zuzuordnen sind, beeinflusst

teilweise spürbar die Zusammenarbeit untereinander.

Asylrelevante Tatsachen

1. Staatliche Repressionen

Es gibt keine Anhaltspunkte für gezielte staatliche Repressionen gegen bestimmte Personengruppen

aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität oder wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Palästinensische und syrische Flüchtlinge unterliegen allerdings handfesten rechtlichen und tatsächlichen Einschränkungen.

1.1. Politische Opposition

Politische Betätigung ist in den vom Staat anerkannten Parteien und Organisationen möglich. Neu gegründete Organisationen – das schließt auch NROs ein – müssen sich beim Innenministerium registrieren lassen. Politische Parteien müssen vom Kabinett genehmigt werden, ein Gesetz zu Parteien (und deren Finanzierung) im engeren Sinne existiert nicht. Das 2016 novellierte Wahlgesetz beinhaltet nun zwar auch verhältniswahlrechtliche Elemente, hält aber am bestehenden religiösen Proporzsystem (je 50 % der Parlamentsmandate für Christen und Muslime; komplizierte, nicht kodifizierte Regeln für die Verteilung der Ministerposten) fest. Es sind aktuell keine Fälle politischer Inhaftierungen bekannt.

Al- Mustaqbal - Zukunftsbewegung

Zukunftsbewegung ( Arabisch : ???? ???????? , Tayyar Al-Mustaqbal ) (FM) ist libanesische politische Bewegung , angeführt von MP und ehemalige Premierminister Saad Hariri , der Sohn des ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten des Libanon , Rafik Hariri. Die Bewegung ist das größte Mitglied der Allianz vom 14. März , die bei den Parlamentswahlen 2018 die Mehrheit der Sitze verloren hat

Mitte Oktober 2019 forderte eine beliebte Protestbewegung mehr Rechenschaftspflicht und Transparenz in der Politik. Am 29. Oktober bot der Vorsitzende Hariri seinen Rücktritt als Konzession an und sagte: "Dies ist eine Reaktion auf den Willen und die Forderung von Tausenden von Libanesen, die Veränderungen fordern." [2] Ab Dezember 2019 muss Präsident Michel Aoun seinen Rücktritt jedoch noch akzeptieren, und es ist möglich, dass der Hariri seinen Rücktritt ein zweites Mal aussetzen wird. Sein angeblicher Rücktritt wurde jedoch von einem seiner Adjutanten als Stunt bestätigt. [3]

Die Partei wurde im August 2007 offiziell gegründet, jedoch erst am 5. April 2009 in einem Kongress im BIEL-Kongresszentrum in Beirut erklärt. Die Zukunftsbewegung ist wirtschaftlich liberal und offiziell säkular, obwohl sie hauptsächlich der sunnitisch-muslimischen Sekte angeschlossen ist. [4] Die Partei ist Vollmitglied der Liberalen Internationale . [5]

Die Zukunftsbewegung wurde 2010 gegründet und war Teil der Allianz vom 14. März , zu der unter vielen Gruppen die Christen gehören, die mit den libanesischen Streitkräften und den Kataeb- Parteien (den beiden wichtigsten Verbündeten von FM) verbunden sind. Der Hauptgegner der Zukunftsbewegung ist die Allianz vom 8. März. Die wichtigsten Teile sind die Freie Patriotische Bewegung (FPM) unter der Führung von General Michel Aoun sowie die schiitische Hisbollah- und Amal- Bewegung.

Die Zukunftsbewegung hat eine wichtige Medienpräsenz im Libanon und international. Zu den Medien, die die Ansichten der Bewegung zum Ausdruck bringen, gehören Future Television , Future News, Radio Orient und die Tageszeitung Al Mustaqbal .

Meinungs- und Pressefreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

In der von „Reporter ohne Grenzen“ geführten Rangliste zur Pressefreiheit fiel Libanon im

Jahr 2019 um einen Platz auf den 101. (von 180 Ländern) zurück (regionaler Vergleich Jordanien:

130, Vereinigte Arabische Emirate: 133, Irak: 156, Türkei: 157). Grund für diese Einstufung

ist insbesondere die Tatsache, dass Journalisten wegen übler Nachrede und des Verbreitens falscher Informationen bestraft werden können, sowie die Arbeit des Bureau of Cybercrime, das bei privaten Beschwerden gegen Posts auf sozialen Netzwerken gegen Journalisten vorgehen kann. Es gibt immer wieder Berichte über kurzfristige Verhaftungen oder Verhöre von Online-Aktivisten, denen Verstöße wie Beleidigung des Staatsoberhaupts, Verleumdung öffentlicher Behörden oder Provokation konfessioneller und rassistischer Auseinandersetzungen vorgeworfen wurden.

Die Einfuhr von ausländischen Kulturerzeugnissen (Filme/Bücher) unterliegt einer Vorzensur durch die General Security, welche gelegentlich „polemische“, pornografische oder „den religiösen Frieden gefährdende“ Werke untersagt (2017 etwa den US-Actionfilm „Wonder Woman“, dessen Hauptdarstellerin Gal Gadot Israelin ist). Aufgrund des florierenden Handels mit Raubkopien laufen Verbote von audiovisuellen Medien aber praktisch leer. Ausnahme bleiben im Rahmen des allgemeinen Wirtschaftsboykotts alle Kulturprodukte aus Israel (mit dem sich der Libanon formal seit 1948 im Krieg befindet).

Bei Neugründung von Vereinigungen – darunter fallen sowohl NROs als auch Parteien – ist

ein zweistufiges Anmeldeverfahren beim Innenministerium einzuhalten, welches 2008 vereinfacht wurde. Rechtlich erschwert bleibt die Gründung von Organisationen durch Ausländer; dies macht es palästinensischen und syrischen Flüchtlingen de facto unmöglich, unabhängig von libanesischen Partnern NROs zur Verfolgung ihrer Interessen zu gründen. In der Praxis treten libanesische Staatsangehörige für palästinensische und syrische Flüchtlinge als Gründer und Organe auf.

Die Demonstrationsfreiheit ist gewährleistet. Für Demonstrationen ist im Vorfeld eine Anmeldung durchzuführen. Gelegentlich werden Demonstrationen – insbesondere aus dem salafistischen Spektrum – aus Sicherheitsgründen untersagt. Die von der Verfassung garantierte Versammlungsfreiheit wird respektiert, wie Massendemonstrationen und Veranstaltungen der unterschiedlichen politischen Lager regelmäßig unter Beweis stellen. Gleichwohl kommt es dabei gelegentlich zu Polizeigewalt gegen Demonstranten (etwa in Form von Gummigeschossen und Tränengas).

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist von der Verfassung geschützt. Es gibt 18 staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften, davon sind 12 christlich. Christen wie Muslime üben ihre Religion

offen und ohne Einschränkung aus. Für Personenstandsrechte, Familien- und Erbrecht sind

die Religionsgemeinschaften und ihre jeweilige Rechtsprechung zuständig.

Der Proporz der 18 Gruppen stellt sich wie folgt dar: Zu den Muslimen zählen: Schiiten (27 -

30 %), Sunniten (25 – 30 %), Drusen (rund 5 %), Alawiten und Ismailiten. Zu den Christen

zählen: Maroniten (27 - 33%), Griechisch-Orthodoxe, Griechisch-Katholiken, Armenisch-

Orthodoxe, Armenisch-Katholiken, Römisch-Katholiken, Protestanten, Syrisch-Orthodoxe,

Assyrisch-Chaldäer, Syrisch-Katholiken, Chaldäer und Kopten. Zudem gibt es eine kleine

Anzahl an Juden, die sich aber nicht öffentlich zu erkennen geben. Da es seit 1932 keinen

Zensus mehr gab, stellen die Angaben lediglich Schätzungen dar.

Interreligiöser Dialog hat in Libanon einen festen Platz und findet teilweise in institutionalisierter Form auf hoher Ebene statt. Wiederholt haben die drei höchsten religiösen Repräsentanten gemeinsame Erklärungen zu politischen Themen abgegeben. Der VNSonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Prof. Heiner Bielefeldt,

betonte im Anschluss an seinen Besuch in Libanon im April 2015, dass der Religionspluralismus

in Libanon und das friedliche Zusammenleben über konfessionelle Grenzen hinweg

Vorbildcharakter für die Region habe. Zur Religionsfreiheit gehört auch die Freiheit, zu

einer anderen Konfession überzutreten (Gesetz von 1951). In der Praxis kommt dies in Ausnahmefällen vor (Eheschließung, Erbrecht). Konvertiten können nur eingeschränkt mit Verständnis ihres familiären oder gesellschaftlichen Umfelds rechnen und werden je nach familiärem Umfeld auch physisch bedroht. Staatlichen Repressionen sind Konvertiten nicht ausgesetzt.

Die Ehe kann nur durch anerkannte Religionsgemeinschaften und in religiöser Form geschlossen werden. Konfessionelle Mischehen waren nur in wenigen Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, die letztlich darauf abzielen, dass ein Ehegatte zum Glauben des anderen konvertiert. Die vor einer anerkannten religiösen Instanz geschlossenen Ehen müssen anschließend in das libanesische Personenstandsregister eingetragen werden, damit die Eheurkunde rechtliche Beweiskraft erlangen kann. Eine zivile Eheschließung in Libanon ist weiterhin nicht möglich. Zivile Eheschließungen im Ausland (in der Regel auf Zypern), auch zwischen Partnern unterschiedlicher Konfessionen, werden vom libanesischen Staat aber anerkannt; auch sie müssen nachträglich registriert werden.

Es gibt keine Anhaltspunkte für staatliche Repressionen gegen Angehörige anderer als der

18 anerkannten Konfessionen (z. B. Buddhisten, Hindus, Sikhs, Bahai, Mormonen, evangelikale Freikirchen). Berufswahl, Karrierechancen und die Möglichkeit zur Ausübung öffentlicher Ämter sind angesichts des libanesischen Proporzsystems für Angehörige staatlich nicht anerkannter Religionsgemeinschaften und bekennende Atheisten jedoch eingeschränkt.

Geschlechtsspezifische Verfolgung

Die Lebenssituation der Frauen ist insgesamt besser als in den meisten Staaten der Region. Allerdings sind Frauen im politischen und gesellschaftlichen Leben deutlich unterrepräsentiert.

Seit 1953 haben Frauen das aktive und passive Wahlrecht, konnten jedoch erst 2004 Ministerinnen im Kabinett stellen. Libanon verfügt seit 2016 über die Position eines Staatsministers für Frauenfragen, seit 2019 wird dieser Posten von einer der vier Frauen im – mittlerweile geschäftsführenden – Kabinett Hariri besetzt. Unter den 2018 neugewählten 128 Abgeordneten befinden sich nur 6 Frauen. Damit liegt das Land unter dem Durchschnitt der arabischen Staaten. Innerhalb der Familien und der Gesellschaft herrscht weiterhin ein patriarchalisches System, was den Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschwert.

Libanon hat 1997 das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung

der Frau (CEDAW) ratifiziert, jedoch bezüglich zahlreicher Bestimmungen Vorbehalte eingelegt. Das dazugehörige Fakultativprotokoll zur Möglichkeit der Individualbeschwerde wurde bisher nicht unterzeichnet.

Die rechtliche Stellung der Frau wird stark durch die konfessionell unterschiedlichen Personenstandsgesetze beeinflusst, die teilweise zur Diskriminierung von Frauen führen: Islamisches Ehe- und Erbrecht, aber auch christlich-maronitisches Aufenthaltsbestimmungsrecht. Frauen werden in Staatsangehörigkeitsfragen oder Passangelegenheiten stark benachteiligt:

Kinder erwerben durch Geburt die Staatsangehörigkeit vom Vater, nicht aber von der Mutter. Verheiratete Frauen benötigen für die Ausstellung eines Reisepasses die Zustimmung des Ehemannes.

Gemäß Art. 487 bis 489 des Strafgesetzes erhalten Frauen bei Verurteilung wegen Ehebruchs höhere Strafen als Männer. Gewalt gegen Frauen (und Kinder) ist ein verbreitetes soziales Problem, das öffentlich prominent diskutiert wird. Seit 2014 ist ein Gesetz in Kraft, das häusliche Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellt. Allerdings ist nicht eindeutig definiert, unter welchen Umständen eine Vergewaltigung in der Ehe strafbar ist; außerdem ist das Strafmaß deutlich niedriger als bei Vergewaltigung außerhalb der Ehe. 2017 wurde auch durch die Aufhebung des Paragraphs 522 des Strafgesetzbuches die Straffreiheit abgeschafft, für den Fall dass der Vergewaltiger das Opfer nach der Tat heiratete. Die Gerichte sprechen jedoch weiterhin Straffreiheit für Vergewaltiger zu, denen das minderjährige Opfer (15-18 Jahre) bereits vor der Tat von den Eltern versprochen war.

Libanon ist ein Zielland des internationalen Frauenhandels, vornehmlich aus Osteuropa,

Russland und Syrien. Die Regierung arbeitet inzwischen mit NROs zusammen, um diesen die Betreuung von Opfern des Frauenhandels zu ermöglichen.

Repressionen Dritter

Mordfälle mit mutmaßlich politischem Hintergrund

Ungeklärt sind die Hintergründe mehrerer Tötungen und Tötungsversuche in der Zeit zwischen Oktober 2004 und Dezember 2007 sowie zwei gezielte Anschläge im Oktober und im Dezember 2013 gegen Einzelpersonen. Politische Kräfte, die dem syrischen Regime kritisch gegenüberstehen, und Teile der Öffentlichkeit machen für diese und andere Anschläge die syrische Regierung bzw. mit Syrien verbündete Kräfte verantwortlich.

Seit dem 1. März 2009 ist für einige dieser Fälle nicht mehr die libanesische Justiz, sondern

der Sondergerichtshof für den Libanon (Special Tribunal for Lebanon, STL) mit Sitz in

Den Haag zuständig. Das betrifft jene Fälle, die im Zusammenhang mit der Ermordung des

früheren Premierminister Rafik Hariri im Jahr 2005 stehen. Die mündliche Verhandlung hat

Anfang 2014 begonnen. Im Verfahren gegen die vier Angeklagten Ayyash, Merhi, Oneissi

und Sabra hat das Gericht die Anhörung der Parteien und der Vertretung von 72 Opfern am

21.09.2018 beendet und sich zur Urteilsfindung zurückgezogen. Der STL greift bei seinen

Ermittlungen weitgehend auf die Ergebnisse der internationalen Untersuchungskommission im Hariri-Mordfall UNIIIC (United Nations International Independent Investigation Commission, gegründet 2005, Mandat beendet am 28.02.2009) zurück. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen kam es ebenfalls zu Mordfällen (z. B. der Hauptermittler der ISF, Wissam Eid im Jahr 2008). Der Gerichtshof war und ist heftig umstritten, insbesondere Hisbollah stellt seine Legitimität immer wieder in Frage, duldet aber schweigend die jährlichen Beitragszahlungender libanesischen Regierung (der sie angehört) an den Gerichtshof.

Ausweichmöglichkeiten

Die staatlichen Institutionen haben in Teilen des Landes keinen uneingeschränkten Zugriff. Er fehlt umfassend in einigen der palästinensischen Flüchtlingslager.

Auch in anderen Landesteilen schränkt die Existenz nichtstaatlicher Akteure die Zugriffsmöglichkeiten der Staatsorgane ein. Dies gilt insbesondere für die südlichen Vororte Beiruts und die schiitischen Siedlungsgebiete in der Bekaa-Ebene und im Süden des Landes, in denen die Hisbollah präsent ist und Druck auf staatliche Institutionen ausübt. Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure kann in der Regel durch Verlegung des Wohnorts außerhalb des Einflussbereichs dieser Akteure umgangen werden. Beispielsweise ist der Einfluss der Hisbollah im christlichen Kerngebiet des Mont Liban oder im sunnitischen Tripoli sehr gering.

Rückkehrfragen

1. Situation für Rückkehrer

1.1. Grundversorgung

Trotz des relativ hohen Pro-Kopf-Einkommens leben ca. 28 % der libanesischen Bevölkerung an oder unter der Armutsg

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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