Entscheidungsdatum
01.03.2021Norm
StVO 1960 §5 Abs5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde der A, vertreten durch B Rechtsanwälte GesbR in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 15. Jänner 2020, Zl. ***, betreffend Gebührenantrag i.A. § 5 Abs. 5 iVm Abs. 9 StVO 1960, nach mündlicher Verhandlung zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist als Anästhesistin im Landeskrankenhaus *** angestellt.
1.2. Die Beschwerdeführerin hat am 10. März 2013 einen Vertrag mit der Republik Österreich (vertreten durch das Bundesministerium für Inneres, dieses vertreten durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich) abgeschlossen.
Der Vertrag hat (soweit wesentlich) folgenden Inhalt (Ausführungen in eckiger Klammer hier und in der Folge durch das Landesverwaltungsgericht):
„Vertrag
abgeschlossen zwischen Republik Österreich, diese vertreten durch das Bundesministerium für Inneres und dieses vertreten durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich, ***, *** und [der Beschwerdeführerin], für die Verwendung als Honorarärztin im Amtsärztlichen Dienst gegen Einzelleistungshonorierung.
1. [Die Beschwerdeführerin] erklärt sich bereit, über Aufforderung der Landespolizeidirektion Niederösterreich bzw. des Leiters des polizeiärztlichen Dienstes, anfallende Amtshandlungen im Wirkungsbereich dieser Behörde, bei denen die Beiziehung eines/r Arztes/Ärztin erforderlich ist, zu übernehmen. Die Übernahme dieser Tätigkeit muss im jeweiligen Einzelfall einverständlich zustande kommen.
Beiden Vertragsteilen steht das Recht zu, vom vorliegenden Vertrag jederzeit, ohne Angaben von Gründen, zurückzutreten.
2. Um eine einheitliche Festsetzung der Gebühren für die Honorararztleistung sicher zu stellen, wurde ein Tarifkatalog in Anlehnung an das GebAG i.d.g. Fassung mit den entsprechenden Anmerkungen erarbeitet, der diesem Vertrag als Anhang beiliegt und als Berechnungsgrundlage heranzuziehen ist. Gemäß Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 19.Juni 2009, GZ: BMI-PA1911/0019-II/1/b/2009 wird das Entgelt der Honorarärzte unter sinngemäßer Anwendung des Gebührenanspruchsgesetzes festgelegt, wobei allerdings keine Fahrtspesen verrechnet werden dürfen.
Abgeltung der Rufbereitschaft (GZ.: ***).
Für die Übernahme der Verpflichtung, der Behörde in einem vorher festgelegten Zeitraum über Anforderung für ärztliche Leistungen zur Verfügung zu stehen, gebührt die Hälfte der Vergütung gemäß § 17b Gehaltsgesetz 1956 (Bereitschaftsentschädigung).
3. [Die Beschwerdeführerin] verpflichtet sich, über alle ihr ausschließlich aus ihrer Tätigkeit als Honorarärztin bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse einer Gebietskörperschaft oder der Parteien geboten ist, gegenüber jedermann, dem sie über solche Tatsachen nicht eine amtliche Mittelung zu machen hat, Stillschweigen (strengste Verschwiegenheit) zu bewahren.“
Der in diesem Vertrag verwiesene Tarifkatalog lautet wie folgt:
„Honorarsätze für die Einzelleistungshonorierung der Honorarärzte/innen als medizinische Sachverständige im polizeiärztlichen Dienst nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975, i. d. g. F., Beträge in €.
Werktage Werktage von 20-6 Uhr,
von 6 – 20 Uhr Samstag, Sonntag u. gesetzl. Feiertage
Einfache körperliche Untersuchung (Haftfähigkeit einfache Krankmeldung eines/r Angehaltenen/er im PAZ, einfache Verletzungsbegutachtung):
Honorar § 43 Abs. 1, Z. 1, lit. a 30,30 60,60
Zeitversäumnis § 32 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 22,70 22,70
Besonders zeitaufwendige körperliche Untersuchung oder neurologische oder psychiatrische Untersuchung (Haft- und Deliktfähigkeit, Zurechnungsfähigkeit/Vernehmungsfähigkeit, Hungerstreik, Transporttauglichkeit/Flugtauglichkeit, Haftfähigkeit bei Krankmeldung, umfangreiche Verletzungsbegutachtung, Alterseinschätzung, Untersuchung bei Misshandlungsvorwürfen)
Honorar § 43 Abs. 1, Z. 1, lit. b 39,70 79,40
Zeitversäumnis § 32 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 22,70 22,70
Untersuchung nach dem UBG
Honorar § 43 Abs. 1, Z. 1, lit. d 116,20 60,60
Zeitversäumnis § 32 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 22,70 22,70
Klinische Untersuchung nach § 5 und 58 STVO
Honorar § 43 Abs. 1, Z. 1, lit. d 116,20 60,60
Zeitversäumnis § 32 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 22,70 22,70
Kommissionelle Leichenbeschau in Normalfällen bei frischen Leichen
Honorar § 35 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 33,80 52,50
äußere Besichtigung § 43 Abs. 1, Z. 3 14,30 28,60
Zeitversäumnis § 32 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 22,70 22,70
Unters. V. Kleidung, Werkzeug § 43 Abs. 1, Z. 4 14,30 28,60
Kommissionelle Leichenbeschau in Sonderfällen bei Brandleichen, Altleichen, Wasserleichen, Verwesungsleichen und dergleichen
Honorar § 35 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 33,80 52,50
äußere Besichtigung § 43 Abs. 1, Z. 2, lit.a 93,50 187,00
(analog der Gebühr für die Leichenöffnung)
Zeitversäumnis § 32 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 22,70 22,70
Hinweis: Da für die äußere Besichtigung der Tarif für die Leichenöffnung herangezogen wird, dürfen weitere Zuschläge insbesondere für die Untersuchung von Kleidung und Werkzeug nicht verrechnet werden.
Kontrolluntersuchung im PAZ (Diese Untersuchungen dürfen nur in Ausnahmefällen, z. B. es gibt bei der BPD keinen Amtsarzt, von einem Honorararzt vorgenommen werden.
Honorar § 45 Abs. 1, Z. 1, lit. f (Tarif nach der 14,30 28,60
aufgehobenen Fassung)
Zeitversäumnis § 32 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 22,70 22,70
Blutabnahme
Honorar § 43 Abs.1, Z. 7, lit. a (auch Leichen) 8,40 16,80
Honorar § 43 Abs.1, Z. 7, lit. c (Leichen: Öffnung 20,90 41,80
einer großen Vene)
Harnabnahme mit Untersuchung (Befund)
Honorar § 43 Abs.1, Z. 5, lit. a 16,70 33,40
Medikamentenausgabe im PAZ lt. Erlass des BM.I, GZ. 1.110/424-II/2/07
Medikamentenkontrolle/Dispensieren 3,60 3,60
Reinschrift § 31 Abs. 1, Z. 3 (ausschließlich maschinenschriftlich oder mittels EDV geschriebene Ausfertigung von Befund und Gutachten)
Für jede volle Seite (mindestens 25 Zeilen 2,00 2,00
mit durchschnittlich mindestens 40 Schriftzeichen)
Teilnahme an einer Verhandlung
Teilnahme § 35 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 33,80 52,50
Zeitversäumnis § 32 Abs. 1 (je begonnene Stunde) 22,70 22,70
Aktenstudium § 36
Für den ersten Aktenband von 7,60 bis 44,90 und
für jeden weiteren Aktenband bis zu 39,70 (jeweils zeitunabhängig)
Anmerkungen
1. Aktenstudium
Die Gebühr für Aktenstudium kann nur dann verrechnet werden, wenn der Amtshandlung/Untersuchung bereits ein Akt zugrunde liegt. Vorbereitungsarbeiten für das Gutachten (Zusammenfassung des Sachverhaltes, Erstellen eines Konzeptes, von Fragelisten usw.) werden nicht durch den Gebührensatz „Aktenstudium“ erfasst, sondern sind in der Gebühr für Mühewaltung inkludiert. In diesen Bereich fällt auch die Durcharbeitung schriftlicher Unterlagen wie des Anamnesebogens, was als ordnende und Stoff sammelnde Tätigkeit gewertet wird.
2. Zeitversäumnis
Bei fortlaufenden Untersuchungen kann Zeitversäumnis nur einmal bei Untersuchungsbeginn bzw. –ende verrechnet werden, wobei die Zeiten zu Beginn und Ende der Untersuchungsreihe zusammen zu rechnen sind.
3. Erhöhter Gebührensatz
Die Gebühr für Zeitversäumnis darf zur Nachtzeit (20.00 bis 06.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen) nicht verdoppelt werden. Die erhöhte Gebühr (festgelegt im Erlass vom 2.10.2000, GZ. 1.110/483-II2/00) steht nur für Tätigkeiten (z. B. Mühewaltung) zu. Nach Möglichkeit sollen Einsätze in dieser Zeit aber vermieden werden.
4. Überprüfung des Umfanges der Untersuchungen
Der Chefarzt/die Chefärztin der BPD hat vor der Rechnungslegung an den WVD zu prüfen, ob der Umfang der Untersuchung (z. B. einfache oder besondere Untersuchung, Harnabnahme, Blutabnahme) fachlich und sachlich gerechtfertigt war.“
1.3. Die Beschwerdeführerin hat bei der Landespolizeidirektion Niederösterreich keine Planstelle inne, sondern steht auf Grund des abgeschlossenen Vertrags im Sinne einer Rufbereitschaft zu bestimmten Zeiten zur Verfügung; für tatsächlich erbrachte Leistungen soll sie im Sinne einer Einzelleistungshonorierung entsprechend dem Tarifkatalog entlohnt werden.
1.4. Kurz vor dem 12. Oktober 2019 wurde sie vom Leiter des polizeiärztlichen Dienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich kontaktiert und gefragt, ob sie am 12. Oktober 2020 bei einer Schwerpunktaktion in Zusammenhang mit einer „Hanfmesse“ im Bezirk *** für Untersuchungen gemäß § 5 Abs. 5 iVm Abs. 9 StVO zur Verfügung stehe. Die Beschwerdeführerin hatte an diesem Tag keine Rufbereitschaft iSd oben wiedergegebenen Vertrags.
Einen Kontakt mit einem Organwalter der Bezirkshauptmannschaft Mödling hat es im Vorfeld der von der Beschwerdeführerin durchgeführten Untersuchungen am 12. Oktober 2019 nicht gegeben.
1.5. Am 12. Oktober 2019, einem Samstag, wurden der Beschwerdeführerin seitens Organen der Bundespolizei der Polizeiinspektion *** diverse Personen zur Untersuchung vorgeführt. Die Untersuchungen fanden in einer im Bezirk *** situierten Halle, im Nahebereich einer „Hanfmesse“, statt.
Die Beschwerdeführerin führte ab ca. 10:23 Uhr eine klinische Untersuchung einer Person durch und nahm dieser auch Blut ab, damit dieses im Hinblick auf eine vermutete Suchtgifteinnahme untersucht werden könne.
Als Ergebnis der Untersuchung hielt die Beschwerdeführerin in einem als „Polizeiamtsärztliches Gutachten“ betiteltem Dokument (vgl. Aktenseite 10ff) fest, dass der untersuchte Lenker durch Übermüdung und Suchtgift beeinträchtigt sei.
1.6. Für diese Untersuchung füllte sie eine „Honorarnote Untersuchung gem. StVO“ datiert mit 12. Oktober 2019 (vgl. Aktenseite 14) aus, in welcher sie – orientiert an den im oben zitierten Tarifkatalog ersichtlichen Sätzen – einen Gesamtbetrag von 271,90 Euro begehrte, zusammengesetzt aus einem Honorar von 232,40 Euro für eine Klinische Untersuchung (an einem Samstag), 16,80 Euro für eine Blutabnahme (an einem Samstag) sowie 22,70 Euro an Zeitversäumnis für eine begonnene Stunde.
Diese Honorarnote wurde vom „amtshandelnden Exekutivorgan“ unterfertigt und von diesem in weiterer Folge an die belangte Behörde übermittelt.
1.7. Die Beschwerdeführerin war am 12. Oktober 2019 nicht Teil des „Ärztepools“ gemäß § 1 Abs. 3 Ärztepoolverordnung, BGBl. II Nr. 21/2008, in Niederösterreich. Eine diesbezügliche Ermächtigung erfolgte (über ihren dahingehenden Antrag) erst mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 09. Dezember 2019.
1.8. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde aufgrund der Honorarnote vom 12. Oktober 2019 Folgendes ausgesprochen:
„Die Gebühr für die von [der Beschwerdeführerin] am 12.10.2019 bei Herrn [C] durchgeführte klinische Untersuchung mit Blutabnahme wird wie folgt bestimmt.
€ 116,20.- für die klinische Untersuchung gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 lit. d GebAG
€ 8,40.- für die Blutabnahme gemäß § 43 Abs. 1 Z 7 lit. a GebAG
€ 22,70.- für die Zeitversäumnis für An- und Abreise gemäß § 32 Abs. 1 GebAG
Der Gesamtbetrag der Gebühren wird daher mit € 147,30 festgelegt und das darüber hinausgehende Begehren laut der auf € 271,90 lautenden Gebührennote vom 12.10.2019 abgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
§ 5a Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO), § 53a Abs. 1 und 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), oben angeführte Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG)“
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass aus dem Tarifkatalog BMI-PA1911/0019-II/1/b/2009 sowie den im Internet ersichtlichen Empfehlungstarifen der Ärztekammer für Zeiten in der Nacht von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr sowie am Samstag, Sonn- und Feiertagen Verdopplungen der Beträge für die klinische Untersuchung, die Harnabnahme und die Blutabnahme angeführt seien. Die angeführte Verdopplung der Gebühr entspreche jedoch nicht dem Gebührenanspruchsgesetz. Dieses lege keinerlei Verdopplung der Beträge für klinische Untersuchungen in der Nachtzeit und am Wochenende fest. Für die Blutabnahme sei eine Verdopplung des Betrages lediglich für die Nachtzeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr, nicht jedoch für die Zeit von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr an Samstagen, Sonn- und Feiertagen vorgesehen. Im Übrigen sei die Aufgliederung der Gebühren nach Gebührenbestandteilen in der Gebühren-Rechnung schlüssig und entspreche den §§ 30, 31, 36 und 47 GebAG. Die Gebühr von 22,70 Euro für die Zeitversäumnis für An- und Abreise habe § 32 Abs. 1 GebAG entsprochen.
1.9. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Begründend wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei als Honorarpolizeiärztin tätig. Im Rahmen der Schwerpunktaktion gegen Drogenlenker am 12.10.2019 sei ihr vor Ort der Mustervordruck einer Honorarnote überreicht worden, auf dem die nunmehr von ihr beantragten Gebühren vermerkt gewesen seien. Auch aus ihrer eigenen Tätigkeit sei ihr bekannt, dass die erhöhten Gebührensätze für die Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr sowie an Samstagen, Sonn- und Feiertagen für die klinische Untersuchung bzw. Blutabnahme seit vielen Jahren unter anderem auch von der belangten Behörde zugesprochen würden. Die belangte Behörde ignoriere einen Erlass der ihr übergeordneten Behörde aus dem Jahr 2009. Nach Art. 10 B-VG sei das Kraftfahrwesen sowohl in Gesetzgebung als auch Vollziehung Bundessache. Das oberste Verwaltungsorgan für diese Materie sei sohin der Bundesminister für Inneres, sodass die belangte Behörde weisungsgebunden sei. Der Gesetzgeber habe es verabsäumt, laufend für eine Tarifanpassung zu sorgen. Seit vielen Jahren würden die Tarifsätze laut gegenständlicher Honorarnote zuerkannt und würden viele andere Bezirksverwaltungsbehörden dies im Sinne der Verkehrssicherheit auch nach wie vor tun.
1.10. In einer nach der Beschwerde ergangenen „weiteren Stellungnahme“ führte die Beschwerdeführerin auszugsweise wie folgt aus:
„Ich stehe seit 10.3.2013 in einem Vertragsverhältnis zur Republik Österreich. Ich habe damals mit der Republik Österreich, vertreten durch das BMI, dieses vertreten durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich vereinbart, dass ich für Amtshandlungen zur Verfügung stehe, bei denen die Beiziehung eines Arztes erforderlich ist. Zum Zwecke der Entlohnung und mangels eigener für das Verwaltungsverfahren festgesetzter Bestimmungen wurde dem Vertrag ein Tarifkatalog angeschlossen, welche für alle Leistungen heranzuziehen sind, welche ich für die Republik Österreich im Rahmen von Amtshandlungen vollbringe.“
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen auf der mündlichen Verhandlung vom 28. Jänner 2021, in welcher Beweis erhoben wurde durch (Verzicht auf) Verlesung des vorgelegten Verwaltungsakts, Einvernahme der Beschwerdeführerin sowie Verlesung des ergänzenden Vorbringens der Beschwerdeführerin vom 25. Februar 2020 samt Beilagen (Vertrag der Beschwerdeführerin mit der Republik Österreich aus 2013 samt Tarifkatalog), Verlesung eines Schreibens des BMI vom 19. Juni 2009 sowie vom 10. November 2009 (Beilage ./1 und ./2 zur Verhandlungsschrift), Honorarnote für polizeiärztliche Tätigkeiten (Beilage ./3 zur Verhandlungsschrift) sowie ein Dienstplan der Polizeiärzte in *** (Beilage ./4 zur Verhandlungsschrift).
Die Feststellungen sind unstrittig.
3. Rechtliche Erwägungen:
3.1. In der Sache:
3.1.1. Zur Zurechnung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin an die belangte Behörde:
Die Beschwerdeführerin war als Sachverständige im Rahmen einer Schwerpunktaktion nach § 5 StVO 1960 tätig. Sie hat bei einem Fahrzeuglenker nach einer klinischen Untersuchung Blut abgenommen.
Wie festgestellt hatte die Beschwerdeführerin im Vorfeld ihrer hier in Frage stehenden Tätigkeiten keinen Kontakt mit der belangten Behörde und wurde diese somit auch nicht von der belangten Behörde mit der Durchführung dieser Tätigkeiten beauftragt. Ungeachtet dessen ist die von der Beschwerdeführerin aufgrund der Schwerpunktaktion am 12. Oktober 2019 ausgeübten Sachverständigentätigkeit, welche im Rahmen der Wahrnehmung der Aufgaben der Straßenpolizei und in Vollziehung der StVO erfolgte, aus folgenden Gründen der belangten Behörde zuzurechnen:
Die Angelegenheiten der Straßenpolizei sind nach Art. 11 Abs. 1 Z 4 B-VG in Gesetzgebung Bundes-, in Vollziehung hingegen Landessache. Dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kommen die in § 94 StVO genannten Verordnungsermächtigungen zu.
Gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 haben die Organe der Straßenaufsicht, insbesondere der Bundespolizei, die Verkehrspolizei (§ 94b Abs. 1 lit. a StVO) zu handhaben und bei der Vollziehung dieses Gesetzes mitzuwirken. Sie sind dabei als „Hilfsorgane“ zu qualifizieren, d.h. ihr Handeln wird jener Behörde zugerechnet, der sie beigegeben oder unterstellt sind, und über diese der Gebietskörperschaft, für die die Behörde in der betreffenden Angelegenheit tätig wird, zugerechnet. Führt ein Organ der Bundespolizei eine Person einem Arzt zur Untersuchung iSd § 5 Abs. 5 StVO vor, so ist dies der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde (vgl. § 94b Abs. 1 lit. a StVO), hier demnach: der belangten Behörde, zuzurechnen (vgl. auch die § 97 betreffenden Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 879 BlgNR 11. GP, 18, wonach es Aufgabe der Straßenpolizeiorgane ist, die Verkehrspolizei zu handhaben und Organe der Straßenaufsicht – gleichgültig wem sie organisatorisch unterstehen – jeweils im Namen jener Beh handeln, welche für die Verkehrspolizei zuständig ist; vgl. überdies Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht5, Rz 285 sowie 136 mit Verweis auf VfSlg. 13021/1992).
Da die Vorführung des Lenkers sowie dessen Untersuchung durch die Beschwerdeführerin ausschließlich der Vollziehung der StVO diente, ist diese Tätigkeit der Beschwerdeführerin ebenso wie die durch die Organe der Straßenaufsicht erfolgte Vorführung der zu untersuchenden Personen der belangten Behörde als der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zuzurechnen.
3.1.2. Zum Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Gebührenanspruchs:
Die Beschwerdeführerin ist somit bei Durchführung jener Tätigkeiten, hinsichtlich derer sie mit dem verfahrenseinleitenden Antrag den Zuspruch der ihr zustehenden Entlohnung begehrt, für die belangte Behörde tätig geworden. Somit kann sie gegenüber der belangten Behörde einen Entlohnungsanspruch geltend machen.
Es ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, ob es sich bei dem einem Arzt, der eine Untersuchung gemäß § 5 StVO durchführt, zustehenden Entlohnungsanspruch um einen öffentlich-rechtlichen, nach dem GebAG zu bemessenden Gebührenanspruch handelt oder ob die Höhe des Entlohnungsanspruchs von im Rahmen der Vollziehung der StVO tätig werdenden Ärzten nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu bemessen. Soweit ersichtlich gibt es auch keine auf die Rechtslage seit Einführung des § 5a Abs. 2 StVO (durch BGBl. Nr. 518/1994) Bezug nehmende Rechtsprechung des VwGH.
Ausdrücklich geregelt ist aber seit der Einführung des § 5a Abs. 2 StVO, in welcher Höhe einem durch Alkohol bzw. Suchtgift beeinträchtigten Lenker Kosten für eine vorgenommene Untersuchung vorzuschreiben sind.
Gemäß § 5a Abs. 2 StVO 1960 sind wenn bei einer Untersuchung nach § 5 Abs. 2, 5, 6, 7 oder 8 eine Alkoholbeeinträchtigung festgestellt worden ist, die Kosten der Untersuchung vom Untersuchten zu tragen. Dasselbe gilt im Falle der Feststellung einer Suchtgiftbeeinträchtigung. Die Kosten der Untersuchung sind nach den Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 136, vorzuschreiben.
Die Bestimmung des § 5a Abs. 2 StVO 1960 ist eine Sonderbestimmung, die die Anwendung des § 64 Abs. 3 VStG (betreffend die Auferlegung von im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens der Behörde erwachsener Barauslagen) ausschließt (vgl. zur gleichgelagerten Vorgängerbestimmung des § 5 Abs. 9 StVO 1960 idF vor BGBl. Nr. 518/1994 zB VwGH vom 16. Dezember 1997, 86/03/0209).
§ 64 Abs. 3 VStG verweist in diesem Zusammenhang auf § 76 AVG; gemäß dieser Bestimmung zählen zu den Barauslagen u.a. die Gebühren, die den Sachverständigen zustehen.
Aufgrund der Konzeption des § 5a Abs. 2 StVO 1960 als lex specialis zu § 64 Abs. 3 VStG ist zu folgern, dass auch ein gemäß § 5a Abs. 2 StVO 1960 beigezogener Sachverständiger – ähnlich einem in einem Verwaltungs(straf)verfahren beigezogener nichtamtlicher Sachverständiger gemäß § 53a AVG – einen öffentlich-rechtlichen Gebührenanspruch hat.
Vor dem dargestellten Hintergrund, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin ebenso wie das Handeln der Organe der Straßenaufsicht jener Behörde zuzurechnen ist, in deren örtlichen Wirkungsbereich gehandelt wurde, ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin als Sachverständige für diese Behörde tätig geworden ist. Dadurch ist ein öffentlich-rechtlicher Gebührenanspruch der Beschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde entstanden.
3.1.3. Zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des GebAG:
§ 5 Abs. 9 StVO 1960 in der Fassung bis zur Einfügung des § 5a Abs. 2 StVO 1960 durch BGBl. Nr. 518/1994 enthielt keinen Verweis auf das GebAG, sodass anzunehmen ist, dass als Kosten für die Untersuchung vom Untersuchten ein „angemessenes Entgelt“ iSd § 1152 ABGB für den Sachverständigen zustand (vgl. die Rsp zum AVG bzw. VStG vor Einfügung des § 53a AVG durch die Novelle 1982 zB VwGH vom 06. Juni 1975, 0877/74, vom 27. November 1978, 438/77, bzw. vom 19. November 1998, 98/07/0165).
Durch die Einfügung des Verweises auf das Gebührenanspruchsgesetz ist eine über das GebAG reichende Vorschreibung von Kosten an den Untersuchten nicht möglich. Zwar bezieht sich der Wortlaut des § 5a Abs. 2 auf die dem Untersuchten vorzuschreibenden Kosten, es ist allerdings anzunehmen, dass der Gesetzgeber auch die dem herangezogenen Sachverständigen zustehende Gebühr damit begrenzt wissen wollte. Es ist nicht naheliegend, dass der Gesetzgeber lediglich den Untersuchten zur Tragung von Kosten in Höhe des Gebührenanspruchsgesetzes verpflichten wollte, gleichzeitig aber der Behörde tatsächlich höhere Kosten erwachsen.
Es ist somit davon auszugehen, dass der geltend gemachte Gebührenanspruch anhand der Bestimmungen des GebAG zu bemessen ist und Gebühren nur in diesem Rahmen zuzusprechen sind.
Ob die Beschwerdeführerin aus dem von ihr vorgelegten Vertrag zwischen der Republik Österreich, vertreten durch das BMI, vertreten durch die LPD NÖ – Vertragspartner ist somit gerade nicht der Rechtsträger der zuständigen Behörde (Land Niederösterreich) bzw. die belangte Behörde selbst – einen darüberhinausgehenden, privatrechtlichen Vergütungsanspruch geltend machen kann, kann dahinstehen. Eine Erweiterung des öffentlich-rechtlichen Gebührenanspruchs der Beschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde ist damit jedenfalls ebensowenig erfolgt wie mit dem von der Beschwerdeführerin genannten Erlass des Bundesministers für Inneres, dem im gegenständlichen Zusammenhang keine Weisungsbefugnis an die belangte Behörde zukommt. Ein allfälliger Erlass stellt im übrigen keine verbindliche Rechtsquelle für das Verwaltungsgericht dar (vgl. VwGH vom 04. April 2019, Ra 2017/11/0302; vgl. überdies mit demselben Ergebnis betreffend deckungsgleiche Sachverhalte NÖ LVwG vom 20. Mai 2020, LVwG-S-2913/001-2019, oder auch vom 17. Februar 2020, LVwG-S-2735/001-2019).
3.1.4. Zum konkreten Gebührenanspruch:
Der Umfang der Sachverständigengebühr ist in § 24 GebAG grundlegend und in den weiteren in § 53a Abs. 1 AVG ausdrücklich verwiesenen Bestimmungen des GebAG im Detail geregelt.
Gemäß § 34 Abs. 2 GebAG ist (unter anderem) insoweit, als in anderen Vorschriften – wie in § 53a Abs 1 AVG – auf die Bestimmungen des GebAG verwiesen wird, die Gebühr für die Mühewaltung der davon erfassten Sachverständigen in erster Linie nach den Tarifen (fixen Sätzen) des GebAG, also insb nach – den in § 53a Abs. 1 AVG ausdrücklich verwiesenen – §§ 43 bis 48 und 51 GebAG zu bestimmen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 53a Rz 8 [Stand 1.7.2005, rdb.at], mit weiteren Nachweisen).
Somit steht der Beschwerdeführerin für die klinische Untersuchung gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 lit. d GebAG eine Gebühr im Ausmaß von 116,20 Euro zu, für die Blutabnahme gemäß § 43 Abs. 1 Z 7 lit. a GebAG eine Gebühr im Ausmaß von 8,40 Euro und für Zeitversäumnis gemäß § 32 Abs. 1 GebAG eine Gebühr im Ausmaß von 22,70 Euro. Eine Erhöhung der Gebühren für die klinische Untersuchung bzw. die Blutabnahme aufgrund der Tätigkeit an einem Samstag ist im GebAG nicht vorgesehen (eine Gebührenerhöhung käme gemäß § 43 Abs. 1 Z 7 lit. e GebAG nur für eine – gegenständlich nicht vorliegende – Blutabnahme in der Zeit von 20:00 bis 06:00 in Betracht).
Vor diesem Hintergrund war es nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde nur diese Sätze zugesprochen, das Mehrbegehren hingegen abgewiesen hat.
3.1.5. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zum Revisionsausspruch:
Die Revision ist zulässig, da Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob der für eine Untersuchung gemäß § 5 StVO 1960 herangezogene Arzt einen öffentlich-rechtlichen Gebührenanspruch gegenüber jener Behörde hat, in deren Wirkungsbereich die Amtshandlung stattgefunden hat. Weiters fehlt Rechtsprechung zur Frage, ob dieser öffentlich-rechtliche Gebührenanspruch mit den Sätzen des GebAG begrenzt ist oder ob ein „angemessenes Entgelt“ iSd § 1152 ABGB zusteht. Die Rechtslage ist auch nicht „klar und eindeutig“ (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage zB VwGH vom 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006), sodass auch insofern von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auszugehen ist.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verfahrensrecht; Untersuchungskosten; Sachverständiger; Gebührenanspruch; Begrenzung; Zurechnung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.283.001.2020Zuletzt aktualisiert am
31.03.2021