TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/15 L502 2169999-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.2020
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Entscheidungsdatum

15.12.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L502 2169999-1/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA Dr. Bernhard ROSENKRANZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.08.2017, FZ. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I, II und III, erster Satz, als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III, zweiter Satz, stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

3. Gemäß § 55 Abs. 1 Z. 1 AsylG wird XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung“ erteilt.

4. Die Spruchpunkte III, dritter Satz, und IV werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 28.04.2015 im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am gleichen Tag fand seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt und wurde im Anschluss daran das Verfahren zugelassen.

3. Sein mit 04.09.2015 seine Bevollmächtigung anzeigende anwaltliche Vertreter und er selbst legten am 08.01.2016, 22.01.2016 und 11.02.2016 diverse Beweismittel (medizinischer Befund, Personalausweis, Personalausweise seiner Familienangehörigen) vor.

4. Ein von ihm der zuständigen Führerscheinbehörde zur Umschreibung vorgelegter irakischer Führerschein wurde im Ergebnis einer urkundentechnischen Überprüfung vom 20.05.2016 als Fälschung qualifiziert.

5. Am 20.04.2017 bzw. 27.04.2017 brachte sein Vertreter eine Stellungnahme sowie weitere medizinische Befunde in Vorlage.

6. Am 29.06.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Salzburg, einvernommen. Dabei legte er weitere Beweismittel (diverse Fotos, Scheidungsurkunde) vor.

7. Am 11.07.2017 gab er eine schriftliche Stellungnahme zu den länderkundlichen Informationen des BFA ab und legte weitere Beweismittel (Übersetzung der Scheidungsurkunde, Militärbuch samt Übersetzung) vor.

8. Der von ihm vorgelegte irakische Personalausweis wurde im Ergebnis einer urkundentechnischen Überprüfung vom 04.07.2017 als Fälschung qualifiziert.

9. Mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde vom 17.08.2017 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

10. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 18.08.2017 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

11. Gegen den seinem Vertreter am 21.08.2017 zugestellten Bescheid wurde mit dessen Schriftsatz vom 29.08.2017 innerhalb offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

12. Am 07.09.2017 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung L502 zugewiesen.

13. Mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom XXXX wurde der BF wegen XXXX zu einer XXXX verurteilt.

14. Mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom …. XXXX wurde der BF von einer Anklage wegen XXXX freigesprochen.

Mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom XXXX wurde der BF wegen XXXX zu einer (zusätzlichen) XXXX verurteilt.

15. Am 24.07.2020 führte das BVwG eine mündliche Verhandlung in der Sache des BF in seiner Anwesenheit und der eines weiteren Rechtsvertreters durch, in der der BF diverse Integrationsnachweise vorlegte.

16. Dem Ersuchen des BVwG vom 30.07.2020 folgend legte das XXXX den auf die genannte Verurteilung Bezug nehmenden Strafakt vor.

17. Der Aufforderung des BVwG folgend legte der BF am 24.08.2020, 03.09.2020, 17.09.2020, 22.10.2020 verschiedene Einkommensnachweise vor.

18. Mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom XXXX wurde der BF von einer Anklage wegen XXXX freigesprochen.

19. Der Aufforderung des BVwG vom 10.11.2020 folgend gab der Vertreter des BF am 24.11.2020 eine schriftliche Stellungnahme zu den familiären Verhältnissen des BF und zu seiner beruflichen Situation ab.

20. Als länderkundliche Beweismittel führte das BVwG aktuelle Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF ins Verfahren ein und erstellte Auszüge des Zentralen Melderegisters, des Grundversorgungsinformationssystems, der Sozialversicherungsdatenbank und des Strafregisters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist irakischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung.

Er wurde in der südirakischen Stadt XXXX geboren und wuchs dort bis zum 12. Lebensjahr auf. Dann verlegte seine Herkunftsfamilie ihren Wohnsitz nach XXXX , wo er selbst bis zur Ausreise seinen Hauptwohnsitz hatte. Er begann 1994 im Hafen von XXXX zu arbeiten und ging dort parallel bis 1998 einem Lehramtsstudium für Geografie nach, das lediglich in eine kurzfristige Beschäftigung als Lehrer mündete, danach war er bis 2015 in XXXX in der Hafenabfertigung beschäftigt. In XXXX hielt er sich nur an den Wochenenden auf. Nach seiner unselbständigen Beschäftigung betrieb er ab Jänner 2014 für ca. ein Jahr in XXXX eine Gesellschaft mit vier Dienstnehmern, deren Zweck der Abschluss eines Dienstleistungsvertrags mit dem irakischen Verkehrs- und Transportministeriums zur Versorgung von Schiffen mit Treibstoff und Lebensmitteln war.

Er ehelichte in XXXX im Irak im Jahr 2001 eine irakische Staatsangehörige, aus dieser Ehe stammen drei Töchter, die 2003, 2007 und 2013 geboren wurden. Die Ehe wurde im April 2016 in Abwesenheit des BF auf Betreiben seiner Gattin zivilgerichtlich geschieden. Sein Vater ist im Jahr 2014, sein Mutter im Jahr 2000 verstorben. Er hat fünf Brüder und vier Schwestern, eine Schwester und zwei Brüder reisten ebenso als Asylwerber nach Österreich ein, einer dieser Brüder reiste gemeinsam mit seinen Familienangehörigen im Jänner 2019 wieder freiwillig aus, die anderen beiden Geschwister sind weiterhin als Asylwerber in Österreich. Zwei weitere Brüder des BF leben in Dubai und einer in den USA. Im Irak, in XXXX bzw. XXXX , leben zwei verheiratete Schwestern mit ihren Familienangehörigen. Der Verbleib der vierten Schwester ist unbekannt.

Er verließ den Irak ausgehend von XXXX im Jänner 2015 und gelangte über die Türkei schlepperunterstützt bis Österreich, wo er am 28.04.2015 den gg. Antrags auf internationalen Schutz stellte und sich seither aufhält.

1.2. In Österreich führt er eine Beziehung mit einer österr. Staatsangehörigen marokkanischer Herkunft, die verwitwet ist und zwei erwachsene Kinder aus der früheren Ehe hat. Diese Beziehung besteht seit November 2018 und mündete im Dezember 2018 in eine Eheschließung nach islamischem Ritus. Ein gemeinsamer Wohnsitz bestand ab August 2019, seit November 2020 bewohnt er wieder ein Quartier der Grundversorgung für Asylwerber, die Beziehung ist aber weiterhin aufrecht.

Er ging von September 2019 bis Oktober 2020 einer erlaubten selbständigen Erwerbstätigkeit nach, ist aktuell aber ohne Beschäftigung.

Er ist Diabetiker der Stufe 2 und begegnet dieser Erkrankung schon seit seinem früheren Aufenthalt im Irak mit einer geringen Medikamenteneinnahme, im Übrigen ist er gesund und voll arbeitsfähig.

1.3. Er wurde mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom XXXX wegen XXXX zu einer XXXX verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil des XXXX aus XXXX wurde er von einer weiteren Anklage wegen XXXX freigesprochen.

Mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom XXXX wurde er wegen XXXX zu einer (zusätzlichen) XXXX verurteilt. Aus dieser Verurteilung resultierte ein zivilrechtlicher Vergleich zwischen ihm und dem Land Salzburg auf ratenweise Rückzahlung von XXXX .

Mit rechtskräftigem Urteil des XXXX vom XXXX wurde er von einer weiteren Anklage wegen XXXX freigesprochen.

1.4. Er wurde im April 2014 in XXXX Opfer einer Entführung durch Mitglieder einer schiitischen Miliz, nach Zahlung eines Lösegeldes in der Form der Übertragung des Eigentums an einer Immobilie wurde er nach wenigen Tagen wieder freigelassen und ging danach weiter seiner beruflichen Tätigkeit nach.

Nicht feststellbar war, dass er, wie von ihm behauptet wurde, im Jänner 2015 nochmals von dritten Personen entführt und bedroht wurde, die von ihm die Beendigung seiner selbständigen geschäftlichen Tätigkeit im Hafen von XXXX forderten.

Er ist bei einer Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgungsgefahr ausgehend von Dritten oder staatlichen Organen ausgesetzt.

1.5. Er ist bei einer Rückkehr in den Irak auch keiner sonstigen Gefährdung aus individuellen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage ausgesetzt und verfügt dort über eine hinreichende Lebensgrundlage.

1.6. Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war im ersten Quartal 2020 von einer relativ niedrigen Anzahl an Vorfällen mit zivilen Opfern gekennzeichnet, so standen insgesamt ca. 1.200 Vorfällen insgesamt ca. 500 zivile Opfer gegenüber. Für XXXX wurden 181 Vorfälle mit 69 Todesopfern registriert. (ACCORD_ACLED, Kurzübersicht über sicherheitsrelevante Vorfälle, 23.06.2020)

Mit 30.06.2020 standen im Irak insgesamt weiterhin ca. 1.3 Mio. Intern Vertriebenen bereits ca. 4,7 Mio. in ihrer Heimat zurückgekehrte Personen gegenüber. (IOM_Iraq_Displacement Tracking Matrix_ Report 116)

Bis zum 5.8.2020 gab es im Irak 134.722 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 5.017 Todesfällen (WHO 5.8.2020A; vgl. UNHCR 4.8.2020). 96.103 Personen sind wieder genesen (UNHCR 4.8.2020). Der höchste Anstieg an Infektionszahlen wurde in XXXX gemessen, gefolgt von XXXX und Sulaymaniyah in der Kurdischen Region im Irak (KRI) (UNHCR 4.8.2020).

Aufgrund der weiterhin stark steigenden Infektionszahlen hat die irakische Regierung für 30.7. bis 9.8.2020 eine neuerliche komplette Ausgangssperre beschlossen (BMEIA 6.8.2020; vgl. GoI 27.7.2020; UNHCR 4.8.2020). Diese Einschränkungen gelten nicht für die KRI (BMEIA 6.8.2020).

Bereits im Juli 2020 gab das Gesundheitsministerium bekannt, dass die Krankenhäuser fast vollständig ausgelastet sind (IRC 2.7.2020). Es herrschen Engpässen bei der Versorgung mit Sauerstoff und mit Schutzausrüstungen (MEMO 3.8.2020).

Nachdem private Kliniken im Juli temporär geschlossen wurden (GoI 7.7.2020), erlaubt die irakische Regierung deren Wiedereröffnung, sofern sie die vom Gesundheitsministerium und dem irakischen Ärzteverband festgelegten Bedingungen erfüllen (GoI 27.7.2020).

Die Sicherheitskräfte sind angewiesen, die Richtlinien zur Schutzmaskenpflicht, zur sozialen Distanzierung und weitere umzusetzen, einschließlich der Verhängung von Geldstrafen und der Beschlagnahme von Fahrzeugen derjenigen, die gegen die Regeln verstoßen (GoI 27.7.2020; vgl. MEMO 3.8.2020).

Seit dem 23.7.2020 sind die internationalen Flughäfen XXXX , Najaf und XXXX wieder für kommerzielle Linienflüge geöffnet. Sämtliche Flughäfen wurden zuvor am 17.3.2020 geschlossen (Al Jazeera 23.7.2020; vgl. Rudaw 1.8.2020). Passagiere müssen vor dem Boarding einen negativen Covid-19 Test vorweisen (Al Jazeera 23.7.2020). Mit der Wiedereröffnung des Internationalen Flughafens Erbil (KRI) am 1.8. wird es auch wieder eine Luftverbindung zwischen XXXX und Erbil geben (Rudaw 1.8.2020).

(Kurzinformation der Staatendokumentation, Naher Osten, COVID-19, aktuelle Lage; 14.08.2020)

Die Arbeitslosenrate ist in XXXX mit 9,7% niedriger als die landesweite mit 11,3%. Die Infrastruktur in XXXX funktioniert größtenteils, Unterbrechungen der Stromversorgung gehören aber zum Alltag. Die Lage am Wohnungsmarkt hat sich in XXXX durch den Zustrom an Binnenvertriebenen verschärft. Der allgemeine Zustand der öffentlichen Krankenhäuser in XXXX sowie die Qualität ihrer Leistungen wird als schlecht beschrieben.

(EASO_Informationsblatt_Zentrale sozioökonomische Indikatoren, Februar 2019)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes in der Rechtssache des BF, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Berücksichtigung der vom BF im Beschwerdeverfahren beigebrachten Beweismittel, die Einsichtnahme in vom Bundesverwaltungsgericht beigeschaffte länderkundliche Informationen und durch die amtswegige Einholung von Auskünften der og. Datenbanken.

Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen.

2.2. Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit sowie Religionszugehörigkeit des BF konnten angesichts der von ihm vorgelegten Urkunden, seiner Sprachkenntnisse und seiner Ortsangaben sowie seiner sonstigen dazu in glaubhafter Form gemachten Angaben festgestellt werden.

Die Feststellungen zum Lebenswandel und zu den familiären Verhältnissen des BF im Irak vor der Ausreise und dem aktuellen Aufenthalt und Lebenswandel seiner Verwandten resultieren aus der Zusammenschau seiner Aussagen dazu im erstinstanzlichen Verfahren und vor dem BVwG.

Die Feststellungen zur aktuellen Lebenssituation des BF in Österreich stützen sich auf die von ihm im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden und die vom BVwG eingeholten Informationen aus den genannten Datenbanken.

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat resultieren aus den vom BVwG dazu beigeschafften länderkundlichen Berichten in der Zusammenschau mit den Aussagen des BF im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG, woraus sich keine Hinweise auf eine existentielle Gefährdung des BF aufgrund der allgemeinen Lage ergeben haben, insbesondere hat er selbst über das Vorbringen zu seinen Ausreisegründen hinaus keine individuelle Gefährdung im Fall der Rückkehr behauptet.

2.3. Zu den Feststellungen unter Pkt. 1.4.:

2.3.1. Dass der BF im April 2014 in XXXX Opfer einer Entführung mit den festgestellten Folgen wurde, hat er vor dem BFA und dem BVwG im Wesentlichen gleichlautend dargelegt. Eine zeitliche Abweichung in den beiden Darstellungen in der Form, dass er vor dem BFA von einer zehntägigen Anhaltung, vor dem BVwG jedoch von einer achttägigen gesprochen hat, entfaltet für das BVwG nicht jene Bedeutung, dass sie deshalb das gesamte behauptete Geschehen mit mangelnder Glaubhaftigkeit belasten würde. Zudem stellt es sich auch im Licht der Länderinformationen zur Lage im Südirak, die u.a. von organisierter Kriminalität zum Zweck der Lösegelderpressung sprechen, als plausibel dar.

Als entscheidungswesentlich war dieses Geschehen betreffend jedoch zu betrachten, dass es sich längere Zeit vor der Ausreise des BF zugetragen hat und er ungeachtet dieses Vorfalls weiterhin an Ort und Stelle seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit nachging, sodass es schon nicht als kausal für die Ausreise im Jänner 2015 anzusehen war. Darüber hinaus knüpft sich daran auch keine Prognose in der Form, dass es bei einer nunmehrigen Rückkehr des BF in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit neuerlich zu einem solchen Übergriff auf ihn kommen könnte, dies zum einen angesichts des seither vergangenen Zeitraums von mehreren Jahren und zum anderen ausgehend davon, dass der BF ohnehin nicht darauf angewiesen ist sich gerade wieder in XXXX niederzulassen oder dort zumindest einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, hatte er doch seinen Hauptwohnsitz in XXXX .

2.3.2. Zwar hat er auch eine zweite Entführung im Jänner 2015 in zeitlicher Hinsicht wie auch vom Ablauf her in grundsätzlich gleichlautender Form vorgetragen. Dieses Geschehen stellt sich für das Gericht jedoch als nicht plausibel und deshalb als nicht glaubhaft dar.

Als Anlass für die Entführung nannte er das Bestreben Dritter, ihm einen geschäftlichen Auftrag abspenstig zu machen, den er auf der Grundlage einer Vereinbarung mit einer Regierungsstelle vom Jänner 2014 in der Form erhalten habe, dass er im Hafen von XXXX befindliche Schiffe mit Dienstleistungen seiner Gesellschaft versorgen sollte. Dieses Ansinnen hätten diese Personen mit Gewalt durchgesetzt, indem er entführt und misshandelt und schließlich zur sofortigen Ausreise gezwungen worden sei.

Dem Gericht erschloss sich jedoch nicht, weshalb er über die Beendigung dieses Auftrags hinaus sogar zur Ausreise gezwungen worden sein sollte, weil sich das Interesse seiner Verfolger seiner Aussage nach auf die Übernahme dieses Geschäftsfeldes gerichtet haben soll, wie er in der Beschwerdeverhandlung deutlich machte (vgl. S. 11 der Niederschrift), wofür eine Ausreise nicht erforderlich gewesen wäre.

Nicht schlüssig war insbesondere aber die Darstellung des BF, dass er nach seiner Ausreise über einen seiner Brüder, der auch an seiner Gesellschaft beteiligt gewesen sei, herausgefunden haben will, wer hinter diesem Anschlag auf ihn gestanden sei, nämlich Personen aus Regierungskreisen, die zuvor im Zuge der Ausschreibung des Auftrags dem BF unterlegen wären. Einerseits erscheint es als wenig wahrscheinlich, dass solche Personen angesichts ihrer von ihm behaupteten Stellung ihm von vornhinein unterlegen waren. Andererseits stellt es sich als nicht plausibel dar, dass sein Bruder die angeblichen Täter bzw. Hintermänner der Entführung herausgefunden haben will. Alleine aus der Behauptung, dass nach der Ausreise des BF bestimmte andere Auftragnehmer aus Regierungskreisen diesen Auftrag übernommen hätten, lässt sich die Schlussfolgerung, dass diese auch seine Verfolger gewesen seien, nicht ableiten. Als nicht schlüssig stellte sich dementsprechend auch die Replik des BF auf die Frage dar, ob so einflussreiche Personen aus Regierungskreisen nicht andere Wege gehabt hätten um zu diesem Auftrag zu kommen, als ihn zu entführen und zu erpressen, indem er lediglich darauf verwies, dass er im Ausschreibungsverfahren vor diesen den Zuschlag bekommen habe bzw. diese ihm dort unterlegen seien, widerspricht dies doch gerade seiner Behauptung, dass sie solchen Kreisen angehört hätten. Schließlich erwiderte er auf die Frage, weshalb er auf deren Forderung hin auch noch das Land verlassen sollte, wenn sie ohnedies den Auftrag an sich gerissen hatten, dass er wegen Vertragsbruchs eine Pönale zahlen hätte müssen, was keine schlüssige Erklärung darstellte. Im Übrigen behauptete er in der Beschwerdeverhandlung, er habe lediglich das Land verlassen ohne sonstige Handlungen zu setzen, während er vor dem BFA noch gemeint hatte, er habe unter dem Druck der Misshandlung ausdrücklich auf seinen Auftrag verzichtet.

Über die fehlende Glaubhaftmachung des zweiten Entführungs- und Erpressungsgeschehens hinaus gelang es dem BF letztlich auch nicht aufzuzeigen, weshalb er – hier unter dem Blickwinkel der hypothetischen Annahme der Richtigkeit dieses Geschehens – sechs Jahre später einer Gefährdung durch die früheren Verfolger ausgesetzt sein sollte, da, wie schon dargelegt wurde, sich der behauptete Vorfall alleine auf den damals von ihm übernommenen geschäftlichen Auftrag einer vormaligen Gesellschaft von ihm bezogen hatte, was daher bloß ein vor Jahren abgeschlossenes Geschehen ohne weiteren Bezug zur Gegenwart umfasste.

2.4. Zur Feststellung, dass der BF bei einer Rückkehr in die Heimat auch über eine hinreichende Lebensgrundlage verfügt, gelangte das Gericht zum einen angesichts eigener beruflicher Vorerfahrungen und Kenntnisse des BF als selbsterhaltungsfähige Person, was er nicht zuletzt auch mit seiner Erwerbstätigkeit in Österreich zeigte, und zum anderen angesichts der Anwesenheit zweier Schwestern und deren Angehörigen im Irak, die ihn erforderlichenfalls unterstützten könnten, wie auch der Möglichkeit der finanziellen Unterstützung jener in den USA und am arabischen Golf ansässigen Brüder, die ihn auch in Österreich unterstützten, woraus ja der strafrechtlich relevante Vorwurf des betrügerischen Bezugs von Grundversorgungsleistungen gegen ihn resultierte.

Das BVwG ging im Lichte der Aussagen des BF jedenfalls von einer Niederlassungsmöglichkeit für ihn in XXXX aus, wo er auch bereits vor der Ausreise ansässig war.

III. Rechtliche Beurteilung

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 7 B-VG wurde der Asylgerichtshof mit 1.1.2014 zum Bundesverwaltungsgericht, die Mitglieder des AsylGH wurden zu Mitgliedern des BVwG.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Die vom BF behauptete Bedrohung durch Dritte war nicht als glaubhaft anzusehen.

1.3. Die Beschwerde war sohin zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen.

2.2. Somit war zu klären, ob im Falle der Rückführung der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter „außergewöhnlichen Umständen“ können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr („real risk“) – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Der EGMR geht allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Jüngst hat der EGMR im Fall PAPOSHVILI vs. Belgium weitere grundsätzliche Ausführungen zu diesem Thema getätigt:

„(175) [...] Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung verschlimmert wird oder droht verschlimmert zu werden, die sich aus Haftbedingungen, einer Ausweisung oder anderen Maßnahmen ergibt, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können. Der GH ist jedoch nicht daran gehindert, eine Rüge eines Bf. unter Art. 3 EMRK zu prüfen, wo die Quelle des Risikos der untersagten Behandlung im Empfangsstaat aus Faktoren stammt, die weder direkt noch indirekt die Verantwortung der Behörden dieses Landes begründen können.

(181) Aus dieser Rekapitulation seiner Rechtsprechung zieht der GH den Schluss, dass die Anwendung von Art. 3 EMRK nur auf Fälle, wo die von einer Ausweisung betroffene Person dem Tod nahe ist – was seit dem Urteil N./GB seine Praxis war –, Fremde vom Nutzen dieser Bestimmung ausgeschlossen hat, die schwer krank sind, deren Zustand aber weniger kritisch ist. Als Konsequenz daraus hat die Rechtsprechung seit N./GB keine detailliertere Orientierung betreffend die in N./GB genannten »sehr außergewöhnlichen Fälle« geboten, die sich von dem in D./GB geprüften Fall unterscheiden.

(183) Die »anderen sehr außergewöhnlichen Fälle« im Sinne des Urteils N./GB, die eine Angelegenheit unter Art. 3 EMRK aufwerfen können, sollten nach Ansicht des GH so verstanden werden, dass sie sich auf die Ausweisung einer schwer kranken Person betreffende Situationen beziehen, in denen stichhaltige Gründe für die Annahme aufgezeigt wurden, dass sie, obwohl sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr ist, mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Empfangsstaat oder des fehlenden Zugangs zu solcher Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu werden, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Der GH betont, dass diese Situationen einer hohen Schwelle für die Anwendung von Art. 3 EMRK in Fällen entsprechen, welche die Ausweisung von an einer schweren Erkrankung leidenden Fremden betreffen. Gemäß Art. 1 EMRK liegt die primäre Verantwortung für die Umsetzung der garantierten Rechte und Freiheiten bei den nationalen Behörden, die daher vom Standpunkt des Art. 3 EMRK die Ängste der Bf. beurteilen und die Risiken einschätzen müssen, denen diese im Fall der Abschiebung in den Empfangsstaat ausgesetzt wären.

(185) In derartigen Fällen wird die aus Art. 3 EMRK erwachsende Verpflichtung der Behörden, die Integrität der betroffenen Personen zu schützen, folglich in erster Linie durch angemessene Verfahren erfüllt, die eine Durchführung einer solchen Prüfung erlauben.

(186) Im Kontext dieses Verfahrens ist es Sache der Bf., Beweise vorzubringen, die zeigen können, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, sie würden im Fall der Vollstreckung der angefochtenen Maßnahme einem realen Risiko ausgesetzt, einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass dem präventiven Zweck von Art. 3 EMRK ein gewisser Grad an Spekulation innewohnt und von den betroffenen Personen nicht verlangt werden kann, eindeutige Beweise für ihre Behauptung, einer verbotenen Behandlung unterworfen zu werden, zu erbringen.

(187) Wenn solche Beweise erbracht werden, ist es Sache der Behörden des ausweisenden Staates, im Zuge der innerstaatlichen Verfahren jeden dadurch aufgeworfenen Zweifel zu zerstreuen. Die behauptete Gefahr muss einer genauen Prüfung unterzogen werden, im Zuge derer die Behörden im ausweisenden Staat die vorhersehbaren Konsequenzen der Ausweisung auf die betroffene Person im Empfangsstaat im Lichte der dort herrschenden allgemeinen Lage und der persönlichen Umstände des Betroffenen erwägen müssen. [...]

(188) [...] Worum es hier geht, ist die negative Verpflichtung, Personen nicht der Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung zu unterwerfen. Folglich muss die Auswirkung der Abschiebung auf die betroffene Person beurteilt werden, indem ihr Gesundheitszustand vor der Abschiebung damit verglichen wird, wie er sich nach der Überstellung in den Empfangsstaat entwickeln würde.

(189) Was die zu berücksichtigenden Faktoren betrifft, müssen die Behörden des ausweisenden Staates sich anhand des Einzelfalls vergewissern, ob die im Empfangsstaat generell verfügbare Versorgung in der Praxis für die Behandlung der Krankheit des Bf. ausreichend und angemessen ist, um zu verhindern, dass er einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt wird. Maßstab ist nicht das im ausweisenden Staat herrschende Versorgungsniveau. Es geht nicht darum sich zu vergewissern, ob die im Empfangsstaat gewährte Versorgung jener entspricht, die vom Gesundheitssystem des ausweisenden Staates geboten wird, oder dieser unterlegen ist. Aus Art. 3 EMRK kann auch kein Recht abgeleitet werden, eine bestimmte Behandlung im Empfangsstaat zu erhalten, die für die übrige Bevölkerung nicht verfügbar ist.

(190) Die Behörden müssen auch berücksichtigen, inwieweit die fragliche Person tatsächlich Zugang zu dieser Behandlung und diesen Einrichtungen im Empfangsstaat haben wird. In diesem Zusammenhang stellt der GH fest, dass er in früheren Fällen die Zugänglichkeit von Versorgung bezweifelt und auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, die Kosten von Medikamenten und Behandlung, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzes und die Distanz zu berücksichtigen, die zurückgelegt werden muss, um die erforderliche Behandlung zu erhalten.

(191) Wenn nach Prüfung der relevanten Information ernste Zweifel hinsichtlich der Auswirkung der Abschiebung auf die betroffene Person bestehen [...], muss der ausweisende Staat als Voraussetzung für die Abschiebung individuelle und ausreichende Zusicherungen des Empfangsstaats erhalten, wonach eine angemessene Behandlung verfügbar und für die betroffenen Personen zugänglich sein wird, sodass sie sich nicht in einer Art. 3 EMRK widersprechenden Situation wiederfinden.

(192) Der GH betont, dass in die Ausweisung schwer kranker Personen betreffenden Fällen das Ereignis, das die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auslöst und die Verantwortung des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründet, nicht das Fehlen medizinischer Infrastruktur im Empfangsstaat ist. Es geht auch nicht um eine Verpflichtung des ausweisenden Staates, die Diskrepanzen zwischen seinem Gesundheitssystem und dem Versorgungsniveau im Empfangsstaat zu mildern, indem er allen Fremden ohne Niederlassungsrecht in seinem Hoheitsgebiet kostenlose und unbeschränkte Gesundheitsversorgung gewährt. Die Verantwortung unter der Konvention, um die es in solchen Fällen geht, ist jene des ausweisenden Staates aufgrund einer Handlung – in diesem Fall der Ausweisung –, die dazu führen würde, dass eine Person der Gefahr einer von Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung ausgesetzt wird.

2.3. Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind im Lichte der notorischen Informationen zur allgemeinen Sicherheitslage in der Herkunftsregion (vgl. die Feststellungen oben) nicht hervorgekommen.

Auch stichhaltige Hinweise auf eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), kamen nicht hervor.

Zudem wäre auch kein Hinweis ersichtlich geworden, dass er sich in die dortige Gesellschaft nicht wieder eingliedern könnten.

2.4. Vor diesem Hintergrund erwies sich die Annahme des Bundesamtes, es lägen im gegenständlichen Fall keine stichhaltigen Gründe mehr für die Annahme des realen Risikos einer Gefährdung des BF im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend.

2.5. Im Hinblick darauf war die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.1. § 10 AsylG lautet:

(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3.       der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

§ 57 AsylG 2005 lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

§ 58 AsylG 2005 lautet:

(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5.       ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2.       bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3.       gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1.       das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2.       der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.       ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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