TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/1 W279 2145384-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.12.2020
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Entscheidungsdatum

01.12.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W279 2145384-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1989, StA. Afghanistan, vertreten durch KOCHER & Bucher Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2020, Zl. 1089764706/200078452, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.11.2020, zu Recht:

A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. des bekämpften Bescheides gemäß §§ 9 Abs. 1 und Abs. 4, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte V. – VII. behoben und eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), auf Dauer für unzulässig erklärt und XXXX gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte hier am 01.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Der BF wurde am 28.10.2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen. Im Rahmen der Einvernahme wurden vom BF afghanische Dokumente, zwei Empfehlungsschreiben, eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses vom 04.01.-08.02.2016, ein Schreiben einer öffentlichen Bibliothek vom 08.10.2016, eine Bestätigung eines Deutschkurses vom 04.10.2016 über den Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau B1.1. vom 26.09.2016-16.12.2016, vier Empfehlungsschreiben und eine Bestätigung des Roten Kreuzes vom 06.10.2016 über die Tätigkeit des BF als ehrenamtlicher Volontär seit dem 25.04.2016 in Vorlage gebracht.

3. Mit Bescheid des BFA vom 19.12.2016, Zl. 1089764706/151474194/BMI-BFA_STM_AST, wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.12.2017 erteilt.

Begründend wurde ausgeführt, dass es sich beim BF einerseits um einen gesunden, jungen Mann handle, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Es müsse demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass der BF erst neunzehn Jahre sei, keine Berufsausbildung habe, Halbwaise sei und die Erwerbs-und Ausbildungsmöglichkeiten in den ländlichen Regionen nur sehr eingeschränkt vorhanden seien. Die speziellen Grundvoraussetzungen wie das Vorliegen eines sozialen bzw. familiären Netzes in Kabul und Erfahrung mit dem Umgang der Stadt Kabul seien nicht gegeben. Somit sei es dem BF nicht zumutbar, sich in Kabul eine Existenz aufzubauen. Eine innerstaatliche Schutzalternative etwa in der Hauptstadt Kabul würde unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände sowie auch im Hinblick auf die allgemeine schlechte Versorgungslage in Afghanistan derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung stehen. So sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der BF nie in Kabul gelebt habe, mit den dortigen Gegebenheiten nicht vertraut sei und auch nicht über familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte in der Hauptstadt Kabul verfüge. Die Rückkehr des BF nach Afghanistan erscheine daher unter den dargelegten Umständen als unzumutbar.

4. Am 31.10.2017, beim BFA am 02.11.2017 eingelangt, stellte der BF unter Anschluss einer Ausbildungsvereinbarung als KFZ Techniker im Rahmen einer Stiftung vom 06.02.2017 einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes.

5. Dem BF wurde mit Bescheid des BFA vom 14.12.2017, Zl. 1089764706/151474194/BMI-BFA_STM_AST_01, gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.12.2019 erteilt.

6. Am 12.11.2019, beim BFA am 14.11.2019 bzw. am 18.11.2019 eingelangt, stellte der BF einen weiteren Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes und führte aus, dass sein subsidiärer Schutz am 19.12.2019 ende. Er habe die Lehre zum KFZ Techniker erfolgreich abgeschlossen und nach Beendigung seiner Lehre einen unbefristeten Arbeitsvertrag als KFZ Techniker erhalten. In seiner Freizeit arbeite er freiwillig als Hilfssanitäter beim Roten Kreuz und wolle die Prüfung zum Rettungssanitäter ablegen, da es einen Mangel an freiwilligen Hilfskräften gebe. Dem Antrag wurde ein Prüfungszeugnis der WKO XXXX vom 27.03.2019 über die bestandene Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Kraftfahrzeugtechniker (Hauptmodul: Personenkraftwagentechnik) und ein Arbeitsvertrag vom 03.04.2019 zwischen der Firma XXXX und dem BF über die Aufnahme als KFZ-Techniker angeschlossen.

7. Am 16.01.2020 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend aus, dass er gesund sei und sich weder in ärztlicher Behandlung befinde noch Medikamente einnehme. Er sei seit dem 01.04.2019 bei der Firma XXXX als KFZ-Techniker beschäftigt. Befragt, welchen Beschäftigungen er seit seinem Aufenthalt in Österreich nachgegangen sei, erwiderte der BF, dass er eine Lehre als KFZ-Techniker bei der Firma XXXX absolviert habe und mit einer Lehrabschlussprüfung abgeschlossen habe. Insgesamt arbeite er bereits seit drei Jahren als KFZ-Techniker. Die Fragen, ob er verheiratet sei oder Kinder habe, wurden vom BF verneint. Seine Angehörigen würden sich im Iran sowie in Australien aufhalten, eine seiner Schwestern lebe in den USA. Der BF stehe zwar in Kontakt mit seinen Verwandten, jedoch nicht in regelmäßigen Abständen. Die Frage, ob er noch Angehörige in Afghanistan habe, wurde vom BF verneint und er gab an, lediglich mit einem Freund über Facebook in Kontakt zu stehen. Der BF könne eine abgeschlossene Lehre als KFZ-Techniker vorweisen und könne sich mit dieser Tätigkeit auch seinen Lebensunterhalt finanzieren. Auf Vorhalt, dass er bereits seit dem Jahr 2017 subsidiär Schutzberechtigter sei und zur Frage, wie er seitdem in Österreich den Lebensunterhalt bestreite, entgegnete der BF, dass er eine Lehre als KFZ-Techniker absolviert habe und bereits seit drei Jahren in diesem Beruf tätig sei. Die Fragen, ob er in einer Lebensgemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft wohnhaft sei und ob zu einer Person ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bestehe, wurden vom BF verneint. Befragt, ob eine anderweitige Integrationsverfestigung seiner Person in Österreich vorliege, wiederholte der BF, dass er die bereits erwähnte berufliche Ausbildung abgeschlossen habe und bereits seit drei Jahren in diesem Beruf tätig sei. Er verbringe viel Zeit mit seinen Arbeitskollegen und habe mittlerweile auch Freunde gefunden. Der BF habe zudem auch beim Roten Kreuz gearbeitet, die Prüfung zum Rettungssanitäter zum ersten Anlauf jedoch nicht bestanden, da bereits die Ausbildung zum KFZ-Mechaniker viel Zeit in Anspruch genommen habe. Er sei zwar kein Mitglied in einem Verein, sei jedoch seit 2016 beim österreichischen Roten Kreuz tätig. Auf Vorhalt, dass ihm subsidiärer Schutz erteilt worden sei, da die vorherrschende Versorgungslage und die allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung in Hinblick auf die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse in Afghanistan angespannt und der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur eingeschränkt möglich gewesen sei, entgegnete der BF, dass die Situation nach wie vor gleich sei. Bei einer Rückkehr hätte er aufgrund der schlechten Chancen für Hazara keine Möglichkeiten und würde im Falle einer Rückkehr sterben, da er durch die Präsenz der Taliban bzw. des IS gefährdet sei. Zum weiteren Vorhalt, dass er über Berufserfahrung verfüge, sich in Österreich durch Kurse wertvolle Kenntnisse aneignen habe können und eine Rückkehr ins Heimatland nach Herat, Kabul oder Balkh für einen gesunden, arbeitsfähigen und ledigen Mann zumutbar sei, erklärte der BF, dass er in Afghanistan keine guten Erfahrungen gemacht habe und daher nie wieder in diesem Land leben wolle. Auf Vorhalt, dass Herat, Kabul oder Balkh den Länderfeststellungen zufolge als sichere Städte in Afghanistan gelten würden, gab der BF an, dass er 15 Jahre im Iran gelebt habe und daher in Afghanistan als Fremder zu qualifizieren sei. Auf die Frage, wie lange er insgesamt in Afghanistan gelebt habe, brachte der BF vor, dass er ungefähr 14 Jahre lang in Afghanistan wohnhaft gewesen sei und in der Provinz Ghazni geboren und aufgewachsen sei. Befragt, ob er Gründe gelten machen wolle, die gegen eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet sprechen würden, replizierte der BF, dass er arbeiten gehe und in Österreich sein eigenes Leben finanzieren könne. Er habe in Österreich die Sprache gelernt und sei gut integriert, weshalb er das Leben in Österreich fortführen wolle.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF ein Arbeitsvertrag vom 03.04.2019 zwischen der Firma XXXX und dem BF über eine Aufnahme als KFZ-Techniker, eine Bestätigung der Geschäftsführung der Firma XXXX vom 14.01.2020, dass der BF vom Jänner 2018 bis März 2019 eine Lehre zum KFZ Techniker absolviert habe und ab dem 01.04.2019 als KFZ-Techniker angestellt sei und gut integriert sei, ein Zertifikat vom KFZ-Technik Zentrum XXXX vom 25.09.2017 über die erfolgreiche Teilnahme des BF an der Ausbildung „KFZ-Elektrik/Diagnose I“ vom 14.09.2017 bis 25.09.2017, eine Bestätigung des WIFI vom 06.02.2018 über den Besuch der Veranstaltung „Deutsch B2-Deutsch als Fremdsprache B2/1“ vom 21.11.2017 bis 06.02.2018, ein Jahreszeugnis der Landesberufsschule XXXX vom 10.11.2017 über das Schuljahr 2017/18 für den Lehrberuf Kraftfahrzeugtechnik, ein Jahreszeugnis der Landesberufsschule XXXX vom 17.04.2018 über das Schuljahr 2017/18 für den Lehrberuf Kraftfahrzeugtechnik, ein Jahreszeugnis der Landesberufsschule XXXX vom 07.11.2018 über das Schuljahr 2018/19 für den Lehrberuf Kraftfahrzeugtechnik, ein Jahres-und Abschlusszeugnis der Landesberufsschule XXXX vom 23.01.2019 für den Lehrberuf Kraftfahrzeugtechnik, ein Prüfungszeugnis der WKO XXXX vom 27.03.2019 über eine bestandene Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf „Kraftfahrzeugtechniker“ (Hauptmodul: Personenkraftwagentechnik) und mehrere Lohnzettel des BF vom Jahr 2019 sowie ein Auszug aus dem elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger in Vorlage gebracht.

8. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.01.2020, Zl. 1089764706/200078452, wurde dem BF der ihm mit Bescheid des BFA vom 19.12.2016, Zl. 1089764706/151474194/BMI-BFA_STM_AST, zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die mit Bescheid des BFA vom 19.12.2016, Zl. 1089764706(151474194/BMI-BFA_STM_AST, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem BF gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen. (Spruchpunkt II.). Der Antrag des BF vom 14.11.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde abgewiesen (Spruchpunkt III.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt VI.). Mit Spruchpunkt VII. wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzes nicht mehr vorliegen würden. Zum heutigen Zeitpunkt bestehe für den BF als alleinstehender, junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann die Möglichkeit einer Rückkehr in sein Heimatland Afghanistan. Der BF habe sich in Österreich wertvolle Kenntnisse aneignen können, welche ihm bei seiner Rückkehr von Vorteil sein könnten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Kabul, Herat oder Mazar e-Sharif sei im Fall des BF aus heutiger Sicht möglich. Der BF verfüge über Angehörige im Iran, in Australien und den USA, die ihn anfangs entsprechend unterstützen könnten. Die erkennende Behörde gehe zudem davon aus, dass der BF für seinen Unterhalt grundsätzlich sorgen könnte. Der BF sei arbeitsfähig und verfüge über wertvolle Berufserfahrung als KFZ-Techniker, welche ihm bei einer Rückkehr nützlich sein könnte. Der BF hätte auch durch seine in Österreich angeeigneten Kenntnisse bei seiner Rückkehr einen Vorteil gegenüber anderen Arbeitssuchenden im Heimatland. Eine Rückkehr ins Heimatland sei dem BF aus heutiger Sicht als männlicher, gesunder, arbeitsfähiger, alleinstehender BF mit Berufserfahrungen somit zumutbar und er würde durch die Rückkehr in keine ausweglose Lage kommen. Eine Rückkehrgefährdung wegen der Taliban oder dem IS sei aus Sicht der Behörde nicht plausibel. Der BF sei durch eine Rückkehr nach Afghanistan keiner realen Gefahr mehr ausgesetzt, die eine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würden. Der BF habe trotz seines mehrjährigen Aufenthalts in Österreich keine besonderen Bindungen zu Österreich oder zu Österreichern darlegen können und die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens sei insbesondere unter Bezugnahme auf den eher erst kurzfristigen Aufenthalt in Österreich als gering einzustufen. Der BF habe keine in Österreich lebenden Verwandten und verfüge auch sonst über keine familiären Bindungen. Der BF sei mit den kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans vertraut, da er ungefähr 14 Jahre in Afghanistan gelebt habe. Der BF beherrsche auch die Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache. Es deute daher nichts darauf hin, dass es dem BF bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

9. Gegen den Bescheid wurde binnen offener Frist im vollen Umfang Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben. Dazu wurde ausgeführt, dass das BFA nicht nachvollziehbar und willkürlich handle. Dem ersten Verlängerungsantrag des BF sei durch das BFA stattgegeben worden und es sei diese Entscheidung in Rechtskraft erwachsen. Eine gegenteilige Feststellung, wie sie nunmehr vorgenommen werde, würde voraussetzen, dass sich nach Erlassung der rechtskräftigen Vorentscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert hätten, sodass eine neue Sache vorliege. Eine derartige Änderung habe das BFA nicht aufzeigen können und es lasse sich eine solche auch den von dem BFA angeführten Feststellungen zur Situation in Afghanistan nicht ohne weiteres entnehmen. Demnach gehe die Behörde ihren Ausführungen zufolge nicht von einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat aus, sondern lediglich von einer Änderung der in der persönlichen Situation des BF gelegenen Umstände. Zur persönlichen Situation des BF sei auszuführen, dass die belangte Behörde mit ihren Ausführungen keine tatsächliche Änderung vorbringe. Zur Behauptung der belangten Behörde, der BF verfüge über wertvolle Berufserfahrung, sei anzumerken, dass der BF zum Zeitpunkt der letzten genannten Verlängerung seine Tätigkeit bereits ausgeführt habe und auch vor der Einreise in das Bundesgebiet Berufserfahrung gesammelt habe. Sohin sei auch in diesem Punkt eine Änderung der individuellen Situation nicht ersichtlich. Die belangte Behörde verkenne zudem völlig, dass der BF vor seiner Flucht im Iran gelebt habe und seit längerer Zeit nicht mehr in Afghanistan gewesen sei. Es könne also nicht davon ausgegangen werden, dass der BF noch mit allen kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans vertraut sei. Alle Angehörigen des BF würden sich im Iran bzw. in den USA befinden. In Afghanistan verfüge der BF über keine Verwandte oder Freunde. Er wäre somit in dem Land auf sich alleine gestellt und besitze in Afghanistan weder familiäre noch soziale Anknüpfungspunkte. Der Aufbau einer Existenz erweise sich für den BF als äußerst fraglich. Feststellungen betreffend die Einkommenssituation der im Iran verweilenden Familienangehörigen des BF und der Möglichkeit derer, den rückkehrenden BF zu unterstützen, würden völlig fehlen. Schon daher sei das abgeführte Verfahren als mangelhaft zu bezeichnen. Die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit den individuellen Umständen des BF auseinandergesetzt und habe auf Basis falsch genannter Tatsachen argumentiert. Ferner nehme das BFA keinen Bezug auf den Umstand, dass es sich beim BF um einen schiitischen Hazara handle, obwohl im gegenständlichen Bescheid Quellen zitiert werden würden, die die prekäre Situation der Volksgruppe beschreiben würden. Der Bescheid enthalte keine hinreichend aktuellen Länderberichte und setze sich nicht ausreichend mit der aktuellen Versorgungslage in Afghanistan auseinander. Bezüglich der schlechten Situation in Afghanistan wurde auf zahlreiche Berichte verwiesen. Der Beweiswürdigung zur Integration des BF sei insofern entgegenzutreten, als die Integrationsbemühungen des BF völlig außer Acht geblieben seien. Der BF halte sich seit 01.10.2015, sohin bereits viereinhalb Jahre im Bundesgebiet auf und habe eine Vielzahl von Integrationsbemühungen gesetzt. Er habe bereits mehrere Deutschkurse besucht und spreche Deutsch auf gutem Niveau. Außerdem verfüge der BF seit dem 01.04.2019 über einen aufrechten Dienstvertrag für die berufliche Tätigkeit als KFZ-Mechaniker bei der Firma XXXX . Der BF habe zuvor bereits drei Jahre lang bei der Firma XXXX eine Lehre absolviert und diese mit der Lehrabschlussprüfung abgeschlossen. Der BF könne sich durch diese berufliche Tätigkeit seinen Lebensunterhalt finanzieren und steh zu keinem Abhängigkeitsverhältnis zu einer anderen Person. Bei der Arbeit als KFZ-Mechaniker handle es sich um einen Mangelberuf. Indem das BFA die Bemühungen, sich in Österreich zu integrieren, relativiert habe, verletzte der Bescheid das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben des BF. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.11.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und im Beisein des Rechtsvertreters des BF und unter Ladung mehrerer Zeugen eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der BF ausführlich befragt wurde. Auf Aufforderung, seinen Tagesablauf zu schildern, führte der BF in deutscher Sprache aus, dass er um dreiviertel Acht mit seiner Arbeit beginne und mit seinen Kollegen Gespräche führe. Sein Werkstättenleiter erkläre ihm seine Aufgaben und er selbst sei in seiner Firma bereits als Spengler sowie als Techniker tätig gewesen. In der Mittagspause führe er mit Kollegen Gespräche und tausche sich über Tätigkeiten aus. Überdies führe er gerne Gespräche mit Pensionisten, die ebenfalls in seinem Gemeindebau wohnen würden und erzähle diesen über sein Herkunftsland. Er versuche auch stetig, sein Deutsch zu verbessern und sei ehrenamtlicher Mitarbeiter beim Roten Kreuz gewesen. Befragt, was er am Wochenende unternehme, führte der BF an, dass er Mitmenschen helfe, die seine Unterstützung benötigen würden. Er habe im Bundesgebiet zahlreiche Kontakte geknüpft und eine bestimmte Familie sei für ihn wie die eigene Familie und bringe ihm zahlreiche Dinge bei. Zudem habe er bereits zahlreiche Ausflüge nach Deutschland sowie Frankreich unternommen und versuche, neue Kontakte zu knüpfen.

Zur Frage, seit wann er mit Frau XXXX zusammen sei, erklärte der BF, dass er sie im Juni 2020 kennengelernt habe und frisch verliebt sei. Auf die Frage, wie er sich seine weitere Zukunft in Österreich vorstelle, replizierte der BF, dass er sich in Österreich ein Leben aufbauen und eine Familie gründen wolle. Er habe nunmehr eine bessere Zukunft und wolle seine Meisterprüfung absolvieren. Man habe darüber hinaus geplant, ihn bei BMW zu Ausbildungen zu schicken. Nachgefragt, welche Ausbildung er in Salzburg machen würde, gab der BF an, dass diese für BMW wäre und er nebenbei noch für das Rote Kreuz tätig sei. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan hätte der BF keine Perspektiven, da ihm dieses Land vollkommen fremd sei und dieses Land bereits als Kind verlassen habe. Im Iran habe er bereits als Spengler gearbeitet.

Eine einvernommene Zeugin gab zu Protokoll, dass sie den BF bereits seit Jänner 2018 kenne, als er eine Lehre bei einer freien Werkstatt begonnen habe und der BF nach dem Konkurs dieser Firma seine Lehre bei ihrer Firma fortgesetzt habe. Auf Nachfrage, wie sich die berufliche Zukunft des BF in den nächsten Jahren gestalte, erklärte die Zeugin, dass derzeit ein Mangel an KFZ-Techniker vorherrschend sei und der BF fachlich engagiert sei. Er verstehe sich auch mit weiblichen Kolleginnen und werde auch Schulungen in Deutschland absolvieren. Zudem zeichne sich der BF durch herausragende Hilfsbereitschaft und Zuverlässigkeit aus.

Ein weiterer einvernommener Zeuge gab zu Protokoll, dass er den BF seit 2016 kenne und ihn als Familienmitglied ansehe. Er habe ihn in seiner Ortschaft kennengelernt und sei nicht nur hilfsbereit, sondern auch lernfähig sowie intelligent und beherrsche bereits den österreichischen Dialekt. Seine Kinder würden den BF wie einen Bruder behandeln und die Familie unternehme mit ihm oftmals gemeinsame Ausflüge.

Die dritte einvernommene Zeugin brachte vor, dass sie den BF 2016 über ihren Sohn kennengelernt habe, als er gerade beim Roten Kreuz mitgeholfen habe. Sie hätten einige Gespräche geführt und der BF teile ihre Werte. Der BF nehme auf ihr Befinden Rücksicht und sie wolle den BF auch zukünftig weiterhin unterstützen.

Eine vierte einvernommene Zeugin brachte vor, dass sie den BF seit Juni 2020 kenne und noch zur Schule gehe. Sie habe den BF kennengelernt, da er ihrer Familie geholfen habe, ein Auto zu erwerben. Ihre Eltern seien von der Beziehung zwischen der Zeugin und dem BF noch nicht informiert. Die Zeugin bekräftigte, den BF auch weiterhin in ihrem Leben haben zu wollen.

Die Frage, ob er in Afghanistan geboren sei, wurde vom BF bejaht. Er habe Afghanistan im Jahr 2000 mit seiner gesamten Familie verlassen. In Afghanistan habe er ca. sieben oder acht Jahre in der Provinz Ghazni die Schule besucht und im Iran sei er als KFZ-Mechaniker tätig gewesen, da er nicht die Schule besuchen habe dürfen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden vom BF ein Empfehlungsschreiben der Geschäftsführung der XXXX vom 03.11.2020 über das herausragende Engagement des BF, ein Empfehlungsschreiben der Abteilung Buchhaltung/Lohnverrechnung der XXXX vom 16.11.2020 und fünf weitere Empfehlungsschreiben in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara und der Religionszugehörigkeit der Schiiten an. Er reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 01.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich seither durchgehend in Österreich auf.

Dem BF wurde mit Bescheid des BFA vom 19.12.2016, Zl. 1089764706/151474194/BMI-BFA_STM_AST, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Zuletzt wurde ihm mit Bescheid des BFA vom 14.12.2017, Zl. 1089764706/151474194/BMI-BFA_STM_AST_01, gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.12.2019 erteilt. Am 12.11.2019 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung.

Mit Bescheid des BFA vom 24.01.2020 wurde dem BF der ihm mit Bescheid des BFA vom 19.12.2016, Zl. 1089764706/151474194/BMI-BFA_STM_AST, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt.

Der BF stammt aus der Provinz Ghazni und hat in Afghanistan sieben Jahre lang die Schule besucht. Anschließend ist er mit seiner Familie in den Iran gezogen und hat dort als Spengler in einer Werkstatt gearbeitet, da er keine Schule besuchen durfte. Seine Familienangehörigen (Eltern, sieben Brüder und zwei Schwestern) sind nach wie vor im Iran aufhältig. In Afghanistan hat der BF keine familiären Anknüpfungspunkte, er steht lediglich mit einem afghanischen Freund über Facebook in Kontakt.

Der BF hat in Österreich zahlreiche Kontakte geknüpft, Deutschkurse besucht und verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse. Er hat im Bundesgebiet eine Lehre zum KFZ-Mechaniker absolviert, vom 14.09.2017-25.09.2017 an einer Weiterbildung im Bereich KFZ-Elektrik teilgenommen und hat nach erfolgreicher Ablegung seiner Lehrabschlussprüfung einen Arbeitsvertrag als KFZ-Techniker bei der Firma XXXX erhalten. Er ist seit dem 01.04.2019 als KFZ-Mechaniker tätig. Der BF ist im Wesentlichen gesund und arbeitsfähig. Er ist seit dem 25.04.2016 auch als freiwilliger Hilfssanitäter für das Rote Kreuz tätig. Der BF wird von seinem Umfeld als wissbegierig, hilfsbereit und fleißig beschrieben. Der BF ist gesund, selbsterhaltungsfähig und strafgerichtlich unbescholten. Er hat eine Cousine in Österreich.

Dem BF droht bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat kein reales Risiko einer Verletzung im Sinne der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Im Übrigen wird der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang der Entscheidung zugrundgelegt.

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan wiedergegeben:

Länderspezifische Anmerkungen

COVID-19:

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen(RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wieder aufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

Quellen:

AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020

AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020

AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020

GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020

HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020

JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020

RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.

TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020

TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020

UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020

WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020

WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020

XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen(RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wiederaufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

Quellen:

AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020

AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020

AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020

GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020

HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020

JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020

RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.

TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020

TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020

UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020

WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020

WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020

XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020

Stand: 18.5.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).

Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).

Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).

Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung

Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).

Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1. Koordination; 2. Kommunikation innerhalb der Gemeinschaften 3. Monitoring (durch eigens dafür eingerichtete Einheiten – speziell was die Situation von Rückkehrer/innen an den Grenzübergängen und deren weitere Bewegungen betrifft) und 4. Kontrollen an Einreisepunkten – an den 4 internationalen Flughäfen sowie 13 Grenzübergängen werden medizinische Kontroll- und Überwachungsaktivitäten durchgeführt (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020).

Taliban und COVID-19

Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte (TN 2.4.2020; vgl. TD 2.4.2020). In der nördlichen Provinz Kunduz, hätten die Taliban eine Gesundheitskommision gegründet, die direkt in den Gemeinden das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Virus stärkt. Auch sollen Quarantänezentren eingerichtet worden sein, in denen COVID-19-Verdachtsfälle untergebracht wurden. Die Taliban hätten sowohl Schutzhandschuhe, als auch Masken und Broschüren verteilt; auch würden sie jene, die aus anderen Gebieten kommen, auf COVID-19 testen (TD 2.4.2020). Auch in anderen Gebieten des Landes, wie in Baghlan, wird die Bevölkerung im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Moschee über COVID-19 informiert. Wie in der Provinz Kunduz, versorgen die Taliban die Menschen mit (Schutz)material, helfen Entwicklungshelfern dabei zu jenen zu gelangen, die in Taliban kontrollierten Gebieten leben und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen, an (UD 13.3.2020).

Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (NZZ 7.4.2020).

Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten

IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).

IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:

•        Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)

•        Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Behörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).

Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)

Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).

Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).

Quellen:

•        AnA – Andalous (21.4.2020): COVID-19 rips through fragile Afghan health system, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-rips-through-fragile-afghan-health-system-/1812821, Zugriff 23.4.2020

•        ARZ KBL – Arzt in Kabul (7.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

•        BBC (9.4.2020): Coronavirus: The porous borders where the virus cannot be controlled, https://www.bbc.com/news/world-asia-52210479, Zugriff 9.4.2020

•        DW – Deutsche Welle (22.4.2020): Coronavirus: Tough times ahead as Afghanistan struggles to manage pandemic, https://www.dw.com/en/coronavirus-tough-times-ahead-as-afghanistan-struggles-to-manage-pandemic/a-53207173, Zugriff 23.4.2020

•        IOM AUT – International Organization for Migration in Austria (27.3.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

•        IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (13.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

•        IOM – International Organization for Migration (11.5.2020): Return of Undocumented Afghans - Weekly Situation Report (03-09 May 2020), https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_afghanistan-return_of_undocumented_afghans-_situation_report_03-09_may_2020.pdf, Zugriff 13.5.2020

•        NYT – New York Times (22.4.2020): Afghanistan’s Next War, https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/22/magazine/afghanistan-coronavirus.html?searchResultPosition=3, Zugriff 24.4.2020

•        NZZ – Neue Züricher Zeitung (7.4.2020): Die Taliban, dein Freund und Helfer, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-taliban-betreiben-corona-praevention-ld.1550115, Zugriff 9.4.2020

•        TG – The Guardian (1.4.2020): 'No profit, no food': lockdown in Kabul prompts hunger fears, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/no-profit-no-food-lockdown-in-kabul-prompts-hunger-fears, Zugriff 2.4.2020

•        TG – The Guardian (1.4.2020a): Afghanistan braces for coronavirus surge as migrants pour back from Iran, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/afghanistan-braces-for-coronavirus-surge-as-migrants-pour-back-from-iran, Zugriff 2.4.2020

•        TN – Tolonews (9.4.2020): 40 New COVID-19 Cases in Afghanistan, Total 484, https://tolonews.com/health/40-new-covid-19-cases-afghanistan-total-484, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (9.4.2020a): Andarabi: All Kabul Roads Will be Blocked, https://tolonews.com/afghanistan/andarabi-all-kabul-roads-will-be-blocked, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (8.4.2020): Only '300' Ventilators in Afghanistan to Treat COVID-19: MoPH, https://tolonews.com/index.php/afghanistan/only-300-ventilators-afghanistan-treat-covid-19-moph, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (8.4.2020a): Kabul Clini

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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