TE Bvwg Erkenntnis 2017/1/2 L516 1417042-2

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Veröffentlicht am 02.01.2017
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Entscheidungsdatum

02.01.2017

Norm

AVG §59 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z5
B-VG Art133 Abs4
FPG §55
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


L516 1417042-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst, ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2016, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V und IV des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 18.02.2010 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am 20.02.2010 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 18.03.2010 sowie 10.06.2010 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

1.1. Im Laufe seiner Befragung und Einvernahmen brachte der Beschwerdeführer vor, er habe verschiedene, insbesondere wirtschaftliche Probleme, sei Augenzeuge eines Mordes gewesen und werde nun von den drei Tätern mit dem umbringen bedroht. Gegen ihn sei in Bangladesch fälschlicherweise eine Anzeige wegen Mordes erstattet worden. Bei einer Rückkehr nach Bangladesch sei er gefährdet, wegen des von ihm beobachteten Mordes von der Polizei selbst als Täter angesehen zu werden und deswegen verhaftet zu werden. Weiters bestehe die Gefahr, dass er von den Tätern umgebracht werde, damit verhindert werde, dass er als Zeuge über diesen Mord aussagen könne. Er sei zudem Mitglied bzw lediglich Sympathisant der Partei BNP, deren Mitglieder aktuell Verfolgung drohe, da zurzeit eine andere Partei an der Macht sei. Probleme habe er wegen seiner politischen Gesinnung jedoch nicht gehabt.

1.2. Der Beschwerdeführer brachte dem BFA zur Untermauerung seines Vorbringens zwei Dokumente sowie ein ärztliches Attest in Vorlage.

2. Ein erster Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.12.2010, 10 01.558-BAI, mit welchem der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I), und des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen sowie gleichzeitig eine Ausweisung ausgesprochen wurde, wurde in Stattgabe einer dagegen erhobenen Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 16.07.2015 gem § 28 Abs 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit wurde an das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht begründete jene Entscheidung damit, dass sich die Behörde nicht hinreichend mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten auseinandergesetzt und diese nicht im Heimatland des Beschwerdeführers überprüft habe sowie, dass auch keine fachmedizinischen Ermittlungen zum Gesundheitszustand durchgeführt worden seien.

3. Der Beschwerdeführer wurde in der Folge am 28.10.2015 erneut vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer brachte dabei weitere Unterlagen zu seinem Gesundheitszustand, zu seiner Integration in Österreich, sowie mehrere, als Polizeiberichte bezeichnete, Schreiben in Vorlage.

4. Der Beschwerdeführer gab mit Schriftsatz vom 09.11.2015 eine Stellungnahme zu dem ihm in der Einvernahme am 28.10.2015 ausgehändigten Länderfeststellungen des BFA ab.

5. Das BFA veranlasste in weiterer Folge mit Schreiben vom 16.11.2015 im Wege der Staatendokumentation die Überprüfung der vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringen und der von ihm vorgelegten Dokumente dahingehend, ob der Beschwerdeführer aufgrund seiner politischen Gesinnung in Bangladesch verfolgt werde, er von der Polizei in Bangladesch wegen Mordes gesucht werde und ob die Überprüfung der Echtheit der vorgelegten Dokumente möglich sei. Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 10.03.2016 langte am 11.03.2016 beim BFA ein.

6. Das BFA beauftragte mit Schreiben vom 09.12.2015 die Untersuchung des Beschwerdeführers in Hinblick auf seine Gesundheit. Das in der Folge erstellte Gutachten der vom BFA bestellten Ärztin langte beim BFA am 24.02.2016 ein.

7. Auf Veranlassung des BFA erfolgte am 10.08.2016 eine weitere Begutachtung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers. Das dazu erstellte Gutachten datiert mit 28.08.2016.

8. Das BFA brachte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 01.09.2016 die beiden eingeholten medizinischen Gutachten sowie Länderfeststellungen zu Bangladesch zur Kenntnis und der Beschwerdeführer gab dazu mit Schriftsatz vom 19.09.2016 eine Stellungnahme ab und legte weitere ärztliche Dokumente zu einer bevorstehenden Operation vor.

9. Das (BFA) wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 8 AsylG ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG, erließ gegen diesen eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Das BFA sprach zudem aus, dass für die freiwillige Ausreise keine Frist bestehe (Spruchpunkt IV).

10. Mit Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

11. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 14.12.2016 zugestellten Bescheid des BFA am 27.12.2016 fristgerecht Beschwerde erhoben.

12. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 30.12.2016 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zum Sachverhalt

Verfahrensgang und Sachverhalt (oben Pkt I.) ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA.

2. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Ersatzlose Behebung von Spruchpunkt V und IV des angefochtenen Bescheides

2.1. Gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn 1. […] oder 5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht, oder 6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist.

2.2. Zum gegenständlichen Verfahren

2.2.1. Das BFA hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG gestützt, was demnach voraussetzt, dass " das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht". Diese Bestimmung entspricht § 6 Abs 1 Z 4 AsylG idF AsylG 1997 BGBl. I Nr. 101/2003; diese wiederum entspricht § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung des AsylG 1997. Aufgrund der nur unmaßgeblich veränderten, im wesentlich aber nahezu wortidenten Formulierungen dieser Bestimmungen ist bei der Prüfung des Vorliegens dieses Tatbestands - somit als Prüfungsmaßstab für die Frage, ob ein Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht - jedenfalls die Judikatur des VwGH zu den Vorgängerbestimmungen heranzuziehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung ausgesprochen, dass bei einem von der Behörde als unglaubwürdig angenommenen Vorbringen noch nichts darüber ausgesagt wird, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung als erfüllt angesehen werden kann. Letzteres kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich quasi "aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen klar auf der Hand liegen, sei es allenfalls auch deshalb, weil nach einem Ermittlungsverfahren "Hilfstatsachen" (z.B. fehlende Kenntnis der behaupteten Stammessprache) substantiell unbestritten bleiben. Im Ergebnis setzt die im gegebenen Zusammenhang erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" somit voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0214; 31.1.2002, 2001/20/0381; 11.6.2002, 2001/01/0266). Nur dann, wenn es "unmittelbar einsichtig" ist und sich das Urteil quasi "aufdrängt", die Schilderungen des Asylwerbers, die für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblich sind, seien tatsächlich wahrheitswidrig, erreicht das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt ist (VwGH 27.9.2001, 2001/20/0393). Bei der Anwendung des § 6 AsylG 1997 kann es typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 19.12.2001, 2001/20/0442).

2.2.2. Fallbezogen hat das BFA die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wie folgt begründet: „Wie bereits mehrfach ausgeführt wurden Ihre Fluchtgründe durch die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation eindeutig widerlegt. Aufgrund dessen gelangte die erkennende Behörde zu der Überzeugung, dass Ihre Angaben zu Ihrer Bedrohung offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechen. Somit war einer möglichen Beschwerde gegen diese Entscheidung gem § 18 Abs 1 Z 5 die aufschiebende Wirkung abzuerkennen.“

2.2.3. Dazu ist zu bemerken, dass im Laufe des gegenständlichen Antragsverfahrens ein erster Bescheid des BFA vom Bundesverwaltungsgericht unter anderem deshalb behoben, da das BFA unzureichende Ermittlungen durchgeführt habe und ohne diese Ermittlungen nicht geklärt war, ob dem Beschwerdeführer eine politisch motivierte Verfolgung drohe. Das BFA sah sich selbst in weiterer Folge dazu veranlasst, Erhebungen im Heimatland des Beschwerdeführers durchzuführen, um dessen Angaben überprüfen zu können und schließlich hat sich das BFA im Rahmen der Beweiswürdigung über sechs Seiten (AS 820 ff) damit auseinandergesetzt, warum es das Vorbringen des Beschwerdeführers im Einzelnen für nicht glaubhaft erachtet. Vor dem Hintergrund der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die erforderliche „Offensichtlichkeit“ iSd § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG sohin fallbezogen nicht gegeben. Eine bloß "schlichte Unglaubwürdigkeit" des Vorbringens reicht jedoch für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht aus (vgl VwGH 22.10.2003, 2002/01/0086).

2.2.4. Für den vorliegenden Fall hat die soeben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher zur Folge, dass entgegen der Annahme des BFA die Voraussetzung für die Ziffer 5 gegenständlich nicht vorlag und damit die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unzulässig war.

2.3. Es war daher der Spruchteil V des angefochtenen Bescheides spruchgemäß ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

2.4. Aufgrund dieses Ergebnisses konnte auch Spruchpunkt IV keinen Bestand mehr haben, weshalb dieser ebenso ersatzlos zu beheben ist.

2.5. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt V und IV spruchreif war und die Trennung – auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen – auch zweckmäßig erscheint.

2.6. Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis III des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu B)

Revision

2.6. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

2.7. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung ersatzlose Teilbehebung Frist qualifizierte Unglaubwürdigkeit Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:L516.1417042.2.00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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