TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/6 97/08/0018

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Veröffentlicht am 06.05.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
63/04 Bundesbedienstetenschutz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §11;
B-VG Art7 Abs1;
ÜberbrückungshilfenG 1963 §1 Abs2;
ÜberbrückungshilfenG 1963 §1 Abs4;
ÜberbrückungshilfenG 1963 §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der I in F, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 12. Dezember 1995, Zl. III-7022 B, betreffend Zuerkennung der Überbrückungshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach der Darstellung in der Beschwerde war die Beschwerdeführerin vom 1. August 1977 bis zum 31. August 1995 bei der Finanzlandesdirektion Vorarlberg als Finanzbeamtin beschäftigt. Da sie nur mehr eine Teilzeitbeschäftigung auszuüben beabsichtigte, um sich vermehrt ihrer 14-jährigen Tochter widmen zu können, beendete sie ihr Dienstverhältnis zum 31. August 1995 durch Austritt gemäß § 21 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979. Ihren am 7. September 1995 gestellten Antrag auf Zuerkennung von Überbrückungshilfe wies die belangte Behörde mit der im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Entscheidung unter Berufung auf § 1 Abs. 2 Überbrückungshilfegesetz (ÜHG), BGBl. Nr. 174/1963, ab. § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes, der die Gewährung einer Überbrückungshilfe an ehemalige Bundesbedienstete vorsieht, findet nach dem zweiten Absatz der Bestimmung auf Bundesbedienstete, die durch Austritt aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden sind, keine Anwendung.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid der belangten Behörde Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Darin machte sie geltend, durch die Anwendung der in mehrfacher Hinsicht gleichheitswidrigen Bestimmung des § 1 Abs. 2 ÜHG in ihrem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz und darüber hinaus durch den angefochtenen Bescheid auch in ihrem Recht auf freie Berufswahl verletzt zu sein.

Mit Beschluß vom 9. Dezember 1996, B 394/96-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab. Er verwies dazu auf seine "maßgebende Rechtsprechung ... zur tiefgreifenden Verschiedenheit von Regelungen, die mit einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis in Zusammenhang stehen, und der Materie des Sozialversicherungswesens", etwa die Entscheidung VfSlg. 13.829/1994, und darauf, daß es "keineswegs unsachlich" erscheine, "die Gewährung einer Überbrückungshilfe in Fällen des freiwilligen Austritts auszuschließen".

Die vom Verfassungsgerichtshof über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene und für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof von der Beschwerdeführerin ergänzte Beschwerde erweist sich aus nachstehenden Gründen nicht als berechtigt:

Die Beschwerdeführerin macht zunächst auch vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre verfassungsrechtlichen Bedenken geltend und beruft sich in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Mai 1981, Zl. 81/08/0030 (Slg. Nr. 10.444/A). In diesem Erkenntnis entschied der Verwaltungsgerichtshof, den in § 1 Abs. 3 ÜHG geregelten Anspruch auf Karenzurlaubshilfe hätten auch solche ehemalige Bundesbedienstete, die durch Austritt aus dem Dienststand ausgeschieden seien. Trotz der in der Regierungsvorlage zum ÜHG (146 BlgNR 10. GP, Seite 3) zum Ausdruck gebrachten Ansicht, Bundesbedienstete, die durch Austritt aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden seien, seien "vom Anwendungsbereich des Gesetzes" (insgesamt) "ausgenommen", sei § 1 Abs. 2 des Gesetzes ohne Auswirkung auf die in Abs. 3 der Bestimmung vorgesehenen Ansprüche:

"Schon nach dem Wortverständnis des § 1 Abs. 2 des Gesetzes finden die im Abs. 1 gewährten Ansprüche keine Anwendung auf Bundesbedienstete, die durch Austritt aus dem Dienststand ausgeschieden sind. Der diesem Abs. folgende Abs. 3 gewährt Karenzurlaubshilfe den im Abs. 1 angeführten ehemaligen Bundesbediensteten, ohne daß hiebei auf die Ausschlußbestimmung des Abs. 2 Bezug genommen worden wäre. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, die Ausschlußbestimmung auch auf Ansprüche auf Karenzurlaubshilfe auszudehnen, so hätte er die Ausschlußbestimmung - z.B. als einen anderen Abs. 3 - nachsetzen müssen und aussprechen, daß die Ansprüche nach Abs. 1 und die Ansprüche auf Karenzurlaubshilfe solchen Bundesbediensteten nicht zu gewähren sind, die durch Austritt aus dem Dienststand ausgeschieden sind."

Dem fügte der Verwaltungsgerichtshof aber noch folgende Überlegung hinzu:

"Erwägungen der Gleichheit vor dem Gesetz führen zum gleichen Ergebnis. Nach § 26 Abs. 1 Z. 1 lit. b Arbeitslosenversicherungsgesetz (1977, wobei § 25a Abs. 1 Z. 1 lit. b AlVG 1958 in der am 27.7.63, dem Tage des Inkrafttretens des oben genannten Überbrückungshilfegesetzes, geltenden Fassung des Bundesgesetzes 1962/17, diesbezüglich im wesentlichen dieselbe Regelung traf) haben Anspruch auf Karenzurlaubsgeld bei Erfüllung der Anwartschaft Mütter, die sich aus Anlaß der Mutterschaft in einem Karenzurlaub befinden oder deren Dienst-(Ausbildungs-, Lehr-)Verhältnis von ihnen wegen der bevorstehenden oder erfolgten Entbindung oder vom Dienstgeber gelöst oder durch Zeitablauf beendet wurde. Beeinträchtigt demnach unter dem Geltungsbereich des AlVG die Auflösung des Dienstverhältnisses durch die Dienstnehmerin nicht den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld, so gebietet gleichheitsgemäße Gesetzesauslegung, auch einem Austritt aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis nicht die Wirkung zuzuerkennen, daß dadurch der Anspruch auf Karenzurlaubshilfe vernichtet würde."

Den zuletzt wiedergegebenen, das Verhältnis der Karenzurlaubshilfe nach § 1 Abs. 3 ÜHG zum Karenzurlaubsgeld nach dem AlVG betreffenden Sätzen entspricht - in sinngemäßer Übertragung auf das Verhältnis zwischen der Überbrückungshilfe nach § 1 Abs. 1 ÜHG und dem Arbeitslosengeld nach dem AlVG - die in der Beschwerde vertretene Rechtsansicht, der Ausschluß des freiwillig austretenden Bundesbediensteten von der Gewährung der Überbrückungshilfe widerspreche dem Gleichheitssatz, wenn die freiwillige Lösung des Dienstverhältnisses (unter der zusätzlichen Voraussetzung des Fehlens eines "triftigen Grundes") im Bereich des AlVG nach dessen § 11 nur eine Sperre von vier Wochen auslöse (ähnlich Dirschmied, AlVG, 3. Auflage, Seite 439).

Der Übertragung der wiedergegebenen, die Gleichheit vor dem Gesetz betreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes auf den vorliegenden Fall steht jedoch entgegen, daß dem Argument der grundsätzlichen Verschiedenheit öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse einerseits und kündbarer privatrechtlicher Dienstverhältnisse andererseits im vorliegenden Fall - anders als in dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall und auch anders als in dem Fall, auf dessen Entscheidung (VfSlg. 13.829) der Verfassungsgerichtshof die Beschwerdeführerin in seinem Ablehnungsbeschluß verwies - nicht entgegengehalten werden kann, es ginge in beiden Regelungsbereichen um die finanzielle Absicherung im Anschluß an die Geburt eines Kindes und somit um die Regelung jeweils gleichartiger Lebensumstände, die mit der Art des Dienstverhältnisses nichts zu tun hätten.

Die Annahme, eine Anfechtung der von der Beschwerdeführerin als gleichheitswidrig erachteten Vorschrift könnte mit Rücksicht auf die vom Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis, auf das sich die Beschwerdeführerin beruft, angestellten Erwägungen Aussicht auf Erfolg haben, kommt aber umsoweniger in Betracht, als der Verfassungsgerichtshof in dem von ihm zitierten Erkenntnis (VfSlg. 13.829) auch gegenüber der Kritik an unterschiedlichen Regelungen für das Karenzurlaubsgeld nach dem Karenzurlaubsgeldgesetz einerseits und nach dem AlVG andererseits die Ansicht vertrat, es sei "festzuhalten, daß die tiefgreifende Verschiedenheit zwischen dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und der Materie des Sozialversicherungswesens es (auch) ausschließt, Teilbereiche der diese Materien betreffenden Regelungen herauszugreifen und einander zur Beurteilung anhand des Gleichheitsgrundsatzes gegenüberzustellen". Dazu komme, "daß der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber nicht gebietet, bei der Regelung verschiedener Verwaltungsmaterien an den gleichen Sachverhalt die gleiche Rechtsfolge zu knüpfen", und es ändere auch "nichts, daß in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum KUG ... die Absicht zum Ausdruck kommt, im Rahmen der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für die nicht unter das AlVG fallenden Dienstnehmerinnen des öffentlichen Dienstes eine der im AlVG vorgesehenen finanziellen Unterstützung gleichartige finanzielle Unterstützung vorzusehen, die es berufstätigen Müttern ermöglicht, sich der Betreuung ihres neugeborenen Kindes zumindest während dessen erster Lebenszeit voll zu widmen". Diese Rechtsprechung widerspricht - übertragen auf das Verhältnis zwischen der Karenzurlaubshilfe nach dem ÜHG und dem Karenzurlaubsgeld nach dem AlVG - den gleichheitsrechtlichen Zusatzargumenten des Verwaltungsgerichtshofes in dem Erkenntnis, auf das sich die Beschwerdeführerin beruft, auch in bezug auf den dort beurteilten Sachverhalt.

Abgesehen von dem nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht zulässigen Vergleich zwischen der Regelung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse und der "Materie des Sozialversicherungswesens" (unter Einschluß des AlVG) führt die Beschwerdeführerin ins Treffen, ein freiwilliger Austritt dürfe nicht zu einem Anspruchsverlust führen, der im Falle einer Entlassung nicht eintrete, und auch die in § 2 Abs. 1 ÜHG angeordnete sinngemäße Anwendung (u.a.) des § 11 AlVG verbiete eine unterschiedliche Behandlung von Selbstkündigung und Entlassung des Bundesbediensteten.

Die Unterscheidung zwischen Fällen, in denen die Auflösung des Dienstverhältnisses auf einer (gegenüber dem Dienstgeber) freien Entscheidung des Beamten beruht, einerseits und solchen Fällen, in denen dies nicht der Fall ist - mag der Beamte die zu seiner Entlassung führenden Gründe in der Regel auch selbst herbeigeführt haben - andererseits erscheint jedoch nicht unsachlich. Die Verweisungsvorschrift des § 2 Abs. 1 ÜHG, die auf einfachgesetzlicher Ebene in bezug auf ihr Verhältnis zu § 1 Abs. 2 des Gesetzes keine Auslegungsschwierigkeiten bereitet, ist für die Frage der Verfassungskonformität der zuletzt genannten Vorschrift ohne Bedeutung.

In der Beschwerdeergänzung vertritt die Beschwerdeführerin auch die Ansicht, gemäß § 1 Abs. 4 ÜHG stehe ihr - trotz der Beendigung ihres Dienstverhältnisses durch Austritt - die (der Notstandshilfe entsprechende) erweiterte Überbrückungshilfe zu. Daraus soll sich einerseits ergeben, daß der Ausschluß von der Gewährung der (nicht erweiterten) Überbrückungshilfe auch aus diesem Grund gleichheitswidrig sei. Andererseits leitet die Beschwerdeführerin aus ihrer Ansicht, ihr stehe die erweiterte Überbrückungshilfe zu, auch ab, dieser an die zusätzliche (bei der Beschwerdeführerin nach ihrer Behauptung in der Beschwerde erfüllte) Voraussetzung einer Notlage geknüpfte Anspruch müsse ihr beim Ausschluß von der (nicht erweiterten) Überbrückungshilfe sogleich und nicht erst nach dem Verstreichen der Zeit zustehen, für die ihr die (nicht erweiterte) Überbrückungshilfe nur wegen der Art der Beendigung ihres Dienstverhältnisses nach § 1 Abs. 2 ÜHG nicht zustehe. In diesem Punkt macht die Beschwerde nicht die Verfassungswidrigkeit der einfachgesetzlichen Rechtslage, sondern die Notwendigkeit einer "verfassungskonformen Interpretation" geltend. Der angefochtene Bescheid sei "jedenfalls mangelhaft und aufzuheben", weil die belangte Behörde aufgrund des Antrages der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Überbrückungshilfe (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1985, Zl. 85/08/0059 = ZAS 1986, 138 mit Anmerkung Stifter) nicht auch über die Frage einer sofortigen Zuerkennung der erweiterten Überbrückungshilfe entschieden habe.

Schon die Grundannahme, auf der diese Argumente beruhen, ist verfehlt. Entgegen der diesbezüglichen Beschwerdebehauptung hat der Verwaltungsgerichtshof in dem in den wesentlichen Teilen bereits wiedergegebenen Erkenntnis vom 8. Mai 1981, Zl. 81/08/0030 (Slg. Nr. 10.444/A), nämlich nicht ausgesprochen, § 1 Abs. 2 ÜHG beziehe sich "lediglich auf die in § 1 Abs. 1 ÜHG genannten Leistungen", und es ergibt sich - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - auch nicht "eindeutig aus der Gesetzessystematik", daß der Anspruch auf die erweiterte Überbrückungshilfe gemäß § 1 Abs. 4 ÜHG auch im Falle einer Beendigung des Dienstverhältnisses durch Austritt gegeben sei. Einer Übertragung der wortlautbezogenen und systematischen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes zu § 1 Abs. 3 ÜHG (Karenzurlaubshilfe) auf Abs. 4 der Bestimmung (erweiterte Überbrückungshilfe) steht vielmehr entgegen, daß dem ehemaligen Bundesbediensteten nach § 1 Abs. 4 ÜHG eine erweiterte Überbrückungshilfe "nach Ablauf des Zeitraumes, für den ihm die Überbrückungshilfe nach Abs. 1 zusteht" (im Original nicht hervorgehoben), gewährt werden kann. Der Ausschluß vom Bezug der Überbrückungshilfe steht nach dieser Regelung auch der Gewährung einer erweiterten Überbrückungshilfe entgegen.

Die schon ihrem Inhalt nach unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997080018.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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