Index
WasserrechtNorm
WRG 1959 §10 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde der Wasserwerksgenossenschaft F in E, vertreten durch Dr. Arnulf Hummer, Rechtsanwalt in Wien I, Maysedergasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Juli 1988, Zl. III/1-25.068/3-88, betreffend wasserrechtliche Bewilligung zur Feldberegnung (mitbeteiligte Parteien: A und M S in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 7. Mai 1985 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Baden den Mitbeteiligten gemäß §§ 10 Abs 2, 11, 12, 34 Abs. 2 und 111 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung von sieben Brunnen und zur Entnahme von Grundwasser aus diesen zum Zweck der Feldberegnung auf Grundstücken in den KG S und U mit einem Flächenausmaß von insgesamt 43,76 ha im Zeitraum von jeweils 1. April bis 30. September mit einer zulässigen jährlichen Höchstentnahmemenge von 54.000 m3. Die Bewilligung für die Grundwasserentnahme wurde auf eine Zeitdauer von 20 Jahren befristet. Gleichzeitig wurden gegen das Vorhaben erhobene Einwendungen der Beschwerdeführerin gemäß § 12 Abs. 1 WRG 1959 abgewiesen. Begründend führte die Behörde aus, den bereits in analogen Fällen abgegebenen Sachverständigengutachten wie auch Berufungsentscheidungen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft sei im Zusammenhang mit den Ausführungen des Amtssachverständigen zu entnehmen, daß eine Verletzung bestehender Rechte der Mitglieder der Beschwerdeführerin nicht zu erwarten sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, zwischen der seinerzeit erstellten Wasserbilanz für die Mitterndorfer Senke und den nunmehrigen Aussagen des von der Behörde gemäß § 52 Abs. 2 AVG 1950 herangezogenen (im Verfahren so bezeichneten) Sondersachverständigen Dipl.-Ing. Dr. R. bestünden insoferne Widersprüche, als dieser Sondersachverständige nur mehr von einem teilweisen Einspeisen des Grundwassers aus dem von ihm näher beschriebenen Bereich "B" in die Fischa ausgehe. Entgegen dem Erfordernis, bei der Beurteilung der einzelnen Entnahmerechte für Beregnungen auch alle übrigen bereits bestehenden und noch geplanten Beregnungsrechte in die Betrachtung mit einzubeziehen, sei dem Sondersachverständigen seitens der Behörde der Auftrag gegeben worden, lediglich jedes Entnahmerecht für sich allein zu beurteilen. Nur bei dieser verfehlten Betrachtungsweise habe sich der Schluß ergeben können, von der gegenständlichen Entnahme sei kein meßbarer Einfluß auf die Rechte der Mitglieder der Beschwerdeführerin zu erwarten. Bei Erstellung der seinerzeitigen Wasserbilanz für die Mitterndorfer Senke sei von einer für Beregnungszwecke zur Verfügung stehenden Grundwassermenge im Ausmaß von 1.300 l/s ausgegangen worden. Abgesehen davon, daß diese Menge schon seinerzeit von einem Sachverständigen des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung wegen der bei Ausnützung dieser Menge zu erwartenden Beeinträchtigung fremder Rechte zu hoch angesehen worden sei, komme dieser Mengenfestsetzung für die Landwirtschaft "Rechtscharakter" nicht zu. Bei Erstellung einer Wasserbilanz müßte von dem Wasserdargebot ausgegangen werden, welches im Hinblick auf bereits bestehende Rechte noch zur Verfügung stehe. Zu diesen zu berücksichtigenden bestehenden Rechten gehörten auch die Rechte der Mitglieder der Beschwerdeführerin. Die in der Wasserbilanz vorausgesagte Niederwasserführung der Fischa habe sich von 3.200 l/s im dreijährlichen Mittel auf 1.833 l/s im halbjährlichen Mittel vermindert, wobei die in Zukunft bevorstehende Entnahme von Grundwasser aus der Mitterndorfer Senke für die Trinkwasserversorgung der Stadt Wien noch nicht berücksichtigt worden sei. Die Prognose der Niedrigstabflüsse in der Fischa sei sohin zu hoch und beruhe auf vereinfachenden Annahmen. Beweiskräftige Aussagen in dieser Hinsicht wären am ehesten unter Zuhilfenahme eines numerischen Modells erzielbar. Bei Beurteilung der Auswirkungen der Beregnungsrechte sei zu berücksichtigen, daß die den einzelnen Wasserberechtigten zugestandenen Entnahmemengen nicht gleichmäßig verteilt entnommen würden, weil keine Bindung an einen Turnus bestehe, sondern sich die Entnahmen auf Trockenperioden konzentrierten. Da eine gleichzeitige Entnahme aller für Beregnungszwecke bewilligten Grundwassermengen nicht verboten sei, ergebe sich die zugelassene Entnahmemenge aus einer Multiplikation der Leistung der bewilligten Pumpen mit deren Anzahl; diese betrage sohin 380 mal 40 l/s = 15.200 l/s. Die Entnahmeauswirkungen auf die Rechte der Mitglieder der Beschwerdeführerin könnten sich noch durch Überlagerung mit natürlichen Grundwasserschwankungen verschärfen. Dies könne bei einer Unterschreitung einer Fischawasserführung von 1.500 l/s zu einer Katastrophe bei den der Beschwerdeführerin angehörenden Hwerken führen. Die durch die Entnahmen für Beregnungszwecke verminderte Wasserführung der Fischa wirke sich auf die sonstigen Mitglieder der Beschwerdeführerin insofern schädigend aus, als sie infolge verminderter Turbinenleistungen einerseits Strom zukaufen müßten und anderseits nur geringere Strommengen ins allgemeine Versorgungsnetz liefern könnten. Bei einer gebotenen volkswirtschaftlichen Abwägung sei der Wasserbedarf für Beregnungszwecke dem Wasserbedarf für die Erzeugung umweltfreundlicher Energie in den Kraftwerken der Mitglieder der Beschwerdeführerin hintanzustellen. Das für die Berechnung des Bewässerungsbedarfes herangezogene Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. F. und Dipl.-Ing. L. basiere auf einer Studie des Baurates K. unter Zugrundelegung von Beobachtungen aus den Jahren 1946 bis 1965. Dem gegenüber hätten sich die Verhältnisse seither wesentlich verändert. So entspreche der seinerzeit für die Grundwasserentnahme der Stadt Wien berechnete 10 cm Absenkbereich nicht mehr den Gegebenheiten, sei allgemein der Grundwasserspiegel gesunken, liege der Durchfluß in den Oberflächengewässern bis zu 50 % unter dem früheren Durchfluß und gingen die Jahresniederschläge zurück, während der Bewässerungsbedarf steige. Der Sondersachverständige habe bei der Berechnung der tatsächlich für Beregnungszwecke entnommenen Wassermenge unzulässige Abschläge für das Nichtvorhandensein entsprechenden Beregnungsgerätes und für mittlere Niederschlagsmengen in Ansatz gebracht. Darüber hinaus habe er auf die verschiedenen Flurabstände des Grundwassers, die verschiedene Bonität der Böden und auf die wechselnden Wetterverhältnisse zu wenig Bedacht genommen und gelange so hinsichtlich der einzelnen Beregnungsberechtigten zu einem Bewässerungsbedarf, der insgesamt nur je ca. ein Viertel der ihnen zuerkannten Konsensmenge betrage. Auch sei die vom Sondersachverständigen vorgenommene Ausscheidung von Flächen, bei denen der Flurabstand des Grundwassers mehr als 10 m betrage, unzulässig, weil es bereits Grundwasserbrunnen mit über 30 m Tiefe gäbe.
Die belangte Behörde brachte in der Folge eine von ihr eingeholte, sich detailliert mit den Berufungsausführungen auseinandersetzende Stellungnahme des Sondersachverständigen der Beschwerdeführerin zur Kenntnis. Diese wiederholte in einer dazu abgegebenen Äußerung ihre Ansicht, es dürfe nicht jede beantragte Wasserentnahme für sich allein ohne Berücksichtigung der übrigen Wasserentnahmen betrachtet werden. Weiters wurde die Kritik an der von dem Sondersachverständigen erstellten Prognose der Niedrigstabflüsse in der Fischa, an der Einteilung des in Betracht kommenden Gebietes in drei Zonen, an der Berechnungsmethode unter Zuhilfenahme von Vereinfachungen und an der fehlenden Erstellung eines numerischen Grundwassermodells wiederholt. Gleichzeitig legte die Beschwerdeführerin zur Untermauerung ihres Vorbringens ein Gutachten des Universitätsprofessors Dipl.-Ing. Dr. K. vor. In diesem Gutachten vertrat der Privatsachverständige die Auffassung, durch die Nichtberücksichtigung der im Bereich "C" (gemäß der Einteilung des Sondersachverständigen) getätigten Entnahmen, der Bewässerungsrechte der Wassergenossenschaft T sowie der zu erwartenden Entnahme der Stadt Wien aus dem Grundwasserwerk Mitterndorfer Senke wie auch durch die Inrechnungstellung nur der Hälfte der beregneten Getreidefläche und durch die zweifelhaft oder willkürlich vorgenommene Einteilung des Gebietes in die Bereiche "A, B und C" habe der Sondersachverständige Faktoren außer acht gelassen, die eine weitere Verminderung des Niedrigstabflusses beim Pegel Fischamend/Fischa nach sich ziehen würden. Insbesondere bei Realisierung der Entnahme der Stadt Wien aus dem Grundwasserwerk Mitterndorfer Senke müsse damit gerechnet werden, daß der Niedrigstabfluß bei diesem Pegel auf einen Wert von etwas über 1000 l/s absinken werde. Entgegen der gesamthaften Betrachtung bei der Prognose künftiger Niedrigstabflüsse in der Fischa habe der Sondersachverständige im konkreten und auch in anderen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren für Grundwasserentnahmen zu Beregnungszwecken jeweils nur die Entnahmeauswirkungen des Einzelfalles in Betracht gezogen und die Summenwirkung der durch diese Entnahmen bewirkten Eingriffe in den Wasserhaushalt vernachlässigt. Diese Vorgangsweise könne durch den Hinweis auf einen Erlaß des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, demzufolge jeweils 1 % des natürlichen Zuflusses der Verfügung der Wasserrechtsbehörde für Wasserversorgungs- und Bewässerungszwecke vorbehalten bleiben solle, nicht gerechtfertigt werden, weil diese vorbehaltene Menge nur in bezug auf die Summe aller derartiger Ansuchen verstanden werden könne. Am Beispiel der Wasserkraftwerksanlage eines Mitgliedes der Beschwerdeführerin könne unter Heranziehung der Dauerabflußlinien (Reihe 1956 bis 1982) und des für die Landwirtschaft prognostizierten Bedarfes von 1,3 m3/s ersehen werden, daß ab einer Unterschreitung einer Wasserführung von 6,3 m3/s mit einer Reduzierung der Energieerzeugung gerechnet werden müsse. Jedenfalls sei die Vorgangsweise der Behörde, jedes einzelne Wasserrecht als geringfügig zu vernachlässigen und ohne Berücksichtigung bereits bestehender Rechte Wasserrechte zu vergeben, wissenschaftlich unzulässig. Vielmehr sei im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise von der Gesamtmenge aller Entnahmerechte auszugehen und diese der Ermittlung der Gesamtbeeinträchtigung zugrunde zu legen.
In einer zu diesem Gutachten eingeholten Stellungnahme führte der hydrologische Amtssachverständige der belangten Behörde aus, das vorgelegte Gutachten enthalte keine schlüssigen Berechnungen, welche die gutachtlichen Aussagen des Sondersachverständigen widerlegen würden. Insbesondere sei der vom genannten Privatsachverständigen geäußerten Befürchtung eines Niedrigstabflusses von etwas über 1000 l/s nicht beizupflichten. Dies insbesondere deshalb, weil die wasserrechtliche Bewilligung für die Entnahme der Stadt Wien unter der bescheidmäßigen Auflage einer "Aufbesserungsdotation der Fischa" erteilt worden sei. Der Sondersachverständige habe einen Summationseffekt nie in Abrede gestellt, sei aber aus rechtlichen Überlegungen gehalten gewesen, diesen nicht zu berücksichtigen. Der gegenständliche Entnahmekonsens liege unter 1 %o der Wasserführung der Fischa, sodaß eine von ihm ausgehende Beeinträchtigung der Leistung der Turbinen nicht meßbar sei. Die Erstellung eines vom Privatsachverständigen angeregten numerischen Grundwassermodells sei wegen der Größe des zu untersuchenden Gebietes, der geringen Quantität der einzelnen Entnahmen, der Unsicherheiten des zeitlichen Ausmaßes dieser Entnahmen sowie des großen Umfanges der notwendigen Feldaufnahmen mit derart großen Unsicherheiten behaftet, daß eine wesentliche Erhöhung der Aussagegenauigkeit nicht erwartet werden könne.
In einer zu diesem Gutachten eingeholten Stellungnahme bekräftigte die Beschwerdeführerin im wesentlichen die bisher von ihr eingenommenen Standpunkte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. Juli 1988 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführerin sei es nicht gelungen, eine spürbare Auswirkung der bewilligten Wasserentnahme auf die Rechte ihrer Mitglieder nachzuweisen. Die Beschwerdeführerin selbst habe zugestanden, daß die Auswirkungen eines einzelnen Eingriffes gering seien und erst die Summe aller Eingriffe "beträchtlich" sein könne. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin sei aber bei der Beurteilung von Auswirkungen immer nur vom jeweiligen konkreten Bewilligungsantrag und nicht von der Summe der Einflüsse aller erteilten und beantragten Wasserrechte auszugehen. Dies sei aus § 12 WRG 1959 erschließbar, demzufolge bestehende Rechte bei der Bestimmung des Maßes und der Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung zu berücksichtigen seien. Da die Festlegung des Maßes und der Art der Wasserbenutzung in jedem Verfahren gesondert zu erfolgen habe und daher auch keine Gesamtentnahmemenge aller Feldberegnungsanlagen festgelegt werden könne, sei die Frage einer Beeinträchtigung bestehender Rechte nur für jedes Verfahren gesondert zu berücksichtigen. Der Argumentation der Beschwerdeführerin, die gemäß dem von ihr Erlaß des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft angeführte, für Bewässerungszwecke vorzubehaltende Menge des Wasserdargebots beziehe sich auf die Gesamtheit der solchen Zwecken dienenden Nutzungen, sei entgegenzuhalten, daß sich dieser Erlaß auf die Möglichkeit der Beschränkung von Bewilligungen und nicht auf die Frage, welche Rechte bei der Erteilung einer Bewilligung zu berücksichtigen seien, beziehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf gesetzmäßige Anwendung des § 12 WRG 1959 verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für das Vorhaben der mitbeteiligten Parteien ist gemäß § 10 WRG 1959 eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich. Die geplante Grundwasserentnahme - das Grundwasser ist ein Privatgewässer im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. a WRG 1959 - erfolgt auf den in der Sachverhaltsdarstellung genannten Grundstücken. Die Benutzung der Privatgewässer steht nach § 5 Abs. 2 WRG 1959 mit den durch Gesetz oder besondere Rechtstitel begründeten Beschränkungen denjenigen zu, denen sie gehören. Der belangten Behörde oblag es gemäß § 12 Abs. 1 WRG 1959, das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung derart zu bestimmen, daß das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt wird und bestehende Rechte nicht verletzt werden. Nach Abs. 2 derselben Gesetzesstelle sind als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen. Nach § 12 Abs. 3 leg. cit. bestimmen die Vorschriften des 6. Abschnittes, inwiefern bestehende Rechte durch Einräumung von Nutzungsrechten beseitigt oder beschränkt werden können.
Der belangten Behörde ist insoweit beizupflichten, als sie ausgehend davon, daß überörtliche Entnahmen aus dem Grundwasservorkommen der Mitterndorfer Senke grundsätzlich zu einer Verminderung des Abflusses in den aus diesem Grundwasservorkommen gespeisten Oberflächengewässern führen, die Auffassung vertritt, die aus der gegenständlichen Entnahme resultierenden Auswirkungen auf die Rechte der Mitglieder der Beschwerdeführerin auf Nutzung der motorischen Kraft der Genossenschaftsgewässer, insbesondere der Fischa, könnten im Hinblick auf das im Verhältnis zur Wasserführung der Fischa sehr geringe Ausmaß der Entnahme (weniger als 1 %o) für sich allein gesehen weder fühl- noch meßbar sein.
Allerdings hat sich gemäß § 13 Abs. 1 WRG 1959 das Maß der Wasserbenutzung u.a. nach dem natürlichen Wasserdargebot, das mit Rücksicht auf den wechselnden Wasserstand, beim Grundwasser auch mit Rücksicht auf seine natürliche Erneuerung, jeweils zur Verfügung steht, zu richten. Hiebei können die Wendungen "natürliches Wasserdargebot" und "natürliche Erneuerung" des Grundwassers nur so verstanden werden, daß damit jene Wassermengen umschrieben werden sollen, die ohne allfälliges menschliches Zutun (z.B. Überleitungen aus einem anderen Einzugsgebiet, Grundwasseranreicherungen und dergleichen) vorhanden sind (vgl. Grabmayr-Rossmann, Das Österreichische Wasserrecht2, Wien 1978, Seite 79, Anmerkung 4 zu S 13 Abs. 1). Dies gilt insoferne nicht, als menschliches Zutun erlaubterweise erweiterte Nutzungen erst ermöglicht oder als Ausgleichsmaßnahme zur Beibehaltung des (natürlichen) Zustandes wirkt. Diese Gesetzesstelle kann aber nicht dahin verstanden werden, daß einem Bewerber um eine wasserrechtliche Bewilligung das gesamte, am Ort seiner beabsichtigten Nutzung vorhandene Wasser ohne Berücksichtigung anderer bereits bestehender Nutzungen zugesprochen werden dürfte. Vielmehr verringern die für die Nutzung eines Wasservorkommens bereits erteilten wasserrechtlichen Bewilligungen die für den jeweiligen Bewerber rechtlich zur Verfügung stehende Wassermenge (abgesehen von der Möglichkeit der Einräumung von Zwangsrechten) insoweit, als sein Vorhaben im Hinblick auf bereits bestehende zulässige Nutzungen mit gleichartigen Auswirkungen bestehende anderweitige zulässige Nutzungen schmälern würde. Demgemäß kann bei Bestehen einer Mehrzahl hinsichtlich ihrer Auswirkungen gleichartiger, bereits wasserrechtlich bewilligter bzw. rechtmäßig bestehender Nutzungen eines Gewässers (hier: Entnahmen des Grundwassers zu Bewässerungszwecken) das Maß einer angestrebten ebensolchen Nutzung jedenfalls dann nicht ohne Bedachtnahme auf die durch diese Wasserrechte zulässige Minderung des Wasserdargebotes - auch wenn die Auswirkungen jeder einzelnen dieser Nutzungen unterhalb der Meßgenauigkeit liegen - festgesetzt werden, wenn die Summe dieser Auswirkungen auf die Rechte anderer Wasserberechtigter auf Grund fachlich fundierter Berechnungen, - im Fall von deren Unmöglichkeit auf Grund fachlich fundierter Schätzungen - ein die übliche Meßgenauigkeit hydrologischer Daten erreichendes Ausmaß annimmt. Hiebei können nur die von solchen Entnahmeberechtigungen ausgehenden Auswirkungen in Betracht kommen, die nach Erteilung der beeinträchtigten Nutzungen (im Falle der Beschwerdeführerin: Wasserkraftnutzungen) verliehen wurden. Die Freiheit eines Bewilligungswerbers bzw. -inhabers, von der ihm erteilten Bewilligung im vollen konsentierten Ausmaß Gebrauch zu machen, gebietet es dabei grundsätzlich, bei der Beurteilung der von einem einzelnen Wasserbenutzungsrecht zu erwartenden Beeinträchtigungen anderer wasserrechtlich geschützter Rechte vom Umfang des erteilten Konsenses bzw. der erlaubten Entnahme auszugehen.
Allerdings muß bei der im Beschwerdefall gegebenen Mehrzahl von bestehenden Beregnungsrechten die Beurteilung der aus ihnen in Summe resultierenden Beeinträchtigungen fremder Rechte davon ausgehen, daß im Hinblick auf die Vielzahl dieser Entnahmebewilligungen und die im Gebiet der Mitterndorfer Senke in der Regel mit 20 Jahren festgesetzte Konsensdauer - während der ein Ausgleich zwischen beregnungsintensiven und beregnungsschwachen Jahren entsprechend der im jeweiligen Jahr fallenden Niederschlagsmenge und deren zeitmäßigen Verteilung stattfindet - ein gegenüber einer von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Aufsummierung der bescheidmäßig zuerkannten Grundwasserentnahmemengen verminderter Mittelwert der tatsächlichen Gesamtentnahmemenge für Beregnungszwecke in Ansatz zu bringen ist. Ausschlaggebend sein werden für die Bestimmung dieses Mittelwertes insbesondere auch noch der Umstand, daß der einzelne Landwirt im Hinblick auf die mit der Durchführung der Beregnung verbundenen Kosten (Arbeit und Energie) in der Regel bemüht sein wird, das Ausmaß der tatsächlichen Entnahme von Grundwasser für Beregnungszwecke auf das für die Erzielung entsprechender Ernteerträgnisse gerade noch ausreichende Maß zu beschränken, und der unterschiedliche Beregnungsbedarf der in der Regel angebauten Feldfrüchte.
Aus dem WRG 1959 ergibt sich, daß ab der Erreichung eines im Sinne der obigen Ausführungen rechtlich beachtlichen Ausmaßes der Summe dieser Auswirkungen die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung an einen hinzukommenden Bewerber nur dann rechtmäßig sein kann, wenn die Inhaber der bei Bewilligung des Vorhabens beeinträchtigten Wasserbenutzungsrechte dem in rechtsgültiger Form zustimmen oder wenn diese Wasserbenutzungsrechte - bei Vorliegen der Voraussetzungen - im Umfang der Beeinträchtigung durch Einräumung von Zwangsrechten beseitigt werden. In letzterem Fall müßte, soweit sich unter Berücksichtigung des Summationseffektes die den Inhabern der beeinträchtigten Wasserbenutzungsrechte durch eine einzelne Entnahme entzogene Wassermenge nicht messen oder errechnen läßt, zum Hilfsmittel der Schätzung gegriffen werden (vgl. hg. Erkenntnisse vom 14. Juni 1983, Zl. 82/07/0250, und vom 12. November 1985, Zl. 85/07/0084). Hiebei ist für die Einräumung von Zwangsrechten und die hiefür gebührende Entschädigung auf die durch die einzelne Entnahme jeweils entzogene Wassermenge (laut Schätzung) abzustellen.
Anders als in den vom Sachverhalt her völlig vergleichbaren, den zur Zl. 86/07/0004 und vielen anderen anhängigen Beschwerden zugrundliegenden Fällen hat die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verwaltungsverfahren ihr Vorbringen hinsichtlich der Berücksichtigung des Summationseffektes auch durch das Gutachten eines Privatsachverständigen untermauert. Daß dieser Effekt dem Grunde nach eine zu berücksichtigende Größe darstellt, wurde bereits in den über die zuletzt angeführten Beschwerden ergangenen hg. Erkenntnissen ausgesprochen. Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, sich mit diesen sachverständig belegten Ausführungen auseinanderzusetzen.
Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, insbesondere deren Artikel III Abs. 2.
Im übrigen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu nachstehenden Bemerkungen veranlaßt:
Bereits in dem vom Sachverhalt weitgehend vergleichbaren Erkenntnis vom 18. November 1986, Zl. 86/07/0004, und mehr als 30 Folgeerkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die in diesen Beschwerdefällen eingeholten Stellungnahmen des Sondersachverständigen ausgeführt, daß es bei Beurteilung des Summationseffektes weder auf die mögliche Höchstleistung der bei den wasserrechtlich bewilligten Bewässerungsanlagen installierten Pumpen noch auf eine durchschnittliche Wasserentnahme der bewilligten Konsense ankommt, sondern auf die gesetzlich gedeckte tatsächliche Grundwasserentnahme zur Bewässerung der einzelnen Kulturgattungen und die gegebenen Klimaverhältnisse unter Berücksichtigung der komplexen Komponenten der Erneuerung des Grundwassers und der zeitlich verschobenen Wirkungen auf das Abflußgeschehen in der Fischa imHinblick auf die von der Beschwerdeführerin vertretenen Wasserrechte. Hiebei wird bei der für die Beurteilung möglicher Beeinträchtigungen in Anschlag zu bringenden Wasserführung der Oberflächengewässer von dem auf Grund des natürlichen Wasserdargebotes zu erwartenden Durchfluß und nicht von den durch menschliche Eingriffe auf das Abflußgeschehen (z.B. kurzfristige Auffüllung von Stauräumen) bewirkten Durchflußschwankungen auszugehen sein.
Der zu ermittelnden Summenwirkung der Vielzahl von Entnahmen werden die einzelnen Entnahmen in ihrer tatsächlich zu erwartenden Höhe in Abhängigkeit von ihrer Entfernung vom durch sie beeinflußten Oberflächengewässer zu Grunde zu legen sein. Hiebei wird die Dauer der Beeinflussung, abgesehen von der tatsächlichen Dauer der Entnahme, umso länger, die Beeinflussungsintensität aber umso schwächer sein, als die einzelne Entnahme weiter vom beeinflußten Oberflächengewässer entfernt ist. Der Dauer der Beeinflussung kommt insbesondere deshalb erhöhte Bedeutung zu, weil Rechte der Mitglieder der Beschwerdeführerin nur in solchen Zeiten beeinträchtigt werden können, in denen eine für die Ausübung der erteilten Wasserkraftnutzungskonsense gerade noch ausreichende oder unter diesem Ausmaß liegende natürliche Wasserführung der Oberflächengewässer vorliegt, die durch in diesem Zeitpunkt wirksame, von den Entnahmen für Beregnungszwecke ausgehende summierte Beeinflussungen in einem zumindest in der oben angeführten Weise ermittelbaren Ausmaß vermindert wird. Im Hinblick auf die große Anzahl von Natur aus schwankender Faktoren erscheint es angebracht, bei der Ermittlung der Dauer der Beeinflussung von auf die Bewilligungsdauer der Beregnungsrechte abgestimmten Mittelwerten (hinsichtlich z.B. zu beregnender Feldfrüchte, Verteilung der Entnahmezeiten, Niederschlagsmenge, Niederschlagsverteilung, oberirdisches Abflußgeschehen, Grundwasserverhältnisse) auszugehen.
Darüber hinaus erschiene es für den Fall einer tatsächlich festgestellten, von der Summe der Grundwasserentnahmen für Beregnungszwecke bewirkten Beeinträchtigung der Rechte der Mitglieder der Beschwerdeführerin zweckmäßig zu prüfen, ob diese Beeinträchtigung nicht durch auf § 52 Abs. 1 und 2 WRG 1959 gestützte Verfügungen der Wasserrechtsbehörde vermieden oder vermindert werden könnte.
Wien, 4. Juli 1989
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1989:1988070135.X00Im RIS seit
09.03.2021Zuletzt aktualisiert am
09.03.2021