TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/17 G305 2206659-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.2020
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Entscheidungsdatum

17.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


G305 2206659-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, StA.: Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.08.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX.12.2020 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Erstverfahren

1.1. Am XXXX.11.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte irakische Staatsangehörige, XXXX, geboren am XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am selben Tag wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass der Irak kein sicheres Land mehr sei. Sie hätten einen XXXX gehabt und seien ihnen XXXX gestohlen worden. Dies sei bei der Polizei zur Anzeige gebracht und zwei Verdächtige eines anderen Familienclans verhaftet worden. Nach zwei Tagen sei sein Vater mit seinem kleinen Bruder mit einem Auto gefahren und von Mitgliedern dieses Familienclans verfolgt worden. Bei einem Halt an einer Tankstelle sei das Feuer aus Gewehren eröffnet worden und das Auto seines Vaters in Flammen aufgegangen. Sein Bruder und sein Vater seien schwer verletzt worden. Wenige Zeit später sei der Vater entführt worden und habe seine Mutter gemeint, dass es besser sei, wenn er (Anm.: der BF) und sein Bruder das Land verlassen würden.

Zur Reiseroute befragt, gab der BF an, dass er und sein (Anm.: in einem gesonderten Verfahren behandelten) Bruder am XXXX.10.2015 von XXXX ausgehend mit dem Flugzeug nach Istanbul geflogen seien. Nach einem Tag Aufenthalt seien sie schlepperunterstützt mit einem Schlauchboot auf die Insel Mytilini gefahren, wo ihnen durch die Polizei Fingerabdrucke abgenommen worden seien. Aufgrund eines Landesverweises hätten sie mit einer Fähre nach Athen übergesetzt und dann mit verschiedenen Verkehrsmitteln über die „Balkanroute“ die österreichische Grenze erreicht, welche sie fußläufig und ohne Schlepperunterstützung überquerten. Mit dem Zug seien sie dann nach XXXX gefahren und hätten dort den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Die Reise habe insgesamt vom XXXX.10.2015 bis XXXX.11.2015 gedauert und ihm und seinem Bruder EUR 8.000 gekostet.

Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben, jedoch keine Repressionen von staatlicher Seite.

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief positiv zu Griechenland.

1.3. Am XXXX.06.2016 wurde der BF erstmalig durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen, um eine etwaige Dublin-Rückführung nach Kroatien zu klären.

1.4. Mit dem hier nicht verfahrensgegenständlichen Bescheid vom XXXX.08.2016, Zl. XXXX, wies das BFA den Antrag des BF auf Gewährung von internationalem Schutz vom XXXX.11.2015 als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung dieses Antrages gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 Kroatien zuständig sei (Spruchpunkt I.), erklärte die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Kroatien gemäß § 61 abs. 2 FPG für zulässig und ordnete gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung an (Spruchpunkt II.).

1.5. Gegen den oben angeführten Bescheid vom XXXX.08.2016 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die er mit den Anträgen verband, 1.) den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Asylverfahren in Österreich zuzulassen und 2.) in eventu die gegen ihn gemäß § 61 FPG ausgesprochene Außerlandesbringung zu widerrufen, da seiner Auffassung nach eine Überstellung nach Kroatien eine reale Gefahr einer Verletzung nach Art. 3 EMRK bedeuten würde.

1.6. Mit dem zur Zl. W233 2135134-1 erlassenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen den Bescheid des BFA vom XXXX.08.2016, Zl. XXXX gerichteten Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Bescheid auf. Gegen die angeführte Erledigung des Bundesverwaltungsgerichtes erhob weder der Beschwerdeführer noch das BFA ein Rechtsmittel, sodass die hg. Erledigung in Rechtskraft erwuchs.

2. Zweitverfahren

2.1. Anlässlich einer am XXXX.10.2017 vor der belangten Behörde neuerlich durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF zusätzlich zu seinen Ausführungen bei der Erstbefragung zusammengefasst an, dass sein Vater seit dem XXXX.03.2015 vermisst werde. Den Vater frei zu bekommen sei unmöglich gewesen. Der Hund des Bruders sei getötet worden. Er und sein Bruder hätten das Haus nicht verlassen können. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass sie den Irak verlassen müssten, um einem Schicksal wie jenem des Vaters zu entgehen. Weitere Gründe brachte der BF nicht vor. Sein Bruder sei zudem bei dem im Rahmen der EBF genannten Vorgänge schwer verletzt und verstümmelt worden.

Bei dieser niederschriftlichen Einvernahme legte der BF einen Personalausweis vor.

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde sprach diese aus, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen werde (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen den Beschwerdeführer erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Die belangte Behörde begründete die Entscheidung im Kern damit, dass es dem BF nicht gelungen sei, eine asylrelevante Bedrohung glaubhaft zu machen. Der vorgelegte Personalausweis sei zudem als Totalfälschung qualifiziert worden was die Glaubwürdigkeit des BF in Zweifel ziehe.

2.3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 19.09.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Seine Beschwerde verband er mit der Erklärung, dass er den Bescheid vollumfänglich anfechte, andererseits mit den Anträgen 1.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, 2.) alle zu seinen Lasten gehenden Rechtswidrigkeiten amtswegig aufzugreifen, 3.) den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. zu beheben und ihm den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, 4.) in eventu möge ihm gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 4 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zuerkannt werden, 5.) möge in eventu der angefochtene Bescheid zur Gänze behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen werden und 6.) festgestellt werden, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) vorliegen würden. In der Beschwerde brachte er vor, nach wie vor einer Verfolgung durch Milizen ausgesetzt zu sein. Die belangte Behörde hätte bei genauerer Einbeziehung der Länderinformationen eine asylrelevante Bedrohung des BF feststellen müssen.

2.4. Am 28.09.2018 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt und dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, dem BVwG vorgelegt.

2.5. Am XXXX.12.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich der der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache und seiner Rechtsvertretung einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen

Der BF führt die im Spruch angegebene Identität und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der Araber an und bekennt sich nach eigenen Angaben zur muslimischen Religion sunnitischer Glaubensausrichtung. Seine Muttersprache ist Arabisch, er verfügt über Deutschkenntnisse, ohne jedoch eine Kursbestätigung oder ein Sprachzertifikat vorweisen zu können. Er ist ledig und kinderlos [VH-Niederschrift S. 5 und S. 18].

Seit dem XXXX.01.2016 hat er einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (seit dem XXXX.09.2018 an der Anschrift XXXX) [Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR-Auszug].

In Österreich lebt eine Cousine des BF mit deren Familie. Es besteht insofern ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis, als der Sohn der genannten Cousine im Betrieb des BF angestellt ist. Eine Abhängigkeit des BF zu dieser Cousine, die nach seinen Angaben samt ihrer Familie Asylstatus hat, besteht jedoch nicht [VH-Niederschrift S. 17].

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Partei in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:

Bis zur zweiten Klasse Grundschule lebte der BF mit seiner Familie in seinem Geburtsort XXXX, ab dann bis zu seiner Ausreise in XXXX [VH-Niederschrift S. 7].

Am XXXX.10.2015 verließ er zusammen mit seinem gesondert unter GZ. I422 2206787-1 behandelten Bruder den Heimatstaat und gelangte schlepperunterstützt mit einem Schlauchboot auf die Insel Mytilini, wo ihnen durch die Polizei Fingerabdrücke abgenommen wurden. Aufgrund eines Landesverweises setzten sie mit einer Fähre nach Athen über und erreichten dann mit verschiedenen Verkehrsmitteln über die „Balkanroute“ die österreichische Grenze, welche sie fußläufig und ohne Schlepperunterstützung überquerten. Sodann gelangten der BF und sein abgesondert behandelter Bruder mit der Bahn nach XXXX, wo sie vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Insgesamt dauert die Reise vom XXXX.10.2015 bis XXXX.11.2015 und kostete für ihn und den Bruder EUR 8.000 [Erstbefragung AS 15].

Eine EURODAC-Abfrage brachte einen Treffer für Griechenland [EURODAC-Abfrage auf AS 7].

1.3. Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers im Heimatstaat:

Im Herkunftsstaat besuchte der BF sechs Jahre die Grundschule und sechs Jahre das Gymnasium. Im Anschluss daran begann er ein Studium in XXXX, welches er nicht beendete. Über eine weitere (Berufs-) Ausbildung verfügt er nicht. Neben dem Studium arbeitete er als XXXX im Geschäft seines Vaters und brachte hier zwischen 400 und 600 USD ins Verdienen. Für seinen Lebensunterhalt kam der Vater auf, in dessen Einfamilienhaus er gemeinsam mit den Angehörigen seiner Kernfamilie bis zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte [VH-Niederschrift S. 6].

Die im Herkunftsstaat lebende Kernfamilie des BF besteht aus seinem etwa 55-jährigen Vater, seiner etwa 55-jährigen Mutter sowie und zwei Schwestern. Der Bruder des BF ist in Österreich aufhältig und in einem aufrechten Asyl-Beschwerdeverfahren zu GZ. I422 2206787-1. Der Aufenthaltsort des Vaters ist nach dessen Verschwinden im Jahr 2015 unklar. Die beiden Schwestern des BF sind verheiratet. Deren Ehemänner arbeiten als XXXX und Betreiber einer XXXX. Die Mutter des BF lebt zusammen mit einer Schwester in XXXX. Die Kinder der beiden Schwestern sind noch nicht schulpflichtig. Die Mutter des BF litt unter einer COVID-19 Erkrankung, gilt jedoch als genesen. Den im Irak lebenden Familienmitgliedern geht es nach Angaben des BF gut. Der BF, sein Bruder oder deren Mutter hatten zu keinem Zeitpunkt Probleme oder Auseinandersetzungen mit einem der beiden Schwager, die der schiitischen Glaubensrichtung angehören [VH-Niederschrift S. 15ff].

Der BF steht mit seinen Schwestern über „Facetime“ in regelmäßigem Kontakt [VH-Niederschrift S. 17].

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:

Der BF gehörte in seiner Heimat keiner politischen Bewegung an und hatte er weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Er wurde zu keinem Zeitpunkt von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung wegen seines Religionsbekenntnisses (und der Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten) oder aus politischen Gründen (etwa wegen einer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates) verfolgt [VH-Niederschrift S. 9f].

Der BF hat nicht dargetan, dass er von einer schiitischen Miliz oder einem sunnitischen Stamm bedroht wurde. Anhaltspunkte, dass von einer dieser Gruppen eine Bedrohung gegen den BF ausging bzw. gegenwärtig ausgeht, liegen nicht vor. Einen ihn direkt betreffenden Vorfall im Zusammenhang mit einer im Herkunftsstaat tätigen Miliz hat er nach eigenen Angaben nicht erlebt.

Dass er im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre bzw. nach einer Rückkehr in diesen Herkunftsstaat einer solchen ausgesetzt sein könnte, konnte der BF nicht dartun.

Seine Heimat hat er wegen der dort herrschenden allgemeinen Lage verlassen.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten des BF im Bundesgebiet:

Der BF hat nachweislich im Jahr 2016 an einem freiwilligen Deutschunterricht teilgenommen. Er hat zusammen mit seinem Bruder ein Gewerbe für XXXX, eingeschränkt auf XXXX, angemeldet [Kursbestätigung AS 109; GISA-Auszug in OZ 12 und OZ 8 des Aktes zu GZ I422 2206787-1; VH-Niederschrift S. 17f].

Bis zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung bezog er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Derzeit besteht kein Leistungsbezug aus der Grundversorgung [GVS-Auszug].

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten [Strafregisterauszug].

Auf weitere integrationsverfestigende Merkmale konnte er vor dem BFA und im Zuge der hg. mündlichen Verhandlung nicht verweisen.

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil hat sich im Lauf des Jahres 2018 wieder beruhigt, und es finden seither regelmäßig Gespräche zwischen den beiden Seiten statt. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind jedoch weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der KRI.

Die KRI ist seit Jahrzehnten zwischen den beiden größten Parteien geteilt, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), angeführt von der Familie Barzani, und deren Rivalen, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die vom Talabani-Clan angeführt wird. Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Suleimaniya. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im Irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018. Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad. Dazu kommen Gorran („Wandel“), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien.

Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war diese Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Der Islamische Staat (IS) ist im Zentralirak nach wie vor am aktivsten, so sind Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala nach wie vor die Hauptaktionsgebiete der Aufständischen.

In den sogenannten „umstrittenen Gebieten“, die sowohl von der Zentralregierung als auch von der kurdischen Regionalregierung (KRG) beansprucht werden, und wo es zu erheblichen Sicherheitslücken zwischen den zentralstaatlichen und kurdischen Einheiten kommt, verfügt der IS nach wie vor über operative Kapazitäten, um Angriffe, Bombenanschläge, Morde und Entführungen durchzuführen. Die Sicherheitsaufgaben in den „umstrittenen Gebieten“ werden zwischen der Bundespolizei und den Volksmobilisierungskräften (al-Hashd ash-Sha‘bi/PMF) geteilt. Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat.

Bei den zwischen Bagdad und Erbil „umstrittenen Gebieten“ handelt es sich um einen breiten territorialen Gürtel der zwischen dem „arabischen“ und „kurdischen“ Irak liegt und sich von der iranischen Grenze im mittleren Osten bis zur syrischen Grenze im Nordwesten erstreckt. Die „umstrittenen Gebiete“ umfassen Gebiete in den Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala. Dies sind die Distrikte Sinjar (Shingal), Tal Afar, Tilkaef, Sheikhan, Hamdaniya und Makhmour, sowie die Subdistrikte Qahtaniya and Bashiqa in Ninewa, der Distrikt Tuz Khurmatu in Salah ad-Din, das gesamte Gouvernement Kirkuk und die Distrikte Khanaqin und Kifri, sowie der Subdistrikt Mandali in Diyala. Die Bevölkerung der „umstrittenen Gebiete“ ist sehr heterogen und umfasst auch eine Vielzahl unterschiedlicher ethnischer und religiöser Minderheiten, wie Turkmenen, Jesiden, Schabak, Chaldäer, Assyrer und andere. Kurdische Peshmerga eroberten Teile dieser umstrittenen Gebiete vom IS zurück und verteidigten sie, bzw. stießen in das durch den Zerfall der irakischen Armee entstandene Vakuum vor. Als Reaktion auf das kurdische Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2017, das auch die „umstrittenen Gebiete“ umfasste, haben die irakischen Streitkräfte diese wieder der kurdischen Kontrolle entzogen.

1.6.1. Bei der von vom BF genannten Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) handelt es sich um eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2014 von Muqtada as-Sadr gegründet und kann als Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee (Jaish al-Mahdi; https://de.wikipedia.org/wiki/Mahdi-Armee, Stand Juli 2020, Zugriff am: 16.12.2020) bezeichnet werden. Einige Quellen sprechen von 50.000 bis zu 100.000 Kämpfern. Ihre Schlagkraft ist mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt, was an der gewahrten politischen Distanz zu Teheran und damit einhergehend reduzierten Mitteln von Seiten des Iran liegt. Ihr Haupteinsatzgebiet liegt im vorgeblichen Schutz heiliger schiitischer Stätten. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Der BF war im Herkunftsstaat keiner asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt. Er hatte weder mit der Polizei, noch mit den Gerichten noch mit den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates Probleme. Er war auch nie Adressat einer gegen ihnen gerichteten strafgerichtlichen Verfolgung. Auch liegt keine strafgerichtliche Verurteilung gegen ihn vor. Er war nie Mitglied einer im Herkunftsstaat tätigen bewaffneten Gruppierung (IS bzw. Milizen) bzw. wurde er von einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates zu keinem Zeitpunkt angeworben, insbesondere für Kampfhandlungen. Insgesamt kam anlassbezogen nicht hervor, dass er im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 16.12.2020

-        - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff 16.12.2020

-        BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc Zugriff am 16.12.2020

-        - GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 16.12.2020

-        - Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 16.12.2020

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff am 16.12.2020

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf Zugriff am 16.12.2020

1.6.2. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal seien ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).

Der BF war zum Zeitpunkt seiner Ausreise Student, der im XXXX seines Vaters mitarbeitete. Damit gehörte er keiner Berufsgruppe an, die nach den Länderberichten zum Irak als besonders gefährdet anzusehen wäre.

Quellen:

-        - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 16.12.2020

-        - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff 16.12.2020

1.6.3. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben maximal eine Stunde vom nächstgelegenen Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren

zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, doch haben viele aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA bezeichnete sich der BF als gesund. Aus dem Umstand, dass er in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgeht, kann bei ihm grundsätzlich auch Arbeitsfähigkeit vorausgesetzt werden. Die zuletzt vor dem BVwG angegebenen Magenschmerzen werden medikamentös behandelt, bedürfen jedoch keiner ärztlichen Kontrolle oder Behandlung. Es ist davon auszugehen, dass keine gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen, die einer etwaigen Rückführung entgegenstehen.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.06.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff 16.12.2020

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff 16.12.2020

-        UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff 16.12.2020

-        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 16.12.2020

1.7. Aus den Angaben des BF lassen sich keine Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass er mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen seines sunnitischen Religionsbekenntnisses, seiner ethnischen Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe oder aus politischen Gründen Probleme gehabt hätte. Den Länderberichten lässt sich nicht entnehmen, dass Studenten einer Verfolgung ausgesetzt wären bzw. sein könnten. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass der Beschwerdeführer oder die Angehörigen seiner Kernfamilie darüber hinaus politisch exponiert aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten. Vielmehr steht fest, dass die im Herkunftsstaat verbliebenen Angehörigen mit ihren eigenen Familien ein unbehelligtes Leben führen.

Mit den Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder mit den Angehörigen einer anderen, im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtung hatte er keine Probleme.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich seiner Befragung durch die Organe der belangten Behörde.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, den vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigten Angaben sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Dokumente und Urkunden. Die Identität konnte zudem durch die Vorlage eines als authentisch qualifizierten irakisch Führerscheins festgestellt werden.

Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten. Die dem Akt beiliegende ECRIS-Bestätigung steht damit in Einklang.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Die zu den Gründen des BF für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat getroffenen Konstatierungen beruhen einerseits auf seinen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits auf seinen, vor den Organen der belangten Behörde getätigten Angaben und auf seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte der Beschwerdeführer angegeben, dass der Irak kein sicheres Land mehr sei. Sie hätten einen XXXX gehabt und seien ihnen XXXX gestohlen worden. Dies sei bei der Polizei zur Anzeige gebracht und zwei Verdächtige eines anderen Familienclans verhaftet worden. Nach zwei Tagen sei sein Vater mit seinem kleinen Bruder mit einem Auto gefahren und von Clanmitgliedern verfolgt worden. Bei einem Halt an einer Tankstelle sei das Feuer aus Gewehren eröffnet worden und das Auto seines Vaters in Flammen aufgegangen. Sein Bruder und sein Vater seien schwer verletzt worden. Wenige Zeit später sei der Vater entführt worden und die Mutter des BF habe gemeint es sei besser, wenn sie das Land verlassen würden.

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA gab der BF zusätzlich zu seinen Ausführungen bei der Erstbefragung zusammengefasst an, dass sein Vater seit dem XXXX.03.2015 vermisst werde; ihn frei zu bekommen, sei unmöglich gewesen. Der Hund des Bruders sei getötet worden. Er und sein Bruder hätten das Haus nicht verlassen können. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass sie den Irak verlassen müssten, um das Schicksal ihres Vaters vermeiden zu können. Weitere Gründe brachte der BF nicht vor. Sein Bruder sei zudem bei dem im Rahmen der EBF genannten Vorgänge schwer verletzt und verstümmelt worden. Die XXXX würden dem sunnitischen Stamm der XXXX angehören. Dieser sei gefürchtet, da auch XXXX, der XXXX, diesem Stamm angehören soll. Nach der erfolgten Anzeige des Autodiebstahls sei es weiterhin zu Drohungen gekommen; so sei der Hund des Bruders getötet worden, vielleicht durch Gift. Ein weiteres Mal sei ein abgetrennter Hundekopf in einem Karton vor dem Haus abgegeben worden.

Bereits bei der Schilderung der Fluchtroute verstrickte sich der BF in eklatante Widersprüche, die, zusammen mit den Diskrepanzen im Vorbringen zu den Fluchtgründen, ein insgesamt unglaubwürdiges Bild des BF entstehen ließen.

Im Zuge seiner Erstbefragung gab der BF an, seine Heimat von XXXX ausgehend in Richtung Istanbul verlassen zu haben (AS 15). Im Zuge der hg. mündlichen Verhandlung gab er jedoch zu Protokoll, dass er mit dem Pkw nach XXXX gefahren und von dort nach Izmir ausgeflogen sei.

Unklarheiten kamen zudem im Zusammenhang mit den Vorgängen rund um das Fluchtauslösende Ereignis, den XXXX, zu Tage. Vor der belangten Behörde gab der BF an, dass am XXXX.06.2014 XXXX 2013 (Wert pro XXXX etwa USD 18.000) XXXX worden seien. Eine Anzeige bei der Polizei sei noch am selben Tag erfolgt. Wenige Tage späte sei sein Vater mit einem weiteren Mitarbeiter, der die XXXX zufällig ausfindig gemacht haben soll, zu den Dieben, welche dem Stamm der XXXX angehört haben sollen, gegangen, um die Rückgabe zu fordern. Die Identifizierung der XXXX sei wegen der an daran angebrachten Aufkleber möglich gewesen. Bei derselben Befragung gab der BF jedoch an, dass eine weitere Anzeige bei der Polizei und die Konfrontation mit den Dieben am XXXX.07.2014 erfolgt sei und der Mitarbeiter des Vaters an diesem Tag die XXXX gesehen haben will (AS 397ff). Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF entgegen seinen ersten Ausführungen an, dass jener Mitarbeiter, der die XXXX gesehen haben soll, dies bereits am Tag des Diebstahls gemeldet hat und auch die Diebe bereits am XXXX.06.2014 zur Rede gestellt worden seien. In diesem Zusammenhang gab er an, dass er sich noch an das Datum genau erinnern könne, da dies jener Tag gewesen sei, an dem der IS kurz in seiner Heimatstadt gewesen sei.

Des Weiteren gab der BF vor dem BFA an (Bescheid S. 6f), dass ausschließlich eine Person, ein ehemaliger Mitarbeiter, die gestohlenen XXXX gesehen haben will, während er vor dem BVwG angab, dass ein Garagenwächter den Diebstahl beobachtet haben will und sein Vater zusammen mit diesem Mitarbeiter, einem Autowäscher und einem zusätzlichen Zeugen die Diebe zur Rede gestellt haben will (S. 12f der VH-Niederschrift).

Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er erstmals an, dass der Betrieb des Vaters wegen der Anwesenheit des IS in der Stadt bereits am XXXX.06.2014 geschlossen gewesen sei. Kurz darauf setzte er sich zu diesen Angaben mit den Angaben, dass sein Vater den Betrieb doch wieder geöffnet und erst am Tag der „Ereignisse“ geschlossen hätte, in einen eklatanten Widerspruch. Genaue Angaben hierzu konnte er jedoch nicht machen, da er wiederum den XXXX.06.2014 erwähnte. Auf Seite 13 der Niederschrift über die vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabte mündliche Verhandlung findet sich auf die Frage: „Wer hat denn die XXXX?“ die Antwort: „Wir wissen das nicht.“ Auch damit hat sich der BF zu seinen eigenen Angaben vor dem BFA auf AS 405 der Verwaltungsakten in Widerspruch gesetzt. Anlässlich seiner niederschriftlich dokumentierten Angaben vor dem BFA benannte der BF zwei konkrete Personen und erwähnte er in diesem Zusammenhang auch den Stamm der XXXX. Vor dem Bundesverwaltungsgericht war der BF zudem nicht in der Lage, die Typen der angeblich gestohlenen XXXX genau zu bezeichnen. Das ist insofern bemerkenswert, als er angegeben hatte, dass er während seiner Studienzeit im Betrieb des Vaters gearbeitet habe. Bei Wahrunterstellung des behaupteten XXXX hätte er – schon auf Grund der Erzählungen des Vaters – in der Lage sein müssen, die Typen der angeblich gestohlenen XXXX zu bezeichnen. Vor dem BFA benannte der BF die angeblich gestohlenen XXXX sowohl nach deren Marke bzw. Type, Baujahr und Preis. Dagegen blieb der BF vor dem BVwG sehr vage und unbestimmt, antwortete er auf die Frage nach der genauen Bezeichnung der gestohlenen Fahrzeuge lediglich wie folgt: „Entweder XXXX. Ich kann mich nicht genau erinnern.“. Es ist nicht lebensnah, wenn eine Person, die im XXXX des Vaters tätig gewesen sein will, bei Wahrunterstellung eines stattgehabten XXXX, nicht in der Lage ist, eine mit angeblich XXXX geringe Zahl angeblich XXXX zu bezeichnen. Selbst wenn schon ein paar Jahre zwischen dem behaupteten Diebstahl und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht liegen, müsste sich eine im XXXX angeblich tätig gewesene Person, deren Betreiber noch dazu sein Vater ist, an die angeblich gestohlenen Fahrzeuge erinnern können. Dem BF gelang es daher nicht, den behaupteten Diebstahl von drei XXXX glaubhaft zu machen.

Unklar ist in diesem Zusammenhang zusätzlich die Rolle des Vaters, der laut dem Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA AS 399 entgegen den Bemühungen des eigenen Stammes einer Versöhnung mit den vermeintlichen XXXX nicht zugestimmt haben soll.

Neben den aufgezeigten Widersprüchen in Bezug auf den behaupteten XXXX, blieb der BF auch im Zusammenhang mit seinen Angaben zur angeblichen Entführung des Vaters, die nach seinen Angaben in einen unmittelbaren Zusammenhang mit den XXXX zu bringen ist, sehr vage und unbestimmt. Schon deshalb erscheint dem erkennenden Gericht die Entführung des Vaters nicht glaubhaft. Wenn der BF in der vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabten mündlichen Verhandlung eine angebliche Falschprotokollierung seiner Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht rügte, gelang es ihm nicht, eine solche auch glaubhaft zu machen, zumal der BF, dem die vor dem BFA aufgenommene Niederschrift rückübersetzt wurde, eine angebliche, unrichtige Protokollierung nicht rügte. Vielmehr hatte er angegeben, dass er gegen die Protokollierung keine Einwände hätte. Damit gelang es ihm nicht, eine angebliche unrichtige Protokollierung glaubhaft zu machen.

Abgesehen davon verstrickte er sich bereits vor dem BFA in Widersprüche zu den angeblichen Entführern. Auf AS 407ff der Verwaltungsakten findet sich zuerst die Angabe, dass er von Unbekannten entführt worden sei und keine weiteren Informationen hierüber bekannt seien. Kurz darauf gab er an, dass es zwei Vermutungen über die Hintergründe gebe, erstens, weil die Familie Geld habe und zweitens wegen des Problems mit dem Stamm der XXXX. Auf Seite 411 der Verwaltungsakten bei der Frage, von wem seine Schwester eine Entführung befürchten könnte, antwortete der BF: „Von denselben Leuten, die meinen Vater entführt haben. Da sind entweder Leute von der Miliz Saraya Al Salam oder vom Stamm der XXXX.“ Kurz darauf gab der BF an, dass an der Eingangstür zum Haus seiner Kernfamilie Geld gefordert worden sei, ohne einen konkreten Betrag zu nennen und dass seine Mutter diese Leute vertrieben habe. Auf weiteres Nachfragen durch den leitenden Beamten, wer diese Personen gewesen seien, gab er zur Antwort: „Sie waren von der Miliz Saraya Al Salam. Nachgefragt, gegen diese Leute kann man nicht Anzeige erstatten, weil diese der Staat selbst sind.“ Binnen weniger Zeilen änderte seine Angaben zu den angeblichen Entführern von „Unbekannten Entführern“ hin zu „Stammesmitglieder der XXXX oder Mitglieder der Saraya Al Salam“ bis hin zu „Mitglieder der Saraya Al Salam“, da seine Mutter militärischen Fahrzeuge gesehen haben will. Mit seinen ungenauen Angaben hinsichtlich der Entführer, aber auch durch die Tatsache, dass nie eine konkrete Summe Lösegeldes genannt wurde, konnte der BF die behauptete Entführung seines Vaters nicht glaubhaft machen. Vergleicht man seine Angaben vor dem BFA mit jenen vor dem Bundesverwaltungsgericht, fällt auf, dass er vor dem Bundesverwaltungsgericht erstmals die Behauptung erhob, dass seine Mutter immer wieder Anrufe erhalten haben soll, in denen ein Geldbetrag in Höhe von USD 10.000 für die Freilassung des Vaters gefordert worden sein soll. Zudem soll damit gedroht worden sein, dass „unsere Köpfe“ in eine Schachtel gegeben und ihr übermittelt werden würden. Auf sein Anraten hin habe seine Mutter im Jahr 2018 die SIM-Karte gewechselt und seither keine Anrufe mehr erhalten. Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte er zudem zusätzlich zur Saraya Al Salam vor, dass die Anrufer zu al-Hashd ash-Sha’bi gehören würden, folglich überhaupt zu den Volksmobilisierungskräften allgemein.

In diesem Zuge erwähnte der BF zudem erstmalig, dass er als Sunnit gefährdet sei, da schiitische Milizen glaube, dass er IS-Anhänger sei.

Die Angaben des BF zur angeblichen Tötung des Hundes seines Bruders sind ebenfalls nur sehr vage und insgesamt unsubstantiiert geblieben. Auch hinsichtlich der weiteren Bedrohungssituationen blieb der BF nur sehr vage. Nachdem der BF zu Beginn seiner Befragung vor dem BFA zu seinen Fluchtgründen noch angegeben hatte, dass der Hund seines Bruders getötet worden sei und sie nicht genau wüssten, wie es passiert sein soll und dass er vielleicht vergiftet worden sei (AS 397), erwähnte er später, dass er einmal einen Karton vor dem Haus gefunden habe, in welchem der Kopf eines getöteten Hundes gelegen habe. Kurz darauf erwähnte er separat die Tötung des Hundes seines Bruders, nachdem aus einem vorbeifahrenden Auto zwei bis drei Schüsse abgegeben worden sein sollen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht rügte er auch hierzu eine falsche Protokollierung (S. 22 der VH-Niederschrift) und dass der Hund seines Bruders enthauptet gefunden worden sei. Zudem ist der Sinngehalt in der Terminologie zwischen „vergiften“ und „enthaupten“ derart unterschiedlich, dass es ihm nicht gelang, die behauptete Tötung des Hundes glaubhaft zu machen.

Auch die Angaben, wonach der Vater und der Bruder des BF in einem Pkw beschossen worden sei sollen und dadurch speziell der Bruder schwere Verletzungen davongetragen haben soll, sind im gegenständlichen Verfahren aus asylrechtlicher Sicht nicht von Relevanz. Die von der belangten Behörde auf Seite 52f des Bescheids genannten Widersprüche divergieren zwar nicht in einer gravierenden Weise, wie es das BFA sieht, zumal sich die Widersprüche teilweise auf Details beschränken, die ob der Situation von beiden Personen anders beurteilt werden können, zumal der BF selbst damals nicht anwesend war. Das gesamte Vorbringen zu diesem Aspekt ist - so wie die Ausführungen zum XXXX und dessen anderen Folgen - äußerst unklar. Genaue Angaben zu den Angreifern machte der BF nicht, vielmehr ging er vor dem BFA direkt dazu über, ausschließlich über den Autodiebstahl und die Verwendung der Fahrzeuge zu sprechen. Genaue Ausführungen zu den Schützen konnte er ebenfalls keine machen bzw. blieb er solche schuldig. Der Stamm der XXXX wurde ausschließlich in Bezug auf den Diebstahl genannt, nicht jedoch mit dem angeblichen Schussattentat auf den Vater bzw. den Bruder in Verbindung gebracht.

Abgesehen von dieser Inkonsistenz verstrickte sich der BF in einen eklatanten Widerspruch mit seinen vor dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben, dass weder er noch sein Bruder im Irak Feinde gehabt hätten. Bei Wahrunterstellung seiner Angaben, dass ihm und seinem Bruder ein Stamm nach dem Leben trachten würde, erscheint diese Angabe, im Herkunftsstaat keine Feinde gehabt zu haben, nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich (S. 14 der VH-Niederschrift).

Im Zuge der vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabten mündlichen Verhandlung hatte der BF angegeben, dass er und sein Bruder zwar keine Probleme mit Milizen gehabt hätten, jedoch die angebliche Entführung des Vaters durch die Saraya Al Salam den Auslöser für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat gebildet hätte (S. 20 der VH-Niederschrift). Ein anderer sunnitischer Stamm findet sich in diesen Ausführungen nicht. Der einzige Bezug zum angeblichen Schussattentat auf das Auto des Vaters des BF findet sich in der Vorlage von Lichtbildern, die die Verletzungen des Bruders, die dieser im Rahmen des auf das Attentat folgenden Verkehrsunfalls erlitten haben soll, dokumentieren (S. 23 der VH-Niederschrift). Allerdings lässt sich die auf den Lichtbildern abgebildete Person, die lediglich den Torso mit einer großflächigen Verletzung, nicht jedoch das Gesicht der verletzten Person abbilden, dem Bruder des BF, der der vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabten mündlichen Verhandlung als Zuhörer beiwohnte, nicht zuordnen. Selbst wenn es sich bei der auf den Lichtbildern abgebildeten Person um den Bruder des BF handelt, die dieser erlitten haben soll, zeichnet dafür zwar der behauptete Verkehrsunfall, nicht jedoch das Schussattentat verantwortlich. Doch selbst bei Wahrunterstellung der Angaben des BF, dass sich der Verkehrsunfall als Folge eines Schussattentats ereignete, gelang es ihm nicht, das Schussattentat einer in seinem Herkunftsstaat tätigen Miliz zuzuordnen und damit ein gegen seine Familie unmittelbar verübtes Attentat glaubhaft zu machen. Zudem weisen die zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates gemachten Angaben des BF ein gesteigertes, die Glaubwürdigkeit in ihren Grundfesten zu erschüttern geeignetes Vorbringen auf.

In Anbetracht der aufgezeigten Inkonsistenzen und Widersprüche, die seinem Fluchtvorbringen anhaften, gelang es dem Beschwerdeführer nicht, seine diesbezüglichen Angaben glaubhaft zu machen. So mutierte die anfänglich unklare Todesursache des Hundes (durch Vergiftung) zu einer Enthauptung. Die zu Beginn des Verfahrens unbekannten Entführer des Vaters sollen vor dem BFA noch sunnitische Stammesmitglieder gewesen sein; erst vor dem BVwG soll die angebliche Entführung des Vaters von Mitgliedern der Saraya Al Salam bzw. der al-Hashd ash-Sha’bi - sohin von Angehörigen einer schiitischen Miliz - ausgeführt worden sein. Während er vor dem BFA die angeblich gestohlenen XXXX noch konkret bezeichnete, blieb er hinsichtlich dieser XXXX vor dem Bundesverwaltungsgericht sehr vage und unbestimmt. Zudem konnte der BF die diesbezüglichen Datumsangaben im gesamten Verfahren nicht stringent vorbringen. Auch im Hinblick darauf, dass die Erstbefragung in erster Linie der Fluchtroute und den persönlichen Umständen eines Asylwerbers dient (§ 19 Abs 1 AsylG), ist im Konkreten anzumerken, dass es dem BF im gesamten Verfahren nicht gelang, ein asylrechtlich relevantes, fluchtauslösendes Geschehen welches zudem einem staatlichen Akteur zuzurechnen wäre, vorzubringen.

Die getroffenen Konstatierungen waren im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, welche ob ihres Auftrags als zur Objektivität verpflichtete Einrichtung angesehen werden kann. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

2.5. Zur Integration des BF in Österreich:

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuch und Gewerbeanmeldung) ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt. Die Feststellungen zum Bezug von Leistungen bis zur Aufnahme seiner selbständigen Erwerbstätigkeit, gründen auf den diesbezüglichen Angaben eines von Amts wegen eingeholten GVS-Auszuges. Die Konstatierungen zu seiner strafrechtliche Unbescholtenheit im Inland gründen auf einem von Amts wegen eingeholten Auszug aus dem Strafregister. Ein GISA-Auszug liegt dem Akt bei. Dass der BF monatlich EUR 1.200 von seinem Bruder, der die Geschäfte hauptsächlich führt, erhält, konnte entgegen seinen Angaben vor dem BVwG nicht festgestellt werden. Die unter OZ 12 beiliegende Einkommensbestätigung ergibt lediglich, dass der Bruder des BF eine monatliche Privatentnahme in Höhe von EUR 1.200 tätigt, deren Verbleib oder gar eine Auszahlung an den BF ist durch das vorliegende Dokument jedoch nicht verifizierbar.

Weitere Integrationsnachweise oder Unterstützungsschreiben den BF betreffend wurden nicht vorgelegt, weshalb weitere Feststellungen zur einer Eingliederung des BF nicht getroffen werden konnten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX.08.2018 erhobene Beschwerde des BF ist rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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