TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/20 G305 2206916-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.01.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


G305 2206916-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, StA.: Irak, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.08.2018, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX.01.2021 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Am XXXX.09.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte, irakische Staatsangehörige, XXXX, geboren am XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am XXXX.09.2015 wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Anlässlich dieser Einvernahme gab er zu seinen Fluchtgründen befragt, an, dass im Irak Bürgerkrieg herrsche und er sich für keine Seite habe entscheiden wollen. Es habe keine Sicherheit und tägliche Selbstmordanschläge und Bombenangriffe gegeben. Im Jahr 2005 habe er für eine XXXX gearbeitet und sei dort zwei Jahre lang beschäftigt gewesen. Zu dieser Zeit habe Al-Kaida geherrscht und er sei von „denen“ bedroht worden, weil er für die Amerikaner gearbeitet habe und ungläubig sei. Aus diesem Grund sei er von diesem Ort weggezogen und habe seine Arbeit bei der Firma beendet. An dem neuen Ort sei er von schiitischen Milizen bedroht worden. Für ihn gebe es keine Sicherheit im Irak.

Zur Reiseroute befragt, gab der BF an, am XXXX.2015 XXXX mit dem Flugzeug in Richtung Erbil verlassen zu haben. Nach zwei Tagen sei er mit einem Bus nach Istanbul und dann mittels Flugzeug nach Izmir gelangt und illegal nach Griechenland gekommen. Auf der Insel Samos seien zwar Fotos gemacht, jedoch keine Fingerabdrücke abgenommen worden. Nach einem zweitägigen Aufenthalt habe er mit dem Schiff Athen erreicht und sei dann über die „Balkanroute“ nach Budapest weitergereist. Von dort sei er mit dem Zug nach XXXX gereist und habe den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei seiner Rückkehr fürchte er, vom IS oder schiitischen Milizen umgebracht zu werden, von staatlicher Seite erwarte er keine Repressionen.

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ.

1.3. Am XXXX.2018 wurde er ab 08:30 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.

Als Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, kein gläubiger Mensch zu sein und daher auch Probleme bei der Arbeit gehabt zu haben. Milizen hätten erfahren, dass er nicht gläubig sei und in XXXX gegen diese demonstriert habe. Zudem stamme er als Sunnit aus einem schiitischen Gebiet. Am XXXX.2015 habe er mit Freunden spontan an einer Demonstration gegen die Milizen teilgenommen. Der Bruder eines teilnehmenden Freundes sei jedoch selbst bei einer Miliz gewesen und habe ihn daraufhin bedroht. Ein weiterer Freund sei verhaftet worden und in Folge dessen gestorben. Aus Angst sei er zu einem Freund in einem anderen Wohnviertel gegangen und habe er nach einer Woche den Irak verlassen. In seinem Heimatgebiet XXXX, einem Stadtteil von XXXX, sei man zu der Information gekommen, dass er für eine Firma tätig gewesen sei, welche mit den Amerikanern zusammengearbeitet habe. Man habe ihn als ungläubig bezeichnet, weshalb er auch diese Gegend verlassen habe. Weiters habe er im Zuge seiner Arbeit schiitische Milizen diffamiert und sich über diese lustig gemacht. Der Grund für seine Flucht sei sohin seine Ungläubigkeit gewesen.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wies das BFA den Antrag der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich des Antrages auf Erteilung von internationalem Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt werde und dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiter wurde ausgesprochen, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde begründete die Entscheidung im Kern damit, dass es dem BF nicht gelungen sei, eine asylrelevante Bedrohung glaubhaft zu machen.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob er mit Schreiben vom 20.09.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde verband er einerseits mit der Anfechtungserklärung, den Bescheid vollumfänglich anfechten zu wollen, andererseits mit den Anträgen 1.) den angefochtenen Bescheid dessen hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuändern und ihm den Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, 2.) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen, 3.) in eventu möge ihm gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 4 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zuerkannt werden, 4.) allenfalls die erlassene Rückkehrentscheidung aufzuheben und auf Dauer für unzulässig zu erklären und 5.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen. In der Beschwerde brachte er vor, dass er entgegen den Ausführungen des BFA sehr wohl asylrelevante Gründe genannt hätte. Bei einer Rückführung in den Herkunftsstaat würde er Gefahren ausgesetzt, da er wegen der Teilnahme an Demonstrationen nach wie vor gesucht werde. Zudem werde er weiterhin von Milizen verfolgt, da er diese diffamiert hätte. Auch die Tatsache, dass er nicht gläubig sei, setze ihn in seiner Heimat einer Gefährdung aus.

1.6. In der Folge brachte die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG zur Vorlage und verband ihren Vorlagebericht mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

1.7. Mit Schreiben vom 09.12.2020 übertrug der BF die Vollmacht zur Vertretung im Rechtsmittelverfahren gegen die Entscheidung des BFA an die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH.

1.8. Am XXXX.01.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des BF, seiner Rechtsvertretung und eines Dolmetschers eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich der er als Partei einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen

Der BF führt die im Spruch angegebene Identität und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der Araber an und war nach eigenen Angaben Moslem sunnitischer Glaubensausrichtung; nunmehr bezeichnet er sich selbst als Atheist. Anlassbezogen kam nicht hervor, dass er diese Einstellung je nach außen getragen bzw. kommuniziert hätte. Seine Muttersprache ist Arabisch, er verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2. Er ist ledig und kinderlos [VH-Niederschrift S. 4f; Sprachzertifikat in OZ 7].

Seit dem XXXX.2015 hat er den Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (seit dem XXXX.2019 an der Anschrift XXXX) [Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR-Auszug].

In Österreich leben keine Verwandten des BF [VH-Niederschrift S. 16].

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Partei in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:

Vor seiner Ausreise aus dem Irak lebte er in XXXX im Bezirk XXXX. Sodann übersiedelte er mit seiner Familie in den Stadtteil XXXX. Die letzte Woche vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat hielt er sich im XXXX Bezirk XXXX auf [Niederschrift-BFA AS 13f].

Am XXXX.2015 verließ er XXXX mit dem Flugzeug in Richtung Erbil. Nach zwei Tagen fuhr er mit einem Bus nach Istanbul und gelangte mit dem Flugzeug nach Izmir und in der Folge illegal nach Griechenland. Auf der Insel Samos wurde der BF erkennungsdienstlich behandelt und gelangte er nach einem zweitägigen Aufenthalt ebendort mit dem Schiff nach Athen und von hier über die „Balkanroute“ nach Budapest. Von dort fuhr er mit dem Zug nach XXXX und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz [Erstbefragung AS 7].

Eine von den öffentlichen Sicherheitsbehörden durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ [EURODAC-Abfrage auf AS 22f].

1.3. Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers im Heimatstaat:

Der BF wurde im XXXX Bezirk XXXX geboren und besuchte dort sechs Jahre lang die Grundschule und drei Jahre die Mittelschule. Im Jahr 2007 übersiedelte die Familie in den Bezirk XXXX und lebte jeweils in, im Eigentum des Vaters stehenden Einfamilienhäusern. Grund für den Wohnortwechsel war, dass der Bezirk XXXX durch Al-Kaida kontrolliert wurde und dieser als nicht sicher galt. Als Hilfsarbeiter erlernte er die Berufe des XXXX und XXXX [VH-Niederschrift S. 5 und S. 9]. Von 1996 bis 2002 war er arbeitslos, bis 2005 arbeitete er unangemeldet als privater XXXX. Von 2005 bis 2007 war er für die Firma XXXX, deren englische Abkürzung XXXX für XXXX steht, tätig. Von 2007 bis 2008 war er in einem Computergeschäft tätig und von 2008 bis 2009 als XXXX. Von 2009 bis 2013 war er selbständiger XXXX und bis 2015 bei der Firma XXXX angemeldet [Niederschrift-BFA AS 71; diverse Dienstausweise ab AS 91].

Die nach wie vor in XXXX lebende Kernfamilie des BF besteht aus seinem im Jahr XXXX geborenen Vater, seiner XXXX geborenen Mutter und seinen drei verheirateten Geschwistern; die Mutter des BF ist an Alzheimer erkrankt. Seine beiden Brüder arbeiten als XXXX und XXXX in XXXX. Seine Schwester geht keiner Erwerbstätigkeit nach; ihr Ehegatte ist als XXXX angestellt. Die Eltern des BF leben von der staatlichen Pension des Vaters. Seine Brüder haben Kinder in zum Teil schulpflichtigem Alter, die Schwester ist kinderlos. Ein Bruder bewohnt mit seiner Familie das Elternhaus in XXXX, der zweite Bruder wohnt mit seiner Familie in der Nähe des Elternhauses. Die Schwester des BF lebt zusammen mit ihrem Ehemann in einem kleinen Haus im Bezirk XXXX. Beide Bezirke verfügen über Bauern- bzw. Volksmärkte über welche die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser sichergestellt ist. Leitungswasser ist mittels Aufbereitungsanlagen trinkbar. In der Nähe der Wohnhäuser befinden sich Arztordinationen und ein Krankenhaus sowie Schulen und Apotheken. Die Bezirke sind multiethnisch, Probleme mit Nachbarn gab es zu keinem Zeitpunkt zumal der BF selbst keinen direkten Kontakt mit diesen suchte [Niederschrift-BFA AS 71f; VH-Niederschrift S. 6ff].

Zu seinen Geschwistern steht er in unregelmäßigem Kontakt über soziale Netzwerke, Whats App und Viber. Der Kontakt zu seinem Vater ist nicht gut, zur Mutter hat er eine bessere Beziehung [VH-Niederschrift S. 15f].

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:

Der BF gehörte in seiner Heimat keiner politischen Bewegung an und hatte er weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Er wurde zu keinem Zeitpunkt von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung wegen seines vormaligen Religionsbekenntnisses oder dem Abfall von der Religion oder aus politischen Gründen (etwa wegen einer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates) verfolgt. [Niederschrift-BFA AS 72; VH-Niederschrift S. 8f und S. 15].

Er konnte nicht glaubhaft machen, dass er von einer schiitischen Miliz, Al-Kaida oder öffentlichen Stellen wegen einer Teilnahme an Demonstrationen oder dem Abfall vom Glauben bedroht wurde. Anhaltspunkte, dass von einer dieser Gruppen eine Bedrohung gegen den BF ausgegangen wäre bzw. eine solche gegenwärtig von diesen Gruppierungen ausgehen würde, bestehen nicht.

Dass der BF im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre bzw. nach einer Rückkehr in diesen Herkunftsstaat einer solchen ausgesetzt sein könnte, vermochte er nicht darzutun.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten des BF im Bundesgebiet:

Der BF hat nachweislich ein Sprachzertifikat der Stufe A2 erworben und in seiner vormaligen Wohnsitzgemeinde gemeinnützige Arbeiten durchgeführt. Er hat an einem Erste-Hilfe-Auffrischungskurs teilgenommen und an der Aktion Schulstartpaket des Bundesministeriums für Soziales teilgenommen. Er ist Mitglied des Vereins „XXXX“, welcher verschiedene Tätigkeiten unterstützt. Für ihn liegen mehrere Unterstützungsschreiben von Privatpersonen und dem Roten Kreuz Oberösterreich vor. Von letzterer Organisation wurden auch Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten des BF vorgelegt [Bestätigungen in OZ 7 und 8 sowie als Beilage zur VH-Niederschrift].

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten [Strafregisterauszug].

Auf weitere integrationsverfestigende Merkmale konnte er nicht verweisen.

Er ist gesund, nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [VH-Niederschrift S. 3 und S. 17; GVS-Auszug].

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil hat sich im Lauf des Jahres 2018 wieder beruhigt, und es finden seither regelmäßig Gespräche zwischen den beiden Seiten statt. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind jedoch weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der KRI.

Die KRI ist seit Jahrzehnten zwischen den beiden größten Parteien geteilt, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), angeführt von der Familie Barzani, und deren Rivalen, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die vom Talabani-Clan angeführt wird. Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Suleimaniya. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im Irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018. Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad. Dazu kommen Gorran („Wandel“), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien.

Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war diese Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Der BF war im Herkunftsstaat keiner asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt. Er hatte weder mit der Polizei, noch mit den Gerichten noch mit den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates Probleme. Er war auch nie Adressat einer gegen ihnen gerichteten strafgerichtlichen Verfolgung. Auch liegt keine strafgerichtliche Verurteilung gegen ihn vor. Er war nie Mitglied einer im Herkunftsstaat tätigen bewaffneten Gruppierung (Al-Kaida, IS bzw. Milizen) bzw. wurde er von einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates zu keinem Zeitpunkt angeworben, insbesondere für Kampfhandlungen. Insgesamt kam anlassbezogen nicht hervor, dass er im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.01.2021

-        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html Zugriff am 13.01.2021

-        - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff 13.01.2021

-        BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc Zugriff am 13.01.2021

-        France24 (22.2.2020): Iraqi Kurds rally against 'corruption' of ruling elite, https://www.france24.com/en/20200222-iraqi-kurds-rally-against-corruption-of-ruling-elite, Zugriff 13.01.2021

-        - GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.01.2021

-        - KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.01.2021

-        - Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.01.2021

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff am 13.01.2021

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf Zugriff am 13.01.2021

1.6.2. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal seien ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).

Der BF verdingte sich bis zu seiner Flucht 2015 als teilweise selbständiger XXXX. Auch als ehemaliger Mitarbeiter einer Firma, welche für US-amerikanische Unternehmen arbeitete, ist er ob das bereits längeren Ausscheidens aus diesem Unternehmen nicht gefährdet. Damit gehörte er keiner Berufsgruppe an, die in den Länderberichten zum Irak als besonders gefährdet gelten würden.

Quellen:

-        - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.01.2021

-        - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff 13.01.2021

1.6.3. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben maximal eine Stunde vom nächstgelegenen Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, doch haben viele aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA sowie vor dem BVwG bezeichnete sich der BF als gesund. Aus dem Umstand, dass er in Österreich gelegentlich einer freiwilligen Tätigkeit nachging, kann grundsätzlich Arbeitsfähigkeit vorausgesetzt werden. Sämtliche Aspekte führen dazu, dass davon ausgegangen werden kann, dass keine gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen, die einer etwaigen Rückführung entgegenstehen.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.01.2021

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff 13.01.2021

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff 13.01.2021

-        UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff 13.01.2021

-        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 13.01.2021

1.6.4 Atheismus

Das irakische Strafgesetzbuch enthält keine Artikel, die eine direkte Bestrafung für Atheismus vorsehen. Es gibt auch keine speziellen Gesetze, die Strafen für Atheisten vorsehen.

Offener Atheismus ist im Irak äußerst selten, da die gesellschaftliche Toleranz gegenüber Atheisten sehr begrenzt ist, wie die öffentliche Rhetorik einiger Politiker und religiöser Führer zeigt. Atheisten halten ihre Ansichten oft geheim, aus Furcht vor Diskriminierung und Gewalt durch die eigene Familie, Milizen oder auch religiös-konservative Gruppen.

Obwohl in der Bevölkerung verschiedene Grade der Religiosität vertreten sind, und ein Segment der Iraker eine säkulare Weltanschauung vertritt, ist es dennoch selten, dass sich jemand öffentlich zum Atheismus bekennt.

Viele Geistliche, die islamischen politischen Parteien nahestehen, haben missverständliche Vorstellungen zu dem Thema und bezeichnen z.B. oft den Säkularismus als Atheismus.

An den Wahlen von 2018 nahm auch eine Reihe eher säkularer Parteien teil.

Der BF konnte anlassbezogen nicht dartun, dass er seinen angeblichen Abfall vom Islam (sprich den behaupteten Atheismus) auch tatsächlich nach außen gelebt hätte.

Quellen:

-        Al-Monitor (1.4.2018): Iraqi courts seeking out atheists for prosecution, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/03/atheists-iraq-human-rights.html, Zugriff 13.01.2021

-        AW - Arab Weekly, The (20.7.2019): ‘Iraq’s growing community of atheists no longer peripheral’, https://thearabweekly.com/iraqs-growing-community-atheists-no-longer-peripheral, Zugriff 13.01.2021

-        EASO - European Asylum Support Office (3.2019): Iraq; Targeting of Individuals, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003960/Iraq_targeting_of_individuals.pdf, Zugriff 13.01.2021

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.01.2021

-        NBC News (5.4.2019): Iraq's atheists go underground as Sunni, Shiite hard-liners dominate, https://www.nbcnews.com/news/world/iraq-s-atheists-go-underground-sunni-shiite-hard-liners-dominate-n983076, Zugriff 13.01.2021

-        UKHO - UK Home Office (10.2019): Country Information and Guidance Iraq: Religious minorities, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018421/Iraq_-_Religious_Minorities_-_CPIN_-_v2.0__October_2019__-_EXT.odt, Zugriff 13.01.2021

-        UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (5.2019): International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007789/5cc9b20c4.pdf, Zugriff 13.01.2021

-        USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf, Zugriff 13.01.2021

-        USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html. Zugriff 13.01.2021

1.7. Aus den Angaben des BF lassen sich keine Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass er mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen seines früheren Religionsbekenntnisses, seiner ethnischen Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe oder aus politischen Gründen Probleme gehabt hätte. Auch der von ihm vorgebrachte Atheismus wurde ihm bisher nicht zum Problem. Den Länderberichten lässt sich nicht entnehmen, dass XXXX einer Verfolgung ausgesetzt wären bzw. sein könnten. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass der Beschwerdeführer oder die Angehörigen seiner Kernfamilie darüber hinaus politisch exponiert aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten. Vielmehr steht fest, dass die im Herkunftsstaat verbliebenen Angehörigen mit ihren eigenen Familien ein unbehelligtes Leben führen.

Mit den Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder mit den Angehörigen einer anderen, im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtung hatte er keine Probleme.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich seiner Befragung durch die Organe der belangten Behörde.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, den vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigten Angaben sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Dokumente und Urkunden. Wenn im Bescheid auf Seite 12 festgestellt wird, dass seine Identität ob der unterschiedlichen Schreibweisen seines Nachnamens nicht festgestellt werden konnte und auch der vorgelegte Personalausweis als Totalfälschung eingestuft worden sei, ist dem entgegen zu halten, dass sämtliche, durch den BF vorgelegten Dienstausweise dessen Namen tragen und teilweise unterschiedliche Schreibweisen aufweisen. Selbst der belangten Behörde ist es in diesem Zusammenhang auf Seite 12 des Bescheids nicht gelungen, den vermeintlich falschen Nachnamen von der Übersetzung des Personalausweises zu übernehmen und gab hier aktenwidrig den Nachnamen XXXX an, obwohl auf den dem Akt beiliegenden Übersetzungen der Nachname mit XXXX übersetzt wurde (Übersetzungen auf AS 37 und AS 55).

Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Die zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen beruhen einerseits auf seinen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben und auf seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte der Beschwerdeführer angegeben, dass im Irak Bürgerkrieg herrsche und er sich für keine Seite habe entscheiden wollen. Es habe keine Sicherheit sowie täglich Selbstmordanschläge und Bombenangriffe gegeben. Im Jahr 2005 habe er für eine amerikanische Firma XXXX gearbeitet und sei dort zwei Jahre lang beschäftigt gewesen. Zu dieser Zeit habe Al-Kaida geherrscht und er sei von „denen“ bedroht worden, weil er für die Amerikaner gearbeitet habe und ungläubig sei. Aus diesem Grund sei er von diesem Ort weggezogen und habe seine Arbeit bei der Firma beendet. An dem neuen Ort sei er von schiitischen Milizen bedroht worden. Für ihn gebe es keine Sicherheit im Irak.

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA gab der BF als Fluchtgrund an, kein gläubiger Mensch zu sein und daher auch Probleme bei der Arbeit gehabt zu haben. Milizen hätten erfahren, dass er nicht gläubig sei und in XXXXgegen diese demonstriert hätte. Zudem stamme er als Sunnit aus einem schiitischen Gebiet. Am XXXX.2015 habe er mit Freunden spontan an einer Demonstration gegen die Milizen teilgenommen. Der Bruder eines teilnehmenden Freundes sei jedoch selbst bei einer Miliz gewesen und soll dieser den BF daraufhin bedroht haben. Ein weiterer Freund sei verhaftet worden und ob der schlechten Behandlung gestorben. Aus Angst sei er zu einem Freund in einem anderen Wohnviertel gegangen und habe nach einer Woche den Irak verlassen. In seinem Heimatgebiet XXXX sei man zu der Information gekommen, dass er für eine Firma, die mit den Amerikanern zusammengearbeitet haben soll, tätig gewesen sei. Deshalb habe man ihn als ungläubig bezeichnet, weshalb er auch diese Gegend verlassen habe. Auch will er im Zuge seiner Arbeit schiitische Milizen diffamiert und sich über diese lustig gemacht haben. Der große Grund für seine Flucht sei sohin gewesen, dass er nicht gläubig sei.

Während die Fluchtroute und deren Verlauf im Wesentlichen glaubhaft geschildert wurden, gelang es dem BF nicht, seine Fluchtgründe glaubhaft zu machen und diese als asylrelevant darzustellen.

Die Angaben, wonach er in seinem ersten Wohnbezirk XXXX Probleme gehabt haben soll, da dort die Al-Kaida geherrscht habe, sind schon ob der zeitlichen Abläufe als nicht mehr relevant einzustufen. Der BF gab vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht an, im Jahr 2007 von diesem Stadtbezirk in einen anderen gezogen zu sein, um der Bedrohung durch Al-Kaida zu entgehen (AS 73 und S. 9 der VH-Niederschrift). Laut seinen eigenen Angaben konnte die Familie, somit auch der BF, im neuen Stadtteil XXXX besser leben, als im XXXX Stadtteil XXXX. Eine Bedrohung durch Al-Kaida erwähnte der BF in diesem Zusammenhang nicht mehr und ist eine solche auch ob des zwischenzeitig vergangenen Zeitraumes von 13 Jahren nicht mehr anzunehmen.

An die Stelle von Al-Kaida trat eine durch den BF nicht näher benannte schiitische Miliz (S. 15 der VH-Niederschrift). Hierzu erhob er die Behauptung, dass ihm diese Milizen nicht wohlgesonnen seien, da er an seiner Arbeitsstelle in Pausen offen über seine Abkehr vom islamischen Glauben gesprochen und auch Witze über die Milizen gemacht und diese diffamiert haben will. Ein weiterer Grund für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat soll in der Teilnahme an Demonstrationen gegen die Milizen gewesen sein.

Bezüglich der Teilnahme an mehreren Demonstrationen ist die Rolle des BF vollkommen unklar geblieben und widerspricht sich dieser in seinen Angaben vor dem BVwG und dem BFA. Vor der belangten Behörde gab der BF an, an zwei Demonstrationen teilgenommen zu haben. An diesen hätten tausende Menschen unterschiedlichster Gruppen teilgenommen und auch unterschiedliche Ziele verfolgt. Er selbst sei mit einer etwa 30 bis 40 Personen umfassenden Gruppe am XXXX.2015 bei einer Demonstration gewesen und habe hier, ohne medial in Erscheinung zu treten, gegen schiitische Milizen demonstriert. Von seiten der Polizei oder anderen öffentlichen Behörden hätte es hier keinerlei Ein- und Angriffe gegeben. Ein weiteres Mal habe er etwa eine Woche vor diesem Tag habe er erstmals an einer Demonstration teilgenommen. Wenn der BF nun behauptet, dass einer seiner Kollegen nach der Demonstration verhaftet und getötet wurde, so verstrickte er sich hier in Widersprüche, die seine Glaubwürdigkeit erschütterten. Im Zuge der hg. mündlichen Verhandlung gab er an, dass sich ein Informant der Miliz in ihrer Gruppe befunden habe, weshalb ein Freund verhaftet und getötet worden sei. Diese Person sei in ihrer Gruppe gewesen und habe so Videos und Fotos vom BF erhalten, welche ihn bei der Teilnahme zeigten (S. 10f der VH-Niederschrift). Vor dem BFA jedoch meinte er, dass der Bruder eines Freundes, welcher an den Demonstrationen teilgenommen haben soll, die Vorbereitungshandlungen gesehen haben will, da diese in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hätten. Vor dem erkennenden Richter gab der BF zudem an, dass die getötete Person XXXX geheißen haben soll. Auf Nachfragen gab der BF in der Folge an, dass XXXX weder entführt, noch verhaftet worden sei und er vielmehr keinen Kontakt mehr mit ihm habe, die getötete Person heiße XXXX. In diesem Zusammenhang ist zudem unklar, wie die Demonstrationen vorbereitet wurden. Vor dem BVwG gab der BF zuerst an, dass er und weitere 40 Personen Demonstrationen gegen den irakischen Staat organisiert hätten. Kurz darauf sagte er jedoch aus, dass er an diesen Demonstrationen immer nur spontan teilgenommen habe, da diese gar nicht organisiert waren. Vielmehr sei über Facebook ein Aufruf zur Teilnahme erfolgt und hätten in der Folge diese Versammlungen auf dem Hauptplatz von XXXX stattgefunden. Diesen Aufrufen zu den Demonstrationen sei er gefolgt. Innerhalb kurzer Zeit gab der BF einerseits an, selbst Demonstrationen organisiert zu haben und dann will er bloß den via Facebook verbreiten Aufrufen zur Teilnahme an Demonstrationen gefolgt und nach außen hin nicht als Organisator in Erscheinung getreten sein. Das lässt sich schlüssig mit seinen Angaben und den vorgelegten Lichtbildern in Einklang bringen. Ihm gelang es nicht glaubhaft zu machen, dass er Demonstrationen organisiert und deswegen ins Visier staatlicher Behörden oder der im Herkunftsstaat operierenden Milizen geraten zu sein. Die in der Folge behaupteten Drohanrufe konnte der BF keiner öffentlichen Instanz oder Stelle zuordnen, lediglich den bereits erwähnten Bruder eines Freundes konnte er ob dessen Stimme identifizieren und daher annehmen, dass eine schiitische Miliz hinter den restlichen fünf Anrufen stand.

Neben den angeblichen Drohungen durch Milizionäre brachte der BF als weiteren Fluchtgrund seinen angeblichen Abfall vom Glauben ins Treffen. Demnach will er sich seit dem Jahr 2003 vom Islam abgewendet haben. Auch diesen Punkt konnte er nicht in einer Form darstellen, der eine asylrelevante Bedrohung bedeuten würde. Zudem gab er an, zu keiner Zeit wegen seines Glaubens oder der Abkehr verfolgt worden zu sein, weder von öffentlicher Seite noch von privater. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er vielmehr an, dass sein Problem nicht seine Familie sei, sondern ausschließlich die schiitischen Milizen. Selbst bei Wahrunterstellung seiner Behauptungen, dass er vom islamischen Glauben abgefallen wäre, ist ihm entgegen zu halten, dass er knapp zwölf Jahre in seiner Heimat leben konnte, ohne deshalb von offiziellen Stellen Repressionen zu erfahren. Die vom BF genannten innerfamiliären Streitigkeiten stellen zudem keine, durch die Flüchtlingskonvention umfasste, Verfolgung dar. Insgesamt vermochte er seine angebliche Apostasie nicht glaubhaft machen, hatte er doch sowohl vor der belangten Behörde als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht auf die Frage nach seiner religiösen Zugehörigkeit angegeben, dass er sunnitischer Moslem sei.

Sämtliche vom BF vorgebrachten Fluchtgründe stellen in einer Gesamtschau eine Steigerung seines Vorbringens dar, die zudem nicht geeignet ist, asylrelevante Verfolgung klar zu belegen. Dem erkennenden Richter ist wohl bewusst, dass die Erstbefragung im Rahmen eines Antrags auf internationalen Schutz nicht der Klärung des Fluchtgrundes per se gilt, sondern der Aufnahme persönlicher Daten des Beschwerdeführers. Die von ihm im Zuge des Verfahrens genannten Fluchtgründe stellen jedoch eine Steigerung dar, die deren Glaubwürdigkeit insgesamt in Frage ziehen. So hat er vor den Beamten des Sicherheitskörpers eine Bedrohung durch schiitische Milizen, welche aus der Teilnahme an Demonstrationen resultieren sollen, gänzlich unerwähnt gelassen und sich hauptsächlich auf die Bedrohung durch Al-Kaida beschränkt. Auch der Abfall vom islamischen Glauben fand zu diesem Zeitpunkt keine Erwähnung, sondern erlangte erst bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde Bedeutung. In keinem der vom BF genannten Bedrohungsszenarien (Al-Kaida; schiitische Milizen; Abfall vom islamischen Glauben) konnte er öffentliche Stellen, oder überhaupt genau identifizierbare Angreifer namhaft machen, sondern blieb bei diesen Angaben stets vage und unklar. Lediglich in einem Fall konnte er den Bruder eines Mitdemonstranten als Anrufer identifizieren, ob dieser nun im Auftrag einer Miliz oder aus rein persönlichem Antrieb anrief konnte der BF nicht dartun.

Insgesamt erscheint sein Fluchtvorbringen unglaubwürdig und in sich nicht konsistent. Die getroffenen Feststellungen waren daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

2.5. Zur Integration des BF in Österreich:

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuch, ehrenamtliche Mitarbeit) ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt. Die Echtheit der vorgelegten Unterstützungsschreiben wird nicht angezweifelt weshalb deren Inhalt zu Feststellungen erhoben werden konnte. Der Bezug aus Leistungen der Grundversorgung ergibt sich aus einem GVS-Auszug, seine strafrechtliche Unbescholtenheit aus einem von Amts wegen eingeholten Strafregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX.2018 erhobene Beschwerde des BF ist rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine gegen eine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde vom Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.

Soweit er geltend gemacht hat, dass er wegen der Teilnahme an Demonstrationen bedroht worden sei und deshalb den Irak verlassen habe, ist ihm, wie bereits ausgeführt, eine glaubhafte Schilderung eines Bedrohungsszenarios nicht gelungen. Auch der Abfall vom islamischen Glauben und eine daraus resultierende tatsächliche und gegenwärtige Verfolgung konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Eine staatliche Verfolgung wurde von ihm sogar explizit ausgeschlossen. Selbst bei Wahrunterstellung seiner Behauptungen handelt es sich im ersten Fall um eine Bedrohung bzw. Verfolgung durch eine nicht näher definierbare und identifizierbare Quelle, zumal er zwar schiitische Kräfte benannte, dieses Vorbringen jedoch nicht substantiiert vorgetragen wurde, sondern lediglich auf nicht namentlich genannte schiitische Kräfte verwiesen wurde. Der BF vermochte keine staatliche Verfolgung seiner Person bzw. von Angehörigen seiner Kernfamilie glaubhaft zu machen, zumal es ihm nicht gelang, mit seinen diesbezüglich vollkommen unsubstantiiert gebliebenen Angaben einen Zusammenhang zwischen ihm und den behaupteten, angeblich von staatlichen Stellen ausgehenden Handlungen herzustellen. Die Teilnahme an zwei Demonstrationen, bei welchen er nicht medial in Erscheinung getreten war und sich dabei lediglich von Gleichgesinnten mit dem Mobiltelefon fotografieren ließ, reicht für die Annahme einer staatlichen Verfolgung wegen der Teilnahme an D

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten