TE Bvwg Beschluss 2021/1/12 I416 2197252-2

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Veröffentlicht am 12.01.2021
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Entscheidungsdatum

12.01.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I416 2197252-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.01.2021, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. am XXXX , StA. Nigeria, beschlossen:

A)       Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm. § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Der Fremde stellte am 15.08.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit Verfolgung aufgrund seiner Teilnahme an Demonstrationen der Gruppierung „IPOB“ begründete.

Dazu wurde er am 27.03.2018 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Er führte aus, bereits an mehreren Demonstrationen teilgenommen zu haben. Bei der letzten Demonstration habe die Polizei auf die Leute geschossen. Bei einem Tumult sei ein Polizist getötet worden. Die Polizei habe nach den Teilnehmern und auch nach ihm in den Häusern des Dorfes gesucht. Sein Name stünde auf einer Fahndungsliste. Er habe daher sein Land verlassen müssen.

Mit dem Bescheid vom 19.04.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Fremden auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Fremden keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 2 Wochen (gemeint und richtig: 14 Tagen) ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.) festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Schriftsatz vom 01.06.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 05.06.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.11.2018, Zl. I414 2197252-1/5E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Revision für unzulässig erklärt.

Nach Bewilligung des Verfahrenshilfeantrages durch den Verwaltungsgerichtshof am 18.01.2019 wurde mit Schriftsatz vom 12.03.2019 außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und beantragt, der außerordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zu zuerkennen und wurde diese mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 03.04.2019 zuerkannt.

Mit Erkenntnis vom 29.08.2019 hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, trotz substantiiertem Beschwerdevorbringens eine mündliche Verhandlung abzuhalten.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.12.2019, Zl. I414 2197252-1/18E, wurde nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 19.04.2018, Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen.

Der Fremde ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

Am 24.12.2020 stellte der Fremde, nach seinem Aufgriff durch die Sicherheitsbehörden am 28.10.2020, aus dem Stande der Schubhaft heraus, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, dass seine Fluchtgründe immer noch dieselben seien. Seine Probleme seien in Nigeria auch immer noch aktuell. Er stelle einen neuerlichen Asylantrag, da seine Probleme immer noch aktuell seien und er hier in Österreich bleiben wolle. Dies seien seine Fluchtgründe, er habe keine weiteren Gründe.

Mit Verfahrensanordnung vom 29.12.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Fremden gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon ausgehe, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Zugleich wurde dem Fremden gemäß § 29 Abs. 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass zur Wahrung des Parteiengehörs vor der Einvernahme eine Rechtsberatung stattfinden werde. Zugleich wurden ihm die aktuellen Länderfeststellungen zu Nigeria übermittelt und ihm die Möglichkeit gegeben, bis zum Einvernahme Termin dazu schriftlich Stellung zu beziehen bzw. im Rahmen der Einvernahme mündlich dazu Stellung zu nehmen. Verfahrensanordnung und Länder Informationen wurden vom Beschwerdeführer am selben Tag übernommen.

Am 04.01.2021 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Fremden durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz statt. Nach den Gründen für seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz befragt, gab er zusammengefasst an, dass er, als er beim ersten Mal um Asyl angesucht habe, gesagt habe, dass er Mitglied der „IPOB“ sei. Er habe die Geschichte erzählt, warum er Nigeria verlassen habe, er habe seinen „IPOB“ Mitgliedsausweis jedoch nicht vorlegen können, weil er ihn in Nigeria zurückgelassen habe. Im Jahr 2020 habe er einen Freund aus Nigeria getroffen, welcher nach Nigeria zurückgekehrt sei. Diesen habe er gebeten zu seinem Haus zu gehen und seinen Mitgliedsausweis zu holen. Seine Mutter habe ihm bei einem Telefonat gesagt, dass er nicht zurückkehren solle, da die Polizei immer noch nach ihm suchen würde. Er habe dann seine Mutter gebeten, dem Freund dem Mitgliedsausweis zu geben und sei sein Freund danach zurückgekommen und habe ihm dem Ausweis gegeben. Er sei von der Polizei kontrolliert worden und würde sich dieser Ausweis seitdem bei der Polizei befinden. Gefragt, wann ihm dieser Ausweis abgenommen worden sei, gab er an, dass dies im Oktober 2020 gewesen sei. Auf Vorhalt, dass im vorangegangenen Verfahren festgestellt worden sei, dass sich bei den geschilderten Fluchtereignissen Widersprüche ergeben hätten und dies sich offensichtlich nicht so abgespielt haben hätte können, wie von ihm dargestellt und sei dies auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht so festgestellt worden, führte der Fremde wörtlich an: „Ja so ist es geschehen. Wie gesagt, ich habe ja dem Referenten gesagt, dass ich diesen Mitgliedsausweis habe, in Nigeria werden Menschen getötet, zuletzt im Oktober 2020 gab es Berichte darüber, dass die nigerianische Polizei Menschen getötet hat.“ Gefragt, ob zu seinen bereits geschilderten Fluchtgründen etwas dazugekommen sei, oder diese, wie er in der polizeilichen Erstbefragung angegeben habe, gleichgeblieben seien, gab er wörtlich zu Protokoll: „Neu ist, dass mein Freund nach Nigeria zurückgekehrt ist und mit meiner Mutter gesprochen hat und meine Mutter sagte mir, dass die Polizei immer noch auf der Suche nach mir ist.“ Zu den Länderfeststellungen zu Nigeria, führte er aus, dass vor seiner Festnahme im Oktober die Lage in Nigeria nicht gut gewesen sei. Menschen hätten dagegen demonstriert, wie die Polizei Menschen in Nigeria behandle. Seitens der Rechtsberatung, wurde ausgeführt, dass der Fremde heute neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht habe, weswegen nicht von entschiedener Sache ausgegangen werden könne, es sei auch auf den erhöhten Blutdruck des Fremden und seinen diesbezüglichen Behandlungsbedarf hinzuweisen und würden die medizinischen Unterlagen dahingehend zu untersuchen sein, ob der Fremde einer medizinischen Behandlung bedürfe, die ihm in Nigeria nicht zur Verfügung stehen würde und ihm dadurch eine Verletzung des Art. 2 und 3 EMRK drohen würde. Im weiteren Verlauf der niederschriftlichen Einvernahme wurden die medizinischen Befunde des Fremden und der Entlassungsbrief vom einen 20.12.2020 eingeholt. Daraus geht hervor, dass der Fremde nach stationärer Behandlung vom 18.12.2020 bis 21.12.2020 bei unauffälligem stationären Verlauf entlassen und ihm entsprechende Arzneimittel gegen Bluthochdruck verordnet worden sind.

Im Anschluss an diese Einvernahme hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem mündlich verkündeten Bescheid den faktischen Abschiebeschutz nach § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG auf.

Mit Schreiben vom 05.01.2021, eingelangt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts I416 am 11.01.2021, informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht über die erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und übermittelte zugleich den Akt zur Beurteilung der Aufhebung.

Mit Schreiben vom 07.01.2021 führte der Fremde im Wesentlichen aus, dass der Antrag nicht zur Verfahrensverzögerung, sondern aufgrund neuer Umstände und neuer Beweismittel gestellt worden sei. Der Fremde würde zur Risikogruppe in Bezug auf die COVID-19 Krise gehören, da er am Bluthochdruck leiden würde und habe er Beweise vorgelegt, es gebe nunmehr eine ID Card der IPOB und sei diese verfügbar und einer Überprüfung zugänglich.

Eine Vollmacht des im Schreiben angeführten Vereins „Legal Focus“ ist im Akt nicht enthalten und wurde auch mit dem Schreiben vom 07.01.2021 nicht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Fremden:

Der Fremde ist ein Staatsangehöriger von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20 b AsylG. Er ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Die Identität des Fremden steht fest.

Der Fremde stellte bereits einen Antrag auf internationalen Schutz. Der erste Antrag wurde rechtskräftig negativ entschieden.

Der Fremde hat das Bundesgebiet nicht verlassen und verblieb illegal im Bundesgebiet. Der Fremde war zwischen 17.12.2019 und 27.10.2020 ohne aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet.

Der Fremde ist volljährig. Der Beschwerdeführer ist im Entscheidungszeitpunkt nicht verheiratet und hat keine Kinder.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Fremde entscheidungsrelevante gesundheitliche Probleme hat. Der Fremde leidet an Bluthochdruck, welcher bereits im Rahmen seines ersten Asylverfahrens entsprechend berücksichtigt wurde, der Beschwerdeführer war wegen des Bluthochdruckes kurzzeitig in stationärer Behandlung. Der Beschwerdeführer nimmt Medikamente gegen Bluthochdruck. Der Beschwerdeführer gehört keiner Risikogruppe im Sinne der COVID 19 Pandemie an.

Es konnte keine derart schwere, akut lebensbedrohliche und zudem in Nigeria nicht behandelbare gesundheitliche Beeinträchtigung festgestellt werden, die nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte.

In Nigeria lebt noch zumindest die Mutter des Fremden und hat er Kontakt zu ihr. In Österreich verfügt der Fremde über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Fremden in Österreich.

Der Fremde besuchte in Nigeria die Grundschule und arbeitete anschließend als Händler für Autoersatzteile und als Taxifahrer. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Nigeria hat er eine Chance auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach, lebte bis zur Rechtskraft seines ersten Asylverfahrens in einer Flüchtlingsunterkunft und hat bis Dezember 2019 Leistungen von der staatlichen Grundversorgung bezogen. Der Fremde ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.12.2019 ist keine entscheidungsrelevante Änderung des Sachverhaltes eingetreten.

Der Fremde ist in Österreich nicht vorbestraft und befindet sich aktuell in Schubhaft.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Fremden:

Der aus Nigeria stammende Fremde brachte im ersten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zusammengefasst vor, dass er Nigeria verlassen habe, da ihm wegen seiner Mitgliedschaft bei „IPOB“ und seiner Teilnahme an Demonstrationen Verfolgung drohe. Darüber hinaus würde er an Bluthochdruck leiden.

Im nunmehr gegenständlichen Verfahren hält der Fremde seine bisherigen Fluchtgründe aufrecht und gibt darüber hinaus an, dass er nunmehr einen Mitgliedsausweis der Gruppierung „IPOB“ vorlegen könne, zudem leide er an Bluthochdruck und nehme Medikamente.

Es wird ausdrücklich festgestellt, dass der Fremde bereits während seines anhängigen ersten Asylverfahrens, die im nunmehrigen Verfahren geltend gemachten Ausreisegründe vorgebracht hat, die alleinige Tatsache der nunmehrigen Vorlage eines Mitgliedsausweises, ist nicht geeignet neue, nach rechtskräftiger Entscheidung des ersten Asylverfahrens entstandene, entscheidungsrelevante Sachverhaltselemente darzutun.

In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Fremden in seinem Folgeantrag und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der Fremde im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existenziellen Bedrohungen ausgesetzt sein wird.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Fremde in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Fremden nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

1.3. Zum Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria auf Stand 23.11.2020 zitiert. Im gegebenen Zusammenhang sind die Informationen zur Sicherheit, der medizinischen Versorgung, zu COVID-19 sowie insbesondere zur Lage von Rückkehrenden von Relevanz. Demnach ist im Wesentlichen wie folgt festzustellen:

Allgemeine Sicherheitslage:

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 16.1.2020). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt (AA 16.1.2020; vgl. FH 4.3.2020); sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 16.1.2020; vgl. EASO 11.2018a) und Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a; vgl. Garda 23.6.2020). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten (EASO 11.2018a; vgl. AA 16.1.2020), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a) bzw. kommt es seit Jänner 2018 zu regelmäßigen Protesten des IMN in Abuja und anderen Städten, die das Potential haben, in Gewalt zu münden (UKFCDO 26.9.2020). Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz. Im „Middlebelt“ kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen und der Staatsgewalt. Die Lage im Südosten des Landes („Biafra“) bleibt jedoch latent konfliktanfällig.

Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nassarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger und Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten betroffen. Weiterhin bestimmen immer wieder gewalttätige Konflikte zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie gut organisierten Banden die Sicherheitslage. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 forderten diese in Abuja auch wiederholt Todesopfer (AA 8.10.2020).

Anfang Oktober 2020 führte eine massive Protestwelle zur Auflösung der Spezialeinheit SARS am 11.10.2020 (Guardian 11.10.2020). Die Einheit wurde in SWAT (Special Weapons and Tactics Team) umbenannt und seine Beamten sollen einer zusätzlichen Ausbildung unterzogen werden. Die Protestwelle hielt jedoch an (DS 16.10.2020). Mit Stand 26.10.2020 war das Ausmaß der Ausschreitungen stark angestiegen. Es kam zu Gewalt und Plünderungen sowie zur Zerstörung von Geschäften und Einkaufszentren. Dabei waren bis zu diesem Zeitpunkt 69 Menschen ums Leben gekommen - hauptsächlich Zivilisten, aber auch Polizeibeamte und Soldaten (BBC News 26.10.2020).

In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt (AA 8.10.2020).

In der Zeitspanne September 2019 bis September 2020 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (3.085), Kaduna (894), Zamfara (858), und Katsina (644). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (3), Kebbi (4), Kano (6), Jigawa (15) (CFR 2020).

Opposition inkl. MASSOB, IPOB und IMN

Verfassung und Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien, Gewerkschaften oder Interessengruppen. Es liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor. Auch in Nigeria kann sich die politische Opposition grundsätzlich frei betätigen. Das gilt nicht nur für die parlamentarische Opposition, sondern auch für außerparlamentarische Parteien und Gruppen. Bislang sind auch – meist marginale – Gruppen mit sezessionistischen Zielen (etwa Biafra) weitgehend toleriert worden (AA 16.1.2020). Mit Verbot der Indigenous People of Biafra (IPOB) im September 2017 und der schiitischen Islamischen Bewegung Nigerias (IMN) im August 2019 sind jetzt aber klare Grenzen markiert worden (AA 16.1.2020). Neben der IPOB ist im Südosten Nigerias als zweite sezessionistische Bewegung das Movement for the Actualization of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) aktiv (EASO 2.2019; vgl. ÖB 10.2019). Beide werden von der Igbo-Volksgruppe beherrscht, konkurrieren aber miteinander (ÖB 10.2019). Nach der vorübergehenden Freilassung des seit Herbst 2015 inhaftierten Anführers der IPOB, Nnamdi Kanu, im Frühjahr 2017 spitzte sich die Lage rund um den 50. Jahrestag des Beginns des Biafra-Kriegs [Anm.: 6.7.2017] neuerlich zu. Zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wurden Truppen entsandt (ÖB 10.2019; vgl. AA 16.1.2020) und die IPOB zur terroristischen Organisation erklärt (ÖB 10.2019; vgl. AA 16.1.2020. Seither hat es seitens IPOB und MASSOB nur noch vereinzelt Versuche gegeben, in der Öffentlichkeit für die (verfassungswidrige) Unabhängigkeit eines fiktiven Staates „Biafra“ zu werben. Diese wurden von den nigerianischen Sicherheitsbehörden regelmäßig unterbunden. Insgesamt können diese Bewegungen als relativ unbedeutende Randgruppen angesehen werden (ÖB 10.2019). Im August 2020 kam es bei einem Treffen der IPOB in der Stadt Enugu zu Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Gemäß IPOB wären 21 Mitglieder getötet und 47 verhaftet worden, laut Polizeichef wären vier IPOB-Mitglieder verhaftet und vier getötet worden (BAMF 24.8.2020). Der IPOB-Führer Nnamdi Kanu, der seit September 2017 spurlos verschwunden gewesen war, trat überraschend im Oktober 2018 in Jerusalem wieder öffentlich in Erscheinung (ÖB 10.2019; vgl. BBC 22.10.2018). Seit Anfang 2019 hielt er sich in Großbritannien auf (AFP 17.2.2019). Der Federal High Court in Abuja erließ am 28.3.2019 einen Haftbefehl gegen ihn. Gleichzeitig widerrief das Gericht die Nnamdi Kanu im April 2017 aus gesundheitlichen Gründen gewährte Freilassung auf Kaution, da er seither mehreren Vorladungen des Gerichts nicht Folge geleistet hatte (BAMF 1.4.2019). Im September 2019 kündigte Kanu an, eine IPOB-Delegation zur Generalversammlung der UNO führen zu wollen, und beschuldigte Nigeria in einer Petition an die UNO in Genf der Menschenrechtsverletzungen gegen die Unterstützer der Biafra-Bewegung (ÖB 10.2019). In Nigeria selbst ist IPOB derzeit nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).

Medizinische Versorgung:

Insgesamt kann die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden. Zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd besteht ein erhebliches Gefälle: Auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt (GIZ 3.2020b); und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär (GIZ 9.2020b; vgl. ÖB 10.2019). Die medizinische Versorgung ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch (AA 7.9.2020). Die Gesundheitsdaten Nigerias gehören zu den schlechtesten in Afrika südlich der Sahara und der Welt (ÖB 10.2019). Mit 29 Todesfällen pro 1.000 Neugeborenen hat Nigeria weltweit die elfthöchste Todesrate bei Neugeborenen (GIZ 9.2020b). Die aktuelle Sterberate für Kinder unter fünf Jahren beträgt 100,2 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten (ÖB 10.2019).

Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser (AA 16.1.2020). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, die im öffentlichen Gesundheitssektor allerdings in der Regel unter europäischem Standard liegt. Der private Sektor bietet hingegen in einigen Krankenhäusern der Maximalversorgung (z.B. in Abuja, Ibadan, Lagos) westlichen Medizinstandard. Nahezu alle, auch komplexe Erkrankungen, können hier kostenpflichtig behandelt werden (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung (ÖB 10.2019).

In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 16.1.2020).

Stigmatisierung und Missverständnisse über psychische Gesundheit, einschließlich der falschen Wahrnehmung, dass psychische Erkrankungen von bösen Geistern oder übernatürlichen Kräften verursacht werden, veranlassen die Menschen dazu, religiöse oder traditionelle Heiler zu konsultieren; eine Rolle spielt hier auch der Mangel an qualitativ hochwertiger psychiatrischer Versorgung und die unerschwinglichen Kosten (HRW 11.11.2019). Es existiert kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 16.1.2020). Nigeria verfügt derzeit über weniger als 150 Psychiater (AJ 2.10.2019), nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen „aufbewahrt“. Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019). Die WHO schätzt, dass weniger als 10 Prozent der Nigerianer jene psychiatrische Behandlung bekommen, die sie brauchen (AJ 2.10.2019; vgl. HRW 11.11.2019).

Nach anderen Angaben gibt es insgesamt für die inzwischen annähernd (VAÖB 23.1.2019) 180-200 Millionen (Punch 22.12.2017: 180 Mio; VAÖB 23.1.2019: 200 Mio) Einwohner 100 Hospitäler mit psychiatrischer Abteilung (VAÖB 23.1.2019). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Die Behandlungskosten sind jedoch je nach Schwere der Krankheit unterschiedlich. Zudem ist an diesem Krankenhaus auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 16.1.2020).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 16.1.2020). Nur weniger als sieben Millionen (Punch 22.12.2017) der 180-200 Millionen (Punch 22.12.2017: 180 Mio; VAÖB 23.1.2019: 200 Mio) Einwohner Nigerias sind beim National Health Insurance Scheme leistungsberechtigt (Punch 22.12.2017). Eine Minderheit der erwerbstätigen Bevölkerung ist über das jeweils beschäftigende Unternehmen mittels einer Krankenversicherung abgesichert, die jedoch nicht alle Krankheitsrisiken abdeckt (VAÖB 27.3.2019).

Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 9.2020b). Selbst in staatlichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 16.1.2020). Die Kosten medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden. Die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein (ÖB 10.2019). Eine medizinische Grundversorgung wird über die Ambulanzen der staatlichen Krankenhäuser aufrechterhalten, jedoch ist auch dies nicht völlig kostenlos, in jedem Fall sind Kosten für Medikamente und Heil- und Hilfsmittel von den Patienten zu tragen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (VAÖB 27.3.2019). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 16.1.2020). Gemäß Angaben einer anderen Quelle werden Tests und Medikamente an staatlichen Gesundheitseinrichtungen dann unentgeltlich abgegeben, wenn diese überhaupt verfügbar sind. Religiöse Wohltätigkeitseinrichtungen und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung (ÖB 10.2019).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 16.1.2020). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Schutzimpfaktionen werden von internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber auf religiös und kulturell bedingten Widerstand, überwiegend im muslimischen Norden (ÖB 10.2019).

Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist jedoch zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte – meist aus asiatischer Produktion – vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente). Diese wirken aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt. Es gibt zudem wenig zuverlässige Kontrollen hinsichtlich der Qualität der auf dem Markt erhältlichen Produkte (AA 16.1.2020). Gegen den grassierenden Schwarzmarkt mit Medikamenten gehen staatliche Stellen kaum vor (ÖB 10.2019).

Der Glaube an die Heilkräfte der traditionellen Medizin ist nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher traditionelle Heiler als Schulmediziner konsultiert (GIZ 9.2020b). Gerade im ländlichen Bereich werden „herbalists“ und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2019).

In Nigeria gibt es wie in anderen Ländern relativ wenig belegte COVID-19 Infizierte. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass vergleichsweise wenig Tests durchgeführt werden (Africa CDC 13.10.2020).

COVID-19:

Die COVID-19-Situation in Nigeria ist nach wie vor angespannt. Die veröffentlichten absoluten Zahlen an bisherigen Infizierten (rund 62.000) geben angesichts der geringen Durchtestung der 200-Millionen-Bevölkerung ein verzerrtes Bild. Aussagekräftiger ist der Anteil der positiven Fälle gemessen an der Zahl der durchgeführten Tests. Dieser lag im Oktober 2020 landesweit bei mehr als drei Prozent, in der Metropole Lagos hingegen bei etwa 30 Prozent. Die Zahlen berücksichtigen noch nicht die Auswirkung der #EndSARS-Proteste, bei denen von den Demonstrierenden praktisch keine Schutzvorkehrungen gegen COVID-19 getroffen worden sind. Ein Anstieg an positiven Fällen ist hauptsächlich in der Südwestzone des Landes zu beobachten. In einigen Bundesstaaten herrscht überhaupt Skepsis an der Notwendigkeit von COVID-19-Maßnahmen. Die allgemeine Risikowahrnehmung und die Nachfrage nach Tests sind gering (ÖB 10.2020).

In Nigeria gibt es wie in anderen afrikanischen Ländern relativ wenig belegte COVID-19 Infizierte. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass vergleichsweise wenig Tests durchgeführt werden (Africa CDC 13.10.2020). Anfang September 2020 wurde die Phase 3 der Restriktionen im Zusammenhang mit der Coronakrise in Kraft gesetzt. Die Ausgangssperre gilt im ganzen Land nun von Mitternacht bis vier Uhr. Meetings bis zu maximal 50 Personen sind gestattet. In Lagos dürfen Restaurants, Klubs und Kirchen etc. unter bestimmten Auflagen öffnen (WKO 25.9.2020).

Seit 2020 ist die nigerianische Wirtschaft aufgrund des erneuten Verfalls des Rohölpreises sowie der massiven wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie wieder geschwächt. Wie hoch der wirtschaftliche Schaden sein wird, ist bislang noch nicht abzuschätzen (GIZ 6.2020). Für 2020 wird aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Nigeria und der drastisch gesunkenen Erdölpreise mit einer Schrumpfung des nigerianischen BIP um 4,4 Prozent gerechnet. In der 2. Jahreshälfte 2020 ist jedoch ein Wiederanziehen der Konjunktur feststellbar und für 2021 wird ein Wachstum von 2,2 Prozent erwartet (WKO 14.9.2020).

Rückkehr:

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).

Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation in Nigeria ist nicht eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Fremden vor diesem und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie in den zu überprüfenden Bescheid.

2.1. Zur Person des Fremden:

Die Feststellungen zur Person, seiner Herkunft, sowie zu den Lebensumständen des Fremden gründen sich auf seinen diesbezüglichen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde und aus dem Akt.

Die Feststellung hinsichtlich seiner Identität ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben und der im IZR angeführten Ausstellung eines Heimreisezertifikates (siehe IZR Auszug vom 08.01.2020).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Fremden ergeben sich aus dem von ihm vorgelegten befunden im Rahmen Einvernahme und seinen dahingehenden Angaben im Rahmen des ersten Verfahrens auf internationalen Schutz.

Die Feststellungen zu seiner Familie in Nigeria ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen der Einvernahmen ebenso, dass keine Familienangehörigen des Fremden in Österreich aufhältig sind.

Die Feststellung zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem ZMR.

Die Feststellung, dass der Fremde das Bundesgebiet nachweislich nicht verlassen hat, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Fremden ergeben sich aus den Angaben des Fremden. In Bezug auf das Privat- und/oder Familienleben des Fremden im Bundesgebiet ist – insbesondere aufgrund der Nichtvorlage entsprechend neuer Unterlagen – seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.12.2019 keine entscheidungsrelevante Änderung des Sachverhaltes erkennbar.

Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer derzeit im Schubhaft befindet, ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem IZR sowie dem zentralen Melderegister.

2.2. Zu den Fluchtmotiven des Fremden:

Im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren stützte der Fremde sein Fluchtvorbringen auf seine Mitgliedschaft bei IPOB und der Teilnahme bei Demonstrationen. Als fluchtauslösendes Ereignis nannte er eine durch die nigerianische Polizei aufgelöste Demonstration in seinem Heimatdorf.

Seinen verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz begründete der Fremde damit, dass sein Fluchtgrund noch derselbe sei. Ergänzend führte er unsubstantiiert aus, dass er im Jahr 2020 einen Freund aus Nigeria getroffen habe, welchen er gebeten habe, zu seinem Haus zu gehen und seinen Mitgliedsausweis zu holen. Dieser habe ihm den Ausweis, als er wieder nach Österreich gekommen sei gegeben. Darüberhinaus habe er mit seiner Mutter telefoniert und habe ihm diese gesagt habe, dass die Polizei immer noch nach ihm suchen würde. Dieses Vorbringen ist selbst unter Zugrundelegung des nunmehr durch die Polizei im Rahmen des Aufgriffs des Fremden aufgetauchten Mitgliedsausweises, nicht geeignet die Glaubwürdigkeit seines im ersten Verfahren vorgebrachten Fluchtvorbringens zu bewirken bzw. einen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu begründen.

Hinsichtlich seines Vorbringens, dass er am Bluthochdruck leide, ist auszuführen, dass dieses gesundheitliche Problem bereits im Rahmen seines ersten Asylverfahrens bestanden und geltend gemacht worden sind und dementsprechend im Rahmen des vorangegangenen Asylverfahrens einer Beurteilung unterzogen und berücksichtigt worden.

Wenn in seinem Schreiben vom 07.01.2021 dazu unter Zitierung der „Covid-19-Risikogruppe-Verordnung“ ausgeführt wird, dass er aufgrund seines Bluthochdrucks zur Risikogruppe gehöre, ist dem entgegenzuhalten, dass die in der Verordnung genannten Voraussetzungen den vorgelegten Befunden nicht zu entnehmen sind (AS 111) und der Fremder nach kurzfristigem stationären Aufenthalt unter Verschreibung entsprechender Medikamente gegen Bluthochdruck entlassen wurde.

Im vorliegenden Fall ist somit der Behörde nicht entgegen zu treten, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, dass die von ihm zur Begründung seines zweiten Asylantrags geltend gemachten Umstände einerseits im ersten Verfahren als unglaubwürdig erachtet worden seien, bzw. dass keine entscheidungsrelevante Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes vorliege und daher von einer entschiedenen Sache auszugehen sein werde. Zudem erscheint sein nunmehriges Vorbringen, welches sich auf das Vorliegen eines Mitgliedsausweises beschränkt, unabhängig von der Beurteilung der Echtheit dieses Ausweises unter Berücksichtigung seiner Angaben im vorangegangenen Asylverfahren nicht geeignet, eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK zu begründen bzw. glaubhaft zu machen.

Im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit des Fremden ist auch mit einzubeziehen, dass dieser seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist und der Fremde nach rechtskräftigen Abschluss seines ersten Asylverfahrens bis zu seinem Aufgriff durch die Sicherheitsbehörden ohne aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet aufhältig war.

Dass der Fremde zudem seinen Folgeantrag erst im Rahmen seiner Schubhaft und nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die nigerianischen Behörden gestellt hat und nicht unmittelbar nach Erhalt des von ihm nunmehr vorgelegten Mitgliedsausweises, bzw. zumindest im Rahmen seines Aufgriffs durch die Behörden im Oktober 2020, zeigt, dass der Beschwerdeführer diese angebliche Änderung des Sachverhalts erst geltend gemacht hat, als er davon ausgehen hat müssen, dass seine Außerlandesbringung zeitnah erfolgen würde.

Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen zur Unglaubwürdigkeit des Vorbringens und des zeitlichen Ablaufes war die Negativfeststellung betreffend die nunmehr in den Raum gestellten Verfolgungsgründe zu treffen und festzustellen, dass der Folgeantrag rechtsmissbräuchlich, zur Verhinderung seiner Abschiebung gestellt wurde.

Im mündlich verkündeten Bescheid wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria zitiert und wurde dem Fremden im Rahmen der voran gegangenen niederschriftlichen Einvernahmen auch die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme abzugeben, wobei der Fremde dahingehend lediglich angab, dass als er im Oktober festgenommen worden sei die Lage in Nigeria nicht gut gewesen sei, Menschen würden dagegen demonstrieren, wie die Polizei Mensch in Nigeria behandeln würde.

Ein Abgleich zwischen den dem Fremden am 29.12.2020 ausgefolgten Länderfeststellungen und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria im gegenständlichen Verfahren ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Nigeria. Eine solche würde auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen und wurde vom Fremden auch nicht substantiiert bestritten.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Fremden nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

Im gegenständlichen Asylverfahren bringt der Fremde somit keine neuen Gründe, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt, für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor.

Auch in seiner Stellungnahme bringt er lediglich vor, dass er jetzt einen Mitgliedsausweis vorweisen könne bzw. dass er aufgrund seines Bluthochdruckes zur Risikogruppe im Sinne der Covid-19 Pandemie gehören würde, ohne jedoch auszuführen, warum sein nunmehriges Vorbringen im Lichte der letzten rechtskräftigen Entscheidung entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde einen entscheidungsmaßgeblichen geänderten Sachverhalt darstellen würde, insbesondere auch im Hinblick auf seinen bereits im ersten Verfahren geltend gemachten gesundheitlichen Problem des Bluthochdrucks, oder auszuführen inwiefern sich sein Privat- und Familienleben seit der letzten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung geändert habe.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen, welche der Entscheidung der belangten Behörde zu Grunde liegen, sind aktuell. Es ist daher keine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation eingetreten und schließt sich das Bundesverwaltungsgericht diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

§ 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

„Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1.-gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2.-kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3.-im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4.-eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1.-gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2.-der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3.-die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) ...

Entscheidungen

§ 22. ...
(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
...".

§ 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

„Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Zunächst ist festzuhalten, dass der Fremde einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 Asylgesetz 2005 gestellt hat und dass kein Fall des § 12a Abs. 1 Asylgesetz 2005 vorliegt.

3.2. Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005

3.2.1. Zum Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung (Z1):

Das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 AsylG 2005.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 02.12.2019 iVm dem Bescheid des BFA vom 19.04.2018 wurde gegen den Fremden rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen.

3.2.2. Zum Vorliegen von res iudicata (Z2):

Eine weitere Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ist, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird (§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005).

Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0213, vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0198, mwN).

Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344; 6.11.2009, 2008/19/0783).

Wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, ist eine neue Sachentscheidung auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266; 15.10.1999, 96/21/0097; 25.04.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684).

Wie oben in der Beweiswürdigung und den Feststellungen angeführt, war der im Verfahren über den Folgeantrag vorgebrachte Fluchtgrund – ungeachtet des nunmehr vorliegenden Mitgliedsausweises – bereits während des ersten anhängigen Asylverfahrens des Fremden gegeben.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 („wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist“) führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass „eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags“ zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für „klar missbräuchliche Anträge“ beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (vgl. VwGH 26.03.2020, Ra 2019/14/0079).

Die vorgesehenen Ausnahmen kommen nach dem Inhalt der Akten im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, insbesondere handelt es sich nicht um nachträglich hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, die geeignet wären, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Wie die Ausführungen in der Beweiswürdigung zeigen, liegt der Zweck des gegenständlichen Folgeantrags viel mehr in der Verhinderung seiner Abschiebung und ist von einer missbräuchlichen Antragsstellung des Fremden auszugehen.

Daher ist davon auszugehen, dass die in § 68 AVG grundsätzlich vorgesehene Zurückweisung als Erledigung der belangten Behörde zu erwarten ist.

Daraus ergibt sich, dass der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005 gestellt hat, und die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegen, weil dem Fremden keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat droht.

Nach den obigen Feststellungen und Beweiswürdigung ist – bei der hier vorzunehmenden Grobprüfung – damit zu rechnen, der der Folgeantrag internationalen Schutz wegen res iudicata zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.

3.2.3. Prüfung auf Verletzung von Rechten nach der EMRK (Z 3):

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz ist weiters nur zulässig, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeutet und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt (§ 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005).

Bereits im ersten Verfahren hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochen, dass der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson als ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde; diese Entscheidung wurde seitens des BVwG bestätigt.

Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren bzw. im Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 sind keine glaubhaften Umstände dargetan worden oder hervorgekommen, die gegen die Abschiebung des Fremden in seinen Heimatstaat Nigeria im Sinne dieser Bestimmungen sprechen.

Der Fremde leidet an Bluthochdruck und nimmt entsprechende Medikamente ein, er leidet aber aktuell an keiner akut lebensbedrohlichen Krankheit, sodass jenes sehr außergewöhnlich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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