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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 26. Juni 1995, Zl. Abt. 12/7022/7100 B, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer (ein türkischer Staatsangehöriger) beantragte am 28. Februar 1995 Arbeitslosengeld und gab in seinem Antrag an, bis 11. April 1988 in Österreich beschäftigt und seit 1989 bis Februar 1995 in der Türkei gewesen zu sein. Dazu legte der Beschwerdeführer zwei Arbeitsbescheinigungen betreffend Beschäftigungsverhältnisse aus dem Jahr 1985 und aus den Jahren 1987 und 1988 vor.
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 22. März 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, daß ihm "noch 140 Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung" auf die Erfüllung der Anwartschaft gemäß § 14 AlVG fehlten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, daß er zwischen Mai 1989 und März 1995 in der Türkei als Bauer beschäftigt gewesen sei und somit einen Antrag auf Rahmenfristerstreckung stelle, damit diese Beschäftigungszeiten auch berücksichtigt werden könnten. In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung des Ministeriums für Landwirtschafts- und dörfliche Angelegenheiten der Türkei darüber vor, daß er zwischen 1989 und 1995 in der Landwirtschaft tätig gewesen sei.
Mit Bescheid vom 26. Juni 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Nach Hinweis unter anderem auf § 14 Abs. 2 AlVG führte die belangte Behörde begründend aus, daß der Beschwerdeführer "um die Anwartschaft zu erwerben, ... im letzten Jahr vor der Antragstellung, also vom 28. Februar 1993 bis 28. Februar 1995 (Rahmenfrist) insgesamt mindestens 140 Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung im Inland vorweisen müssen". Diese Rahmenfrist verlängere sich um die Zeit, in der der Beschwerdeführer im Ausland beschäftigt gewesen sei, also auf die Zeit vom 1. Mai 1987 bis 28. Februar 1995. Da der Beschwerdeführer jedoch auch in diesem Zeitraum keine Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung nachweisen könne, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Nach der Aktenlage war der Beschwerdeführer zuletzt bis 11. April 1988 im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt; er hat danach vom 6. Juli bis 27. August 1988 und vom 20. April bis 30. April 1989 Arbeitslosengeld bezogen. Während der übrigen Zeit war er teils bloß arbeitssuchend gemeldet, teils im Bezug von Krankengeld, zuletzt vom 5. bis 8. Mai 1989. Eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung im Inland hat der Beschwerdeführer seither nicht zurückgelegt.
Gemäß § 14 Abs. 6 AlVG sind die in den Abs. 4 und 5 angeführten Zeiten (das sind die auf die Anwartschaft anzurechnenden Zeiten im Inland und im Ausland) bei der Ermittlung der Anwartschaft nur einmal zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer kann daher aus seinen zuletzt im Jahre 1988 zurückgelegten Beschäftigungszeiten, die für die Anwartschaft im Jahre 1989 berücksichtigt wurden, keinen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld ableiten.
Gemäß § 19 Abs. 1 AlVG (in der hier noch anzuwendenden Fassung VOR der Novellierung durch Art. 23 Z. 13 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201) ist jedoch Arbeitslosen, die das zuerkannte Arbeitslosengeld nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch nehmen, der Fortbezug des Arbeitslosengeldes für die restliche zulässige Bezugsdauer zu gewähren, wenn die Geltendmachung innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren gerechnet vom Tag des letzten Bezuges des Arbeitslosengeldes erfolgt und wenn, abgesehen von der Anwartschaft, die Voraussetzungen für einen Anspruch erfüllt sind. Die Dreijahresfrist verlängert sich gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz AlVG um Ruhenszeiträume gemäß § 16 Abs. 1 AlVG.
Gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG ruht das Arbeitslosengeld während des Aufenthaltes im Ausland.
Der Beschwerdeführer hat nach den von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 15. März 1995 abgefragten Daten der Versicherungsdatei vom 20. April bis 30. April 1989 (zuletzt) Arbeitslosengeld bezogen. Nach einem handschriftlichen Vermerk auf der Ablichtung des diesbezüglichen Karteiblattes seien noch 20 Tage Arbeitslosengeld aus diesem Bezug offen. Auch im angefochtenen Bescheid wurde nach der Rechtsmittelbelehrung dem Beschwerdeführer ein Hinweis darauf gegeben, daß aufgrund des nachgewiesenen Auslandsaufenthaltes ein Anspruch auf einen Fortbezug des Arbeitslosengeldes von 20 Tagen bestehe, den der Beschwerdeführer im Jahre 1989 nicht verbraucht habe.
Da gemäß § 19 Abs. 2 AlVG ein Anspruch auf Fortbezug des Arbeitslosengeldes nur dann nicht gegeben ist, wenn der Arbeitslose die Voraussetzungen für eine neue Anwartschaft erfüllt und ihm daraus ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht, der sowohl hinsichtlich der Dauer des Bezuges als auch hinsichtlich des Ausmaßes des Arbeitslosengeldes nicht geringer ist als der Anspruch aufgrund des früher zuerkannten Anspruches auf Arbeitslosengeld, hätte die belangte Behörde schon im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer keinen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben hat, den Fortbezugsanspruch im Sinne des § 19 Abs. 1 AlVG prüfen und gegebenenfalls Arbeitslosengeld als Fortbezug zuerkennen müssen. Eines besonderen Antrages darauf bedurfte es nicht, weil es sich beim Fortbezug um keine andere Leistung als um Arbeitslosengeld handelt, welches der Beschwerdeführer aber ohnehin beantragt hat.
Da die belangte Behörde (abgesehen vom erwähnten Hinweis am Ende des angefochtenen Bescheides, dem aber normative Wirkung nicht zukommt) keine Ermittlungen zu der Frage, ob noch ein Fortbezugsanspruch des Beschwerdeführers offen ist, angestellt hat, obgleich dies nach der Aktenlage (insbesondere nach der Dauer des Arbeitslosengeldbezuges, wie sie aus der Kopie des Karteiblattes aus dem Jahr 1989 hervorgeht) nahegelegen wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b AlVG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995080340.X00Im RIS seit
18.10.2001