TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/28 L529 2231489-1

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Veröffentlicht am 28.07.2020
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Entscheidungsdatum

28.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2

Spruch


L529 2231489-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Georgien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl: XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend BF), eine Staatsangehörige Georgiens, stellte am 03.02.2020 bei Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der sofort im Anschluss an den Antrag stattfindenden Erstbefragung am 03.02.2020 brachte die BF vor, dass ihr Name XXXX laute und sie am XXXX in XXXX / Georgien geboren sei. Sie sei christlich orthodox, habe in Georgien 12 Jahre lang die Grundschule besucht, danach jedoch keinen Beruf erlernt und auch keine Tätigkeit ausgeübt. Sie sei bereits am 16.07.2019 aus Georgien mit einem Direktflug gemeinsam mit ihrer Mutter XXXX , geb. XXXX , IFA: XXXX , wegen deren gesundheitlichen Problemen in Österreich eingereist. Ihr Vater sei in Georgien geblieben und im Jahr 2019 verstorben. In Georgien lebe nur noch ihre Schwester XXXX (38 Jahre). Zuletzt habe sie in Georgien in XXXX gelebt. Sie habe nun seit ca. einem Monat Nierenschmerzen und weil sie nicht versichert sei, könne sie keinen Arzt aufsuchen. Das Ziel ihrer Reise sei Österreich gewesen, weil es ein humanes Land sei. Auch sei sie mit einem Reisepass ausgereist, dieser sei ihr von der Polizei in XXXX abgenommen und sichergestellt worden. Ihre krebskranke Mutter habe bereits bei der Einreise in Österreich um Asyl angesucht. Diese sei sodann in XXXX operiert worden und stehe noch heute in medizinischer Behandlung. Sie selbst habe nicht um Asyl angesucht; sie habe sich in XXXX aufgehalten und versucht etwas zu lernen und dann zu arbeiten. Sie habe in XXXX als Untermieterin alleine in einer Wohnung an der Adresse XXXX Bezirk, gewohnt. Seit einem Monat habe sie starke Schmerzen. Sie habe nach Georgien zurückreisen wollen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen. Jedoch sei sie sodann in XXXX wegen Schwarzfahrens angehalten und danach von der Polizei festgenommen worden. Ihr sei auch der Reisepass abgenommen worden. Ihr Vater sei im November 2019 in Georgien verstorben und ihre Mutter befände sich in einem kritischen Zustand, Stadium 4 der Krebserkrankung. Sie wolle, so lange es gehe, bei ihrer Mutter in Österreich bleiben, weshalb sie ggst. Antrag stelle. Bei der Ausreise hätten ihre Eltern das Haus verkauft und wüsste sie nicht, wo sie bei der Rückkehr in ihrer Heimat leben solle. In Georgien herrsche außerdem eine politische Krise und Not der Bevölkerung.

3. Der Antrag der BF wurde vom BFA im beschleunigten Verfahren geführt und das Verfahren somit prioritär behandelt. Noch am 03.02.2020 erging mit Verfahrensanordnung die Aufforderung an die BF, dass sie ab 03.02.2020 im Quartier BS XXXX , Unterkunft zu nehmen hat. Ferner wurde ihr die Mitteilung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 ausgefolgt, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen und sie verpflichtet sei, gem. § 52a Abs. 2 BFA-VG ein Rückkehrberatungsgespräch bis 14.02.2020 in Anspruch zu nehmen.

4. Am 24.02.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), XXXX , statt. Dabei brachte die BF im Wesentlichen vor, sie habe bei der Einreise in Österreich nicht sogleich einen Asylantrag gestellt, weil sie zuerst in Österreich einen Beruf erlernen habe wollen, es sei ihr jedoch nicht gelungen, weil sie die Sprache hier nicht spreche. Sie sei eigentlich auch nur wegen ihrer Mutter nach Österreich gekommen, weil diese krank sei. Weil sie nun selbst gesundheitliche Probleme bekommen habe, habe sie sich entschlossen, einen Asylantrag zu stellen. Sie habe bisher allein in einer Wohnung in XXXX gelebt. Sie habe einen Mann kennen gelernt, welcher ihr die Wohnung zur Verfügung gestellt habe. Ihren Unterhalt habe sie durch das Geld bestritten, welches sie und ihre Mutter durch den Verkauf ihres Hauses in Georgien erhalten hätten. Dieses Geld habe ausgereicht, um den Unterhalt in Österreich bisher zu sichern. Die Krebserkrankung ihrer Mutter sei sehr fortgeschritten und so lange es möglich sei, wolle sie bei ihrer Mutter bleiben. In Georgien habe sie nur ihre Schwester namens XXXX und die Schwester sei finanziell in einer schlechten Situation, diese sei verheiratet und habe drei Kinder und könne nicht auch sie noch ernähren. Sie lebe in XXXX im Dorf XXXX . Auf Nachfrage, sie habe auch noch einen Onkel, namens XXXX , welcher auch in XXXX lebe.

Die BF habe Probleme mit ihrem Rücken, sie sei auch bei einem Gynäkologen gewesen, welcher sie zu einem Arzt zur Behandlung ihrer Rückenbeschwerden geschickt habe. Von diesem habe sie sodann Medikamente erhalten. Ihr ganzes Leben habe sie mit ihren Eltern in XXXX in Georgien gelebt. Ihr Vater, XXXX , sei am 25.11.2019 verstorben. Ihre Schwester sei im Jahr 2003 umgezogen. Manchmal habe sie Kontakt zu ihrer Schwester, zuletzt vor einer Woche. Ihre Familie habe in Georgien eine Landwirtschaft gehabt. Nachdem sie das Haus verkauft haben, hätten sie keinen weiteren Besitz mehr. Der Vater habe dann bis zu seinem Tod im Dorf in einem fremden Haus gelebt. Sie habe auch wirtschaftliche Gründe gehabt, Georgien zu verlassen. In Georgien sei alles teuer und für alles müsse man Geld bezahlen. Bei ihrer Ausreise habe es in Georgien auch eine politische Krisensituation gegeben. In der Zeit habe es zwischen den beiden politischen Parteien Auseinandersetzungen gegeben. Nun werde sie in der Betreuungsstelle der GVS betreut. Sie habe ihr Land wegen den gesundheitlichen Problemen ihrer Mutter verlassen und nun habe sie selbst auch Probleme und benötige medizinische Hilfe. Im Fall der Rückkehr würde sie nicht wissen, wohin sie gehen solle, da sie keine Unterkunft in Georgien habe. Sie könne aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme auch nicht lange stehen und müsse sich ab und an hinlegen und könne keine schweren Arbeiten durchführen.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 wurde gegen den BF für die Dauer von einem Jahr ein befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.) und die BF angewiesen gem. § 15b Absatz 1 AsylG ab 03.02.2020 in der BS XXXX , Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.).

Das BFA führte beweiswürdigend aus, dass die BF zwar im Verfahren angegeben habe, Nieren- und Rückenschmerzen zu haben. Gemäß ORS sei die gynäkologische Untersuchung jedoch ohne Befund ergangen. Ferner seien Rücken- und Nierenschmerzen vorgebracht worden, einen Befund habe die BF aber ebenfalls nicht vorgelegt. Es ergebe sich nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, dass bei der BF keine Behandlung notwendig sei, die in Österreich, aber nicht in Georgien möglich ist. Eine medizinische Versorgung sei auch in Georgien gewährleistet. Eine Erkrankung der BF könne folglich nicht festgestellt werden.

Georgien verfüge über ein staatlich geleitetes, hauptsächlich staatlich finanziertes, allgemeines Gesundheitssystem mit überwiegend privaten medizinischen Institutionen. Das staatliche Gesundheitssystem (UHC) umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren ( XXXX , Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an. Georgische Staatsbürger sind automatisch versichert. Ferner wies die Behörde auf die Judikatur des EGMR hin, welcher sich auch der VfGH anschließe, wonach eine medizinische Indikation grundsätzlich kein Grund für ein Bleiberecht darstelle. Aus den Entscheidungen gehe hervor, dass körperliche Erkrankungen grundsätzlich nur bei lebensbedrohlichem Zustand relevant sind.

Ferner könne nicht festgestellt werden, dass die BF in Georgien einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei. Eine persönliche gegen die Person der BF gerichtete Verfolgung habe die BF nicht vorgebracht. Es werde davon ausgegangen, dass die BF ihr Heimatland aus rein wirtschaftlichen Motiven verlassen habe.

Ferner wurde festgestellt, dass die kranke Mutter der BF in Österreich lebe, jedoch kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der volljährigen BF und ihrer Mutter bestehe. Qualifizierte Pflegeleistungen der BF gegenüber ihrer kranken Mutter seien nicht zu erwarten. Darüber hinaus sei auch das Verfahren der Mutter der BF von der Behörde negativ beschieden worden und der Aufenthalt der Mutter im Bundesgebiet ebenfalls nicht gesichert. Das Einreiseverbot werde deshalb erlassen, weil der Asylantrag scheinbar rechtsmissbräuchlich gestellt wurde, asylfremde Gründe für die Antragstellung vorliegen und sich die BF bereits mehrere Monate illegal in Österreich aufgehalten habe. Zur problemlosen Durchführung des Asylverfahrens werde darüber hinaus die Unterkunftnahme in der Betreuungsstelle der GVS angeordnet.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer allgemeinen Gefährdungssituation im Herkunftsstaat des BF iSd § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei. Ferner sei nicht zu erwarten, dass die BF bei Rückkehr nach Georgien in eine ausweglose Lage geraten werde. Dem Akt der Mutter sei zu entnehmen, dass die BF und ihre Mutter vor der Ausreise bei dem Onkel der BF Unterkunft nehmen konnten und sei eine Rückkehr daher möglich.

Zu Spruchpunkt IV. und V. hielt das Bundesamt fest, dass bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise gefunden werden könnten, welche den Schluss zuließen, dass durch die Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht des BF auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen werden würde. Zwischen der Mutter und der BF bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis.

In Spruchpunkt VI. wurde gegen die BF ein einjähriges Einreiseverbot verhängt. Begründet wurde dies damit, dass die BF nicht über die notwendigen Mittel verfüge, um ihren Unterhalt zu bestreiten und der Antrag ferner rechtsmissbräuchlich gestellt wurde und die BF somit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

In Spruchpunkt VII. wurde ausgeführt, dass die mit Verfahrensanordnung angeordnete Unterkunftnahme zur zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlich sei.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 12.05.2020 wurde der BF der Verein Menschenrechte Österreich amtswegig zur Seite gestellt.

7. Der Bescheid und die Verfahrensordnung wurden der BF persönlich am 13.05.2020 zugestellt.

8. Am 18.05.2020 langte bei der belangten Behörde die Ambulanzkarte des XXXX aus der Abteilung Innere Medizin ein, wonach die BF am 14.05.2020 im Krankenhaus behandelt wurde. Bei der BF wurden dabei die Diagnosen Brustwandsyndrom und Eisenmangelanämie gestellt.

9. Gegen den Bescheid erhob die BF, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, mit Schriftsatz vom 28.05.2020 innerhalb offener Frist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich aller Spruchpunkte. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

In der Beschwerde wurden Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften, insbesondere mangelhaftes Ermittlungsverfahren und in Folge mangelhafte Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung, geltend gemacht.

10. Gegenständliche Beschwerde langte samt dem bezughabenden Verwaltungsakt am 03.06.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

11. Mit Schreiben vom 20.07.2020 wurde ein Befundbericht eines Facharztes für Orthopädie mit den Diagnosen Dorsalgie, Thoracalgie bil. [Therapie und Procedere: Manualth, Infiltration (Triggerp. +Intervcertebralglenke)] nachgereicht.

12. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen:

1.1. Zuständigkeit des entscheidenden Einzelrichters:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt dem erkennenden Einzelrichter zugewiesen, woraus sich dessen Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin wird festgestellt:

Die Identität der BF steht fest. Die Beschwerdeführerin heißt XXXX ; sie ist am XXXX in Georgien geboren.

Die BF ist georgische Staatsangehörige, orthodoxe Christin und hat zuletzt in Georgien gemeinsam mit ihren Eltern in XXXX im Dorf XXXX gelebt. Sie hat dort ihr ganzes Leben bis zur Ausreise verbracht. Die BF ist 12 Jahre zur Schule gegangen, einen Beruf hat sie anschließend nicht erlernt. Der Unterhalt war durch ihren Vater XXXX , verstorben am 25.11.2019, gesichert, der eine eigene Landwirtschaft betrieben hat. Ferner wurde die Familie der BF von ihrem Onkel XXXX , dem Bruder ihrer Mutter, unterstützt. Die BF hat eine größere Schwester namens XXXX , die ebenfalls mit ihrer Familie (Ehemann und drei Kinder) in XXXX lebt.

Die BF hat am 16.07.2019 ihr Heimatland gemeinsam mit ihrer Mutter XXXX , geb. XXXX , IFA: XXXX , verlassen und ist sodann mit einem Direktflug am selben Tag in Österreich eingereist.

Die BF hielt sich sodann von 16.07.2019 bis zu ihrer Asylantragstellung am 03.02.2020 illegal in Österreich auf und kam für ihren Lebensunterhalt durch eigene Geldmittel auf.

Sie hat bis zu ihrer Antragstellung allein in einer Wohnung in der XXXX Bezirk in XXXX unangemeldet gelebt. Aufgrund der Anordnung der Unterkunftnahme hält sich die BF seit 04.02.2020 in der Betreuungsstelle XXXX auf, wo auch ihre Mutter lebt.

Die BF ist ledig. Da die BF volljährig ist, liegt gegenständlich kein Familienverfahren vor. Gegen die Mutter wurde ebenfalls eine Rückkehrentscheidung erlassen, gegen welche hinsichtlich Gewährung des subsidiären Schutzes Beschwerde eingebracht wurde. Das Verfahren ist gegenständlich beim BVwG anhängig.

Die BF verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Georgien. Ihre Schwester und auch ihr Onkel leben nach wie vor in Georgien. Zu ihrer Schwester hat sie regelmäßig Kontakt und wurde sie von ihrem Onkel bereits vor der Ausreise aus Georgien unterstützt. Die BF spricht die deutsche Sprache nicht. Zu ihrer in Österreich lebenden Mutter besteht kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Weitere wesentliche soziale Bindungen wurden von der BF im Verfahren nicht vorgebracht.

Eine Bindung zu Österreich ist aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer zu verneinen. Die BF verfügt über eine stärkere Bindung zu Georgien, wo sie bis vor ihrer Ausreise vor 11 Monaten gelebt hat.

Die BF ist strafrechtlich unbescholten.

2.2. Zu den Gründen für das Verlassen des Heimatstaates:

Die Beschwerdeführerin ist in ihrem Heimatstaat Georgien keiner asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt und ist auch nicht zu befürchten, dass pro futuro asylrelevante Verfolgungsgefahr für die BF besteht.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die BF Gefahr liefe in Georgien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr iSd Art 2 und 3 EMRK ausgesetzt zu sein.

Die BF leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und ist arbeitsfähig.

Es kann unter Berücksichtigung aller Umstände nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle der Rückkehr nach Georgien in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der BF in ihrem Herkunftsstaat festgestellt werden.

Es konnten keine Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:


1.         Politische Lage

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewann, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt.(FH 4.2.2019).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei „Georgischer Traum“ sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die „Vereinigte Nationale Bewegung“ (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die „Allianz der Patrioten Georgiens“ (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der „Georgische Traum“ 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016).

Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollen. Ursprünglich sollte erst ab 2024 nach den neuen Bestimmungen gewählt werden (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019).

Quellen:

?        CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

?        DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019

?        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019

?        Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

?        Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019


2.         Sicherheitslage

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

?        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019


3.         Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).

Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz kommt in brisanten Fällen immer wieder der Verdacht externer Einflussnahme auf. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 27.8.2018).

Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 4.2.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019
4.         Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht vorgenommen worden (AA 27.8.2018).

Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle über das Verteidigungsministerium ausüben, besteht seitens der zivilen Behörden nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die Besorgnis über Straffreiheit bleibt hoch (USDOS 13.3.2019).

Straffreiheit für Strafverfolgungsbehörden bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem. Wenn Untersuchungen eingeleitet werden, führen sie oft zu Anklagen mit milderen bzw. inadäquaten Sanktionen und selten zu Verurteilungen. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die eine Misshandlung anzeigen, den Status eines Opfers zu gewähren, und verwehren den Betroffenen, die Ermittlungsakten zu überprüfen (HRW 17.1.2019).

Trotz der rückläufigen Zahl der Beschwerden wegen polizeilicher Gewaltanwendung, welche beim Büro der Ombudsperson einlangten, verdoppelte sich fast gleichzeitig die Zahl der Verletzungen der Häftlinge nach der Festnahme. In der autonomen Region Adscharien stieg die Zahl der Verletzung nach Festnahmen fast um das Neunfache (PD 2.4.2019).

Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Einrichtung eines staatlichen Inspektorats (State Inspector‘s Service), einer separaten Stelle, die für die Untersuchung von Missbräuchen durch die Strafverfolgungsbehörden zuständig ist. Das Gesetz räumt dem Staatsanwalt eine Aufsichtsfunktion über die Ermittlungen dieser Stelle ein, einschließlich des Rechts, verbindliche Anweisungen für jedes Untersuchungsverfahren zu erteilen oder Ermittlungsentscheidungen zu ändern, was die Unabhängigkeit des Inspektorats beeinträchtigt (HRW 17.1.2019).

Am 10.5.2019 nahm der „State Inspector‘s Service“ als Nachfolgeorganisation des „Inspektionsbüros zum Schutz personenbezogener Daten“ seinen Betrieb auf. Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist seit 1.7.2019 eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector‘s Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS 22.8.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

?        PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 26.8.2019

?        SIS - State Inspector‘s Service (22.8.2019): Who we are? https://personaldata.ge/en/about-us#, Zugriff 22.8.2019

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 22.8.2019
5.         Folter und unmenschliche Behandlung

Umfangreicher Personalaustausch, insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Reformen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsperson und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und gegebenenfalls unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an. 2017/18 gab es Berichte über angebliche Fälle von Misshandlungen in Polizeistationen (AA 27.8.2018).

Beim Besuch der Europäischen Anti-Folterkomitees des Europaratals (CPT) im September 2018 wurden seitens Personen, die sich in Polizeigewahrsam befanden oder zuvor befunden hatten kaum Anschuldigungen wegen Misshandlung durch Polizeibeamte erhoben. Keinerlei diesbezügliche Anschuldigungen gab es gegenüber dem Personal in temporären Haftinstitutionen (CoE-CPT 10.5.2019). Allerdings erhielt das Büro der Ombudsperson bis September 2018 149 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder die Polizei und ersuchte hierbei die Staatsanwaltschaft, in acht Fällen Untersuchungen einzuleiten. Keine der Untersuchungen führte zu einer Strafverfolgung (HRW 17.1.2019 ).

Was die Misshandlung betrifft, so gibt es den Aktionsplan zur Bekämpfung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe für den Zeitraum 2017-2018. Die Fälle von Misshandlungen im Strafvollzug haben sich im Gegensatz zu den Fällen von Misshandlungen durch Polizeibeamte verringert (EC 30.1.2019).

Laut Bericht des Büros der Ombudsperson ist eine der wichtigsten Herausforderungen die Durchführung effektiver Untersuchungen in Fällen von Misshandlung. Die im Laufe der Jahre bestehenden Probleme im Hinblick auf eine effektive Untersuchung sind meist noch vorhanden und stellen definitiv ein Problem dar. Aus diesem Grund hegt die Ombudsperson große Hoffnungen in die Ermittlungsfunktionen des staatlichen Inspektorates (SIS).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (10.5.2019): Report to the Georgian Government on the visit to Georgia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 21 September 2018 [CPT/Inf (20 19 )16], https://www.ecoi.net/en/file/local/2009081/2019-16-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019


6.         NGOs und Menschrechtsaktivisten

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können sich in der Regel ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit aufnehmen. Sie werden in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen, von der Regierung generell respektiert und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben. Einige wurden auch an wichtigen politischen Verfahren als Berater beteiligt (AA 11.12.2017).

Ein wachsendes Netzwerk von sogenannten „Watchdog“-NGOs wirbt zunehmend für Bürgerrechte. Der zivilgesellschaftliche Sektor wächst weiter zahlenmäßig und hinsichtlich der Kapazitäten, bleibt aber in erster Linie in der Hauptstadt und anderen größeren Städte konzentriert. NGOs haben nur schwache Verbindungen mit der breiteren Bevölkerung (BTI 1.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Trotz der Schwäche der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf die Zahl der Mitglieder und der Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der staatlichen Politik und der Aufsicht. Über die von der EU unterstützte Nationale Plattform des Forums der Zivilgesellschaft hat letztere die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene zu äußern (BTI 1.2018).

Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden, berichten andere, dass sie unter Druck stehen, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten aber auch seitens der Opposition (FH 4.2.2019). 2018 kam es zu Statements des Justizministers und des Vorsitzenden des Parlaments, die sich an Menschenrechtsaktivisten richteten und darauf abzielten, die Arbeit von NGOs zu diskreditieren (HRC 2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Georgia Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Georgia.pdf, Zugriff 26.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

?        HRC – Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019
7.         Allgemeine Menschenrechtslage

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln postuliert. Mit der Ombudsperson für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat zunehmend beachtet und gestärkt. Gesellschaftlich sind diese Rechte aber noch nicht weit genug akzeptiert, sodass Minderheiten und Andersdenkende in der Gesellschaft mit faktischer Benachteiligung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und im Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann (AA 27.8.2018).

Im Jahr 2018 wurden positive legislative und systemische Veränderungen in konkrete Richtungen vorgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Prävention von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen. Allerdings steht der Staat nach wie vor vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, die Gleichstellung aller zu gewährleisten. Die Gesetzgebung hat sich 2018 für die konkret gefährdeten Gruppen nicht verbessert. Ethnische und religiöse Minderheiten sind von Ungleichheit betroffen. Die LGBTI-Gemeinschaft ist mit außergewöhnlicher Aggression und Diskriminierung konfrontiert. Der Staat unternimmt keine wirksamen Schritte, um das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen (HRC 2019). Der unabhängige Ermittlungsmechanismus, der Überschreitungen von Amtsbefugnissen objektiv untersuchen soll, war 2018 noch nicht geschaffen (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019). Die Justiz erfüllte 2018 nicht die Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verfahrensrechte der Opfer haben sich nicht verbessert (HRC 2019). Die Straffreiheit bei Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die Missbrauch anzeigen, den rechtlichen Opfer-Status zu gewähren, wodurch sie der Möglichkeit der Einsicht in die Ermittlungsakten beraubt werden (HRW 17.1.2019).

Im Jahr 2018 wurden die Grundrechte von Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sowie die Meinungsfreiheit mehrfach verletzt. Beobachtet wurde auch die Anwendung übermäßiger Gewalt seitens der Strafverfolgungsbehörden (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        AI – Amnesty International (22.2.2019): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444206.html, Zugriff 26.8.2019

?        HRC – Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019
8.         Bewegungsfreiheit

Georgier können im Allgemeinen frei ins Ausland und innerhalb des von der Regierung kontrollierten Territoriums reisen, und sie können ihren Wohnsitz, ihre Beschäftigung oder ihre Ausbildung ohne unangemessene Einmischung wechseln (FH 4.2.2019).

Es ist nach dem georgischen Recht illegal, von Russland aus über Südossetien oder Abchasien nach Georgien einzureisen. Wenn man auf diese Weise nach Georgien kommt, kann man mit einer Strafverfolgung rechnen, die mit potenziell hohen Bußgeldern und/oder einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren verbunden ist. Wenn der Reisepass mit Ein-/Ausreisestempeln der separatistischen Behörden versehen ist, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübergang betrachten (Gov.UK 28.8.2019).

Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Anschein nach eine strenge Pass- und Identitätskontrolle. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen von Personen, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche Durchführung von Kontrollen erkennen (AA 27.8.2018).

Die De-facto-Behörden und die russischen Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten schränken auch die Mobilität der lokalen Bevölkerung über die administrative Grenze ein, obwohl sie Flexibilität bei Reisen für medizinische Versorgung, Pensionsleistungen, Gottesdienste und Bildung zeigen. Dorfbewohner, die sich der Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 27.8.2019

?        Gov.UK (28.8.2019): Foreign travel advice – Georgia, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/georgia/safety-and-security, Zugriff 28.8.2019

?        USDOS – US Department, of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 28.8.2019
9.         Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die staatliche soziale Unterstützung (Einzelpersonen: 60 GEL (ca. 24 EUR) monatlich; Vier-Personen-Haushalt: 200 GEL (ca. 80 EUR) bleibt weit unter dem festgestellten durchschnittlichen Existenzminimum (160 GEL für einen Erwachsenen). Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (AA 11.12.2017).

Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos. Knapp 22 % der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende Binnenvertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten Auslandsmigrant machen mit rund 11,8% einen nennenswerten Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus (ADA 11.2018).

Laut der Daten des nationalen Statistikamtes von 2016 sind 67,5% der Bevölkerung über 15 Jahren erwerbstätig (in Städten 59,9% und in ländlichen Gegenden 75,2%). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den gering vergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären. Viele Pensionisten sind noch erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter 15-25- Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren. Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten und im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2018).

Die Arbeitslosenquote betrug 2018 12,7% (2017: 13,9%) (GeoStat 2019a). Das Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbständig Beschäftigten lag im ersten Quartal 2019 bei den Männern bei 1.294 Lari [rund 400 €] und bei den Frauen bei 876 [rund 270 €] (GeoStat 2019b).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        ADA – Austrian Development Agency (11.2018): Georgien – Länderinformation, https://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Laenderinformationen/LI_Georgien_Nov2018.pdf, Zugriff 30.8.2019

?        GeoStat – National Statistics Office of Georgia (2019a): Employment and Unemployment, https://www.geostat.ge/en/modules/categories/38/employment-and-unemployment, Zugriff 30.8.2019

?        GeoStat – National Statistics Office of Georgia (2019b): Wages, https://www.geostat.ge/en/modules/categories/39/wages, Zugriff 30.8.2019

?        IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt GEORGIEN, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Georgia_DE.pdf, Zugriff 30.8.2019

9.1.    Sozialbeihilfen

Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen Zuschüsse:

?        Existenzhilfe

?        Re-Integrationshilfe

?        Pflegehilfe

?        Familienhilfe

?        Soziale Sachleistungen

?        Sozialpakete

Menschen unterhalb der Armutsgrenze können zum Beispiel mit einer Unterstützung von 10-60 GEL pro Familienmitglied rechnen. Eine Arbeitslosenunterstützung gibt es nicht. Der Sozialdienst ist für Personen unterhalb der Armutsgrenze verantwortlich. Der staatliche Fond zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel hilft Schutzbedürftigen Personen, wie z.B. Opfern häuslicher Gewalt, Personen mit Einschränkungen, Alten und Waisen. Dabei bietet er: Kinderheime, Pflegeheime für Personen mit Einschränkungen, Unterkünfte für Opfer von Menschenhandel, Krisenzentren und Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt (IOM 2018).

Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden. Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie vor Ort, wobei in der „Familiendeklaration“ der sozio-ökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: 60 GEL für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied 60 GEL und alle anderen 48 GEL pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen „Haushaltsunterstützung“ oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).

Pensionssystem:

Es gibt nur ein staatliches Pensionssystem. Voraussetzungen (nicht alle müssen erfüllt sein):

?        Rentenalter: 65 Jahre für Männer; 60 Jahre für Frauen;

?        Behindertenstatus;

?        Tod des Hauptverdieners

Für die Registrierung der Pension ist ein Antrag beim zuständigen Sozialamt (Social Service Centre) nötig. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen. Personen, die bereits aus dem Ausland eine Pension beziehen, sind vom georgischen Pensionssystem ausgeschlossen (IOM 2018).

Die staatliche Alterspension (universal) beträgt 180 Lari pro Monat. Die Leistungen werden ad hoc angepasst. Die Invaliditätsleistung als Sozialhilfe beträgt 180 Lari pro Monat für eine Gruppeninvalidität erster Stufe und 100 Lari für eine zweiter Stufe. Die Leistungen werden ad hoc angepasst (US-SSA 3.2019).

Seit dem 1.1.2019 ist das kumulierte Pensionssystem für Beschäftigte unter 40 Jahren verpflichtend, d.h. sie werden automatisch registriert. Für Selbständige und Personen über 40 Jahren ist die Aufnahme in das Programm freiwillig. Dieses System gilt sowohl für Mitarbeiter des öffentlichen als auch des privaten Sektors. Das System wird nach einem 2+2+2-Schema arbeiten. Jeder Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Staat leisten einen Beitrag von je 2% des Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers auf ein individuelles Pensionskonto. Selbständige müssen eine Einlage von 4% ihres Einkommens leisten, und der Staat schießt weitere zwei Prozent zu. Das neue Pensionsgesetz sieht keine Aufhebung des bestehenden Pensionssystems vor. Am 1.1.2018 stiegen die staatlichen Pensionen um 20 GEL und beliefen sich auf 200 GEL pro Monat (Agenda.ge 3.1.2019).

Angesichts der Tatsache, dass Georgien bislang nur eine Pensionsersatzrate von 18% aufweist und über 44% der Erwerbstätigen Selbständige sind, insbesondere in der einkommensschwachen Landwirtschaft, bestehen Zweifel am Funktionieren des neuen Systems (OCM 14.12.2018).

Das Recht auf Karenz- und Pflegeurlaub gewährt 730 Tage, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal 1.000 GEL (SSA o.D.b, vgl. US-SSA 3.2019).

Quellen:

?        Agenda.ge (3.1.2019): Georgia’s new pension system comes into play, https://www.agenda.ge/en/news/2019/13, Zugriff 30.8.2019

?        IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt GEORGIEN, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Georgia_DE.pdf, Zugriff 30.8.2019

?        OCM - Open Caucasus Media (14.12.2018): Opinion | Georgia’s pension reforms do nothing for most Georgians, https://oc-media.org/opinion-georgia-s-pension-reforms-do-nothing-for-most-georgians/, Zugriff 30.8.2019

?        SSA – Social Service Agency (o.D.a.): Pecuniary Social Assistance (Subsistence Allowance), http://ssa.gov.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=35, Zugriff 30.8.2019

?        SSA – Social Service Agency (o.D.b.): Reimbursement of leave for maternity and childcare, as well as for adoption of a new-born child, http://ssa.gov.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=375, Zugriff 30.8.2019

?        US-SSA – US Social Security Administration (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018, Georgia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005493/georgia.pdf, Zugriff 12.9.2019
10.         Medizinische Versorgung

Im Jahr 2010 war das Gesundheitswesen bis auf wenige Ausnahmen privatisiert. Der Staat überließ es dem freien Markt, das Gesundheitswesen zu regulieren. Die Privatisierung hatte als Kehrseite, dass einem wesentlichen Teil der Bevölkerung der Zugang zum Gesundheitswesen aus finanziellen Gründen verwehrt blieb oder ein Krankheitsfall zu existenzbedrohenden finanziellen Engpässen führte. Ab 2007 steuerte der georgische Staat gegen, indem er kostenlose Krankenversicherungen und kostenlose medizinische Dienstleistungen für bestimmte vulnerable Gruppen einführte. 2013 schließlich wurde das Universal Health Care (UHC) Program eingeführt. Es ist ein staatlich geleitetes, hauptsächlich staatlich finanziertes, allgemeines Gesundheitssystem mit überwiegend privaten medizinischen Institutionen. Diese staatliche Krankenkasse soll den finanziellen Zugang zur medizinischen Grundversorgung für alle Georgier sicherstellen, die noch nicht durch private Versicherungen oder über den Arbeitgeber versichert sind. Da Versicherte bei bestimmten Leistungen einen Teil der Kosten selbst bezahlen müssen, spricht man von einem co-payment System. Über die UHC sind grundsätzlich alle georgischen Staatsbürger automatisch krankenversichert. Eingeschlossen sind alle Bewohner der de facto unabhängigen Republiken Abchasien und Südossetien, denen der georgische Staat neutrale Identitäts- und Reisepapiere ausstellt. Offiziell anerkannte Staatenlose haben ebenfalls Anrecht auf UHC. Nur einen Teil der Leistungen erhält, wer vor dem 1.1.2017 eine private Krankenversicherung besaß oder über den Arbeitgeber krankenversichert war. Seit 1.5.2017 wird bei der Kostenübernahme zudem nach Einkommen differenziert. Personen mit hohem Einkommen sind von der UHC ausgeschlossen. Personen mit mittlerem Einkommen erhalten nur einen Teil der Leistungen. Für sozial schwache Gruppen, Kinder und Rentner bleiben die Leistungen wie gehabt bestehen (SEM 21.3.2018).

Im Notfall wendet sich ein georgischer Bürger an eine beliebige medizinische Einrichtung. Alle medizinischen Einrichtungen sind an der UHC beteiligt. Für geplante stationäre Behandlungen wendet man sich mit einem gültigen Ausweis und einer Überweisung eines Allgemeinmediziners an die Abteilung Social Service Agency. Die Social Service Agency betreibt eine Hotline unter der Nummer 1505. Die Social Service Agency stellt einen Gutschein (Voucher) oder einen Letter of Guarantee über die von ihr berechneten Kosten für die beantragte medizinische Dienstleistung aus (SEM 21.3.2018).

Das staatliche Gesundheitssystem umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen. Universal Health Care:

?        Offen für alle Staatsbürger, sowie Asylsuchende (während des Verfahrens) und Personen mit Flüchtlingsstatus

?        Stationäre und ambulante Behandlung sind vollständig gedeckt

?        Behandlung von HIV und TB ist kostenfrei, sowie Insulin für Diabetespatienten

?        Dialyse ist ebenfalls gewährleistet

?        Für Drogenabhängige ist ein staatlich gefördertes Methadon-Ersatzprogramm kostenfrei verfügbar. Lediglich eine einmalige Registrierungsgebühr von 70 GEL muss entrichtet werden.

?        Kosten für die Behandlung von Kindern bis zu 5 Jahren ist teilweise gedeckt, abhängig von der Krankheit

Kontaktinformationen erhält man beim Ministerium für Gesundh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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