Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 1. Juni 1995, Zl. 10/6702 B/18266/BR, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer mit dem am 2. Jänner 1995 beim "Arbeitsmarktservice Lebensmittel Wien" eingelangten Formblatt die Erteilung eine Beschäftigungsbewilligung für die bosnische Staatsangehörige G. für die berufliche Tätigkeit als "Arbeiter - Verkauf" im Betrieb des Beschwerdeführers ("Eier-Wild-Geflügel") beantragt hatte. Als Entlohnung war ein Bruttobetrag von monatlich S 12.900,-- vorgesehen, spezielle Kenntnisse oder Ausbildung seien erforderlich und es solle sich um eine "Dauerbeschäftigung" handeln.
Mit Bescheid vom 12. Jänner 1995 wies die genannte Behörde den Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung deshalb ab, weil § 4 Abs. 7 AuslBG entgegenstehe (Überschreiten der Bundeshöchstzahl 1995) und zudem die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 AuslBG (die Lage auf dem Arbeitsmarkt spreche gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung, weil auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der "Ladnerinnen" Arbeitssuchende vorgemerkt seien, die für eine Vermittlung in Betracht kämen) und § 4 Abs. 6 AuslBG (erschwertes Verfahren nach Überschreitung der Landeshöchstzahl und kein Erfüllen der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG) nicht gegeben seien.
Dieser Bescheid erwuchs nach der Aktenlage in Rechtskraft.
Am 17. Februar 1995 langte beim "Arbeitsmarktservice Lebensmittel Wien" neuerlich ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für G. für die berufliche Tätigkeit "Verkauf - Eier-Wild-Geflügel" bei einer Bruttoentlohnung von S 12.900,-- (spezielle Kenntnisse oder Ausbildung erforderlich, Dauerbeschäftigung beabsichtigt) ein.
Diesen Antrag wies die Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 23. Februar 1995 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen bereits entschiedener Sache zurück. In der Begründung wird ausgeführt, einer neuerlichen Sachentscheidung stehe die Rechtskraft eines früheren in der gleichen Angelegenheit ergangenen Bescheides nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgeblichen Umständen eine Änderung eingetreten sei. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Lebensmittel vom 12. Jänner 1995 sei der Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 1995 auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für G. als Ladnerin gemäß § 4 Abs. 6 i.V.m. 4 Abs. 1 und § 13a AuslBG abgewiesen worden. Diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer am 17. Jänner 1995 erhalten, er sei am 31. Jänner 1995 rechtskräftig geworden. Am 17. Februar 1995 habe der Beschwerdeführer neuerlich den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für G. als Ladnerin gestellt. Da in der Zwischenzeit keine maßgebende Änderung in der derzeitigen Arbeitsmarktlage eingetreten und auch sonst keine Änderung in den für die Entscheidung maßgebenden rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnissen erfolgt sei, liege dieselbe Verwaltungssache vor, über die bereits einmal rechtskräftig entschieden worden sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 13. März 1995 wurde geltend gemacht, "in einem Telefonat" sei dem Beschwerdeführer zugesagt worden, daß die Beschäftigungsbewilligung für G. erteilt werde. G. habe eine Ladung zur Abholung "der Papiere" erhalten, und es seien ihr diese auch ausgehändigt worden. G. habe die Bewilligung bereits in Händen gehabt, "als die Papiere von einer Beamtin wieder eingefordert wurden. Die Beamtin nahm alle Papiere wieder an sich und vernichtete diese mit dem Argument, es müsse sich wohl um einen Irrtum handeln". Da die Bewilligung zugesagt, ausgestellt und auch ausgehändigt worden sei, werde der Antrag gestellt, die Bewilligung zu erteilen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. Juni 1995 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 AVG i.V.m. § 8 AVG sowie §§ 19 AuslBG und 68 Abs. 1 AVG keine Folge. In der Begründung wird zum "entscheidungswesentlichen Sachverhalt" ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 12. Jänner 1995 (richtig wohl: 2. Jänner 1995) beim Arbeitsmarktservice Lebensmittel für die genannte Ausländerin einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung gestellt. Am 17. Jänner 1995 sei der Beschwerdeführer darüber informiert worden, daß ein Bescheid zur Ausfolgung bereitliege. Infolge eines Irrtums sei "der Ausländerin entgegen der ursprünglichen Entscheidungsabsicht eine Beschäftigungsbewilligung ausgefolgt" worden. Nachdem der Irrtum erkannt worden sei und nach Rückgabe der positiven Beschäftigungsbewilligung sei der Arbeitnehmerin noch am selben Tag ein ablehnender Bescheid übergeben worden. Eine Übergabe der Beschäftigungsbewilligung an "Sie erfolgte nicht". Der ablehnende Bescheid "blieb in der Folge unberufen". Am 17. Februar 1995 habe der Beschwerdeführer wiederum einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung für G. eingebracht. Dieser sei mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz vom 23. Februar 1995 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Die Erlassung schriftlicher Bescheide erfolge durch rechtswirksame Zustellung bzw. Ausfolgung. Eine Ausfolgung an eine Nichtpartei (der Ausländer habe gemäß § 21 AuslBG bloß die Stellung eines Beteiligten) des Verfahrens stelle keine Erlassung dar bzw. entfalte keinerlei Rechtswirkungen. Rechtswirkungen habe erst der ablehnende Bescheid entfaltet, der dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen sei. Im neuerlichen Antrag seien keine neuen Sachverhaltselemente aufgezeigt worden, die eine Änderung des ursprünglich zu entscheidenden Sachverhaltes bewirkt hätten. Es sei eine schon entschiedene Sache vorgelegen.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung eines Antrages gemäß der zitierten gesetzlichen Grundlage hängt davon ab, ob die durch den bereits in Rechtskraft erwachsenen Bescheid erledigte Sache mit der den zurückgewiesenen Antrag zugrundeliegenden Sache ident ist. Hiebei ist bei Beurteilung der Identität der Sache von dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt unter Bedachtnahme der darauf angewendeten Rechtsvorschriften auszugehen (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, 93/09/0127). Sache des Berufungsverfahrens (§ 66 Abs. 4 AVG) ist bei Entscheidungen nach § 68 Abs. 1 AVG die Frage, ob die Behörde erster Instanz aufgrund des bei ihr erstatteten Vorbringens der Partei eine Zurückweisungsentscheidung wegen entschiedener Sache zu Recht getroffen hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Februar 1997, 94/09/0309).
Im Beschwerdefall war zur Beurteilung der Identität der Sach- und Rechtslage der (abweisende) Bescheid vom 12. Jänner 1995 maßgebend, der auch nach dem Beschwerdevorbringen dem Beschwerdeführer zugestellt wurde und unbekämpft blieb. Die in der Beschwerde gerügte Vorgangsweise, daß vorher ein Bewilligungsbescheid "abgenommen, eingezogen und ein Negativbescheid erlassen" worden sei, ändert nichts daran, daß relevante Sachverhaltsänderungen in bezug auf die Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach § 4 AuslBG im Verwaltungsverfahren weder behauptet wurden noch ansonsten der Aktenlage (der neuerliche Antrag vom 17. Februar 1995 ist im wesentlichen gleichlautend dem vom 2. Jänner 1995) zu entnehmen sind. Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, es sei dem Beschwerdeführer "in keinem Stande des Verfahrens" vorgehalten worden, daß eine entschiedene Sache vorliege, ist dies mit Rücksicht auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid vom 23. Februar 1995 unrichtig; zudem wird in der Beschwerde mit keinem Wort ausgeführt, was der Beschwerdeführer bei "Wahrung des Parteiengehörs" zur Frage der entschiedenen Sache vorgebracht hätte.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit insgesamt nicht als rechtswidrig. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit § 41 AMSG und der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren Diverses Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995090203.X00Im RIS seit
20.11.2000