TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/6 L526 2180003-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2020
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Entscheidungsdatum

06.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L526 2180003-1/22E
L526 2234817-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX, geb. XXXX und XXXX, geb. XXXX, beide StA. ARMENIEN, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.11.2017, Zl. XXXX und vom 01.08.2020, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.09.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge kurz „BF“ oder gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „BF1“ bis „BF2“ bezeichnet) sind Staatsangehörige der Republik Armenien. BF 1 brachte nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 21.07.2015 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge kurz „bB“ genannt) einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Die weibliche BF1 ist die Mutter der in Österreich geborenen BF2. Für die in Österreich geborene BF2 wurde von BF1 als gesetzliche Vertreterin am 01.07.2020 unter Vorlage einer Geburtsurkunde, eines Auszuges aus dem Geburteneintag und eines Registerauszuges aus dem Zentralen Melderegister ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte BF1 im Wesentlichen Folgendes vor:

„Ich bin Lesbe und habe in XXXX auch eine Freundin gehabt. Im April dieses Jahres besuchten ich und meine Freundin ein Konzert unter freiem Himmel bei der Oper. Dort haben wir Bier getrunken und hatten dann keine Hemmungen mehr. Wir wurden von einer Gruppe Männern beobachtet. 3 Männer beschimpften uns und sie holten noch andere dazu. Wir sind dann von dort geflüchtet. Wir wurden von den Männern jedoch bis zu meinem Wohnhaus verfolgt. Einige Tage später wurde ich von 2 Männern vor meinem Haus brutal verprügelt und getreten. 2 Monate später versuchten 2 andere Männer mich zu entführen und in ein Fahrzeug zu zerren. Da ich mich wehrte, wurde ich mit Zigaretten verbrannt. Der zweite trat mich mit dem Fuß von hinten um mich ins Fahrzeug zu bringen. Es ist mir jedoch die Flucht gelungen. Zwischen dem ersten und dem zweiten Vorfall sperrten mich meine Eltern zu Hause ein, da sie erfahren haben dass ich Lesbe bin um mich von meiner Freundin zu trennen. Daher habe ich nach dem 2. Vorfall beschlossen, das Land zu verlassen, da ich beim ersten Vorfall mit dem Umbringen bedroht wurde. Auch sollte ich nicht zur Polizei gehen, weil andernfalls meine Familie und unser Haus angezündet werden. Weiters haben meine Eltern beschlossen mich mit einem Mann gegen meinen Willen zu verheiraten. Das ist mein Fluchtgrund.

I.3. Vor der belangten Behörde brachte BF1 am 27.06.2017 zum Fluchtgrund im Wesentlichen vor, dass sie wegen ihrer Homosexualität Probleme in Armenien gehabt hätte. So sei es zu mehreren Übergriffen auf sie gekommen. Im April 2015 sei sie nach einem Konzert beschimpft, wenige Tage später um den 01.05.2015 auch von unbekannten Männern geschlagen und im Juni 2015 geschlagen, getreten und mit Zigaretten von anderen unbekannten Männern verbrannt worden. Schließlich sei sie von einer Baufirma wegen ihrer sexuellen Neigung gekündigt worden. Sie sei auch im Jahr 2009, etwa für ein halbes Jahr, Mitglied im Club Gay Armenia gewesen. Zu diesem Club Unterlagen wurden auch Unterlagen vorgelegt. Auf die Frage, ob sie zwangsverheiratet werden hätte sollen, führte BF1 aus, dass dies nicht mehr wichtig sei und konnte sie auch über Nachfragen keinerlei konkrete Angaben über diesen Mann, dessen Namen sie nicht kannte, machen. Der Vater spreche nicht mehr mit ihr und gäbe es in Armenien keinen Schutz für homosexuelle Minderheiten. Erst nach Rückübersetzung führte BF1 an, dass sie auch im Juni 2015 mit einem Messer am Rücken verletzt worden sei.

Zudem führte BF1 an, dass sie unter psychischen Problemen leide. Auch sei ihr ein Eierstock entfernt worden, da sie an Endometriose leide. Sie befinde sich deshalb in Österreich in Behandlung.

Zur allgemeinen Situation von Lesben und Schwulen in Armenien wurden von BF1 zwei Internetauszüge und ein USB Stick mit Videos und Informationen vorgelegt, wobei sie verneinte, dass diese Unterlagen einen persönlichen Bezug zu ihr hätten. Ferner legte sie Fotos vor, auf denen Verletzungen einer nicht genau ersichtlichen Person zu sehen sind. Vorgelegt wurde zudem eine Bestätigung der Caritas über Beratungsgespräche und medizinische Unterlagen, mit welchem eine Anpassungsstörung mit länger depressiver Reaktion bescheinigt werden.

I.4. Am 25.08.2017 wurde BF1 über Auftrag der bB einer Begutachtung zur Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens unterzogen.

I.5. Am 01.09.2017 langte eine Stellungnahme zu den in der Einvernahme durch die bB ausgehändigten Länderberichten ein. Es wurde zudem ausgeführt, dass sie entgegen der Ausführungen der bB in der Einvernahme nicht auf eine Stellungnahme verzichtet hätte und wäre im Protokoll unrichtig festgehalten, dass das Länderinformationsblatt erörtert worden sei, vielmehr wäre es erst nach Einvernahme auf Wunsch der BF1 ausgehändigt worden. Ausgeführt wurde in der Stellungnahme, dass lesbische Frauen und homosexuelle Männer in Armenien gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt und dass sexuelle Handlungen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren in Armenien nach wie vor gesellschaftlich geächtet wären. Die armenischen Gesetze würden keine Vorschriften gegen die Diskriminierung von lesbischen Frauen und homosexuellen Männern in Armenien enthalten und wurde dazu aus Berichten aus den Jahren 2016 und 2017 zitiert. Die gesellschaftliche Diskriminierung würde lesbischen Frauen und homosexuellen Männern den Zugang zu Bildung, zur Erwerbstätigkeit, zur gesundheitlichen Versorgung und zu Wohnungen erschweren. Wikipedia würde in einem Bericht (abgerufen am 24.07.2015) ausführen, dass seit dem Jahr 2003 gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht mehr strafbar wären, es würde jedoch auch ausgeführt, dass Menschen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen in Armenien in allen Bereichen des Lebens benachteiligt wären. Es gäbe in Armenien keinen Schutz für diese soziale Gruppe und wäre BF1 im Wissen um diese Umstände nach ihren Verletzungen nicht zur Polizei gegangen. Aufgrund ihrer Traumatisierung, aber auch wegen der Sprachbarriere, habe sie bis dato keine Unterhaltungsstätten für LGBTI-Personen aufgesucht oder versucht, Beziehungen zu Frauen aufzubauen.

Im Rahmen der Stellungnahme wurde auf vorgelegte Befunde einer Psychologin und eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin hingewiesen.

Gleichzeitig wurde ein Zertifikat, ausgestellt am 08.08.2017, in Vorlage gebracht, welches Sprachkenntnisse in Deutsch Niveau A2 bescheinigt.

I.6. Am 07.09.2017 langte das Gutachten von Herrn Prim. Dr. Christoph XXXX ein. Im Gutachten vom 25.08.2017 ist festgehalten, dass BF1 unter einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion von längerer Dauer leide und von keiner dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit auszugehen sei. BF1 sei zudem zeitlich, örtlich und situativ derart orientiert, dass sie schlüssige und widerspruchsfreie Angaben tätigen könne und wären bei einer Überstellung keine spezifischen medizinischen Maßnahmen erforderlich. Im Falle einer Überstellung der Betroffenen nach Armenien wäre eine kurz- bis mittelfristige Verschlechterung des Krankheitsbildes möglich, da in diesem Falle der Wunsch in Österreich bleiben zu dürfen, nicht erfüllt werden würde. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht bestehe im Falle einer Überstellung aber nicht die reale Gefahr, dass die Antragstellerin aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geriete oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechterte.

I.7. Die bB übermittelte das Gutachten der BF 1 zur Stellungnahme und wurde in der am 26.09.2017 eingelangten Stellungnahme ausgeführt, dass das Gutachten mangelhaft wäre.

Die BF 1 führte aus, dass die Untersuchung kürzer als im Gutachten angeführt gedauert habe und der Sachverständige nicht für die Erstellung eines Gutachtens in diesem Fall qualifiziert sei. Auch würde das Ergebnis der Begutachtung von Vorbefunden abweichen und sei der Fakt der Diskriminierung wegen der Homosexualität zu Unrecht ausgeblendet worden. Sie führte aus, dass sie aufgrund der eigenen Einschätzung alle Kriterien für das Vorliegen einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung aufweise und sich in engmaschiger psychologischer Betreuung befände sowie, dass sie zur Bewältigung des Alltags Medikation benötigen würde. Es wurde die Einholung eines Zweitgutachtens durch einen Facharzt mit Fachkompetenz im Bereich Psychiatrie, insbesondere Trauma, psychotherapeutische Medizin und Neuropsychologie beantragt.

Vorgelegt wurde eine Terminbestätigung für eine Fachärztin der Psychiatrie und eine Stellungnahme von Frau Mag. XXXX . In diesem Schreiben wird davon ausgegangen, dass es sich bei BF1 um eine psychisch instabile Person handle. Wutanfälle ihrer Person würden ein Hindernis für die Betreuung durch einen Sozialbetreuer der Caritas darstellen. Es hätte deswegen in der Vergangenheit zwei Kriseninterventionen gegeben. BF1 wäre dennoch zufrieden mit der vom Facharzt verschriebenen Medikation, würden sich diese regelmäßig vom Hausarzt verordnen lassen und befände sich letztlich aus diesem Grunde nicht mehr in fachärztlicher Betreuung durch einen Psychiater.

I.8. Im Antrag auf internationalen Schutz für BF2 am 01.07.2020 wurde vorgebracht, dass diese sehr krank sei. Ansonsten wurden keine eigenen Fluchtgründe ins Treffen geführt und berief man sich auf den gemeinsamen Familienverband mit BF1.

I.9. Am 24.07.2020 wurde BF1 im Verfahren der BF2 einer Einvernahme unterzogen.

Im Zuge dessen gab sie an, keine Medikamente zu benötigen und zuletzt im Juli 2019 Psychopharmaka eingenommen zu haben. BF2 müsse Medikamente einnehmen, da sie keine Schilddrüse habe. BF2 habe keinen Vater, da sich BF1 künstlich befruchten habe lassen. Nachgefragt führte sie aus, dass das „gratis“ gewesen sei bzw. habe sie sich über das Internet ein Gerät gekauft, damit sie schwanger werden konnte. Für BF2 seien keine eigenen Fluchtgründe vorhanden. Es folgten Ausführungen zur Integration.

Die bB holte eine medizinische Befundinterpretation betreffend BF2 ein. Auf Basis dieser Befundinterpretation vom 30.07.2020 wurde die Hypothyreoseerkrakung der BF 2 später von der bB im Bescheid auch festgestellt.

I.10. Vorgelegt vor dem BFA wurde von den BF:

?        Geburtsurkunde

?        Kurzarztbrief vom 08.06.2017

?        Befund eines Radiologen vom 28.04.2017

?        Ärztlicher Befund vom 22.10.2015

?        Schreiben einer Internen Ambulanz vom 22.07.2015

?        Diplom betreffend BF1, ausgestellt am 16.06.2000

?        Sterbeurkunde der Mutter XXXX, ausgestellt am XXXX (Geburts- und Sterbedatum: XXXX bzw. XXXX )

?        Prüfungsanmeldung vom 20.04.2017

?        Erlagschein für Sprachkurs

?        Bestätigung der Caritas (Bestätigung Grundversorgung)

?        Zertifikat Deutsch Niveau A1

?        Teilnahmebescheinigung für einen Kurs „Deutsch A1 Modul A und Modul B“

?        Teilnahmebescheinigung „AW 3a – Stufe A2/1“

?        Bestätigung für einen Deutschkurs „A1/2“

?        Bestätigung für einen Deutschkurs „A2“

?        Zertifikat vom 08.08.2017 für „Deutsch Niveau A2“

?        Kursbestätigung vom 20.03.2016

?        USB-Stick (dieser erliegt jedoch nicht im Verfahrensakt)

?        Unterlagen zur Geburt der BF 2 und ZMR Auszug

I.11. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt. (Spruchpunkt IV.).

I.11.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der BF1 in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft, stellte fest, dass lesbische Frauen in Armenien keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung weder durch Behörde noch durch Privatpersonen unterliegen und führte in der Beweiswürdigung Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf BF1) :

-        betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes:

Zum Fluchtgrund befragt, führten Sie aus, Sie wären deswegen nach Österreich gekommen, da Sie lesbisch wären und deswegen in Armenien Verfolgung zu gewärtigen gehabt hätten. Sie führten zum Fluchtgrund aus, Sie wären lesbisch und hätten in XXXX auch eine Freundin gehabt, mit der Sie im April 2015 ein Konzert unter freiem Himmel bei der Oper in XXXX besucht hätten.

Sie hätten dort Bier getrunken, alle Hemmungen verloren und dabei von Männern beobachtet worden zu sein. Diese hätten Sie beschimpft, Sie wären davongelaufen und wären wenige Tage nach dem Open-Air-Konzert vor den Elternhaus von den Ihnen unbekannten Männern verprügelt und getreten worden.

Im Juni 2015 wären Sie wieder von den Ihnen unbekannten Männern bedroht worden, diese hätten versucht Sie in ein Auto zu zerren. Sie hätten sich zur Wehr gesetzt und die Männer hätten auf Ihrer Haut Zigaretten verbrannt. Sie hätten aber wiederum entkommen können. Ihre Eltern hätten davon erfahren, hätten erfahren, dass Sie sich zu Frauen hingezogen fühlen würden und hätten versucht Sie von Ihrer Freundin zu trennen. Dies hätte Sie sehr geschmerzt.

Sie hätten dann den Entschluss gefasst, Armenien zu verlassen, noch dazu da Ihre Eltern für Sie einen Ehemann hätten suchen wollen.

Das Open-Air-Konzert hätte XXXX .2015 stattgefunden. Im Juni 2015, unbekannt wäre es zur versuchten Entführung gekommen. Ihre Eltern hätten Ende April 2015 von Ihren sexuellen Neigungen erfahren.

In welchem Zeitraum Sie von Ihren Eltern dann eingesperrt worden wären, wüssten Sie nicht. Sie wären auch nicht eingesperrt worden, sondern wären aufgefordert worden zu heiraten und das Haus nicht zu verlassen. Eine Anzeige gegen die Übergriffe der Ihnen unbekannten Männer hätte es nicht gegeben, denn für Frauen, welche lesbisch sind, gäbe es in Armenien keinen Schutz.

Sie führten auch aus, dass Sie an einem Arbeitsplatz wegen Ihrer sexueller Neigungen gekündigt worden wären, sich aber nicht erklären könnten, wie der Arbeitgeber von Ihren sexuellen Neigungen erfahren hätte.

Sie hätten zudem jeden Kontakt zu Ihrer Freundin XXXX abgebrochen, denn Ihre Eltern wären gegen diese Freundschaft gewesen, zudem hätten Sie keine Telefonnummer von XXXX und außerdem hätte XXXX heiraten wollen.

Sie hätten neben XXXX, geboren XXXX noch weitere intime Freundinnen namens XXXX gehabt. Genauere persönliche Daten zu diesen Freundinnen wären Ihnen nicht erinnerlich und mit XXXX wären Sie zuletzt entweder vier oder fünf Jahre zusammen gewesen.

In Österreich hätten Sie sich seit dem Zeitpunkt Ihres Aufenthalts weder einer Gruppierung lesbischer Frauen oder einem Club oder sonstigen Vereinigung homosexueller Personen angeschlossen. Sie hätten in Österreich auch nie eine (intime) Freundin gehabt. Als Grund für diese Enthaltsamkeit führten Sie sprachliche Barrieren an.

Ihr Fluchtvorbringen ist aus mehreren Gründen nicht glaubhaft und nicht nachvollziehbar. So geben Sie an, das Gebot der Eltern sich von XXXX zu trennen hätte Sie sehr geschmerzt, andererseits pflegten Sie seither keinen Kontakt mehr mit XXXX, hätten keine Telefonnummer und würden ihren Aufenthaltsort nicht kennen, obwohl Sie seit mehr als zwei Jahren in Österreich leben und hier in Österreich diesbezüglich keine Einschränkungen bestehen. Sie geben auch an, dass Sie sich seit der Einreise nach Österreich, welche vor mehr als zwei Jahren stattgefunden hat, überhaupt nicht in der Homosexuellen oder Lesben-Szene bewegen, keine Clubs oder Bars für Homosexuelle oder Lesben aufgesucht hätten, sich von der Szene ferngehalten hätten und bislang auch keine Freundin hätten. Als Antwort auf die entsprechende Frage, Sie hätten derlei aufgrund von sprachlichen Problemen bisher unterlassen, ist nicht glaubhaft und nachvollziehbar. Sie haben es andererseits auch geschafft sich von Anbeginn des Aufenthalts in Österreich in ärztliche Behandlung – ja sogar in regelmäßige Psychotherapie zu begeben – sprachliche Barrieren haben Sie davon nicht abhalten können. Gleichzeitig wurde ein Zertifikat vom 08.08.2017 in Vorlage gebracht, welches Sprachkenntnisse in Deutsch Niveau A2 bescheinigt.

Dieses von Ihnen geschilderte Verhalten in Bezug auf Ihre Kontaktarmut in Bezug auf die Homosexuellen-Szene in Österreich gepaart mit der Tatsache, dass Sie in den zweieinhalb Jahren Ihres Aufenthalts in Österreich keine intime Freundin gefunden haben, ist ein Hinweis darauf, dass es sich bei Ihrer Angabe, Sie wären lesbisch, lediglich um eine Behauptung handelt, welche nicht den Tatsachen entspricht.

Wenn Sie Armenien tatsächlich deswegen verlassen haben, da Sie dort Ihre sexuellen Neigungen nicht offen hätten ausleben können, so ist es nicht nachvollziehbar, dass Sie sich nicht sofort und intensiv der hier offenen und freien Szene der Lesben und Schwulen anschließen und das in Armenien durch die Strenge der Eltern entstandene Vakuum sexueller Natur sofort ausfüllen.

Zudem liegen keine hinreichend deutlichen Hinweise dafür vor, dass die armenischen Sicherheitsbehörden bei schlichter Gewalt von Männern gegen Frauen (lesbisch oder nicht) nicht schutzfähig oder schutzwillig wären. Ihre Ausführungen eine Anzeige bei der Polizei nach den von Ihnen behaupteten Übergriffen durch Ihnen unbekannte Männer wäre Ihnen absurd erschienen, ist in diesem Lichte ebenso wenig nachvollziehbar.

Dass Sie als siebenunddreißig Jahre alte Frau sich von Ihren Eltern (Vater 1946 geboren und Mutter 1947 geboren) tatsächlich in irgendeiner Weise hätten einschränken lassen müssen oder sich verbieten hätten lassen müssen, das Haus zu verlassen, scheint in Anbetracht der Tatsache, dass Sie bis fast unmittelbar vor der Ausreise Ihrem Broterwerb als selbständige Textilhändlerin nachgingen und dass es sich bei Ihnen mit 37 Jahren um eine selbständige und von jeglicher elterlicher Unterstützung und Fürsorge unabhängige eigenständige Frau handelt, als nicht mit der Tatsachenwelt vereinbar. Sie hätten somit jederzeit die elterliche Unterkunft verlassen und sich eigenständig eine Wohnung suchen können. Dass Sie in irgendeiner Weise (emotional oder finanziell) dermaßen von den Eltern abhängig gewesen wären, lässt sich Ihren Ausführungen nicht entnehmen. Sie pflegen keinen Kontakt zum Vater und Ihre Mutter ließen Sie auf dem letzten Lebensweg unbegleitet. Mit übergroßer Angst vor der Rückkehr ist dieses Verhalten jedenfalls nicht erklärbar – eher mit stattgehabter vollkommener emotionaler Loslösung von den Eltern.

Sofern Sie in Ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Ländervorhalt ausführen, dass lesbische Frauen und homosexuelle Männer in Armenien gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt wären und dass sexuelle Handlungen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren in Armenien nach wie vor gesellschaftlich geächtet wären, so darf hier auf die konservative Gesellschaft Armeniens hingewiesen werden, wo offenen sexuelle Handlungen zwischen ungleichgeschlechtlichen Paaren in der Öffentlichkeit ebenso wenig gern gesehen werden, hingewiesen werden. Unzweifelhaft handelt es sich bei der armenischen Gesellschaft nach wir vor um eine patriarchalisch geprägte konservative Gesellschaft, aber dieser Umstand trifft alle in Armenien lebenden Männer und Frauen gleichzeitig.

Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind in Armenien nicht verboten und nicht vom Gesetz verfolgt. Dass die armenischen Gesetze keine Vorschriften gegen die Diskriminierung von lesbische Frauen und homosexuelle Männer in Armenien enthalten, mag zwar sein und es mag auch sein, dass lesbische Frauen in Armenien diskriminiert werden, dass dieser Umstand aber auf Sie persönlich zuträfe, war Ihren Ausführungen nicht zu entnehmen.

Sie haben Bildung, Sie haben die Grundschule und ein vierjähriges College abgeschlossen und Sie haben bis zuletzt am öffentlichen Leben teilgenommen, Ihren Lebensunterhalt selbst verdient und Freundschaften gepflegt.

Was den Ausschluss homosexuelle Männer von der Ableistung des Grundwehrdienstes in Armenien und die physisch und psychisch Misshandlung homosexuelle Männer beim armenischen Militär mit Ihrem Fluchtvorbringen zu tun hat, hat sich der ho. Behörde nicht eröffnet.

Auch was den mangelnden Zugang zu Bildung, zur Erwerbstätigkeit, zur gesundheitlichen Versorgung und zu Wohnungen betrifft, so ist hier kein Kontext zu Ihrem persönlichen Vorbringen herzustellen.

Ungeachtet der Tatsache, dass Ihrem Vorbringen kein Glauben geschenkt wird, zeigt die Realität, dass im Oktober 2015 in Armenien das „Rainbow-Forum“ stattgefunden hat und dass Pink Armenia regelmäßig Studien veröffentlicht und Fälle von Gewalt gegen lesbische Frauen und homosexuelle Männer dokumentiert. Die Realität zeigt, dass Szene der Homosexuellen und Lesben auch in Armenien an Dynamik gewinnt und sich die armenische wie auch die österreichische Gesellschaft wohl nach und nach an den Umstand gewöhnen wird müssen, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht länger ein Doppelleben zu führen gewillt sind. Der in Armenien tätige internationale Verein namens ILGA, setzt sich für die Rechte von Lesben und Schwulen in Armenien und weltweit ein – genauso wie in Armenien tätige NGOs sich für die Rechte von Lesben und Schwulen stark machen.

Die Tatsache, dass in Armenien offen über verschiedene Hindernisse, welche Lesben und Schwule in Armenien vorfinden, berichtet wird, zeigt, dass die Gesellschaft in Armenien sich in einem Aufbruch hin zu einer freier werdenden Gesellschaft mit höherer Toleranz gegenüber dieser Spielart der Natur bewegt.

Dass lesbische Frauen und homosexuelle Männer beim gemeinsamen Zusammensein vorzüglich eher auf private Clubs und Bars zurückgreifen müssten und der Aufenthalt in diesen Clubs und Bars eine Mitgliedschaft voraussetze, kann nicht wirklich als ernsthafte asylrelevante Diskriminierung von Lesben und Schwulen in Armenien gesehen werden.

Im Ergebnis ist jedoch festzustellen, dass Ihren Angaben zu den behaupteten Ausreisegründen sich als nicht glaubhaft und nicht mit der Tatsachenwelt vereinbar erwiesen und daher den weiteren Feststellungen und Erwägungen nicht zu Grunde gelegt werden können.

I.11.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.

I.11.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb Rückehrentscheidung und Abschiebung in Bezug auf Armenien zulässig sind.

I.12. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

I.12.1. Im Wesentlichen wurde zum Bescheid der BF1 vorgebracht, dass der Beweiswürdigung entgegengetreten werde und eine genaue Schilderung der Fluchtgründe mit Beschwerdeergänzung nachgereicht werde. Die bB hätte verkannt, dass BF1 aufgrund der Homosexualität einer relevanten Verfolgung in Armenien ausgesetzt ist.

In der Beschwerdeergänzung vom 08.01.2018 wird ausgeführt, dass die bB völlig zu Unrecht zur Annahme gelangt sei, dass BF1 nicht homosexuell ist. Es wurden konkrete Ausführungen zur letzten Beziehung der BF1 mit einer Frau in Armenien getätigt und angegeben, dass BF1 ihre Mutter in Armenien auf ihrem letzten Lebensweg auch nicht unbegleitet gelassen hätte, sondern in telefonischem Kontakt gestanden sei.

Auch habe sie vor dem Hintergrund der psychischen Probleme und dem Aufenthalt in einem fremden Land in Österreich erst langsam Kontakt mit der Homosexuellen-Szene aufgenommen; nunmehr habe sie über ihren Betreuer versucht, Kontakt mit HOSI in Linz aufzunehmen, was gelungen sei. Zudem habe sie nunmehr in Österreich eine Frau kennen gelernt, zu welcher sie sich hingezogen fühle, weshalb eine bisherige Kontaktaufnahme mit der einschlägigen Community noch nicht vonnöten gewesen sei. Sie habe sich gut integriert und führe ein Privat- und Familienleben, da sie sich regelmäßig mit ihrer Freundin treffe. Dass sie einen Arzt aufsuchte, belege gerade, dass sie mit wichtigeren Problemen zu kämpfen gehabt habe. Am Handgelenk trage sie ein Doppelaxt-Tattoo, welches in der Szene als Zeichen für lesbische Frauen bekannt sei. Sie könne jederzeit Fotos von ihrer früheren Freundin, welche sie auch intim zeigen würden, dem Gericht vorlegen. In Armenien sei sie Mitglied im Gay Armenia Club gewesen.

Aufgrund der Homosexualität sei sie zwei Mal brutal attackiert worden und hätte aus Angst das Krankenhaus nicht aufgesucht, sondern die Verletzungen selbst zu Hause versorgt. Sie könne Fotos vorlegen, welche die Verletzungen zeigen und gäbe es auch ein Foto, welches das Elternhaus mit einem Schimpfwort besprayt zeigen würden. Auch wenn Homosexualität nicht unter Strafe stehe komme es zu – weitgehend ungesühnten – Übergriffen auf Homosexuelle und wurde auf die vor der bB vorgelegten Berichte verwiesen. Vor dem Hintergrund der Berichtslage sei es verständlich, dass sie nicht die Polizei aufgesucht hat.

Mitglieder der homosexuellen Szene in Armenien würden Angst haben und fast ausschließlich ein Doppelleben führen. Sie werde in Armenien nicht nur diskriminiert, sondern in asylrelevanter Weise verfolgt. Ferner wurde neuerlich die Richtigkeit des von der bB eingeholten Gutachtens über den Gesundheitszustand der BF1 bestritten und ausgeführt, dass sich bei einer Abschiebung der Gesundheitszustand dramatisch verschlechtern würde.

Vorgelegt wurden medizinische Unterlagen, Deutschkursbestätigung und zwei Empfehlungsschreiben (von ehrenamtlichen Deutschlehrern).

I.12. Mit E-Mail vom 28.05.2019 wurden Unterlagen zur Integration der BF1, eine Medikamentenverordnung aus dem Jahr 2018 und ein Mietvertrag vom 19.09.2018 vorgelegt.

I.13. Am 13.07.2020 langte die vom Bundesverwaltungsgericht angeforderte Anfragebeantwortung der die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ein (AB vom 13.07.2020: Homosexuelle Frauen in Armenien; Accord vom 10.07.2020: Zur Lage homosexueller Frauen, Informationen zu Fällen, bei denen die Behörden nicht eingeschritten sind bzw. Schutz verweigert haben, Einrichtungen, die sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzen; AB vom 18.07.2017: Lage von Homosexuellen, insbesondere Frauen: staatlicher Schutz, Schutz vor Zwangsverheiratung).

I.14. Mit Ladung vom 01.07.2020 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 15.09.2020.

Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat folgende Dokumente zugestellt:

?        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 25.06.2020

?        Country Fact Sheet Armenien February 2018 & Annex I Medical facilities

?        BTI 2020 Country report Armenien.

Ebenso wurde die BF – in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen – hinsichtlich ihrer Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurde sie aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

I.15. Mit Stellungnahme vom 15.07.2020 führte BF1 aus, dass sie außer der bereits vorgelegten Geburtsurkunde keine Dokumente besitze. Sie wäre etwa wöchentlich über einen längeren Zeitraum hinweg in den nicht öffentlichen Club Gay Armenia gegangen, derzeit habe sie keine Kontakte mehr zu Personen, die ein Naheverhältnis zum Club aufweisen. Sie glaube, der Club existiere nicht mehr.

BF1 habe 2019 an einer Homosexuellen Parade des Vereins HOSI in Linz teilgenommen – dazu wurden Fotos vorgelegt. Zudem wurde ausgeführt, dass die Affäre mit einer Frau im letzten Jahr daran gescheitert sei, dass diese kein Kind gewollt habe. BF1 sei gesund und befinde sich nicht in medizinischer/psychologischer Betreuung. BF1 habe im Mai 2020 ihr Kind zur Welt gebracht – hierzu wurde eine Geburtsurkunde vorgelegt. Ausgeführt wurde dazu, dass BF1 unbedingt ein Kind haben wollte, weshalb sie den Ehemann ihres Bruders (es wurde ein Trauschein der beiden Männer vorgelegt) um eine Samenspende gebeten habe. Dieser sei im September 2019 zu diesem Zweck nach Österreich gekommen – dazu wurde eine Reisepasskopie vorgelegt. Mithilfe einer Vorrichtung für die künstliche Befruchtung (The Stork OTC) und nach Konsultation eines Frauenarztes, dessen Namen sie nicht nennen wolle, sei BF1 schwanger geworden. Die Tochter leide an einem Schilddrüsenproblem. Es wurden ferner Unterlagen zur Integration vorgelegt.

Mit Stellungnahme vom 31.08.2020 wurden diverse Medienberichte zur Lage von Homosexuellen in Armenien sowie E-Mails zur Mitgliedschaft der BF1 in armenischen Homosexuellenvereinen vorgelegt. Die Berichte wiesen keinen persönlichen Bezug zur BF1 auf.

I.16. Mit E-Mail vom 02.09.2020 wurde BF1 aufgrund einer Anfrage ihrer Rechtsvertretung mitgeteilt, dass ein Raum für eine Begleitperson der BF1 zum Warten und zum Stillen der BF1 während der Verhandlung zur Verfügung gestellt wird.

I.17. Am 7.9.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verfahrensakt der bB betreffend BF2 vorgelegt.

In der Beschwerde gegen den im Vergleich zu BF1 im Wesentlichen gleichlautenden Bescheid vom 27.08.2020 wurde ausgeführt, dass BF1 viele der in der Niederschrift vor der bB protokollierten Fragen und Antworten nicht gestellt worden wären. Dies hätte BF1 erst zu Hause bemerkt. So sei sie weder nach ihrem gesunheitlichen Befinden noch dazu gefragt worden, ob sie sämtliche Fluchtgründe geschildert habe. Das „Gerät“ (eine Vorrichtung zur Selbst-Befruchtung) habe sie von ihrem Bruder geschenkt bekommen und nicht, wie protokolliert, selbst gekauft und hätte sie auch andere Daten zu ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit angegeben. Die Rückübersetzung sei sehr kurz und zusammenfassend gewesen. Es wurde auf die Fluchtgründe der BF1 hingewiesen, welche auch für BF2 gelten würden und wurde auch ein Arztbrief vom 17.07.2020 hinsichtlich BF2 beigelegt.

I.18. Am 10.09.2020 langte ein vom Bundesverwaltungsgericht angefordertes Rechercheergebnis zum genannten Samenspender für BF1 ein.

I.19. Die Verhandlung wurde in Anwesenheit der BF1 und deren Vertretung durchgeführt – die Nicht-Teilnahme der Behörde an der mündlichen Verhandlung wurde telefonisch entschuldigt – und wurde der BF1 nochmals die Möglichkeit eingeräumt, ihr Vorbringen darzulegen. Die Verfahren der BF wurden in der Verhandlung zu einem Familienverfahren verbunden und wurde BF1 auch als gesetzliche Vertreterin der BF2 befragt. Eigene Gründe für BF2 brachte sie nicht vor.

Die für das Ermittlungsverfahren wesentlichen Aktenteile (Niederschriften, Schriftsätze der Parteien im Verfahren, die vorliegenden Bescheinigungsmittel sowie sonstige Ermittlungsergebnisse) wurden verlesen und erörtert. Zudem wurden die Erkenntnisquellen (Länderinformationsblatt Armenien der Staatendokumentation vom 8.5.2019 Stand 25.06.2020, Country Fact Sheet, Access to Healthcare Armenia, Februar 2018 zu endokrinologischen und orthopädischen Leistungen in Armenien, BIT Country Report Armenia), die der Rechtsvertretung der beschwerdeführenden Parteien zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt wurden, verlesen, deren Inhalt erörtert und als Beilagen zur Verhandlungsschrift genommen.

Thematisiert wurden ferner die zusammen mit der Anfragebeantwortung vom 13.07.2020 übermittelten Dokumente (AB vom 13.07.2020: Homosexuelle Frauen in Armenien; Accord vom 10.07.2020: Zur Lage homosexueller Frauen, Informationen zu Fällen, bei denen die Behörden nicht eingeschritten sind bzw. Schutz verweigert haben, Einrichtungen, die sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzen; AB vom 18.07.2017: Lage von Homosexuellen, insbesondere Frauen: staatlicher Schutz, Schutz vor Zwangsverheiratung).

Zudem wurden in der mündlichen Verhandlung folgende Dokumente übergeben:

?        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.5.2011 zum Thema RF_MEV_Hypothereose

?        Auszug aus Annex II zu dem bereits übermittelten “Country Fact Sheet AM Medical Facilities”

?        „List of medical facilities/practitioiners in Armenia“ der Britischen Regierung

?        Auszüge aus dem Internet über Endokrinologische Kliniken in Armenien (http://Muratsan.am/EN/ und https://www.erebunimed.com/eng/department/65) erörtert.

Für eine Stellungnahme wurde in der Verhandlung eine Frist von zwei Wochen (Einlangen bei Gericht) gewährt.

Vorgelegt wurde von den BF folgende Dokumente:

?        medizinischer Befund vom 07.09.2020

?        medizinischer Befund eines Radiologen vom 12.07.2019

I.20. Am 28.09.2020 langte eine Stellungnahme samt Beweisantrag der BF1 ein. Darin wurde zusammengefasst folgendes ausgeführt: Die bisher in das Verfahren einbezogenen Berichte würden zeigen, dass die soziale Gruppe der Homosexuellen als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden würden. Sie wären für die Familien und die Kirche eine Sünde. Die armenische Bevölkerung sei sehr konservativ was die sexuelle Orientierung anbelangt. Familien würden durch Einsperren, Isolieren und Schlagen versuchen, die Kinder zu ändern. Es werde Druck auf Frauen ausgeübt, damit sie Männer heiraten, Kinder bekommen und ihre natürliche Rolle als Ehefrau und Mutter erfüllen. Die Behörden würden sie nicht unterstützen, sondern vielmehr selbst verfolgen.

Die in der Verhandlung geschilderte Vorgehensweise der Familie fände Deckung in den Länderberichten. BF1 habe auch dargelegt, dass sie nicht zum Arzt gegangen wäre wegen der Verletzungen, da sie im darauf folgenden Ermittlungsverfahren der Polizei dann mitwirken hätte müssen und die Polizei bei solchen Fällen nicht ordentlich ermittle.

BF1 habe auch letztlich ausführlich bei der Einvernahme über drei Vorfälle berichtet und sei nur bei zwei Vorfällen Gewalt ausgeübt worden, weshalb in diesem Zusammenhang kein gesteigertes Vorbringen vorliege.

Zu der in der Verhandlung aufgetretenen Frage, ob es sich bei dem auf einem Foto abgebildeten, beschmierten Haustor tatsächlich um das Haus der Eltern der BF1 handelt, wurde ein weiteres Foto vorgelegt, welches die Mutter der BF vor dem besagten Haustor zeige.

BF1 habe nach Eingewöhnungsphase numehr auch in Österreich Kontakt mit der Homosexuellen-Szene und habe an einer Parade in Linz teilgenommen und Kontat mit der Türkis Rosa Lila Villa Bewegung aufgenommen. Sie werde weiter an Paraden teilnehmen, trage sichtbare Zeichen der Homosexualität und bewege sich nun, wenn auch mit langsameren Schritten, in der Homosexuellen Szene. Auch die samtene Revolution in Armenien habe keine Verbesserung gebracht und wolle die BF1 ihre sexuelle Orientierung nicht verstecken. Sie hätte auch in Österreich eine Freundin gehabt, die Beziehung sei aber gescheitert.

Zur Erkrankung der BF2 wurde ausgeführt, dass den vom Gericht in das Verfahren eingeführten Berichten die Krankheit in Armenien grundsätzlich behandelbar sei und auch Medikamente verfügbar seien. Es sei jedoch zu ermitteln, welche Kosten damit verbunden sind und ob die Behandlung tatsächlich möglich ist. Da BF1 alleinerziehende Mutter ohne Netzwerk sei, mit Diskriminierungen am Arbeitplatz, bei der Wohnungsvergabe und in Familienebeziehungen zu rechnen habe, sei ein Zugang mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. BF2 müsse lebenslang Medikamente einnehmen und würde sich ihr Gesundheitszustand ohne Medikamente rapide verschlechtern. Therapeutisch stehe bei allen Formen der Hypothyreose die lebenslange L-Thyroxin Substitution unter regelmäßigen Verlaufskontrollen der Laborparameter im Vordergrund. Die Anfragebeantwortung aus 2011 zur Krankheit Hypothyreose sei veraltet.

Es wurden die Anträge gestellt, einen Sachverständigen zu beauftragen, um festzustellen, ob die Verletzungen von einem Messerstich (die BF 1 habe angegeben, dass sie wahrscheinlich mit einem Messer verletzt wurde, gesehen habe sie es nicht) und die Verbrennungen von einer Zigarette stammen und wie lange diese Verletzungen zurückliegen sowie die Kosten der notwendigen Medikamente für die BF2 festzustellen.

Die eherenamtiche Tätigkeit der BF1 stelle nicht nur eine Integration dar, sondern belege auch deren Arbeitsbereitschaft.

Auch die Sicherheitslage habe sich rapide verschlechtert und wurden Medienberichte zu den Gefechten zwischen Armenien und Aserbaidschan angeführt.

Vorgelegt wurde ein Foto einer Frau vor einem Haustor, ein Foto mit einem beschmierten Haustor und eine Bestätigung einer Gynälologin vom 22.09.2020, wonach am 03.09.2019 mit Brevacdit ein Eisprung ausgelöst worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

II.1.1.1. Bei den BF handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.

BF1 ist eine junge, gesunde, arbeitsfähige Frau mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherten Existenzgrundlage.

BF1 hat in Armenien nach dem Schulbesuch ein Kunstcollege absolviert. Danach hat sie für etwa drei Jahre in einem Cafe als Kellnerin gearbeitet. Im Anschluss hat sie ein Geschäft für Bekleidung und Haushaltsgeräte eröffnet und dieses bis zur Ausreise im Mai 2015 geführt. Zwischenzeitig hat sie als Gutachterin für ein Bauunternehmen gearbeitet.

Die BF haben Verwandte in der Heimat, welche ihnen im Falle der Rückkehr als soziales Auffangnetz dienen können. Der Vater der BF1 lebt in XXXX und hat dort ein Haus, in welchem BF1 auch vor ihrer Ausreise lebte. Er ist Musiker und arbeitet auch in diesem Beruf. Zwei Tanten der BF1 leben mit ihren Familien ebenfalls in XXXX. Weitere Verwandte leben im Ausland. Der in einer eingetragenen Partnerschaft mit einem Mann lebende Bruder ist in Kanada beschäftigt.

Die minderjährige BF1 verfügt im Herkunftsstaat ebenfalls über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage. Ferner ist eine hinreichende Betreuung durch ihre Mutter und den Familienverband sowie eine hinreichende Absicherung in ihren altersentsprechenden Grundbedürfnissen gegeben. Der minderjährigen BF steht ferner kostenfreier und nichtdiskriminierender Zugang zum öffentlichen Schulwesen sowie leistbarer und nichtdiskriminierender Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung zur Verfügung.

II.1.1.2. Zum Gesundheitszustand der BF:

Bei BF1 wurden am 07.06.2017 der rechte Eierstock und eine Zyste am linken Eierstock entfernt.

Sie befand sich in Österreich von 06.11.2017 bis 10.11.2017 in der Psychiatrie, da sie von Selbstmordgedanken berichtete. Es wurden eine Psychotherapie sowie Kontrollen beim niedergelassenen Arzt empfohlen und erhielt BF1 Medikamte wegen ihrer psychischen Probleme. Zuletzt wurden ihr in diesem Zusammenhang am 26.09.2018 Medikamente verordnet. Seit dem Jahr 2019 befindet sie sich in keiner Therapie mehr. Aktuell steht BF1 in keiner Behandlung. Sie hat Probleme mit der Wirbelsäule, welche sie zur Zeit jedoch nicht behandeln lässt.

BF2 leidet an kongenitaler Hypothyreose bzw. an einer angeborenen Schilddrüsenunterfunktion, diese Erkrankung wird mit Thyrex 50 mcg, Wirkstoff Levothyroxin natrium, medikamentös behandelt. BF2 erhält zudem Oleovit Tropfen und wurde ihr wegen einer Hüftdysplasie ein Fetteiweisgips am 26.06.2020 angelegt. Inzwischen wird sie mit einer Abspreizbandage behandelt. BF2 benötigt eine Hormonsubstitution und Kontrollen im Bereich der Orthodpädie und wegen ihrer Schilddrüsen auch im Bereich der Endokrinologie.

BF1 und BF2 leiden jeweils an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung, die im Herkunftsstaat nicht behandelbar wären. Sie haben auch Zugang zum armenischen Gesundheitssystem und können ihre Krankheiten dort behandeln lassen. Soweit sie im Falle der Behandlung mit einem Selbstbehalt belastet werden, steht es ihnen im Falle der Bedürftigkeit frei, die Kostenübernahme des Selbstbehaltes durch den Staat zu beantragen, worüber eine eigens hierfür eingerichtete Kommission entscheidet. Aktuell ist die Behandlung der unter 7 Jahre alten BF2 in Armenien kostenlos.

BF2 ist nicht immungeschwächt und zählt nicht zu einer Risikogruppe nach der österreichischen „COVID 19- Verordnung“. Dies gilt auch für BF1.

In Armenien herrscht, wie weltweit, eine Pandemie, ausgelöst durch das Corona-Virus, welches die als COVID-19 bezeichnete Erkrankung auslöst. Im Herkunftsstaat Armenien wurden bisher (Stand 5.11.2020) 97150 Infektionsfälle nachgewiesen, wobei 58811 Personen wieder genesen sind und 1448 Personen verstarben.

Quelle:https://www.google.at/search?source=hp&ei=BcKjX9SqKIeeUPCtmOAK&q=Corona+Armenien&oq=Corona+Armenien&gs_lcp=CgZwc3ktYWIQAzICCAAyAggAMgYIABAWEB4yBggAEBYQHjIGCAAQFhAeMgYIABAWEB4yBggAEBYQHjoICAAQsQMQgwE6BQgAELEDOggILhCxAxCDAToECAAQClDnBFiRFGCUGGgAcAB4AIABWogBtwiSAQIxNZgBAKABAaoBB2d3cy13aXo&sclient=psy-ab&ved=0ahUKEwiUwav6h-vsAhUHDxQKHfAWBqwQ4dUDCAY&uact=5.

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind

Quelle: https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html.

Die volljährige BF1 hat Zugang zum armenischen Arbeitsmarkt.

Im Herkunftslad steht ein familiäres bzw. verwandtschaftliches Netz zur Unterstützung der BF zur Verfügung.

BF1 steht es frei, den Familienverband zu kontaktieren, um Unterstützung – etwa finanzieller bzw. materieller Natur oder bei der Beaufsichtigung der BF2 – zu erhalten

Ebenso haben die BF Zugang zu dem – wenn auch minder leistungsfähigen als das österreichische – Sozialsystem des Herkunftsstaates und es steht BF1 frei, dieses für sich und ihre Tochter auch in Anspruch zu nehmen.

Darüber hinaus ist es den BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

II.1.1.3. Die BF haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit fünf Jahren bzw. seit der Geburt (BF2) im Bundesgebiet auf. BF1 reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Die BF leben von der Grundversorgung. BF1 hat Deutschkurse besucht und die „A2 Prüfung“ abgelegt. Sie spricht flüssig und verständlich Deutsch. Die BF sind strafrechtlich unbescholten.

BF1 hat freiwillig in einem Altersheim geholfen. Sie hat verschiedene Integrationskurse besucht.

Die Identität der BF steht nicht fest.

Bei BF1 handelt es sich um einen mobilen, jungen, gesunden, arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammen die BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es BF1 auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien

Bei Armenien handelt es sich um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

II.1.2.1. Zur Situation homosexueller Personen in Armenien (Extrakt aus der Anfragebeantwortung von 13.7.2020 samt Beilagen; die Berichte und Quellen wurden den BF gegenüber offengelegt; auf die Zitierung der englischsprachigen Originaltexte wird hier aus Platzgründen verzichtet).

Zur Frage von Übergriffen auf homosexuelle Personen in Armenien:

LGBTI-Personen sind gelegentlich Schikanen und Angriffen ausgesetzt.

Einzelquellen:

Die Bertelsmann Stiftung gibt in ihrem Länderbericht an, dass die Rechte der LGBTI in den Jahren 2017 bis 2018 weiterhin ungeschützt waren. Im August 2018 wurden neun LGBTI-Rechtsaktivisten in einem Dorf im Süden Armeniens von einer Gruppe von 30 Menschen angegriffen und schwer geschlagen. Die Polizei leitete eine Untersuchung des Falls ein, doch bis Januar 2019 wurden keine Fortschritte gemeldet. Die armenische Legislative sieht keine Regelungen der LGBTI-Rechte vor. Homophobe Sprache wird häufig in sozialen Medien sowie von Oppositionspolitikern verwendet, um populistische Gefühle gegen die neue Regierung zu schüren, deren Vertreter eine solche Sprache nicht verwenden. LGBTI-Personen sind gelegentlich Schikanen und Angriffen ausgesetzt.

Das deutsche Auswärtige Amt berichtet allgemein:

Trotz der Entkriminalisierung homosexueller Handlungen unter Erwachsenen sind Homosexuelle nach wie vor gesellschaftlichem Druck – jedoch nicht gezielten staatlichen Diskriminierungen – ausgesetzt. Es gibt nach wie vor Einzelfälle von Angriffen auf LGBTI-Angehörige durch Privatpersonen. Die Verfassung enthält keine Vorschrift zum Schutz vor Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung. […]

AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Februar_2020%29%2C_27.04.2020.pdf, Zugriff 8.6.2020

HCR – UN Human Rights Council berichtet, dass Armenien kontinuierlich gegen Hassreden, insbesondere gegen Frauen, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender sowie Menschenrechtsaktivisten kämpfte. Der neue Strafgesetzentwurf sah die strafrechtliche Verantwortung für die Anstiftung zu nationaler, ethnischer, rassischer, politischer, ideologischer oder religiöser Feindseligkeit, Hass oder Intoleranz vor. Was die Verbrechen gegen lesbische, schwule, bisexuelle und transsexuelle Personen betrifft, so wurden alle Vorwürfe gründlich untersucht, und die Strafverfolgungsbehörden trugen der Untersuchung der Motive solcher kriminellen Handlungen gebührend Rechnung.

USDOS – das US amerikanische Außenministerium – gibt im Jahresbericht zur Menschenrechtslage für das Jahr 2019 an, dass Antidiskriminierungsgesetze den Schutz nicht auf LGBTI-Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ausdehnen. Es gab im Berichtsjahr keine Hassverbrechensgesetze oder andere strafrechtliche Mechanismen zur Unterstützung der Verfolgung von Verbrechen gegen Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft. Gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität wirkte sich negativ auf alle Aspekte des Lebens aus, einschließlich Beschäftigung, Wohnung, Familienbeziehungen und Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung. Anti-LGBTI-Stimmungen und Aufrufe zur Gewalt eskalierten in Zeiten des politischen Aktivismus. Viele Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, insbesondere Anhänger der früheren Regierung, wandten Anti-LGBTI-Rhetorik an und positionierten LGBTI-Personen oft als "Bedrohung der nationalen Sicherheit". Transgender-Personen waren besonders anfällig für physischen und psychischen Missbrauch und Belästigung. In den sozialen Medien forderten einige Nutzer die physische Vernichtung von LGBTI-Personen, und es gab kleine Proteste rund um das Parlamentsgebäude. Nachdem eine Person Martirosyans [Lilit Martirosyan, Vorsitzende (Transgender) der NGO Right Side und Aktivistin für Transsexuelle] Wohnadresse auf Facebook gepostet hatte, zwangen Proteste rund um ihr Gebäude sie dazu, sich tagelang in ihrer Wohnung zu verstecken. Sie beantragte und erhielt Polizeischutz und stellte fest, dass die Strafverfolgungsbehörden sie sehr unterstützten.

FH - Freedom House gibt im Jahresbericht zu den politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2019 an, dass obwohl gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten 2003 entkriminalisiert wurden, LGBT+-Personen weiterhin Gewalt und Misshandlung durch Polizei und Zivilisten ausgesetzt sind, und es keine Antidiskriminierungsgesetze gibt, die dieser Gruppe zugute kommen.

ILGA-Europe (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) gibt im Jahresbericht zur Menschenrechtslage von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen und intersexuellen Menschen in Europa und Zentralasien (Beobachtungszeitraum 2019) an, dass die NGO Pink Armenia Erfolg hatte bei der Anfechtung eines unbefriedigenden Gerichtsurteils aus dem letzten Jahr, das den Angriff einer Gruppe von 30 Personen in Shurnukh gegen neun LGBTI-Personen betraf. Der Fall wurde zunächst abgewiesen, aber nach der Berufung von Pink Armenia musste die Untersuchung 2019 fortgesetzt werden. Am 29. Januar veröffentlichte die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatovi?, ihren Bericht über den Länderbesuch 2018. Der Bericht fordert sofortiges Handeln gegen Gewalt, Hassreden und Hassverbrechen gegen LGBTI-Personen, unter anderem durch die Kriminalisierung von Hassreden und Hassverbrechen gegen LGBTI-Personen, kombiniert mit einer spezifischen Ausbildung für Polizei und Richter. Am 17. Mai teilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Regierung den Fall Oganezova gegen Armenien mit. In dem Fall geht es um einen Brandanschlag auf den Heimwerkerverein im Jahr 2012, den die Behörden nicht effektiv untersucht und als homophobes Hassverbrechen identifiziert hatten. Am 20. Juni wurden 11 LGBT-Aktivisten von vier Männern in einem Park in Eriwan verbal allackiert. Die Opfer riefen die Polizei, die die Aktivisten aufforderte, den Park zu verlassen, und die vier Männer auf die Polizeistation brachte. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Im Mai veröffentlichte Pink Armenia seinen Jahresbericht, in dem es auf eine Rekordzahl von Menschenrechtsverletzungen an LGBT-Menschen im Jahr 2018 hinwies, insgesamt 25.

HRW – Human Rights Watch, gibt im Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2019 an, dass Lesbische, schwule, bisexuelle und transsexuelle Menschen (LGBT) häufig mit Belästigung, Diskriminierung und Gewalt konfrontiert sind. Das Strafgesetzbuch erkennt Homophobie und Transphobie nicht als strafrechtlich erschwerende Umstände an. Die Angst vor Diskriminierung und die öffentliche Bekanntgabe ihrer sexuellen Orientierung halten viele LGBT-Personen davon ab, Verbrechen anzuzeigen. PINK Armenia, eine LGBT-Rechtsgruppe, dokumentierte von Januar bis August 2019 mindestens 17 Vorfälle körperlicher Übergriffe aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Im Mai veröffentlichte die Europäische Union den Bericht über die Umsetzung der Partnerschaft zwischen der EU und Armenien, in dem sie Schritte zur Umsetzung von Reformen in den Bereichen Wirtschaft, Justiz und Politik begrüßte, aber auch die frühe Phase des Reformprozesses würdigte. Sie betonte auch die Notwendigkeit, gegen die Diskriminierung von LGBT-Menschen und Menschen mit Behinderungen vorzugehen.

Zur Frage, ob Armenien die UN Erklärung über Menschenrechte, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität unterschrieben hat:

Armenien hat die genannte UN-Erklärung unterschrieben.

Einzelquellen:

Das Deutsche Aidshilfe magazin.hiv (es konnte keine Quellenbeschreibung gefunden werden) als nachfolgend zitierte Quelle gibt dazu an:

[…] Auch wenn Armenien bereits 2008 die UN-Erklärung über Menschenrechte, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität angenommen hat, ist es eines der homophobsten Länder in Europa. […]

Deutsche Aidshilfe, magazin.hiv (28.5.2019): Armenien: Keine Revolution für LGBT – Teil 1, https://magazin.hiv/2019/05/28/armenien-keine-revolution-fuer-lgbt-1/, Zugriff 8.6.2020

Wikipedia, eine freie online-Enzyklopädie gibt dazu an:

[…]

Unterzeichnerstaaten

Zu den 66 ursprünglichen Unterzeichnerstaaten (von 192 UN-Mitgliedern) der Erklärung vom 18. Dezember 2008 gehören 39 europäische, 13 amerikanische, 6 afrikanische, 6 asiatische und 2 ozeanische Länder:

[…]

4. Armenien

[…]

Wikipedia (11.4.2020): Erklärungen und Resolutionen der Vereinten Nationen über die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität, https://de.wikipedia.org/wiki/Erkl%C3%A4rungen_und_Resolutionen_der_Vereinten_Nationen_%C3%Bcber_die_sexuelle_Orientierung_und_geschlechtliche_Identit%C3%A4t#Unterzeichnerstaaten_2, Zugriff 8.6.2020

Aus der Fußnote des Dokuments über die Erklärung über Menschenrechte, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität kann entnommen werden:

Vom Deutschen Übersetzungsdienst der Vereinten Nationen erstellte Übersetzung der am 18. Dezember 2008 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Namen der folgenden Mitgliedstaaten abgegebenen Erklärung (siehe A/63/PV.70): Albanien, Andorra, Argentinien, Armenien, […]

UN – United Nations (ohne Datum): Erklärung über Menschenrechte, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität, https://www.un.org/Depts/german/menschenrechte/erklaerung-lgbt.pdf, Zugriff 10.6.2020

Zur Frage, ob es abgesehen von den Polizeibehörden, Einrichtungen gibt, die sich der Rechte von Lesben und Schwulen annehmen:

Es gibt Einrichtungen, die sich sich der Rechte von Lesben und Schwulen annehmen.

Einzelquellen:

„Pink“ gibt auf deren Homepage an, dass es sich um eine NGO zur Verteidigung der Menschenrechte handelt die 2007 gegründet wurde. In der Öffentlichkeit ist sie unter „Pink Armenia“ bekannt. Pink ist eine gemeindebasierte LGBT-Organisation (lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell), was bedeutet, dass die Organisation von der LGBT-Gemeinschaft gegründ

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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