TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/29 L525 2168824-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.12.2020
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Entscheidungsdatum

29.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55

Spruch


L525 2168824-3/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch DDr. Rainer Lukits, LL.M, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6.11.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer – ein pakistanischer Staatsbürger – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 29.7.2014 eine Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde zunächst durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 28.7.2017 abgewiesen und wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen mit dem Auftrag binnen 14 Tagen das Bundesgebiet zu verlassen. Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche mit dem hg Erkenntnis vom 26.8.2020, Zl. L506 2168824-1 vollinhaltlich abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer verblieb weiterhin im Bundesgebiet.

Mit Schreiben vom 16.9.2020 übermittelte das BFA dem Beschwerdeführer einen Fragenkatalog und informierte den Beschwerdeführer, dass beabsichtigt sei eine neuerliche Rückkehrentscheidung zu erlassen und ein Einreiseverbot zu verhängen. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Mandatsbescheid vom 16.9.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AVG iVm § 56 FPG aufgetragen sich bis zur freiwilligen Ausreise beginnend ab dem 24.9.2020 jeden zweiten Tag zwischen 08:00 und 12:00 Uhr bei einer näher bezeichneten Polizeiinspektion zu melden. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Vorstellung, woraufhin die belangte Behörde mit Bescheid vom 2.11.2020 den Mandatsbescheid bestätigte und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 13 VwGVG aberkannte. Das Verfahren ist unter der hg Zahl L525 2168824-2 anhängig.

Ein HRZ wurde am 19.10.2020 bei der pakistanischen Botschaft in Wien beantragt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6.11.2020 erteilte das BFA keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht erlassen (Spruchpunkt V.) und wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte das BFA aus, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger von Pakistan, außerdem sei er gesund. Der Beschwerdeführer sei illegal in das Bundesgebiet eingereist und sei der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesenen worden. Der Beschwerdeführer sei nicht rückkehrwillig, er sei nicht vorbestraft, er habe bis dato keine Schritte unternommen der aufgetragenen Ausreise Folge zu leisten. Seit der Rechtskraft des Bescheides des BFA (offenbar gemeint: seit dem hg Erkenntnis vom 26.8.2020) habe sich das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers nicht nennenswert verändert. Der Beschwerdeführer habe seinen Aufenthalt größenteils durch Inanspruchnahme von öffentlichen Geldern finanziert. Der Beschwerdeführer habe nicht nachweisen können im Besitz von derartigen Mitteln zu sein um seinen Unterhalt in Österreich aktuell oder in Zukunft zu bestreiten. Der Beschwerdeführer gehe auch keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit einer Stellungnahme nicht genutzt. Eine berücksichtigungswürdige Integration habe nicht festgestellt werden können bzw. habe sich das Privat- und Familienleben seit dem Erkenntnis des BVwG im August 2020 nicht wesentlich geändert. Der Beschwerdeführer stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, weshalb ein Einreiseverbot zu verhängen war und die aufschiebende Wirkung werde aberkannt.

Der Beschwerdeführer erhob durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde führte zunächst an, dass die Integrationsleistungen des Beschwerdeführers nach seinem sechsjährigen Aufenthalt überdurchschnittlich seien. So habe der Beschwerdeführer sehr beachtliche Deutschkenntnisse erworben und bereits im Jahr 2016 eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 mit gut bestanden. Die Beschwerde verwies dabei auf ein A2 Zertifikat vom 7.9.2016, welches auf AS 309 des Asylaktes liege. Im Wintersemester 2016/2017 habe der Beschwerdeführer einen B1 Kurs an der Uni Salzburg erfolgreich abgeschlossen (Kursbestätigung auf AS 297 des Aslylaktes). Einen Spracheinstufungstest im Juni 2020 habe beim Beschwerdeführer Sprachkenntnisse auf B2 Niveau ergeben (vgl. Asylakt, Zertifikat Sprachkenntnis Deutsch Level B2 vom 9.6.2020 bzw. Beilage 3 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020: offenbar gemeint: im Verfahren L506 2168824-1). Der Beschwerdeführer habe in der zweiten Jahreshälfte 2019 Gewerbeberechtigungen erworben (Asylakt, Beilage 4 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer habe für seine Tätigkeit äußerst engagiert Werbung gemacht (Asylakt, Beilage 5 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020 bzw. offenbar ein Schreiben der Frau des Vertreters vom 31.5.2020) und hätte der Beschwerdeführer auch mehrere Interessenten gefunden. Im Juli 2020 habe der Beschwerdeführer für den Monat August 2020 auf Leistungen aus der Grundversorgung verzichtet. Der Beschwerdeführer habe sich auf in einem näher bezeichneten Geschäft in Salzburg bzw. für eine Saisonarbeit in einem Hotel beworben (Asylakt, Beilage 8 bzw. Beilage 6 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer wäre sofort selbsterhaltungsfähig im Falle einer Aufenthaltsberechtigung. Der Beschwerdeführer habe mehrmals gemeinnützige Leistungen im Umfang von mindestens 225 Stunden erbracht (Asylakt AS 327, 329, 331, 341, 357, 361). Auch für die Stadt Salzburg habe der Beschwerdeführer bereits zweimal gemeinnützige Leistungen im Umfang von insgesamt 193 Stunden (Asylakt, Beilage 9 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Auch im August sei der Beschwerdeführer abermals einer gemeinnützigen Beschäftigung zugeteilt worden (Asylakt, Beilage 10 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer werde von seinem Quartiergeber als das beste Beispiel im Haus bezeichnet und habe der Beschwerdeführer etwa freiwillige geputzt, übersetzt und auch andere Asylwerber zum Arzt begleitet (Asylakt AS 333). ER habe auch bei der Reparatur von Fahrrädern geholfen (Asylakt AS 335). Auch die Rechtsberatung beim VMÖ habe er unentgeltlich unterstützt und habe er alte Menschen im Seniorenheim besucht (Asylakt, Beilage 12 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer habe sich auch in der Coronakrise nützlich gemacht und habe sich beim LKH Salzburg als freiwilliger Helfer bei den Zugangskontrollen angeboten (Asylakt, Beilage 12 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer habe an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen (Asylakt, Beilage 14 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020) und habe der Beschwerdeführer auch feste Freundschaften geschlossen (Asylakt, Beilagen 11, 12, 15 des vorbereitenden Schriftsatzes vom 11.6.2020). Der Beschwerdeführer sei auch der einzige Mandant des Vertreters, mit welchem dieser eine „echte Freundschaft“ verbinde. Auch aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in seinem Herkunftsland und der sehr langen Aufenthaltsdauer müsse eine Interessensabwägung im vorliegenden Fall zugunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Außerdem sei bereits eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen worden. Der gegenständlichen Rückkehrentscheidung stehe der Einwand der entschiedenen Sache entgegen. Außerdem sei der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten und komme seiner aufgetragenen polizeilichen Meldung nach, eine Fluchtgefahr bestehe nicht. Auch der Rückkehrberatung sei der Beschwerdeführer bis dato immer nachgekommen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei daher nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und bestätigte das erkennende Gericht mit Mail vom 29.12.2020, dass die Beschwerde und die Akten des Verfahrens vollständig am 29.12.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt sind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer spricht gut Deutsch und hat ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A2 erworben. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Juli 2014 im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer verfügte nie über ein anderes Aufenthaltsrecht als aufgrund seines Asylantrages. Der Beschwerdeführer hat einen Werte- und Orientierungskurs besucht, der Beschwerdeführer verfügt über mehrere Unterstützungsschreiben und leistete verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten. Der Beschwerdeführer verfügt seit Oktober 2019 über eine Gewerbeberechtigung für Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen und er verfügt über eine Einstellungszusage. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig, geht keiner Beschäftigung nach und hat den Großteil seines bisherigen Aufenthaltes Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. Der Beschwerdeführer pflegt ein reges Sozialleben, jedoch ist dies auch dem mittlerweile sechsjährigen Aufenthalt in Österreich geschuldet. Der Beschwerdeführer setzte Integrationsbemühungen, wie etwa seine gemeinnützige Tätigkeit vom 3.7.2017 bis zum 11.8.2017 im Ausmaß von insgesamt 115 Stunden, vom 2.3.2020 bis zum 16.3.2020 im Ausmaß von 78 Stunden, sowie vom 3.8.2020 bis zum 21.8.2020 im Ausmaß von 120 Stunden. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer wurde in diversen Empfehlungsschreiben als gewinnend, positiv, hilfsbereit, aufgeschlossen, lernwillig und kinderlieb beschrieben. Besondere Tatsachen, die ein überdurchschnittliches Engagement zur Integration gezeigt hätte, liegen im Fall des Beschwerdeführers nicht vor. Das Asylverfahren wurde mit hg. Erkenntnis vom 26.8.2020, Zl. L506 2168824-1 als unbegründet abgewiesen und wurde die Rückkehrentscheidung samt 14 tägiger Frist für die freiwillige Ausreise bestätigt. Eine außergewöhnliche und damit berücksichtigungswürdige Integration stellte das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 26.8.2020 nicht fest und zwar weder in sprachlicher, noch beruflicher noch gesellschaftlicher Hinsicht. Der Beschwerdeführer reiste nicht freiwillig aus, sondern verblieb weiterhin im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer ist nicht rückkehrwillig und setzte bis dato keine Schritte seine Ausreise zumindest vorzubereiten. Der Beschwerdeführer kommt seiner Meldeverpflichtung bei der PI Salzburg Hauptbahnhof nach. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandten in Österreich oder lebt mit sonst ihm nahestehenden Personen zusammen. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers befindet sich in Pakistan.

Der Beschwerdeführer erstattete in der Beschwerde keinerlei neues Tatsachenvorbringen, welches seit dem hg Erkenntnis vom 26.8.2020, Zl. L506 2168824-1 entstanden wäre. Sämtliche in der Beschwerde vorgetragenen integrativen Schritte bestanden bereits zum Zeitpunkt der gerade angeführten Entscheidung vom 26.8.2020, wurden auch dort angeführt und im Vorverfahren auch entsprechend berücksichtigt.

1.2. Länderfeststellungen:

Sämtliche Länderfeststellungen entstammen aus dem angefochtenen Bescheid und wurden von dort übernommen.
1.         Sicherheitslage

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).

Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):

Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019). Siehe dazu auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die „korrigierende religiöse Bildung“, Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).

Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan—innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich (27.3.2019): Reiseinformation Pakistan, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/pakistan/, Zugriff 3.4.2019

?        Dawn (8.4.2019): India-Pakistan conflict: Experts warn of harmful implications, https://www.dawn.com/news/1474645/india-pakistan-conflict-experts-warn-of-harmful-implications, Zugriff 8.4.2019

?        Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 3.4.2019

?        Dawn (29.5.2018): Fata’s historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019

?        DW – Deutsche Welle (28.2.2019): Opinion: India, Pakistan, and the remote but real threat of nuclear war, https://www.dw.com/en/opinion-india-pakistan-and-the-remote-but-real-threat-of-nuclear-war/a-47721752, Zugriff 8.4.2019

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?        Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019

?        Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019

?        Standard, der (2.4.2019): Pakistan meldet mehrere Tote nach Beschuss aus Indien, https://derstandard.at/2000100638494/Pakistan-meldet-mehrere-Tote-nach-Beschuss-aus-Indien-in-Kaschmir, Zugriff 3.4.2019

?        Time (28.2.2019): From Suicide Bombing to Captured Pilot: A Timeline of the Latest Crisis in Kashmir, http://time.com/5541090/india-pakistan-2019-tensions-timeline/, Zugriff 2.4.2019

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?        USDOS – US Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444941.html, Zugriff 2.4.2019

1.1.    Khyber Pakhtunkhwa

Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Distrikte (PBS 2017d) und sieben Tribal Districts unterteilt (Dawn 31.5.2018). Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) wurden Ende Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert (AA 1.2.2019a). Die sieben Tribal Districts Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan waren bis 31. Mai 2018 Agencies der FATA (FRC 15.1.2019; vgl. PBS 2017d, Dawn 31.5.2018). Die bis 31.5.2018 bestehenden Frontier Regions der FATA wurden als Subdivisions in die bestehenden Distrikte Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank eingegliedert (Dawn 31.5.2018; vgl. PBS 2017d).

Laut Zensus 2017 hat die Provinz [im Gebietsstand ab 1.6.2018] ca. 35,5 Millionen Einwohner, wovon ca. fünf Millionen auf dem Gebiet der ehemaligen FATA leben. Die Hauptstadt Peschawar hat 4,3 Millionen Einwohner (PBS 2017d).

2009 begann die pakistanische Armee mit einer Reihe militärischer Einsätze gegen Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) in Khyber Pakhtunkhwa. Diese Offensive war gekennzeichnet durch Menschenrechtsverletzungen und willkürliche Verhaftungen. Die militärischen Einsätze gegen Aufständische trugen auf lange Sicht zu mehr Sicherheit in der Provinz bei (EASO 10.2018 S 67); auch auf dem Gebiet der ehem. FATA hat sich die Lage verbessert und viele Gebiete sind von Aufständischen geräumt worden (EASO 10.2018 S 82; vgl. FRC 15.1.2019). In den ehemaligen FATA konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018; vgl. FRC 15.1.2019), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018).

Dennoch bleibt die Bedrohung durch Gewalttaten der TTP weiter aufrecht. Zahlreiche Taliban-Fraktionen konnten ihre Netzwerke auf afghanischer Seite der Grenze wieder herstellen und sind in der Lage, terroristische Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten in den Tribal Districts Nord- und Süd-Wasiristan durchzuführen (FRC 15.1.2019; vgl. AA 21.8.2018). Andere Gruppen, die zur Instabilität in den Stammesdistrikten beitragen und ebenfalls grenzüberschreitend von Afghanistan aus operieren, sind der Islamische Staat, die Wazir- und Mahsud-Taliban, Lashkar-e-Islam und Tauheed-ul-Islam (FRC 15.1.2019). In Süd-Wasiristan wurde eine bewaffnete Gruppe, die als „gute Taliban“ bezeichnet wird, zu einer staatlich gestützten Miliz (EASO 10.2018 S 82). Eine lokale Talibangruppe um Mullah Nazir aus Nord-Wasiristan, die ebenfalls als „gute Taliban“ bezeichnet wurde, ist jetzt unter dem Deckmantel eines Friedenskommittees tätig und bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement (PTM, siehe auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.) (PIPS 7.1.2019 S 75).

Als Folge der Mitte 2014 begonnenen Militäroperation Zarb-e-Azb, die sich im Wesentlichen auf das Gebiet der ehem. FATA konzentrierte, mussten rund 1,4-1,8 Mio. Menschen ihre Wohngebiete verlassen und galten seither als IDPs (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018). Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an Infrastruktur und privatem Eigentum, ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 21.8.2018; vgl. Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).

Gegen die Ausdehnung des Rechtssystems auf die Tribal Districts gibt es starken Widerstand der Stammeseliten. Ebenso besteht Widerstand gegen die Finanzierung des infrastrukturellen und institutionellen Aufbaus von Gerichten und anderen Behörden (FRC 15.1.2019; vgl. Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).

Nach der Aufnahme der Stammesgebiete in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa begann die Polizei gemeinsam mit den paramilitärischen Einheiten in den ehem. Stammesgebieten tätig zu werden. Die Provinzpolizei ist im Prozess der Aufnahme und der Ausbildung zusätzlichen Personals, um die Präsenz auf das gesamte Gebiet der ehem. FATA auszudehnen (USDOS 13.3.2019). Es gibt jedoch großen Widerstand gegen die Auflösung paramilitärischer Einheiten, die bis zur Eingliederung der FATA in die Provinz KP dort tätig waren und die Übernahme deren Personals in die Provinzpolizei (FRC 15.1.2019).

Die militärische Führung hat durch Zugangssperren u.a. zu Teilen von Khyber Pakhtunkhwa, sowie durch Aufforderungen zur Selbstzensur mittels direkter und indirekter Einschüchterungsmethoden auf unauffällige, jedoch sehr effektive Art, die Berichterstattung beschränkt (ÖB 10.2018). Es gibt Hinweise, dass nicht alle Zwischenfälle gemeldet werden, da Journalisten und Blogger Selbstzensur betreiben (EASO 10.2018 S 13).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Khyber Pakhtunhkwa 29 terroristische Angriffe mit 16 Todesopfern. Von diesen fanden 15 Anschläge mit drei Todesopfern auf dem Gebiet der ehemaligen FATA statt. 14 Anschläge zielten auf die staatlichen Sicherheitskräfte und acht auf Zivilisten. Unter den Toten waren zwölf Sicherheitskräfte und vier Zivilisten. Insgesamt zehn der 29 Vorfälle mit insgesamt zwei Toten entfielen auf den Tribal District Nord-Wasiristan. Für einen Großteil der Anschläge waren die Taliban verantwortlich (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Bei einem Angriff der Indischen Luftwaffe nahe Balakot im Februar 2019 kamen keine Menschen zu Schaden (PIPS 7.3.2019). Dies war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019).

Im Jahr 2018 war Khyber Pakhtunkhwa die Provinz, die von der höchsten Zahl terroristischer Angriffe betroffen war, wobei es im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang der Anzahl der Anschläge um 19 Prozent und Rückgänge bei der Zahl der Todesopfer und Verletzten um 43 bzw. 46 Prozent gab. Insgesamt wurden bei 125 terroristischen Anschlägen 196 Personen getötet und 376 Personen verletzt. Davon wurden 75 Anschläge mit 116 Todesopfern und 194 Verletzten in den sieben Tribal Districts verzeichnet (PIPS 7.1.2019 S 36).

Die Sicherheitslage im Tribal District Nord-Wasiristan war 2018 am volatilsten (FRC 15.1.2019). Die höchste Zahl an Anschlägen wurden in den Distrikten Nord-Wasiristan (33; 44 Tote), Dera Ismail Khan (18; 19 Tote), Peschawar (12; 28 Tote), Bannu (11; 10 Tote), Khyber (11; 7 Tote), Süd-Wasiristan (10; 9 Tote) und Bajaur (10; 8 Tote) registriert. Insgesamt wurde in 18 Distrikten, darunter in allen sieben Tribal Districts, Terroranschläge registriert (PIPS 7.1.2019 S 36).

Weiters waren im Jahr 2018 13 operative Schläge der Sicherheitskräfte sowie sechs bewaffnete Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen zu verzeichnen. Zudem fanden 15 grenzüberschreitende Angriffe aus Afghanistan statt, vorwiegend von pakistanischen Talibanmitgliedern, die sich dorthin zurückgezogen hatten, und es gab sechs Fälle von politischer bzw. wahlbezogener Gewalt (PIPS 7.1.2019 S 35-36).

Insgesamt 62, d.h. die Hälfte aller terroristischen Angriffe in Khyber Pakhtunkhwa, hatten im Jahr 2018 Sicherheitskräfte zum Ziel. Bei diesen Angriffen wurden 63 Sicherheitskräfte, zwölf Aufständische und zwei Zivilisten getötet. Im Vergleich zum Vorjahr fanden deutlich weniger High-Profile-Angriffe auf Sicherheitskräfte statt (PIPS 7.1.2019 S 36-37). Bei 27 gezielten Angriffen auf Zivilisten, die vorwiegend in den Tribal Districts stattfanden, wurden 28 Personen getötet; der deutliche Rückgang der Opferzahlen im Vergleich zum Vorjahr (130 zivile Todesopfer bei 32 Anschlägen auf Zivilisten 2017) lässt darauf schließen, dass es sich vorwiegend um Angriffe niederer Intensität handelte (PIPS 7.1.2019 S 38).

Es gab elf politisch motivierte terroristische Anschläge, die vorwiegend durch die Taliban verübt wurden, bei denen 34 Menschen ums Leben kamen. Im Vorfeld der Wahlen kam es im Juli 2018 in Peschawar zu einem Selbstmordanschlag auf eine politische Veranstaltung, bei dem 21 Menschen ums Leben kamen. Bei fünf konfessionell motivierten Anschlägen kamen 40 Personen ums Leben; alleine bei einem Anschlag in Orakzai durch den Islamischen Staat im November 2018 kamen 35 Personen, darunter ca. 25 Schiiten, ums Leben (PIPS 7.1.2019 S 39-40, 54).

Im Jahr 2017 wurden von PIPS 154 terroristische Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa registriert, bei denen 344 Personen getötet wurden. Von diesen fanden 83 Anschläge mit 253 Todesopfern auf dem Gebiet der damals noch existenten FATA statt. Im Tribal District Kurram (damals: Kurram Agency) kamen bei elf Terrorangriffen insgesamt 154 Menschen ums Leben (PIPS 7.1.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

?        Dawn (29.5.2018): Fata’s historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019

?        Dawn (31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law, https://www.dawn.com/news/1411061, Zugriff 26.2.2019

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

?        FRC – FATA Research Center (15.1.2019): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual Security Report 2018, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2019/01/1-Revied-Draft-of-Security-Report-2018-converted-final.pdf, Zugriff 26.2.2019

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?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (10.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 10.4.2019

?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019

?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019

?        Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
2.         Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 13.3.2019). Die pakistanische Verfassung und die Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 10.2018).

Der Aufbau des Justizsystems ist in der Verfassung geregelt. Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht und kann sich in Fällen von öffentlichem Interesse auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen. Die fünf High Courts (je einer pro Provinz und im Islamabad Capital Territory) fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll (ÖB 10.2018).

Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court, der zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen werden und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in – Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden – Teilen entschärft wurden (ÖB 10.2018).

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Der Supreme Court und die High Courts gelten als chronisch überlastet (ÖB 10.2018).

Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).

Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019).

Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).

Zivile Streitigkeiten, insbesondere wegen Eigentum und Geld, sind ein häufiger Grund für Mordfälle in Pakistan. Die oftmals Jahrzehnte dauernden Verzögerungen bei Urteilen durch Zivilgerichte können zu außergerichtlicher Gewaltanwendung zwischen den Streitparteien führen (JPP 4.10.2018). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für normale Pakistaner kaum eine Rolle (AA 21.8.2018). Vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans bestehen informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen und die oft Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 10.2018). Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts erstreckte sich gemäß Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas - PATA, und Federally Administered Tribal Areas - FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung). Mit Ende Mai 2018 wurden die Stammesgebiete durch die 31. Verfassungsänderung v.a. in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert, wodurch das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem nach einer zweijährigen Übergangsfrist auf FATA und PATA ausgeweitet werden soll (ÖB 10.2018; vgl. Dawn 31.5.2018). Außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2018). Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion auf den Terrorangriff auf die Militärschule in Peschawar eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten erlaubt, gegen unter Terrorverdacht stehende Zivilisten zu prozessieren (USDOS 13.3.2019; vgl. News 19.1.2019). Für mehr Informationen zu den Militärgerichten siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.

Im Zivil-, Kriminal- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann auf öffentliche Kosten ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 13.3.2019).

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019). Für mehr Informationen zu Blasphemiegesetzen siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.

Auf dem Index des „World Justice Project“ zur Rechtsstaatlichkeit 2019 rangiert Pakistan auf Platz 117 von 126; gemäß Bereinigung um die 13 im Vergleich zum Vorjahr hinzugefügten Staaten würde das eine Verschlechterung um einen Rang darstellen (WJP 2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan--innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

?        Dawn (31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law, https://www.dawn.com/news/1411061, Zugriff 26.2.2019

?        JPP – Justice Project Pakistan (4.10.2018): Counting the Condemned – Data Analysis of Pakistan’s Use of the Death Penalty, https://www.jpp.org.pk/wp-content/uploads/2018/10/2018_10_04_Counting-the-Condemned-Final.pdf, Zugriff 26.2.2019

?        News, the (19.1.2019): Decision on military courts’ extension rests with parliament: DG ISPR, https://www.thenews.com.pk/latest/420639-decision-on-military-courts-extension-rests-with-parliament-dg-ispr, Zugriff 26.2.2019

?        ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

?        WJP - World Justice Project (2019): Rule of Law Index 2019, https://worldjusticeproject.org/sites/default/files/documents/WJP-ROLI-2019-Single%20Page%20View-Reduced_0.pdf, Zugriff 8.4.2019


3.         Sicherheitsbehörden

Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht (AA 21.8.2018), dem Heer, das dem Verteidigungsministerium untersteht (MoD o.D.), militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen (EASO 10.2018) sowie den Geheimdiensten (AA 21.8.2018).

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt (AA 21.8.2018). Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol und verfügt über eine Abteilung zur Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Wing - CTWI) (AA 21.8.2018).

Im Wesentlichen ist die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung Aufgabe der Provinzen, die über eigene Polizeieinheiten verfügen (Noureen/Sarfraz 2016; vgl. AA 21.8.2018). Gegenüber den Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 21.8.2018). Die lokalen Einheiten der Provinzpolizei unterstehen dem District Nazim [~Bezirkshauptmann] (Noureen/Sarfraz 2016)

Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI). Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig. Der ISI wird vom Militär dominiert. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste gibt es nicht (AA 21.8.2018). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des ISI gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).

Frontier Corps (FC) und Rangers sind militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und der Grenzsicherung. Der Ausschuss der Vereinten Nationen gegen die Folter (UNCAT) ist der Ansicht, dass die FC an außergerichtlichen Tötungen und dem Verschwinden von Menschen beteiligt ist. Im April 2018 hat die Regierung in Sindh beschlossen, „die besonderen Befugnisse zur Polizeiarbeit“ für die Rangers in Sindh auszuweiten und ihren Einsatz und ihr Mandat zur Durchführung von „Operationen gegen militante Flügel, Erpresser, Auftragsmörder und aufständische Kämpfer“ in Karatschi zu verlängern (EASO 10.2018).

In Khyber Pakhtunkwa und den [ehem.] FATA setzen die pakistanische Armee und die Polizei mitunter illegale Milizen, sogenannte „Lashkars“, zur informellen Strafverfolgung ein. Berichten zufolge wenden sie willkürlich Gewalt an, zerstören Häuser, die mutmaßlichen Taliban und ihren Familien gehören, nehmen willkürliche Verhaftungen vor und führen rechtswidrige Tötungen durch. Die Regierung der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hat beschlossen, ihre Finanzierung einzustellen. Dem NAP zufolge werden die Lashkars aufgelöst (EASO 10.2018). Nach der Integration der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Mai 2018 wurde die Provinzpolizei auch in den ehem. FATA tätig, jedoch muss erst neues Personal aufgenommen und ausgebildet werden, um die ehem. FATA komplett abzudecken (USDOS 13.3.2019).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 13.3.2019). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 21.8.2018).

Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise Ahmadis, Christen, Schiiten und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu bieten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Einzelne lokale Behörden demonstrierten die Fähigkeit und den Willen, unter großer eigener Gefährdung Minderheiten vor Diskriminierung und Mob-Gewalt zu schützen (USDOS 13.3.2019).

Es gibt weiterhin Berichte, dass Sicherheitskräfte in Menschenrechtsverletzungen involviert sind, darunter Folter und andere Misshandlungen, willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Exekutionen und Verschwindenlassen. Diese bleiben aufgrund des Fehlens unabhängiger und unparteiischer Mechanismen, um gegen die Täter zu ermitteln und sie vor Gericht zu stellen, straflos (AI 21.2.2018). Berichten zufolge werden von einigen Einheiten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass viele paschtunische Aktivisten sowie Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan verschwanden oder grundlos verhaftet wurden (USDOS 13.3.2019).

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den District Nazims, Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 13.3.2019).

Im November 2018 wurde mit Unterstützung der USA ein modernes Trainingszentrum der Polizei eröffnet, um die Ausbildung von Führungskräften zu verbessern (USEC 27.11.2018). Im Jahr 2018 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge im Bereich Menschenrechte und Flüchtlingsrechte für ca. 200 Polizeibeamte in verschiedenen Städten von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) durchgeführt (SHARP 29.12.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

?        AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

?        Globalsecurity.org (o.D.): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 12.3.2019

?        MoD – Government of Pakistan – Ministry of Defense (o.D.): Ministry Overview, http://www.mod.gov.pk/, Zugriff 14.5.2019

?        Noureen, Asima; Sarfraz, Zaigham (2016): Structural Organization of Police: Official Record of the Government of Pakistan Based on Cabinet Division and Secretariat, in: JPUHS - Journal of Punjab University Historical Society, Vol.29, No.2, July-December, 2016, http://pu.edu.pk/images/journal/HistoryPStudies/PDF-FILES/4-v29_2_16.pdf, Zugriff 9.4.2019.

?        SHARP - Society for Human Rights and Prisoners' Aid (29.12.2018 – neuester Eintrag): Category: Activites & Events, https://sharp-pakistan.org/index.php/category/latest-news/activities-and-events/, https://sharp-pakistan.org/index.php/category/latest-news/activities-and-events/page/2/, Zugriff 12.3.2019

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

?        USEC – U.S. Embassy & Consulates in Pakistan (27.11.2018): National Police Academy Improves Police Training, https://pk.usembassy.gov/national-police-academy-improves-police-training/, Zugriff 12.3.2019
4.         Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert: Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz; Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist in Pakistan nach wie vor nicht abgeschafft) (AA 21.8.2018).

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet. Die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 5.3.2019).

Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung sich Pakistan verpflichtet hat (AA 21.8.2018).

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte sind u.a. extralegale und gezielte Tötungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Folter, willkürliche und überlange Untersuchungshaft, willkürliche und ungesetzliche Verletzung der Privatsphäre, Zensur, Blockieren von Webseiten, willkürliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Journalisten, schwere Schikanen und Einschüchterungen und medienwirksame Angriffe gegen Journalisten und Medienherausgeber, staatliche Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit inklusive übermäßig restriktive Gesetze gegen internationale NGOs, Einschränkungen der Religionsfreiheit und Diskriminierung religiöser Minderheiten, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Korruption in den Behörden, Rekrutierungen und Einsatz von Kindersoldaten durch nichtstaatliche militante Gruppen, fehlende Ermittlungen und Rechenschaftspflicht in Fällen von Vergewaltigung, sexueller Belästigung, sogenannter Ehrverbrechen, weiblicher Genitalverstümmelung und Gewaltverbrechen aufgrund von Geschlecht, Genderidentität und se

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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