TE Vfgh Beschluss 1995/6/29 G33/95

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.1995
beobachten
merken

Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EStG 1988 §4 Abs4 Z1 litb
EStG 1988 §16 Abs1 Z4 lite

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags einer Versicherungsgesellschaft auf Aufhebung von Bestimmungen über die steuerrechtliche Behandlung von Versicherungsbeiträgen mangels unmittelbarer Betroffenheit des Versicherers durch die an die Steuerpflichtigen gerichteten angefochtenen Vorschriften

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Mit einem auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Aktiengesellschaft, die durch ArtI Z3a und Z10 des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818, eingefügten Bestimmungen des §4 Abs4 Z1 litb und des §16 Abs1 Z4 lite EStG 1988 als verfassungswidrig aufzuheben.

a) §4 Abs4 Z1 EStG 1988 idF des ArtI Z3a des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818, lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"(4) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls:

1. a) Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie

b) Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen, weiters Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Beiträge zu Einrichtungen, die der Krankenversorgung dienen, sowie Beiträge zu inländischen gesetzlichen Krankenversicherungen sind nur insoweit abzugsfähig, als sie der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen."

§16 Abs1 Z4 EStG 1988 idF des ArtI Z10 des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818, lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§16. (1) ... Werbungskosten sind auch:

...

4. a) Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung

...

e) Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen, weiters Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Beiträge zu Einrichtungen, die der Krankenversorgung dienen, sowie Beiträge zu inländischen gesetzlichen Krankenversicherungen sind nur insoweit abzugsfähig, als sie der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen."

Der unter dem Blickwinkel des vorliegenden Antrages mit diesen Bestimmungen im Zusammenhang stehende §18 Abs1 Z2 EStG 1988 idF BGBl. 660/1989 bestimmt, daß u.a. Beiträge und Versicherungsprämien zu einer freiwilligen Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen sind, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind.

b) Die antragstellende Gesellschaft ist - nach ihrem Vorbringen - ein Versicherungsunternehmen mit dem Schwerpunkt "private Krankenversicherung". Sie biete auch "Sozialversicherungsersatztarife" an, die ihrem Inhalt und Leistungsumfang nach jenen der in §4 Abs4 Z1 lita und §16 Abs1 Z4 lita EStG 1988 genannten Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Bis zum Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 1993 seien Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung infolge freiwilliger Versicherung mit Prämien zu privaten Krankenversicherungen einkommensteuerrechtlich gleichgestellt gewesen: In beiden Fällen habe es sich weder um Werbungskosten iSd §16 EStG 1988 noch um gewinnmindernde Aufwendungen iSd §4 EStG 1988, sondern um Sonderausgaben iSd §18 Abs1 Z2 EStG 1988 gehandelt. Die durch das Steuerreformgesetz 1993 bewirkte steuerrechtliche Begünstigung der Beiträge für eine Selbstversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung verstoße gegen den Gleichheitssatz und gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit; weiters enthielten die angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen unklare und inhaltlich nicht bestimmbare Gesetzesbegriffe, was einen Verstoß gegen Art18 B-VG darstelle. Durch die angefochtenen Bestimmungen werde die antragstellende Gesellschaft unmittelbar in ihren Rechten verletzt; eine Möglichkeit, eine gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Entscheidung herbeizuführen, bestehe nicht.

II. Der Antrag ist unzulässig.

a) Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).

b) Mit ihrem Vorbringen vermag die antragstellende Gesellschaft nicht darzutun, daß ihre Rechtsposition durch die angefochtenen Gesetzesbestimmungen unmittelbar betroffen wird. Sie leitet ihre Betroffenheit offenbar daraus ab, daß aufgrund der angefochtenen Bestimmungen Beiträge zu einer Selbstversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung einkommensteuerrechtlich anders zu behandeln sind als Prämien für eine freiwillige, bei einem privaten Versicherungsunternehmen abgeschlossene Krankenversicherung.

Die angefochtenen Vorschriften des EStG 1988 richten sich nicht unmittelbar an die Versicherer, sondern an jene Steuerpflichtigen, die Versicherungsprämien als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten steuermindernd geltend zu machen beabsichtigen. Deren Rechtsposition, nicht aber die der Versicherer, wird durch die in Rede stehenden Bestimmungen gestaltet.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß sich die durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkte steuerrechtliche Behandlung von Beiträgen zu einer Selbstversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung auf die wirtschaftliche Position der insoweit mit den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern in Konkurrenz stehenden privaten Versicherungsunternehmen wirtschaftlich auszuwirken geeignet ist. Dies ändert aber nichts daran, daß die angefochtenen Bestimmungen die Rechtstellung der antragstellenden Gesellschaft - als zur Ausübung von privaten Versicherungen befugtes Unternehmen - nicht gestalten (vgl. VfSlg. 11369/1987 und VfGH 27.9.1994, G184/94).

c) Der Antrag ist daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Einkommensteuer, Betriebsausgaben, Werbungskosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G33.1995

Dokumentnummer

JFT_10049371_95G00033_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten