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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
PaßG 1969 §14 Abs1 Z3 litf idF 1995/507;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 8. Juli 1996, Zl. II-2495/96, betreffend Entziehung von Reisepässen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 8. Juli 1996 wurden die Reisepässe des Beschwerdeführers (Nr. W n1, gültig vom 3. September 1991 bis zum 3. September 2001, und Nr. R n2 gültig vom 7. November 1986 bis 7. November 1991) gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. b und f des Paßgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, entzogen.
Begründend ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 5. Juli 1995 verurteilt worden sei, weil er im Zeitraum von März 1994 bis Anfang September 1994 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer Menge, die das 25-fache der im § 12 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes angeführten Menge überstiegen habe, nach Salzburg eingeführt und in Verkehr gesetzt habe. Es sei dabei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer die einzelnen Einfuhren in der Absicht begangen hätte, sich durch die "wiederkehrende Begehung" eine fortlaufende Nebeneinnahmequelle zu verschaffen. Durch die geschilderte Tathandlung (gewerbsmäßiger Einfuhrschmuggel) hätte der Beschwerdeführer auch "Eingangsabgaben" von insgesamt öS 238.000,-- hinterzogen. Der Beschwerdeführer sei bis Dezember 1994 als Kraftfahrer beschäftigt gewesen. Infolge seines hohen Schuldenstandes und des Umstandes, daß er von seinem Arbeitgeber nur mehr in geringem Umfang und unregelmäßig bezahlt worden sei, sei er auf den Gedanken gekommen (da er als Fernfahrer häufig Fahrten von Holland nach Salzburg unternommen habe), seine finanzielle Lage durch An- und Verkauf von Suchtgift zu verbessern. Er habe gewußt, daß sowohl die Einfuhr als auch das Inverkehrsetzen sowie der Erwerb von Suchtgift verboten und strafbar sei. Vom Gericht sei als mildernd anerkannt worden, daß der Beschwerdeführer ein umfassendes und reumütiges Geständnis abgelegt habe, das zur Wahrheitsfindung wesentlich beigetragen habe, sowie daß der Beschwerdeführer bis zur Verurteilung gerichtlich und finanzstrafbehördlich unbescholten gewesen sei. Das Zusammentreffen eines Verbrechens und dreier Vergehen, "der lange Tatzeitraum sowie die Faktenhäufung und die über die übergroße Menge hinausreichende Menge sowie die mehrfache Qualifikation im Sinne des § 12 Suchtgiftgesetz" hätten als erschwerend gewirkt.
Ausgehend vom Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel sei es der belangten Behörde erlaubt, das Urteil des Landesgerichtes Salzburg zur Beweiswürdigung heranzuziehen. Die belangte Behörde übersehe nicht, daß der Beschwerdeführer bis zu seiner Verurteilung gerichtlich und finanzbehördlich unbescholten gewesen sei. Demgegenüber stehe jedoch die Tatsache, daß er über den Zeitraum vom März 1994 bis Anfang September 1994 in wiederholten "Angriffen" eine "derart große Menge Suchtgift" nach Österreich eingeführt habe. Auch die Absicht, sich "durch wiederkehrende Begehungsweise" eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, sei durch das gegenständliche Urteil und die bisherigen Sachverhaltsfeststellungen verdeutlicht. Es könne daher keinesfalls davon gesprochen werden, daß eine einmalige Begehung einer Straftat vorläge. Ausgehend davon, daß der Beschwerdeführer zu einer "hohen finanziellen Strafe" verurteilt worden sei und sich seine "finanzielle Situation" keinesfalls gebessert habe, vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß die Annahme gerechtfertigt sei, der Beschwerdeführer würde seinen Reisepaß neuerlich dazu benutzen, Suchtgift in einer größeren Menge einzuführen oder in Verkehr zu setzen, um sich damit wiederum eine Einnahmequelle zu verschaffen.
Entgegen der Berufung sei bereits aus der Begründung des Bescheides der Erstbehörde erkennbar, welche Fakten, nämlich der oben geschilderte Sachverhalt, insbesondere die "wiederholten Angriffe" und die große Menge des vom Beschwerdeführer eingeführten Suchtgiftes, als Tatsachen herangezogen worden seien, welche die im § 14 Abs. 1 iVm § 15 des Paßgesetzes umschriebene Annahme rechtfertigten.
Die Gründe, welche das Landesgericht Salzburg veranlaßt hätten, einen Teil der Strafe bedingt nachzusehen, würden keine Bindungswirkungen im Verwaltungsverfahren entfalten und könnten daher die oben beschriebene Annahme nicht entkräften.
Auf dem Boden des geschilderten Sachverhaltes vertrete die belangte Behörde auch die Auffassung, daß auch "der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung" der Berufung des Beschwerdeführers gerechtfertigt sei. Insbesondere vermöge die belangte Behörde dem Vorbringen, daß der Beschwerdeführer am 1. Juli 1996 eine Freiheitsstrafe anzutreten hätte, nichts Gegenteiliges abzugewinnen. Die bereits geschilderte Gefährlichkeit der wiederholten Angriffe des Beschwerdeführers lasse durchaus die Befürchtung zu, daß noch vor dem 1. Juli 1996 die Gefahr einer weiteren Begehung bestehen könnte. Damit läge das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" vor, wodurch der besagte Ausschluß der aufschiebenden Wirkung gerechtfertigt sei.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 30. September 1996, B 2548/96, die Behandlung dieser Beschwerde ablehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren beantragte der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 15 Abs. 1 des Paßgesetzes 1992 ist ein Reisepaß, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen. Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 des Paßgesetzes 1992 (in seiner vorliegend maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 507/1995) ist (u.a.) die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Paßwerber den Reisepaß benützen will, um Zollzuwiderhandlungen zu begehen (lit. b) oder entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen (lit. f).
2.1. Die Beschwerde gesteht zu, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1995 "rechtskräftig wegen § 12 und § 14 SGG, § 36 Waffengesetz, sowie § 35 Abs. 1 Finanzstrafgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, sowie zu einer Geldstrafe von S 200.000,-- verurteilt" worden sei, wobei "der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe zwei Monate, der Geldstrafe S 50.000,-- und der Wert der Ersatzstrafe S 25.000,--" betrage.
Unter dem Titel der inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht die Beschwerde indes geltend, daß zum Zeitpunkt der Begehung der Straftaten durch den Beschwerdeführer "noch keine Gesetzesbestimmung" vorgelegen sei, die zum Entzug seines Reisepasses hätten führen können, da vor der "Paßgesetz-Novelle 1995" jedenfalls die Einfuhr von Suchtgift kein Paßentziehungs- oder Versagungsgrund gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe die der Verurteilung im Jahr 1995 zugrundeliegende Straftat bereits 1994 begangen, eine "Rückwirkung" des § 14 des Paßgesetzes sei in der genannten Novelle - die am 1. Jänner 1996 in Kraft getreten sei - nicht angeordnet worden, weshalb die Entziehung seines Reisepasses unter Heranziehung des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Paßgesetzes in der geltenden Fassung schon deshalb zu Unrecht erfolgt sei.
Ferner würden die im § 14 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. angeführten "Tatsachen" eine "exakte Konkretisierung jener Umstände" erfordern, die die Annahme rechtfertigten, daß der Beschwerdeführer auch weiterhin strafbare Handlungen begehen würde. Die diesbezügliche Beurteilung der belangten Behörde sei mangelhaft, da diese nicht berücksichtigt habe, daß der Beschwerdeführer bis zum Zeitpunkt der Verurteilung unbescholten gewesen sei und sein "umfassendes und reumütiges Geständnis zur Wahrheitsfindung beigetragen" habe; nach den Feststellungen des Gerichtes habe er sich durch die "wiederkehrende Begehungsweise" auch keine "fortlaufende Einnahmequelle", sondern "eine Nebeneinnahmequelle" verschafft. Auch habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer "aus einer besonderen Notsituation heraus" gehandelt habe und durch die "erlassene bedingte Strafnachsicht davon auszugehen" sei, daß der Beschwerdeführer keine weiteren Straftaten begehen werde.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Entgegen der Beschwerde hatte die belangte Behörde - da eine Ausnahme im Sinne des Erkenntnisses VwSlg. 9.315 A/1997 vorliegend nicht zum Tragen kommt - den angefochtenen Bescheid auf die zum Zeitpunkt seiner Erlassung geltende Rechtslage - das ist das Paßgesetz 1992 idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 507/1995 - zu stützen (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Auflage, Wien 1995, Rz 541 sowie die bei Ringhofer, Die Verwaltungsverfahrensgesetze, I, 1987, auf S. 645 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Abgesehen davon ist anzumerken, daß - entgegen der Beschwerde - auch vor der genannten Novelle zum Paßgesetz die Einfuhr von Suchtgift zu einer Paßentziehung führen konnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1992, Zl. 91/19/0137).
Wie der angefochtene Bescheid zeigt, hat die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung nach § 14 Abs. 1 Z. 3 des Paßgesetzes 1992 - anders als die Beschwerde ausführt - sowohl auf den (vom Strafgericht im Zusammenhang mit der Strafbemessung festgehaltenen) Umstand der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers vor seiner Verurteilung im Jahr 1995, auf sein "reumütiges Geständnis" im Strafprozeß als auch auf den von der Beschwerde ins Treffen geführten Umstand einer finanziellen "Notsituation" des Beschwerdeführers Bedacht genommen. Diese Umstände sowie die - im angefochtenen Bescheid zutreffend gewürdigte - teilweise bedingte Verurteilung des Beschwerdeführers lassen aber die im § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. b und f leg. cit. umschriebene Annahme im Hinblick auf den (in der Beschwerde nicht bestrittenen) über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholten strafbaren Handel mit Suchtgift mit einer über das 25-fache der im § 12 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes umschriebenen großen Menge hinausgehenden Suchtgiftmenge (§ 12 Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes) sowie auf den Verstoß gegen andere strafrechtlich bewehrte Rechtsvorschriften nicht als ungerechtfertigt erscheinen. Der Vollständigkeit halber ist zum vorliegend festgestellten Suchtgifthandel auch auf die Erfahrungstatsache hinzuweisen, daß gerade bei einem derartigen Delikt die Gefahr der Wiederholung besonders groß ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0173, mwH). Dem Vorbringen, die belangte Behörde habe in Widerspruch zu dem in Rede stehenden Urteil des Landesgerichtes Salzburg, wonach sich der Beschwerdeführer eine fortlaufende NEBENeinnahmequelle verschafft habe, angenommen, daß er sich auch durch sein strafbares Verhalten eine fortlaufende EINNAHMEquelle verschafft habe, ist entgegenzuhalten, daß es - ebenso wie beim Begriff der Gewerbsmäßigkeit nach § 70 StGB - für die hier maßgebliche Frage nicht darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer neben dieser Einnahmequelle noch andere Einnahmequellen hatte.
3. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den Umstand der bedingten Strafnachsicht, das geständige Verhalten des Beschwerdeführers vor dem Strafgericht und seine behauptete finanzielle Notsituation in dem von ihr geführten Ermittlungsverfahren nicht berücksichtigt, verfehlt. Dem Beschwerdevorbringen, es sei nicht zu erkennen, warum die belangte Behörde angenommen hätte, daß sich die finanzielle Situation des Beschwerdeführers nicht gebessert habe, ist entgegenzuhalten, daß die von der belangten Behörde für diese Annahme gegebene Begründung, die "finanzielle Situation" des Beschwerdeführers habe sich wegen der aus dem Gerichtsurteil ergebenden Zahlungsverpflichtung nicht gebessert, nicht unschlüssig erscheint, zumal der Beschwerdeführer auch nicht dartut, wodurch eine Besserung seiner finanziellen Verhältnisse eingetreten sein soll.
4. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996180456.X00Im RIS seit
06.08.2001