TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/12 L518 2162692-1

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Veröffentlicht am 12.08.2020
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Entscheidungsdatum

12.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L518 2162692-1/13E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 18.06.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus Steininger als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, unvertreten im Zeitpunkt der Verkündung, nunmehr vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx sowie ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 13.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.06.2020, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als bP bezeichnet), ist Staatsangehöriger der Republik Irak und brachte nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 05.05.2015 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die bP zum Fluchtgrund an:

Ich wurde im Irak von einigen Milizen mit dem Tod bedroht. Das sind meine einzigen Fluchtgründe.

I.2.2. Vor der belangten Behörde brachte die bP am 07.05.2015 zum Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:

LA Wenn die gegenwärtige Krise vorbei ist, würden Sie sich am Wiederaufbau der Heimat beteiligen?

VP Natürlich.

(…)

LA Wann faßten Sie den Entschluß zur Ausreise?

VP Am XXXX 2015 habe ich den Entschluß gefaßt und am XXXX 2015 bin ich ausgereist. Legal per Flug von XXXX in die Türkei.


LA: Welche Schulbildung bzw. Berufsausbildung haben Sie abgeschlossen?

VP: Ich habe etwa 7 Jahre die Schule besucht, dann habe ich Lebensmittel verkauft. Ich hatte einen Supermarkt in einem gemieteten Geschäftslokal. Es war ein großes Geschäft und mein Vater und mein Bruder haben mich unterstützt.

LA: Wovon lebten Sie in Ihrer Heimat, welchen Arbeitstätigkeiten gingen Sie zuhause nach?

VP: Vom Supermarkt. Ich lebte gut davon

LA: Wann war Ihr letzter Arbeitstag?

VP: Am 07.03.2015.

LA Was ist jetzt mit Ihrem Supermarkt?

VP Alles weg.

Nachgefragt: Mein Vater und mein Bruder, sowie meine gesamte Familie befindet sich derzeit in der Türkei.

LA: Sind Sie religiös, besuchen Sie regelmäßig die Moschee hier in Ö?

VP: Nein

LA: Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Mit wem haben Sie Kontakt?

VP: Spazieren, Sport, fahre nach Wien und Salzburg. Ich reise gerne. Es sind schöne Städte. Ich besuche auch Freunde in Linz.

LA: Angehöriger welcher Volksgruppe bzw. Religionsgemeinschaft sind Sie?

VP: Araber, Sunnit

LA: Wo sind Sie geboren?

VP: Al XXXX -Provinz.

LA: Nennen Sie ihre letzte offizielle Anschrift im Heimatland (Provinz, Distrikt, Stadt/Dorf, Gemeinde, Wohnviertel, Straße, Hausnummer)!

VP: XXXX -Provinz, Makat, Bezirk Alabella

LA: Von wann bis wann haben Sie sich dort aufgehalten?

VP: Von Geburt an bis knapp vor der Ausreise. 2 Tage vor der Ausreise habe ich mich bei einem Freund meines Vaters aufgehalten.

LA: Haben Sie persönlich Besitztümer (Grundstück, Ländereien, Firmen, Geschäfte, … was & wo) im Heimatland?

VP: Nein

LA: Wie bestreiten Ihre Familienangehörigen den Lebensunterhalt in der Heimatregion?

VP: Mein Vater hat Eigentum und meine Mutter bezieht Rente als Lehrerin.

LA Welche Angehörigen leben noch in XXXX ?

VP Weitläufige Verwandte. Meine Familie ist derzeit in der Türkei.

LA Reisten Sie alle gemeinsam aus?

VP Nein. Ich war der erste – die anderen reisten danach aus.

LA Reisten alle aus dem gleichen Grund aus dem Irak aus?

VP Ich wurde direkt bedroht und mußte deswegen ausreisen. Bei unserem Haus wurde dann eine Bombe gelegt und meine Familie mußte dann ausreisen.

LA Wann wurde bei Ihrem Haus eine Bombe gelegt?

VP Kurz nachdem ich in Österreich angekommen bin.

LA Wurde Ihr Haus durch diese Bombe zerstört?

VP Es wurde zerstört – Mauern und die Fenster.

Nachgefragt: Die Bombe war am Tor der Hauseinfriedung (Gartenmauer) angebracht und zerstörte diese Gartenmauer und die Gartentoilette und die Fensterscheiben des Hauses. Das Haus selbst blieb ansonsten unbeschädigt.

LA: Wie würden Sie die wirtschaftliche/finanzielle Situation ihrer Person bzw. Ihrer Familie zuletzt im Heimatland gemessen am landesüblichen Durchschnitt bewerten?

VP: Mittelschicht.

LA Wieviele Sunniten gibt es in XXXX ?

VP Wenige.

LA Haben die Sunniten eine eigene Moschee?

VP Ja.

Nachgefragt: Ich ging nicht in die Moschee. Es gab eine im Zentrum in XXXX , es gibt auch eine in der Altstadt.

LA Sie waren nie in der Moschee?

VP Selten.

LA Wie hieß die Moschee, die Sie besuchten?

VP Ich habe die Große Moschee in der Altstadt in XXXX besucht.

(…)

LA Haben Sie einen sunnitischen Namen?

VP Nein. Der Name ist nicht eindeutig.

LA: Wo überall haben Sie seit Geburt gelebt?

VP: Immer im Elternhaus.

LA Wem gehört das Elternhaus jetzt?

VP Es steht leer, den Schlüssel hat ein Freund meines Vaters. Es gehört noch meiner Familie. Mein Vater besitzt auch Felder und auch meine Mutter besitzt ein Grundstück.

LA: Aus welchem Grund haben Sie nunmehr Ihren Herkunftsstaat verlassen bzw. einen Asylantrag gestellt? Sie haben nunmehr die Möglichkeit, Ihre Beweggründe für das Verlassen Ihrer Heimat zu schildern. Bitte schildern Sie möglichst lebensnahe, also konkret und mit sämtlichen Details, sodass auch unbeteiligte Personen Ihre Darstellung nachvollziehen zu können! (Wer, was, wann, wo, wie, wieso?)

VP: Ich habe den Supermarkt gehabt und mir ging es gut. Am 07.03.2015 habe ich das Geschäft, wie üblich aufgesperrt und fand einen Drohbrief mit Patrone. Es stand darin, daß ich die Gegend verlassen soll und aus XXXX weggehen soll, andernfalls mein Leben in Gefahr ist und ich bestraft werde, daß sie mich gewart haben und mich verständigt haben. Aus Angst habe ich das Geschäft geschlossen, den Brief mitgenommen und mit meiner Familie darüber gesprochen – mein Vater war arbeiten und ich habe ihn angerufen. Er war der Meinung, ich soll die Gegend verlassen und mich zu einem Freund von ihm namens Salem geschickt. Die Gegend, wo Salem wohnt ist nördlich von XXXX , nahe am Flughafen und heißt „Jarmat Ali“. Ich habe mich bei ihm am selben Tag – am 07.03. – eingefunden. Am XXXX meinte mein Vater ich soll das Land verlassen und am XXXX 2015 habe ich das Land verlassen.

Das ist alles. Ich reiste dann in die Türkei.

LA Weswegen wurden Sie bedroht?

VP Weiß ich nicht.

LA Stand nichts im Brief?

VP Es stand darin, daß ich die Gegend verlassen soll – ich habe mit niemanden Probleme gehabt.

LA Wurde von Ihnen Geld erpreßt?

VP Weder im Brief, noch sonst irgendwie.

LA: Was war der konkrete Anlass für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates?

VP: Dieser Drohbrief. Unser Haus wurde mit der Bombe attackiert und deshalb mußte meine Familie das Land verlassen.

LA Von wem war dieser Drohbrief?

VP Von unbekannten.

Nachgefragt: Ohne Absender und ich weiß es nicht.

LA Wieso gingen Sie nicht zur Polizei?

VP Mein Vater empfahl mir, nicht zur Polizei zu gehen und die Polizei hätte auch nicht helfen können, da es ja keine bestimmte Person gibt, die ich anzeigen könnte.

Nachgefragt: Der Drohbrief war handschriftlich und schwer zu lesen.

LA Wo ist dieser Drohbrief?

VP Ich habe ihn zerrissen bevor ich in die Türkei eingerewist bin.

LA Wieso?

VP Ich wollte ausreisen – wozu hätte ich den Drohbrief mitnehmen sollen.

LA Reisten Sie aus mit der Absicht irgendwo Asyl zu beantragen.

VP Nein, ich wollte ja nicht ausreisen. Erst in der Türkei dachte ich daran Asyl zu beantragen.

LA Wieso kamen Sie auf Österreich?

VP Ich habe über Österreich gelesen, wie Menschenrechte, Sicherheit etc. hier sind und habe deshalb Österreich als Zielland gewählt.

Nachgefragt. Ich faßte in der Türkei den Entschluß nach Österreich zu kommen und hier einen Asylantrag zu stellen.

LA Wie oft, wie, wann und von wem wurden Sie konkret bedroht?

VP Ich wurde nur diese eine Mal bedroht mit dem Brief im am 07.03.2015.

LA: Haben Sie somit all Ihre Gründe für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates genannt?

VP: Das sind alle Gründe.

LA: Theoretisch, was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat befürchten? Was wäre, wenn Sie morgen Früh in Ihrem Heimatland erwachen würden?

VP: Ich würde mein Leben verlieren.

LA Wieso?

VP Wegen der Drohung. Das war eine direkte Drohung. Meine gesamte Familie ist ausgereist.

LA Warum gingen Sie nicht woanders im Irak hin?

VP Es gibt im Irak keine sichere Stelle.

LA Wurden Sie wegen Ihrer Religion verfolgt?

VP Vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich kenne bis jetzt den Grund nicht. Mein Vater war früher bei der Bath-Partei, vielleicht deshalb, vielleicht, weil meine Mutter Lehrerin war – ich weiß es nicht.

LA Gab es auf dem Drohbrief irgendeinen Hinweis auf eine Organisation, die hinter dieser Drohung stehen könnte?

VP Nein.

LA: Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

Anm: Hinweis auf Neuerungsverbot wird gegeben!

VP: Das war alles. Ich konnte alles umfassend sagen, die Fragen waren klar und ich konnte alles sagen. Ich habe keine Einwände gegen diese Einvernahme.

I.2.3. Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:

?        Reisepass mit Ein- und Ausreisestempel (Ausreise XXXX 2015 aus dem Irak)

?        Personalausweis

Die Dokumentenüberprüfung ergab, dass es sich um authentisches Material handelt.

I.3. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen gewährt.

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus:

-        Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Ihre Angaben, daß Sie sunnitischer Glaubenseinstellung sind können mangels Beweismittelvorlage nicht überprüft werden und müssen dahingestellt bleiben, jedoch gibt Ihr Name, Ihren unwidersprochenen Aussagen folgend (EV 24.10.2016, p. 6), keinen Hinweis auf Ihre religiöse Gesinnung.

Ihren unwidersprochenen Angaben folgend, waren Sie zeitlebens im Elternhaus in XXXX , XXXX , wohnhaft. Aussagekonform steht Ihr Elternhaus leer, befindet sich nach, wie vor im Besitz Ihrer Familie und ein Freund Ihres Vaters verwahrt den Schlüssel. Die Umfriedung des Grundstückes worauf sich Ihr Elternhaus befindet und die Gartentoilette sind aussagekonform von einer Bombe beschädigt worden. Das Haus selbst wurde, abgesehen von Fensterscheiben, nicht beschädigt (EV p. 5 bis 7).

Unplausibel sind Ihre Angaben, daß Sie die letzten beiden Tage vor Ihrer Ausreise bei einem Freund Ihres Vaters verbracht hätten (EV p. 5):

Ihren präzisen und spontanen Antworten anläßlich der Einvernahme folgend, hätten Sie sich am 07.03.2015 beim Freund Ihres Vaters eingefunden (EV p. 7), hätten am XXXX 2015 den Ausreiseentschluß gefaßt und wären am XXXX 2015 tatsächlich ausgereist (EV p. 3 & 7).

Angesichts der Tatsache, daß Sie laut Ausreisestempel in Ihrem Reisepass am XXXX 2015 per Flug vom Flughafen XXXX aus Ihren Herkunftsstaat verlassen haben (Reisepass p. 4), ergibt sich ein unauflöslicher Widerspruch zu Ihrer Aussage.

Summa sammarum handelt es sich hierbei nur vordergründig um eine Marginalie, da Ihre Angaben in direktem Zusammenhang mit Ihrem vermeintlichen Fluchtvorbringen zu sehen sind. Angesichts der obgenannten akkuraten Angaben anläßlich der Einvernahme, die jegliche und prinzipiell auch erwartbare Unsicherheiten bei exakten Datumsangaben vermissen lassen, erschließt sich für die Behörde, daß Sie in Hinblick auf Ihr Fluchtvorbringen bewußt den Tatsachen entgegenstehende, modifizierte Angaben machen.

Auch Ihre Angaben zum Zeitpunkt Ihres letzten Arbeitstages, den Sie mit 07.03.2015 aussagen (EV p. 4) sind unplausibel:

Ausgehend vom Ausreisestempel des Flughafens XXXX vom XXXX 2015 (Reisepass p. 4) sind auch Ihre Aussagen, daß Sie am 07.03.2015 Ihren letzten Arbeitstag hatten (EV p. 4) und einen Drohbrief gefunden hätten (EV p. 7) und sich selbigentags für die Dauer von 2 Tagen (EV p. 5) zum Freund Ihres Vaters begeben hätten (EV p. 7) widersprüchlich und nicht glaubhaft.

Auch diesfalls erfolgen Ihre Angaben sehr akkurat und lassen jegliche und prinzipiell auch erwartbare Unsicherheiten bei exakten Datumsangaben vermissen, woraus sich für die Behörde erschließt, daß Sie in Hinblick auf Ihr Fluchtvorbringen bewußt den Tatsachen entgegenstehende, modifizierte Angaben machen.

Ihren unwidersprochenen Aussagen folgend haben Sie Berufserfahrung im Lebensmittelhandel, betrieben Sie doch aussagekonform einen großen Supermarkt für Lebensmittel (EV p. 4).

Ihren unwidersprochenen Aussagen folgend, sind Sie gesund, arbeitsfähig, ledig und kinderlos (EV p. 2 & 7).

Aussagekonform haben Ihre Eltern und Geschwister den Irak nach Ihrer Ankunft in Österreich verlassen und halten sich zum Zeitpunkt der Einvernahme am 24.10.2016 in der Türkei auf.

Ihren unwidersprochenen Angaben folgend haben Sie in Ihrer Heimatstadt XXXX verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte (EV p. 5).

Sie bestätigen per Unterschrift des Protokolls der Einvernahme vom 24.10.2016 die Rückübersetzung des erstellten Protokolls, dessen Richtigkeit, sowie dessen Vollständigkeit und, daß Sie keine Einwände gegen die Einvernahme selbst und das erstellte Protokoll haben und, daß Sie alles umfassend vorbringen konnten.

-        Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Die von Ihnen ausgesagten Ausreisegründe vermögen nicht glaubhaft zu machen, daß Sie im Herkunftsstaat einer hinreichend intensiven Gfk-relevanten Verfolgung ausgesetzt sind, oder waren, die eine Asylgewährung rechtfertigen würde.

Mehrfach konkret befragt und trotz vielfacher Gelegenheit im Rahmen gegenständlichen Verfahrens, sagen Sie weder Ausreisegründe im Zusammenhang mit Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung aus, noch sind solche im Verfahrensverlauf hervorgekommen.

Es ergaben sich auch keinerlei Hinweise, daß Sie staatlich bedroht oder verfolgt wurden, oder im Rückkehrfall staatlich bedroht oder verfolgt würden. Es ergaben sich auch im Verfahrensverlauf keine Hinweise auf Bedrohungs-, oder Verfolgungsaspekte, welche dem Staat mangels Schutzwillen, oder –fähigkeit zurechenbar wären.

Der von Ihnen anläßlich der Erstbefragung behauptete Fluchtgrund ist nicht glaubhaft. Dies deshalb, weil

Sie behaupten von einigen Milizen mit dem Tod bedroht worden zu sein (EB Pkt. 11). Gänzlich gegenteilig behaupten Sie allerdings im Rahmen Ihrer späteren Einvernahme, daß Sie lediglich 1 Mal durch einen hinterlegten anonymen Drohbrief bedroht worden wären und verneinen auf mehrfache Nachfrage jegliche andere Bedrohung konkret Ihrer Person.

In der Zusammenschau ist es aber gänzlich unplausibel, daß Sie erst aussagen von einigen Milizen bedroht worden zu sein und später aussagen, daß Sie lediglich 1 Mal von Unbekannten aus unbekannten Gründen per anonymen Drohbrief bedroht worden seien (EV p. 7f), weshalb Ihr diesbezügliches Vorbringen auch nicht glaubhaft zu werten ist.

Anläßlich der Einvernahme am 24.10.2016 geben Sie an, daß Sie lediglich einmal per hinterlegten Drohbrief von Unbekannten aus unbekannten Gründen bedroht worden wären und deswegen auf Anraten Ihres Vaters ausgereist sind.

Sinngemäß gilt im Umkehrschluß die zuvor angestellte Glaubwürdigkeitsprüfung Ihrer Angaben anläßlich der Erstbefragung. Es ist nicht plausibel und nachvollziehbar, daß jemand anläßlich der Erstbefragung dergestalt unpräzise und allgemein gehaltene Angaben im Zusammenhang mit seinem Fluchtvorbringen machen würde und den Erhalt eines Drohbriefes nicht erwähnen würde, weshalb Ihr diesbezügliches Vorbringen nicht glaubhaft zu werten ist.

Auch stellt Ihr Vorbringen zum Erhalt eines Drohbriefes eine maßgebliche Steigerung im Verhältnis zu Ihren Aussagen anläßlich der Erstbefragung dar. Es kann behördlicherseits nicht davon ausgegangen werden, daß Sie vergessen haben könnten den vermeintlichen Erhalt eines Drohbriefes zu erwähnen, da Sie Ihren Asylantrag am 05.05.2015 stellten und Ihre Erstbefragung erst am 07.05.2015 vormittags erfolgte, Sie folglich hinreichend Zeit zur Erholung und zum Vorbereiten auf Ihre Erstbefragung hatten.

Weiters ist der behauptete Erhalt eines Drohbriefes auch deshalb unplausibel und sohin nicht glaubhaft, da Sie keinerlei Angaben betreffend Autorenschaft des Drohbriefes machen können, aussagekonform der Drohbrief auch keinen Urheber kenntlich machte und auch in keinster Weise ein Grund für die vermeintliche Bedrohung erkennen hätte lassen, sondern lediglich die Aufforderung an Sie enthalten hätte, die Gegend zu verlassen (EV p7f).

Die Glaubhaftigkeit eines Drohbrieferhalts wird auch dadurch konterkariert, daß Sie behaupten selbigen vor Ihrer Ausreise in die Türkei zerrissen zu haben (EV p. 8) und konkret befragt warum Sie dies getan hätten, keine plausible Antwort geben können. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, daß jemand das einzige Beweisstück einer vermeintlichen Bedrohung vor seiner Ausreise zerreißen würde, wenn er sich dazu entschieden hat seinen Herkunftsstaat aufgrund dieser (einzigen) Bedrohung zu verlassen. Daß Sie zu diesem Zeitpunkt nicht an die Möglichkeit gedacht haben würden in einem Land um Asyl anzusuchen – wie Sie es begründen - ist Angesicht der damals bereits massiven Flüchtlingsbewegungen nicht nachvollziehbar und glaubhaft.

An dieser Stelle sei auch auf die ausgesagten chronologischen Widersprüche betreffend Entschlußfassung zur Ausreise, Ausreise, letzten Arbeitstag und tatsächlich erfolgter Ausreise laut vorgelegtem Reisepass verwiesen, welche bereits in der Beweiswürdigung betreffend ihre Person dargelegt worden sind und ebenfalls die Glaubhaftigkeit Ihres vermeintlichen Fluchtvorbringens erschüttern.

Zusammengefaßt Ist Ihr Vorbringen zum vermeintlichen Fluchtgrund unsubstantiiert, widersprüchlich und unplausibel und sohin nicht glaubhaft.

Darüber hinaus entbehrte Ihr Vorbringen selbst im rein hypothetisch unterstellten Wahrheitsfall der hinreichenden Intensität um eine Asylgewährung rechtfertigen zu können, geben Sie doch selbst, mehrfach und konkret hierzu befragt an, daß Sie lediglich 1 Mal in Form dieses anonymen Drohbriefes bedroht worden wären und bereits 2 Tage danach ausgereist wären. Anbetracht des Umstandes, daß Ihre Familie wenigstens zwei weitere Monate unbehelligt in Ihrem Elternhaus wohnhaft war – eine Bedrohung Ihrer Familie sagen Sie, trotz vielfacher Möglichkeit und konkreter Fragestellung anläßlich der Einvernahme nicht aus – könnte auch im hypothetisch unterstellten Wahrheitsfall nicht davon ausgegangen werden, daß Sie nachhaltig bedroht worden wären.

Die von Ihnen ausgesagte mutmaßliche Bombenexplosion an der Einfriedung Ihres Elternhauses kurz nachdem Sie in Österreich angekommen waren (EV p. 6) stellen Sie, trotz mehrfacher Gelegenheit – nicht in einen Kausalzusammenhang mit Ihrer nicht glaubhaft ausgesagten eigenen Bedrohungssituation. Ein unmittelbarer Zusammenhang wäre auch aufgrund des zeitlichen Abstandes nicht plausibel, da Sie am XXXX 2015 aus Ihrem Herkunftsstaat ausgereist sind und am 05.05.2015 in Österreich Ihren Asylantrag stellten, sohin auch die Bombe an der Einfriedung Ihres Elternhauses mindestens 2 Monate nach Erhalt des Drohbriefes und während Ihrer Vorort sicher auch schon bekannten Abwesenheit explodiert wäre.

Im Lichte obgenannter Feststellungen zu Ihrem Herkunftsstaat ist für die Behörde evident, daß Sie Ihren Herkunftsstaat aufgrund der allgemein 2015 in Ihrer Heimatregion XXXX herrschenden Situation verlassen haben. Im Zusammenhang erschließen sich jedoch keinerlei konkret Ihre Person betreffende Gfk-relevante Aspekte und wurden solche auch von Ihnen nicht glaubhaft ausgesagt.

Zusammengefaßt sind sohin Ihre ausgesagten Ausreisegründe unglaubwürdig bzw. vermöchten im unterstellten Wahrheitsfall keine hinreichende Intensität darzulegen.

Sie sagten, trotz mehrfacher konkreter Nachfrage, keinerlei anderweitige Bedrohung ansatzweise aus und es ist eine solche auch im gesamten Verfahrensverlauf nicht hervorgekommen. Insbesondere machen Sie auch keine Verfolgung oder Bedrohung konkret Ihrer Person aufgrund Ihrer behaupteten sunnitischen Glaubenseinstellung gelten und geben, konkret befragt, unwidersprochen an, daß auch Ihr Name keinen Rückschluß auf eine religiöse Einstellung zuläßt (EV p. 6), weshalb auch nicht davon ausgegangen werden kann, daß Ihnen diesfalls im Herkunftsstaat Unbill drohen könnte, zumal Ihren unwidersprochenen Aufführungen folgend, Sie auch faktisch nicht praktizierender Gläubiger sind (EV p. 6).

Es konnte sohin zusammengefaßt auch nicht festgestellt werden, daß Ihnen in Ihrem Heimatland zuletzt, oder aktuell aus irgendwelchen Gründen asylrelevante Verfolgung gedroht hat oder drohen würde.

Es war jedoch sehr wohl festzustellen, daß Sie keinerlei konkrete Verfolgung jedweder Art für die Vergangenheit oder pro futuro glaubhaft machen konnten.

-        Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Sie sind glaubhaft unbescholten im Heimatstaat, hatten glaubhaft niemals Probleme mit Behörden, Polizei oder Militär, waren keinerlei auf Sie bezogenen Schikanen ausgesetzt und Sie sagen auch keinerlei konkrete Hinweise aus, daß Ihnen im Rückkehrfall unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe, oder irgendwelche Sanktionen drohen würden.

Unter Berücksichtigung der Beweiswürdigung betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats, haben Sie keine Verfolgung jedweder Art für den Rückkehrfall glaubhaft gemacht und es ist nach aktuellem Wissensstand auch keine konkret Ihre Person betreffende Bedrohung oder Verfolgung pro futuro in Ihrem Heimatstaat anzunehmen.

Ihren unwidersprochenen Angaben folgend, verfügen Sie im Herkunftsort über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und es ist auch davon auszugehen, daß Ihre sonstigen privaten, beruflichen und sonstigen sozialen Kontakte noch aufrecht, jedenfalls aber, ob Ihrer verhältnismäßig kurzen Abwesenheit, reaktivierbar sind. Es ist davon auszugehen, daß Ihnen sohin seitens Ihrer Verwandtschaft, als auch Ihres sozialen Netzwerkes im Heimatort Unterstützung hinsichtlich Obdach, Reintegration am Arbeitsmarkt und Stillung der Grundbedürfnisse angedeihen wird und Sie im Rückkehrfall zweifelsfrei nicht ohne Unterstützung sein werden und nicht in eine persönlich ausweglose Situation geraten werden.

Sie sind jung, gesund, berufserfahren und verfügen über Schulbildung und beherrschen Ihre Muttersprache in Schrift und Wort auf gutem Niveau. Es ist sohin davon auszugehen, daß Sie im Rückkehrfall selbsterhaltungsfähig sind.

Sie verfügen in Ihrem Herkunftsort XXXX grundsätzlich über Obdach im Elternhaus, welches aussagekonform in der Obhut eines Freundes Ihres Vaters steht.

Es ist sohin davon auszugehen, daß Sie im Rückkehrfall nicht in eine persönlich ausweglose Situation geraten werden und Ihre grundlegenden Lebensbedürfnisse befriedigen werden können.

Aus den Feststellungen zu Ihrem Herkunftsstaat sind darüber hinaus keine Umstände bekannt, dass in Ihrem Heimatstaat, gerade auch hinsichtlich Ihrer Herkunft aus XXXX , eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Es ist Ihnen möglich und zumutbar via Flug nach XXXX Ihren Heimatort sicher zu erreichen. Es ist nach Aktenlage auch davon auszugehen, daß Sie dergestalt sicher an Ihren ehemaligen Wohnort im Herkunftsstaat gelangen werden.

In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Irak traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.

Insbesondere wurde festgehalten:

CEDOCA, die Herkunftsländerinformationsstelle des belgischen Generalkommissariats für Flüchtlinge und Staatenlose (Commissariat Général aux Réfugiés et aux Apatrides, CGRA) veröffentlicht in einem Bericht vom Mai 2015 einen Überblick über die Sicherheitslage im Südirak. Dafür wurden unter anderem Daten des Institute for the Study of War (ISW) und der Online-Datenbank Iraq Body Count, ein Projekt, das aus Medienberichten und lokalen Quellen Statistiken ziviler Opfer erstellt, für neun Provinzen ausgewertet. In Bezug auf die Provinz XXXX schreibt CEDOCA, dass besonders im Jahr 2007 die konfessionell motivierte Gewalt sowie die Gewalt zwischen den Stämmen eskaliert seien. Die Einwohner der Provinz seien zu 85 Prozent schiitisch und 15 Prozent sunnitisch. Durch eine 2008 durchgeführte Offensive der irakischen Armee sei die Macht der schiitischen und der Stammesmilizen in XXXX gebrochen worden. In den letzten Jahren habe sich die Sicherheitslage trotz sporadischer Terrorangriffe merklich verbessert. 2013 seien 63 Zivilisten in sporadischer politischer oder konfessionell motivierter Gewalt getötet worden, 2014 seien es 62 Personen gewesen. Die Provinz XXXX sei nicht direkt von der Offensive der Gruppe Islamischer Staat (IS) im Juni 2014 betroffen gewesen und es habe dort keine direkten Auseinandersetzungen zwischen IS-Kämpfern und irakischen Truppen gegeben. Am 5. Juli 2014 habe ein Bombenanschlag in XXXX -Stadt fünf Personen getötet und zehn verletzt:

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb Rückehrentscheidung und Abschiebung in Bezug auf den Irak zulässig sind.

I.4. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz über den Verein Menschenrechte innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass zwar am Drohbrief kein Absender erkennbar sei, jedoch könne davon ausgegangen werden, dass dieser von einer der im Irak tätigen schiitischen Gruppierung oder dem IS stammt. Der bP könnte im Falle der Rückkehr aufgrund des Verlassens des Herkunftsstaates eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden, die gegen die vorherrschende Meinung der oben genannten regierungsfeindlichen, radikalen Gruppierungen gerichtet ist und drohe der bP deswegen Verfolgung.

Die Sicherheitslage in der Heimatprovinz und der Umstand, dass sich die Familie der bP in der Türkei aufhält würden dazu führen, dass der bP im Falle der Rückkehr eine Gefahr iSd Art. 3 EMRK droht. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht offen, da nicht klar sei, ob die bP in anderen Orten eine Existenz aufbauen kann. Auch die Integration sei zu berücksichtigen.

I.5. Mit Schreiben vom 05.07.2015 wurde eine Deutschkurs Teilnahmebestätigung vorgelegt.

I.6. Mit Schreiben vom 26.07.2017 wurde mitgeteilt, dass die an den Verein Menschenrechte erteilte Vollmacht niedergelegt wird und das Vollmachtverhältnis beendet ist.

I.7. Für den 18.06.2020 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde – in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

Vorgelegt in der Verhandlung wurde von der bP:

?        Eine Teilnahmebestätigung VHS OÖ Deutschkurs A1

?        Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs ÖIF

?        A1 Zertifikat des ÖSD

Folgende Erkenntnisquellen wurden der beschwerdeführenden Partei genannt und deren Inhalt erörtert:

?        LIB der Staatendokumentation Irak, vom 17.3.2020

?        Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2.3.2020

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.

Die Beschwerde wurde unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die bP wurde iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung des Erkenntnisses wurde der bP eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

I.8. Mit Schreiben vom 25.06.2020 wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses begehrt und eine Vollmacht vom 25.06.2020 der Diakonie vorgelegt.

I.9. Mit Schreiben vom 26.06.2020 wurde ein Ersuchen um Ausfertigung des Erkenntnisses vom MigrantInnenverein St. Marx samt beiliegender Vollmacht vom 26.06.2020 übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die beschwerdeführende Partei

II.1.1.1. Bei der bP handelt es sich um einen irakischen Staatsangehörigen, welcher sich zum sunnitischen Islam bekennt.

Die ledige bP ist in XXXX , XXXX geboren und aufgewachsen, wo sie auch die Schule besuchte und bis zu ihrer Ausreise im Elternhaus lebte. Sie führte nach dem Schulbesuch ein Lebensmittelgeschäft bis zu ihrer Ausreise. Sie spricht arabisch.

Entferntere Verwandte leben noch im Irak, die Eltern und Geschwister der bP leben in der Türkei.

Die bP reiste legal vom Irak in die Türkei aus und illegal sowie schlepperunterstützt nach Europa weiter.

Die bP ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat. Die bP ist ein arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit Schulbildung sowie mit im Herkunftsstaat erworbener Berufserfahrung. Sie verfügt über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrem Herkunftsstaat sowie über – wenn auch entfernte - familiäre Anknüpfungspunkte. Es besteht auch eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft sowie durch Sozialleistungen des irakischen Lebensmittelverteilungssystems PDS (Public Distribution System). Der bP ist darüber hinaus die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung ihres Auskommens möglich und zumutbar.

Die volljährige bP hat Zugang zum irakischen Arbeitsmarkt und es steht ihr frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen.

Ebenso hat die bP Zugang zum –wenn auch minder leistungsfähige als das österreichische- Sozialsystem des Herkunftsstaates und könnte dieses in Anspruch zu nehmen.

Darüber hinaus ist es der bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

II.1.1.2. Die bP hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Sie möchte offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit ca. 5 Jahren im Bundesgebiet auf. Sie reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie lebt von der Grundversorgung und hat einen Deutschkurs besucht sowie die A1 Prüfung bestanden. Sie ist strafrechtlich unbescholten.

Die Identität der bP steht fest.

Bei der volljährigen bP handelt es sich um einen mobilen, jungen, gesunden, arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammt die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es der bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Irak

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:


1          Politische Lage

Letzte Änderung: 17.3.2020

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018) und es wurde ein neues politisches System im Irak eingeführt (Fanack 2.9.2019). Gemäß der Verfassung vom 15.10.2005 ist der Irak ein islamischer, demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.1.2019; vgl. GIZ 1.2020a; Fanack 2.9.2019), der aus 18 Gouvernements (muhafaz?t) besteht (Fanack 2.9.2019). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Kurdische Region im Irak (KRI) ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung (Kurdistan Regional Government, KRG), verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 2.9.2019). Beherrschende Themenblöcke der irakischen Innenpolitik sind Sicherheit, Wiederaufbau und Grundversorgung, Korruptionsbekämpfung und Ressourcenverteilung, die systemisch miteinander verknüpft sind (GIZ 1.2020a).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und kann einmal wiedergewählt werden. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 2.9.2019).

Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (Fanack 2.9.2019; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik und ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 2.9.2019). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 28.2.2020; vgl. GIZ 1.2020a). Neun Sitze werden den Minderheiten zur Verfügung gestellt, die festgeschriebene Mindest-Frauenquote im Parlament liegt bei 25% (GIZ 1.2020a).

Nach einem ethnisch-konfessionellen System (Muhasasa) teilen sich die drei größten Bevölkerungsgruppen des Irak - Schiiten, Sunniten und Kurden - die Macht durch die Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018). Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.1.2019).

Am 12.5.2018 fanden im Irak Parlamentswahlen statt, die fünfte landesweite Wahl seit der Absetzung Saddam Husseins im Jahr 2003. Die Wahl war durch eine historisch niedrige Wahlbeteiligung und Betrugsvorwürfe gekennzeichnet, wobei es weniger Sicherheitsvorfälle gab als bei den Wahlen in den Vorjahren (ISW 24.5.2018). Aufgrund von Wahlbetrugsvorwürfen trat das Parlament erst Anfang September zusammen (ZO 2.10.2018).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih von Patriotischen Union Kurdistans (PUK) zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018; vgl. ZO 2.10.2018; KAS 5.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (DW 2.10.2018). Nach langen Verhandlungsprozessen und zahlreichen Protesten wurden im Juni 2019 die letzten und sicherheitsrelevanten Ressorts Innere, Justiz und Verteidigung besetzt (GIZ 1.2020a).

Im November 2019 trat Premierminister Adel Abdul Mahdi als Folge der seit dem 1.10.2019 anhaltenden Massenproteste gegen die Korruption, den sinkenden Lebensstandard und den ausländischen Einfluss im Land, insbesondere durch den Iran, aber auch durch die Vereinigten Staaten (RFE/RL 24.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020). Präsident Barham Salih ernannte am 1.2.2020 Muhammad Tawfiq Allawi zum neuen Premierminister (RFE/RL 6.2.2020). Dieser scheiterte mit der Regierungsbildung und verkündete seinen Rücktritt (Standard 2.3.2020; vgl. Reuters 1.3.2020). Am 17.3.2020 wurde der als sekulär geltende Adnan al-Zurfi, ehemaliger Gouverneur von Najaf als neuer Premierminister designiert (Reuters 17.3.2020).

Im Dezember 2019 hat das irakische Parlament eine der Schlüsselforderung der Demonstranten umgesetzt und einem neuen Wahlgesetz zugestimmt (RFE/RL 24.12.2019; vgl. NYT 24.12.2019). Das neue Wahlgesetz sieht vor, dass zukünftig für Einzelpersonen statt für Parteienlisten gestimmt werden soll. Hierzu soll der Irak in Wahlbezirke eingeteilt werden. Unklar ist jedoch für diese Einteilung, wie viele Menschen in den jeweiligen Gebieten leben, da es seit über 20 Jahren keinen Zensus gegeben hat (NYT 24.12.2019).

Die nächsten Wahlen im Irak sind die Provinzwahlen am 20.4.2020, wobei es sich um die zweite Verschiebung des ursprünglichen Wahltermins vom 22.12.2018 handelt. Es ist unklar, ob die Wahl in allen Gouvernements des Irak stattfinden wird, insbesondere in jenen, die noch mit der Rückkehr von IDPs und dem Wiederaufbau der Infrastruktur zu kämpfen haben. Die irakischen Provinzwahlen umfassen nicht die Gouvernements Erbil, Sulaymaniyah, Duhok und Halabja, die alle Teil der KRI sind, die von ihrer eigenen Wahlkommission festgelegte Provinz- und Kommunalwahlen durchführt (Kurdistan24 17.6.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker-180915115434675.html, Zugriff 13.3.2020

- AW - Arab Weekly, The (4.12.2019): Confessional politics ensured Iran’s colonisation of Iraq, https://thearabweekly.com/confessional-politics-ensured-irans-colonisation-iraq, Zugriff 13.3.2020

- CIA - Central Intelligence Agency (28.2.2020): The World Factbook – Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html, Zugriff 13.3.2020

- DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish-moderate-barham-salih-as-new-president/a-45733912, Zugriff 13.3.2020

- Fanack (2.9.2019): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 13.3.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020

- ISW - Institute for the Study of War (24.5.2018): Breaking Down Iraq's Election Results, http://www.understandingwar.org/backgrounder/breaking-down-iraqs-election-results, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (5.10.2018): Politische Weichenstellungen in Bagdad und Wahlen in der Autonomen Region Kurdistan, https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=e646d401-329d-97e0-6217-69f08dbc782a&groupId=252038, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020

- Kurdistan24 (17.6.2019): Iraq's electoral commission postpones local elections until April 2020, https://www.kurdistan24.net/en/news/80728bf3-eb95-4e76-a30f-345cf9a48d3c, Zugriff 13.3.2020

- NYT - The New York Times (24.12.2019): Iraq’s New Election Law Draws Much Criticism and Few Cheers, https://www.nytimes.com/2019/12/24/world/middleeast/iraq-election-law.html, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (17.3.2020): Little-known ex-governor Zurfi named as new Iraqi prime minister-designate, https://www.reuters.com/article/us-iraq-pm-designate/iraqi-president-salih-names-adnan-al-zurfi-as-new-prime-minister-designate-state-tv-says-idUSKBN21419J?il=0, Zugriff 17.3.2020

- Reuters (1.3.2020): Iraq's Allawi withdraws his candidacy for prime minister post: tweet, https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics-primeminister/iraqs-allawi-withdraws-his-candidacy-for-prime-minister-post-tweet-idUSKBN20O2AD, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.2.2020): Iraqi Protesters Clash With Sadr Backers In Deadly Najaf Standoff, https://www.ecoi.net/en/document/2024704.html, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (24.12.2019): Iraqi Parliament Approves New Election Law, https://www.ecoi.net/de/dokument/2021836.html, Zugriff 13.3.2020

- RoI - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 13.3.2020

- Standard, Der (2.3.2020): Designierter irakischer Premier Allawi bei Regierungsbildung gescheitert, https://www.derstandard.at/story/2000115222708/designierter-irakischer-premier-allawi-bei-regierungsbildung-gescheitert, Zugriff 13.3.2020

- ZO - Zeit Online (2.10.2018): Irak hat neuen Präsidenten gewählt, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-10/barham-salih-irak-praesident-wahl, Zugriff 13.3.2020


1.1          Parteienlandschaft

Letzte Änderung: 17.3.2020

Laut einer Statistik der irakischen Wahlkommission beläuft sich die Zahl der bei ihr registrierten politischen Parteien und politischen Bewegungen auf über 200. 85% davon, national und regional, haben religiös-konfessionellen Charakter (RCRSS 24.2.2019).

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da‘wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (eng. SCIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander – eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

Die Gründung von Parteien, die mit militärischen oder paramilitärischen Organisationen in Verbindung stehen ist verboten (RCRSS 24.2.2019) und laut Executive Order 91, die im Februar 2016 vom damaligen Premierminister Abadi erlassen wurde, sind Angehörige der Volksmobilisierungskräfte (PMF) von politischer Betätigung ausgeschlossen (Wilson Center 27.4.2018). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018). Im Jahr 2018 traten über 500 Milizionäre und mit Milizen verbundene Politiker, viele davon mit einem Naheverhältnis zum Iran, bei den Wahlen an (Wilson Center 27.4.2018).

Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikte zwischen Kräften, die auf Gouvernements-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren, gekennzeichnet. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018).

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon (ein Bündnis aus der Sadr-Bewegung und der Kommunistischen Partei) unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada as-Sadr, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fatah-Koalition des Führers der Badr-Milizen, Hadi al-Amiri und der Nasr-Allianz unter Haider al-Abadi und der Dawlat al Qanoon-Allianz des ehemaligen Regierungschefs Maliki (LSE 7.2018).

(LSE 7.2018)

Quellen:

- CGP - Center for Global Policy (4.2018): The Role of Iraq‘s Shiite Militias in the 2018 Elections, https://www.cgpolicy.org/wp-content/uploads/2018/04/Mustafa-Gurbuz-Policy-Brief.pdf, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020

- LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections: A Population in Transition?, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf, Zugriff 13.3.2020

- RCRSS - Rawabet Center for Research and Strategic Studies (24.2.2019): Law of political parties in Iraq: proposals for amendment, https://rawabetcenter.com/en/?p=6954, Zugriff 13.3.2020

- Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq, Zugriff 13.3.2020


1.2          Kurdische Region im Irak (KRI) / Autonome Region Kurdistan

Letzte Änderung: 17.3.2020

Die Kurdische Region im Irak (KRI) wird in der irakischen Verfassung, in Artikel 121, Absatz 5 anerkannt (Rudaw 20.11.2019). Die KRI besteht aus den Gouvernements Erbil, Dohuk und Sulaymaniyah. sowie aus dem im Jahr 2014 durch Ministerratsbeschluss aus Sulaymaniyah herausgelösten Gouvernement Halabja, wobei dieser Beschluss noch nicht in die Praxis umgesetzt wurde. Verwaltet wird die KRI durch die kurdische Regionalregierung (KRG) (GIZ 1.2020a).

Das Verhältnis der Zentralregierung zur KRI hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der KRI und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil „umstrittener Gebiete“ ab dem 25.9.2017 deutlich verschlechtert. Im Oktober 2017 kam es sogar zu lokal begrenzten militärischen Auseinandersetzungen (AA 12.1.2019). Der langjährige Präsident der KRI, Masoud Barzani, der das Referendum mit Nachdruck umgesetzt hatte, trat als Konsequenz zurück (GIZ 1.2020a).

Der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil hat sich im Lauf des Jahres 2018 wieder beruhigt, und es finden seither regelmäßig Gespräche zwischen den beiden Seiten statt. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind jedoch weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der KRI (AA 12.1.2019).

Die KRI ist seit Jahrzehnten zwischen den beiden größten Parteien geteilt, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), angeführt von der Familie Barzani, und deren Rivalen, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die vom Talabani-Clan angeführt wird (France24 22.2.2020; vgl. KAS 2.5.2018). Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Sulaymaniyah. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im Irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018 (CRS 3.2.2020). Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad (GIZ 1.2020a). Dazu kommen Gorran („Wandel“), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert (KAS 2.5.2018; vgl. WI 8.7.2019), sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien (KAS 2.5.2018).

Auch nach dem Rücktritt von Präsident Masoud Barzani teilt sich die Barzani Familie die Macht. Nechirvan Barzani, langjähriger Premierminister unter seinem Onkel Masoud, beerbte ihn im Amt des Präsidenten der KRI. Masrour Barzani, Sohn Masouds, wurde im Juni 2019 zum neuen Premierminister der KRI ernannt (GIZ 1.2020a) und im Juli 2019 durch das kurdische Parlament bestätigt (CRS 3.2.2020).

Proteste in der KRI gehen auf das Jahr 2003 zurück. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind dabei gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018). Insbesondere in der nordöstlichen Stadt Sulaymaniyah kommt es zu periodischen Protesten, deren jüngste im Februar 2020 begannen (France24 22.2.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- CRS - Congressional Research Service (3.2.2020): Iraq and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/mideast/IF10404.pdf, Zugriff 13.3.2020

- France24 (22.2.2020): Iraqi Kurds rally against 'corruption' of ruling elite, https://www.france24.com/en/20200222-iraqi-kurds-rally-against-corruption-of-ruling-elite, Zugriff 13.3.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020

- LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (20.11.2019): Will the Peshmerga reform – or be integrated into the Iraqi Army?, https://www.rudaw.net/english/analysis/201120191, Zugriff 13.3.2020

- WI - Washington Institute (8.7.2019): Gorran and the End of Populism in the Kurdistan Region of Iraq , https://www.washingtoninstitute.org/fikraforum/view/gorran-and-the-end-of-populism-in-the-kurdistan-region-of-iraq, Zugriff 13.3.2020


2          Sicherheitslage

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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