TE Bvwg Beschluss 2020/12/15 W136 2230818-1

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Veröffentlicht am 15.12.2020
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Entscheidungsdatum

15.12.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
HDG 2014 §64
HDG 2014 §67
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W136 2230818-1/5E

beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Georg ZIMMER, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vom 23.01.2019, GZ S91555/69-DiszBW/2019, betreffend Behebung einer Disziplinarverfügung beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis der Verwendungsgruppe MBO 2, führt den Dienstgrad Oberwachtmeister und versieht im XXXX Dienst.

2. Laut Führungsblatt Nr. 26/19 wurde über den BF am 18.10.2019 mit mündlich erlassener Disziplinarverfügung des Einheitskommandanten eine Geldbuße in der Höhe von € 300,- rechtskräftig verhängt, weil er gegenüber einem namentlich genannten untergegebenen Gefreiten die Aussage „Ich habe am Wochenende deiner Mutter gefickt“ sowie „ähnlich anzügliche Bemerkungen“ getätigt habe.

Aus dem Führungsblatt ergibt sich, dass die Anlastung sich aus den niederschriftlichen Einvernahmen durch S2/Milkdo T im Zusammenhang mit dem Verdacht der sexuellen Belästigung der Frau Korporal XXXX ergäbe und wegen der angeführten Pflichtverletzung am 25.09.2019 ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei. Als mildernd sei das Schuldeingeständnis, die Mitwirkung an der Wahrheitsfindung sowie die Stellungnahme des Gefreiten über die Entschuldigung/Wegfall der Kränkung, als erschwerend die dem BF aufgrund seiner Dienstverwendung als stv ZgKdt zukommende besondere Vorbildwirkung gewertet worden.

3. Mit dem bekämpften Bescheid, dem BF am 31.01.2020 durch Hinterlegung zugestellt, behob der Bundesminister für Landesverteidigung /Abteilung Disziplinar- und Beschwerdewesen gemäß § 67 Abs. 1 Z 1 HDG 2014 die vorgenannte Disziplinarverfügung wegen nicht vorliegender Voraussetzungen gemäß § 64 Abs. 1 HDG 2014 und verwies die Disziplinarsache an die zuständige Disziplinarbehörde zurück.

Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen der aufgrund der von Frau Korporal XXXX erhobenen Vorwürfe durchgeführten Erhebungen des Militärkommandos Tirol der BF eingeräumt habe, den OWm XXXX im Rahmen einer „Kadertaufe“ mit einem Haselnussstecken mehrmals scherzhaft auf das Hinterteil geschlagen zu haben. Weiters hätten zwei Zeugen angegeben, dass der BF behauptet hätte „ihre Mutter gefickt zu haben“, jedoch sei im weiteren Verfahren nur eine Aussage berücksichtigt worden. Im gegenständlichen Fall wäre wie in allen Fällen von belästigenden, unangebrachten Aussagen von Vorgesetzten gegenüber Untergebenen der Effekt einer „Autoritätsanbiederung“ bzw. „Autoritätstoleranz“ zu bewerten gewesen. Der abschließende Erhebungsbericht des Militärkommandos Tirol sei nicht nachvollziehbar, Inhalte und Aussagen seien selektiv verwertet worden. Bei der Konfrontation mit den Zeugenaussagen habe der BF nur einen Vorfall eingeräumt, durch Zeugenaussagen wären jedoch mehrere Gegebenheiten belegt Auch die Bewertung der fahrlässigen Begehung durch den Einheitskommandanten sei nicht nachvollziehbar.

Nach Darlegung der gesetzlichen Grundlagen wurde begründend wörtlich wie folgt ausgeführt:

„Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Disziplinarverfügung sind unter anderem, wenn ein Beschuldigter eine Pflichtverletzung gestanden hat oder eine Pflichtverletzung auf Grund eines eindeutigen Sachverhalts als erwiesen anzunehmen ist (§ 64 Abs 1 Z 1 HDG 2014). Im vorliegenden Fall wurde jedoch ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Dieses Ermittlungsverfahren beruht insbesondere auf dem Erhebungsbericht des Militärkommando Tirol/Stabsabteilung 2 (GZ S91524/1-MilKdo T/Kdo/StbAbt2/2019 (1). Wenn die Disziplinarbehörde zur Feststellung des Sachverhaltes Ermittlungen anstellt, entfällt eine der Voraussetzungen des § 64 Abs 1 HDG 2014 und es kann kein abgekürztes Verfahren durchgeführt werden. Damit hätte die Disziplinarbehörde ihre Entscheidung in der Form eines Disziplinarerkenntnis fällen müssen. Somit liegen die Voraussetzungen des § 64 Abs 1 Z 1 nicht vor, weshalb die Voraussetzungen des § 67 Abs 1 Z 1 HDG 2014 erfüllt sind.

Die Disziplinarbehörde hat weder den Sachverhalt umfassend erhoben, noch die notwendigen Schlüsse daraus gezogen um den Sachverhalt zweifelsfrei und unter Würdigung der Glaubhaftigkeit der Aussagen zu ermitteln. Auf Grund des Sachverhaltes kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit einer Strafe der Geldbuße für die festgestellten Pflichtverletzungen das Auslangen gefunden werden kann. Aus diesem Grund liegen auch die Voraussetzungen des § 64 Abs 1 Z 2 HDG 2014 nicht vor, weshalb die Voraussetzungen des § 67 Abs 1 Z 1 HDG 2014 erfüllt sind.“

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter am 28.02.2020 fristgerecht Beschwerde, beantragte die ersatzlose Behebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Behebung und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde sowie die Anberaumung einer Beschwerdeverhandlung. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde sich im angefochtenen Bescheid über weite Strecken mit mutmaßlichen Vorfällen, die nicht Gegenstand der aufgehobenen Disziplinarverfügung seien, beschäftige, weil sie übersehe, dass sich die aufgehobene Disziplinarverfügung ausschließlich auf die dort angeführte als Pflichtverletzung qualifizierte Aussage des BF gegenüber dem Gefreiten XXXX beziehe. Wenn die belangte Behörde meine, der BF habe die Pflichtverletzung nicht gestanden und läge die Voraussetzung des § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a HDG nicht vor, so sei darauf zu verweisen, dass jedenfalls lit. b. leg.cit. erfüllt sei. Weshalb im Hinblick auf den der aufgehobenen Disziplinarverfügung zugrunde liegenden Sachverhalt mit der Geldbuße nicht das Auslangen zu finden sei, werde überhaupt nicht begründet. Der Schluss der belangten Behörde, dass bei Vorliegen oder Durchführung eines Ermittlungsverfahrens eine Disziplinarverfügung ausgeschlossen sei, sei unrichtig, tatsächlich bedeute die Wortfolge, dass der Einheitskommandant nicht gezwungen ist, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen.

7. Mit Schreiben vom 08.05.2020 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den bekämpften Bescheid vor. Gegen das Beschwerdevorbringen, dass das Vorliegen eines Ermittlungsverfahrens eine Disziplinarverfügung nicht ausschließe, spräche grundsätzlich schon der Gesetzestext, jedenfalls jedoch die Erläuternden Bemerkungen zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, GP XXIV RV 2200, wo klargestellt werde, dass eine Voraussetzung für die Erlassung einer Disziplinarverfügung die fehlende Notwendigkeit für ein förmliches Ermittlungsverfahren ist. Die Beschwerde gehe nicht weiter auf die vorgebrachte Differenzierung der Behörde zwischen den § 64 Abs 1 Z 1 und Z 2 HDG 2014 ein. Die Disziplinarbehörde habe im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht alle hervorgetretenen Sachverhaltselemente richtig und vollständig bewertet. Beim zu beurteilenden Sachverhalt habe es sich bei Weitem nicht nur um eine einmalige Aussage zu einem Untergebenen, der Beschwerdeführer hätte am Wochenende seine „Mutter gefickt“ gehandelt. Die Disziplinarbehörde hätte im Sinne des § 25 HDG 2014 alle im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bekannt gewordenen Pflichtverletzungen verbinden und in einem Verfahren abhandeln müssen. Bei der Berücksichtigung der an Hand der Niederschriften mit Zeugen aufgekommenen Verdachtsmomente wäre aus Sicht der entscheidenden Behörde eine Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission zu erwarten gewesen.

8. Mit E-Mail vom 18.05.2020 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde um Vorlage eines Zustellnachweises des bekämpften Bescheides sowie eines Einbringungsvermerkes (Kuvert, Eingangsstempel). Der Zustellnachweis wurden von der belangten Behörde am 19.05.2020 nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist zulässig.

Der unter I. (Verfahrensgang) dargelegte Sachverhalt ergibt sich aus der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage und wurde der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid einer Bundesbehörde in einer Angelegenheit der unmittelbaren Bundesverwaltung und wurde rechtzeitig innerhalb der Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG eingebracht. Sie ist damit zulässig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

1. Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Heeresdisziplinargesetzes 2014 – HDG 2014, BGBl. I Nr. 2/2014 (Wiederverlautbarung), zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 16/2020, von Bedeutung:

Abgekürztes Verfahren und Disziplinarverfügung

§ 64. (1) Der für den Beschuldigten zuständige Einheitskommandant darf in einem bei ihm anhängigen Disziplinarverfahren ohne Ermittlungsverfahren eine Disziplinarverfügung erlassen (abgekürztes Verfahren), sofern
1. a)         ein Beschuldigter vor einem Vorgesetzten, der zumindest Einheitskommandant ist, eine Pflichtverletzung gestanden hat oder
b)         eine Pflichtverletzung auf Grund eines eindeutigen Sachverhalts als erwiesen anzunehmen ist oder
c)         ein Beschuldigter wegen des der Pflichtverletzung zugrunde liegenden Tatbestandes rechtskräftig im Rahmen eines strafgerichtlichen Verfahrens verurteilt oder verwaltungsstrafbehördlichen Verfahrens bestraft wurde
und
2.         keine strengere Disziplinarstrafe erforderlich ist als
a)         ein Ausgangsverbot bei Soldaten, die den Grundwehrdienst leisten, oder
b)         eine Geldbuße bei allen anderen Soldaten.

(2) Hinsichtlich der Einstellung gilt § 62 Abs. 3 und 4.

(3) Disziplinarverfügungen können mündlich oder schriftlich ergehen. Sie sind gegen einen Wehrpflichtigen, der im Zeitpunkt der Erlassung dem Miliz- oder Reservestand angehört, jedenfalls schriftlich zu erlassen.

(4) Der Spruch der Disziplinarverfügung hat zu enthalten
1.         die als erwiesen angenommenen Taten,
2.         die durch die Taten verletzten Pflichten,
3.         die verhängte Strafe oder einen Schuldspruch ohne Strafe,
4.         den allfälligen Ausschluss der Veröffentlichung und
5.         die angewendeten gesetzlichen Bestimmungen.

Disziplinarverfügungen bedürfen keiner Begründung.

Aufhebung von Entscheidungen

§ 67. (1) Der Bundesminister für Landesverteidigung hat eine Disziplinarverfügung unabhängig von deren Rechtskraft von Amts wegen aufzuheben und die Disziplinarsache an den Disziplinarvorgesetzten zu verweisen, wenn bei deren Erlassung
1.         die Voraussetzungen nach § 64 Abs. 1 nicht vorgelegen sind oder
2.         eine strengere Disziplinarstrafe als nach § 64 Abs. 1 Z 2 verhängt wurde.

Diese Aufhebung ist binnen drei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zulässig.

(2) …..

(3) Der Bundesminister für Landesverteidigung hat eine Disziplinarverfügung oder ein Disziplinarerkenntnis von Amts wegen aufzuheben und die Disziplinarsache an jenen Disziplinarkommandanten zurückzuverweisen, der die aufgehobene Entscheidung erlassen hat, wenn die Bestimmungen über die Strafbemessung gröblich verletzt wurden. Diese Aufhebung ist zulässig,
1.         sofern gegen das Disziplinarerkenntnis eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben wurde, bis zu dessen rechtskräftiger Entscheidung oder
2.         in allen anderen Fällen während des Zeitraumes von der Erlassung der Entscheidung bis drei Monate nach Eintritt der Rechtskraft.

(4) Der Bundesminister für Landesverteidigung hat die Entscheidung eines Disziplinarkommandanten, mit der ein Disziplinarverfahren eingestellt wurde, von Amts wegen aufzuheben und die Disziplinarsache an jenen Disziplinarkommandanten zurückzuverweisen, der diese Entscheidung erlassen hat, wenn die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 3 für die Einstellung nicht vorgelegen sind. Diese Aufhebung ist zulässig während des Zeitraumes von der Einstellung des Verfahrens bis drei Monate
1.         nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung oder,
2.         im Falle der formlosen Einstellung, nach dieser Entscheidung.

(5) Eine Aufhebung nach den Abs. 1 bis 4 ist in jedem Fall schriftlich zu verfügen.“

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen.

2. Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

2.1. Die belangte Behörde hat die Aufhebung der Disziplinarverfügung zum einen damit begründet, dass die Erlassung einer Disziplinarverfügung überhaupt unzulässig wäre, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde, weil das fehlende Ermittlungsverfahren gemäß § §64 Abs. 1 HDG 2014 Voraussetzung für die Erlassung einer Disziplinarverfügung wäre. Begründet wird dies mit dem Wortlaut des Gesetzestextes sowie den Erläuterungen zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz. Dem ist nicht zu folgen.

Zunächst ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht, dass das Fehlen eines Ermittlungsverfahrens eine Voraussetzung für die Erlassung einer Disziplinarverfügung wäre, sondern dass im abgekürzten Verfahren eine Disziplinarverfügung ohne Ermittlungsverfahren ergehen darf. Voraussetzung dafür ist im Wesentlichen, dass der Sachverhalt geklärt ist, zB aufgrund eines Geständnisses, und dass keine strengere Disziplinarstrafe als ein Ausgangsverbot oder eine Geldbuße erforderlich ist.

Wenn die belangte Behörde weiters zur Begründung auf die Erläuterungen zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz BMLV verweist, ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die Bestimmung über das abgekürzte Verfahren bereits im HDG 1985 enthalten war, wobei aus der damaligen Formulierung auch sprachlich eindeutig hervorgeht, dass das fehlende Ermittlungsverfahren nicht Voraussetzung für eine Disziplinarverfügung ist, sondern eine Ermächtigung an den Kommandanten darstellt. Die von der Behörde herangezogenen Erläuterungen zu RV 2200, GP XXIV, Seite 11, lauten:

„ ….. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens soll jedenfalls durch den Einheitskommandanten erfolgen. Dieser hat zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung einer Disziplinarverfügung (dh ohne förmliches Ermittlungsverfahren) durch ihn selbst vorliegen. Diese Voraussetzungen hängen im Wesentlichen vom Strafrahmen sowie vom Sachverhalt (zB Geständnis) ab und entsprechen weitestgehend den geltenden Voraussetzungen über die Strafbefugnis des Einheitskommandanten bzw. den einschlägigen Bestimmungen des § 131 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) über die Disziplinarverfügung. ….“

Auch diese Erläuterungen geben keinen Hinweis auf die von der belangten Behörde vorgenommene Gesetzesauslegung.

Aber selbst wenn man der – wie oben ausgeführt irrigen - Meinung der belangten Behörde, dass nach einem Ermittlungsverfahren keine Disziplinarverfügung mehr erlassen werden darf, folgen würde, würde dies im konkreten Fall keine Behebung der Disziplinarverfügung stützen. Denn im abgekürzten Verfahren kann das (disziplinarrechtliche) Ermittlungsverfahren durch den die Disziplinarverfügung erlassenden Kommandanten selbst entfallen kann. Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht erkennbar, dass der die Disziplinarverfügung erlassende Kommandant irgendwelche Ermittlungen getätigt hat, sondern fußt die Disziplinarverfügung, wie sich aus dem Führungsblatt ergibt, auf den niederschriftlichen Einvernahmen durch S2/MilKdoT, welche aufgrund einer Beschwerde der Kpl XXXX durchgeführt wurden.

2.2. Die belangte Behörde hat die Behebung der Disziplinarverfügung weiters damit begründet, dass „die Disziplinarbehörde weder den Sachverhalt umfassend erhoben [hat], noch die notwendigen Schlüsse daraus gezogen um den Sachverhalt zweifelsfrei und unter Würdigung der Glaubhaftigkeit der Aussagen zu ermitteln“. Damit zielt die Behörde offenkundig auf Sachverhalte bzw. eine Verdachtslage, die mit der Disziplinarverfügung gerade nicht abgehandelt wurden. Um diese nicht vollständig geklärten oder gewürdigten Sachverhalte einer disziplinären Würdigung zuzuführen, wäre die zuständige Disziplinarbehörde entweder anzuleiten, das Verfahren fortzusetzen oder, sofern zwischenzeitig eine Einstellung erfolgt sein sollte, diese Einstellung nach § 67 Abs. 4 HDG 2014 zu beheben. Mit Behebung der gegenständlichen Disziplinarverfügung ist jedoch für andere Sachverhalte nichts gewonnen.

Wenn die belangte Behörde mit der Beschwerdevorlage darauf hinweist, dass die Disziplinarbehörde gemäß § 25 HDG 2014 alle im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bekannt gewordenen Pflichtverletzungen hätte verbinden und in einem Verfahren abhandeln müssen, so ist darauf zu verweisen, dass gemäß § 25 Abs. 3 HDG 2014, die Disziplinarbehörden Disziplinarverfahren, die nach Abs. 1 leg. cit. zu verbinden sind, gegen einzelne Beschuldigte oder hinsichtlich einzelner Pflichtverletzungen gesondert führen dürfen, wenn dies zur Vermeidung erheblicher Verzögerungen des Verfahrens zwingend erforderlich ist. Hinsichtlich eines, offenkundig geklärten, disziplinären Sachverhaltes eine Disziplinarverfügung zu erlassen, ist also selbst bei Bestehen eines weiteren Verdachtes, grundsätzlich zulässig.

2.3. Schließlich hat die belangte Behörde, die gegenständliche Aufhebung ausdrücklich auch auf § 64 Abs 1 Z 2 iVm § 67 Abs 1 Z 1 HDG 2014, gestützt. Sie hat jedoch mit keinem Wort begründet, auf Grund welcher Umstände sie zu dem Ergebnis kommt, dass im gegenständlichen Fall die Verhängung einer strengeren Strafe als eine Geldbuße erforderlich erscheint. In Hinblick darauf, dass der BF als Unteroffizier gegenüber einem untergebenen Chargen derart ordinäre oder beleidigende Aussagen tätigt, kann dies aber auch nicht ausgeschlossen werden. Ob die Verhängung einer strengeren Strafe als einer Geldbuße erforderlich ist, wird von den konkreten Umständen im Einzelfall abhängen, so zB. welche „ähnlich anzüglichen Bemerkungen“ der BF gegenüber dem Gfr XXXX noch getätigt hat, wie oft diese gefallen sind, oder ob der BF disziplinär unbescholten ist. All diese Ermittlungen hat die belangte Behörde jedoch nicht durchgeführt, weshalb die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides letztlich nicht möglich erscheint.

Mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung sei nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch zu machen. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde soweit er sich auf § 64 Abs 1 Z 2 iVm § 67 Abs 1 Z 1 HDG 2014 stützt und das diesem zugrunde liegende Ermittlungsverfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich ist. Die Vornahme der notwendigen Erhebungen durch das BVwG selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter A) zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Schlagworte

Beleidigung Disziplinarerkenntnis Disziplinarverfügung Ermittlungspflicht Ermittlungsverfahren Geldbuße Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Pflichtverletzung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2230818.1.00

Im RIS seit

09.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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