Entscheidungsdatum
09.12.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W119 2181243-1/28E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mario Züger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9. 11. 2017, Zl 1091595006-151583155, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung
A)
I. beschlossen:
Hinsichtlich der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I, II und III des angefochtenen Bescheides wird das Verfahren wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
II. zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV und V. wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 iVm § 9 Absatz 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 iVm § 9 und § 10 Integrationsgesetz wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 18. 10. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich der am 20. 10. 2015 durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG gab der Beschwerdeführer an, dass er aus der Provinz Ghazni stamme und zehn Jahre die Grundschule in Afghanistan besucht habe. Ab seinem fünfzehnten Lebensjahr habe er in Pakistan gelebt. Seinen Fluchtgrund begründete er damit, dass er seine Heimat wegen der Taliban, der dort herrschenden Unruhen und der schlechten Sicherheitslage verlassen habe.
Da beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) Zweifel an der vom Beschwerdeführer behaupteten Minderjährigkeit bestanden, wurde der Beschwerdeführer an einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für medizinische Begutachtungen im Asylverfahren verwiesen, um dort einer Altersfeststellung zugeführt zu werden.
Aus dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten geht hervor, dass zum Untersuchungszeitpunkt am 19. 1. 2015 beim Beschwerdeführer für diesen Zeitpunkt mit dem erforderlichen Beweismaß eine Minderjährigkeit ausgeschlossen werden könne.
Mit Verfahrensanordnung vom 29. 4. 2016 stellte das Bundesamt fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine volljährige Person handle. Als Geburtsdatum werde der XXXX festgesetzt.
Am 19. 10. 2017 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesamt niederschriftlich einvernommen und gab dort eingangs an, dass am XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni in Afghanistan geboren sei. Dazu legte er seine Tazkira vor. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Im Alter von fünfzehn Jahren sei er mit seiner Familie nach Pakistan gezogen, wo er vormittags die Schule besucht und nachmittags als Schneider gearbeitet habe. Er wisse nicht, warum seine Eltern Afghanistan verlassen hätten. Er besitze in Afghanistan keine Verwandten. Seine Eltern und Geschwister würden weiterhin in Pakistan leben. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab er an, dass sein Onkel und ein Nachbar wegen eines Grundstückes gestritten hätten, worauf sein Onkel diesen Nachbarn geschlagen habe und daraufhin mit seiner Frau nach Pakistan geflüchtet sie. Der Nachbar sei dabei ums Leben gekommen. Daraufhin seien die Polizeibehörden gekommen und hätten seinen Vater und einen anderen Onkel mitgenommen. Sie seien unter der Auflage freigelassen worden, entweder jenen Onkel zu finden, der den Nachbarn getötet habe oder der Familie des Getöteten Geld zu leisten. Das Bundesamt hielt fest, dass der Redefluss des Beschwerdeführers stark beeinträchtigt sei.
Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Vater ein Kommandant gewesen sei, worauf ihn die Taliban zu einer Zusammenarbeit hätten zwingen wollen.
Überdies habe sein Bruder in Kabul die Universität besucht und bei einer Organisation für Menschenrechte gearbeitet. Sein Bruder sei der Ansicht gewesen, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte hätten. Daraufhin habe der Mullah der Ortschaft vermutet, dass der Bruder des Beschwerdeführers ein Ungläubiger sei.
Zudem sei sein Cousin in einem Auto mit sechs weiteren Personen von den Taliban entführt und in weiterer Folge geköpft worden.
Ferner sei er in Pakistan Opfer einer Vergewaltigung geworden.
Der Beschwerdeführer legte das ÖSD Zertifikat A2 vom 8. 11. 2016 sowie eine Bestätigung über seine Tätigkeit als Küchenhilfe vor.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 9. 11. 2017, Zl 1091595006-151583155, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ebenfalls abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).
Mit Verfahrensanordnung vom 13. 11. 2017 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung amtswegig als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.
Dagegen erhob der durch seine vormalige rechtsfreundliche Vertreterin vertretene Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 14. 12. 2017 Beschwerde.
Mit Schriftsatz vom 14. 9. 2018 wurde ein Lehrvertrag, ausgestellt am 20. 8. 2018, für die Ausbildung im Lehrberuf Tischler sowie eine entsprechende Beschäftigungsbewilligung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 19. 11. 2018 wurde ein Befundbericht vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer in Stresssituationen oder in Situationen, in denen er über seine Flucht sprechen solle, massiv zu stottern beginne.
Mit Schriftsatz vom 26. 11. 2019 wurde ein Schreiben des Arbeitgebers des Beschwerdeführers vorgelegt, wonach der Beschwerdeführer das erste Lehrjahr mit einem Notendurchschnitt von 2,0 abgeschlossen habe.
Mit Schriftsatz vom 24. 7. 2020 wurde eine Lehrvertragsberichtung vorgelegt, wonach der Beschwerdeführer nunmehr den Lehrberuf Tischlereitechniker – Schwerpunkt Produktion ausübe. Zudem wurde das Jahreszeugnis für die zweite Fachklasse vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 17. 10. 2020 legte der nunmehrige rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers folgende Unterlagen vor:
Pflichtschulabschlusszeugnis vom 19. 1. 2018
Teilnahme an einem Landeslehrlingswettbewerb für Tischler
Teilnahmebestätigungen für das Lehrlingscollege 1 und 2
Empfehlungsschreiben des auszubildenden Betriebes
Benützungsvertrag für ein Zimmer
Einkommenssteuerbescheide 2018 und 2019
Nachweis über freiwillige Tätigkeiten bei der Lebenshilfe Linz
sowie zahlreiche Empfehlungsschreiben.
Am 13. 11. 2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer führte aus, dass er wegen seines gestörten Redeflusses in Behandlung sei, diese jedoch wegen der derzeitig herrschenden Pandemie unterbrochen worden sei.
Die Verhandlung wurde in weiterer Folge in der Weise fortgesetzt, dass der Beschwerdeführer die ihm von der Richterin gestellten Fragen schriftlich in Dari beantwortete und diese von der Dolmetscherin übersetzt wurden.
Der Beschwerdeführer gab weiters an, dass sich seine Eltern nunmehr im Iran aufhalten würden. Er wiederholte in weiterer Folge sein beim Bundesamt getätigtes Fluchtvorbringen und ergänzte es damit, dass sein Vater und er selbst mittels eines Rekrutierungsschreibens von den Taliban zur Mitarbeit aufgefordert worden seien. Dieses Rekrutierungsschreiben habe er nach Erhalt des negativen Bescheides des Bundesamtes erhalten. Auf die Frage, warum er dieses erst zu diesem Zeitpunkt vorgelegt habe, begründete er dies damit, dass sein Bruder, der erst nach ihm geflüchtet sei, dieses Schreiben mitgenommen habe.
Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan befürchte er sowohl von den Nachbarn als auch von den Taliban getötet zu werden. Überdies sei er als Hazara und Schiit in besonderer Weise gefährdet.
Im Anschluss an die Befragung des Beschwerdeführers zog der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers in Absprache mit dem Beschwerdeführer die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I, II und III des Bescheides vom 9. 11. 2017 zurück und beantragte, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung plus zu erteilen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und stammt aus dem Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni. Er stellte am 18. 10. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Alter von fünfzehn Jahren übersiedelte er mit seinen Familienangehörigen nach Pakistan.
Neben seiner Muttersprache Dari verfügt er über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2.
Der Beschwerdeführerin hat keine Kontakte zu in Afghanistan lebenden Verwandten. Die Eltern des Beschwerdeführers leben im Iran, ein Bruder in der Schweiz.
Der Beschwerdeführer verfügt weder über Familienmitglieder noch über sonstige nahe Angehörige in Österreich.
Er absolvierte in Österreich im Jahr 2018 den Pflichtschulabschluss und begann im August 2018 eine Lehre als Tischler, die im September 2018 in den Lehrberuf Tischlereitechniker – Schwerpunkt Produktion berichtigt wurde. Die Lehrzeit endet im September 2022. Er besucht derzeit die dritte Klasse einer Berufsschule. Seit Beginn des Lehrverhältnisses ist der Beschwerdeführer selbsterhaltungsfähig und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer wird von seinem Arbeitgeber als fleißig und motiviert beschrieben. Neben zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten in seiner Heimatgemeinde absolvierte der Beschwerdeführer das Lehrlingscollege 1 und 2. Überdies nahm er an einem Landeslehrlingswettbewerb der Tischler im 1. Lehrjahr teil.
Er ist im Besitz eines Benützungsvertrages für ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft.
Der Beschwerdeführer legte zahlreiche Empfehlungsschreiben von Freunden und Bekannten vor, die sich für seinen Verbleib in Österreich einsetzen.
Zusammengefasst kann daher festgestellt werden, dass die Integrationsleistungen des Beschwerdeführers als außergewöhnlich zu qualifizieren sind.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen hinsichtlich des Namens des Beschwerdeführers und der Staatsangehörigkeit werden anhand seiner glaubhaften Angaben im Verfahren getroffen. Das im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht festgelegte Geburtsdatum ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Tazkira, wonach diese am XXXX ausgestellt wurde und der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ausstellung siebzehn Jahre alt war, sodass damit von einem Geburtsdatum lautend auf XXXX auszugehen ist.
Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen auf A2-Niveau gründen sich auf die im Zuge des Verfahrens vorgelegten Zertifikate.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über keine Anknüpfungspunkte in Afghanistan mehr verfügt, werden anhand seiner eigenen glaubhaften Angaben im gesamten Verfahren getroffen.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Oktober 2015 einen Asylantrag stellte und sich seither mehr als fünf Jahre im Bundesgebiet aufhält, erfolgt anhand des unzweifelhaften Akteninhaltes.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder über Familienmitglieder noch über sonstige nahe Angehörige in Österreich verfügt, ergibt sich anhand seiner eigenen glaubhaften, gleichbleibenden Angaben im Verfahren.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Pflichtschulabschluss absolvierte und seit dem Jahr 2018 eine Lehre zum Tischlereitechniker – Schwerpunkt Produktion, macht, ergibt sich aus dem vorgelegten Zeugnis und dem Lehrvertrag. Dieser Umstand zeigt deutlich, dass der Beschwerdeführer bereits in den Arbeitsmarkt integriert ist und sich selbst erhalten kann.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer zahlreiche Empfehlungsschreiben von Freunden und Bekannten, die sich für ihren Verbleib in Österreich einsetzen, vorgelegt hat, ergeben sich anhand des unzweifelhaften Akteninhaltes, dies trifft auch die zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers zu.
Die Feststellung hinsichtlich der strafrechtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus dem eingeholten aktuellen Strafregisterauszug.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Zu A)
Spruchpunkt I.:
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Insoweit ist auf die diese Frage regelnden Vorschriften (unter Bedachtnahme auf die dazu ergangene Rechtsprechung) abzustellen (vgl. zu ausdrücklich im VwGVG angeordneten Konstellationen, in denen eine Verfahrenseinstellung vorzunehmen ist, § 16 Abs. 1 und § 43 Abs. 1 VwGVG). Bezogen auf nach dem AVG geführte Berufungsverfahren ist davon auszugehen, dass - auch ohne diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung - eine Verfahrenseinstellung (u.a.) dann vorzunehmen ist, wenn die Berufung rechtswirksam zurückgezogen wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 56 mwN). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047) hat diese Auffassung auch für das von Verwaltungsgerichten geführte Beschwerdeverfahren Platz zu greifen (vgl. Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5; die Einstellung in Beschlussform im Fall der Zurückziehung der Beschwerde bejahend auch Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Rz 7; Schmied/Schweiger, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, 112; Grabenwarter/Fister, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit4 232; Hengstschläger/Leeb, AVG², § 13 Rz 42; Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts³ Rz 191).
Aufgrund der in der Verhandlung vom 13. 11. 2020 erfolgten rechtswirksamen Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I, II und III des Bescheides des Bundesamtes vom 9. 11. 2017 ist das Verfahren über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I, II und III des gegenständlichen Bescheides mit Beschluss einzustellen.
Spruchpunkt II.:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der Beschwerdeführer ist als afghanischer Staatsangehöriger kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBL I Nr 68/2017 erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
Gemäß § 9 Abs. 5 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
Gemäß § 9 Abs. 6 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl Nr 60/1974 gilt.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (Vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).
Hierbei ist neben diesen (beispielhaft angeführten) Kriterien, aber auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt rechtswidrig oder lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VfGH vom 12.06.2007, B 2126/06; VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07-9; VwGH vom 24.04.2007, 2007/18/0173; VwGH vom 15.05.2007, 2006/18/0107, und 2007/18/0226).
Nach ständiger Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
Der Aspekt der Bindungen zum Heimatstaat steht in direkter Beziehung zur Integration im Bundesgebiet: Je länger der Aufenthalt im Gastland, desto stärker wird der Verlust an Bindungen zum Heimatland sein. Mit der Abnahme von Bindungen zum Herkunftsstaat wird in der Regel auch der Integrationsgrad im Bundesgebiet zunehmen. Das Fehlen jeglicher Verwandter und sonstiger Bezugspersonen im Heimatland wird ebenso wie der zwischenzeitlich eingetretene Verlust der Sprache des Heimatlandes für die Frage der Zumutbarkeit einer Reintegration maßgebliche Bedeutung erlangen (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 858 f.).
Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.
Das bedeutet Folgendes:
Der Beschwerdeführer hält sich seit über fünf Jahren in Österreich auf. Es sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass er in Österreich ein Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK führt.
Die ihn betreffenden aufenthaltsbeendenden Maßnahmen können daher allenfalls lediglich in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen:
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007, 852ff.).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/18/0187; 6.9.2017, Ra 2017/20/0209; 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072; 20.6.2017, Ra 2017/22/0037, jeweils mwN). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann jedoch auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. etwa VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0191, mwN).
Richtig ist zwar, dass dieser über fünf Jahre dauernde legale Aufenthalt lediglich auf die Stellung eines letztlich unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz zurückzuführen ist, jedoch ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass die Dauer dieses Asylverfahrens nicht vom Beschwerdeführer zu vertreten ist.
Der Beschwerdeführer hat seine Aufenthaltsdauer auch nicht durch wiederholte Stellung unbegründeter Asylanträge zu verlängern versucht (vgl. auch VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0033), sondern war sein einziges Verfahren auf internationalen Schutz seit Oktober 2015 anhängig, ohne dass dem Beschwerdeführer diese lange Verfahrensdauer zur Last gelegt werden kann.
Zudem muss ihm zugutegehalten werden, dass er seinen Aufenthalt in Österreich für seine Integration intensiv genutzt hat, um seinen Eingliederungswillen in die österreichische Gesellschaft unter Beweis zu stellen.
Dies äußerst sich zum einen darin, dass er am 8. 11. 2016 das ÖSD-Sprachzertifikat A2 erworben hat. Zum anderen ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer bereits den Pflichtschulabschluss absolvierte und seit August 2018 eine Lehre als Tischler, die im September 2018 in den Lehrberuf Tischlereitechniker – Schwerpunkt Produktion berichtigt wurde, macht. Die Lehrzeit endet im September 2022. Er besucht derzeit die dritte Klasse einer Berufsschule. Damit konnte sich der Beschwerdeführer am österreichischen Arbeitsmarkt integrieren und somit seine Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Auch hat der Beschwerdeführer ein intensives soziales Netzwerk geknüpft, wie aus den zahlreichen vorgelegten Empfehlungsschreiben zu ersehen ist. Aus diesen geht hervor, dass sich der Beschwerdeführer besonderer Beliebtheit erfreut und sich sehr gut in die lokale Gesellschaft integriert hat. Zudem übte er bereits freiwillige Tätigkeiten in seiner Heimatgemeinde aus.
Da die Angehörigen des Beschwerdeführers nicht in Afghanistan leben, ist auch Bindung des Beschwerdeführers an seinen Herkunftsstaat sehr abgeschwächt, was sich bereits durch sein berufliches Engagement zeigt. Das bedeutet, dass es dem Beschwerdeführer in besonderer Weise gelungen ist, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren.
Insgesamt kann im Falle des Beschwerdeführers von einer sehr guten Integration ausgegangen werden. Wie dargestellt, beruhen die drohenden Verletzungen des Privatlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 1. 7. 2009, U992/08 bzw. VwGH 17. 12. 2007, 2006/01/0216; 26. 6. 2007, 2007/01/0479; 16. 1. 2007, 2006/18/0453; 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22. 6. 2006, 2006/21/0109; 20. 9. 2006, 2005/01/0699), im gegenständlichen Fall überwiegen aber aufgrund der dargestellten exzeptionellen Umstände in einer Gesamtabwägung aller Umstände dennoch die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung, für die sich in der vorliegenden Konstellation keine begründeten Rechtfertigungen erkennen lassen (vgl. VwGH 22. 2. 2005, 2003/21/0096; vgl. ferner VwGH 26. 3. 2007, 2006/01/0595, sowie VfSlg 17.457/2005). Die vom Bundesamt verfügte Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist angesichts der vorliegenden Bindungen unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.
Da die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist, ist ihm gemäß § 58 Abs. 3 AsylG ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen. Da ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen ist, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 AsylG, § 52 FPG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan nicht mehr vor; die Spruchpunkte IV, V und VI des angefochtenen Bescheides sind zu beheben.
Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 15, BGBl. I Nr. 41/2019)
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.
Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 10 Abs. 2 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, als erfüllt anzusehen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 18, BGBl. I Nr. 41/2019)
3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,
4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand "Deutsch" durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,
5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach "Deutsch" positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach "Deutsch" auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft" im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,
6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach "Deutsch" nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,
7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder
8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.
Gemäß § 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) idgF gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.
Der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" unterscheidet sich von der "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 nur in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten, und zwar dahin, dass die "Aufenthaltsberechtigung" insoweit weniger Rechte einräumt. Statt wie bei der "Aufenthaltsberechtigung plus", die einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt iSd § 17 AuslBG vermittelt, besteht nämlich für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das Erfordernis einer Berechtigung nach dem AuslBG.
Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 14a Abs. 4 Z 2 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse, darunter auch des ÖIF (vgl. § 9 der Integrationsvereinbarungs-VO, BGBl II Nr. 449/2005).
Gemäß § 7 Abs. 1 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung, StF BGBl. II Nr. 449/2005 idF BGBl. II Nr. 205/11, beinhaltet das Modul I der Integrationsvereinbarung die Erreichung des A2 Niveaus des gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich bereits am 8. 11. 2016 das ÖSD-Zertifikat, Niveau A2 absolviert, weshalb bei ihm die Voraussetzung zur Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ vorliegt.
Das Bundesverwaltungsgericht erteilt daher dem Beschwerdeführer aus diesem Grund mit konstitutiver Wirkung den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 für die Dauer von zwölf Monaten (§ 54 Abs. 2 Asylgesetz 2005). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer diesen Aufenthaltstitel in Kartenform auszustellen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse Integration Interessenabwägung Privatleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig soziales Netzwerk Teileinstellung teilweise BeschwerderückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W119.2181243.1.00Im RIS seit
09.03.2021Zuletzt aktualisiert am
09.03.2021