TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/8 L502 2231573-1

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Veröffentlicht am 08.10.2020
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Entscheidungsdatum

08.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55

Spruch


L502 2231573-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.03.2020, XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. wird als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt VII. ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste am 03.02.2020 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellt am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 04.02.2020 erfolgte vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes seine Erstbefragung.

3. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.02.2020 wurde ihm die Unterkunftnahme in einem bestimmten Quartier für Asylwerber angeordnet.

4. Am 12.03.2020 wurde er in der RD Salzburg des BFA einvernommen.

Im Zuge dessen wurden ihm länderkundliche Informationen des BFA zur Lage im Herkunftsstaat zur allfälligen Stellungnahme angeboten, der BF verzichte jedoch auf dieses Recht.

5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 23.03.2020 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine Frist von vierzehn Tagen zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).

6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 24.03.2020 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

7. Gegen den am 25.03.2020 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seiner zugleich bevollmächtigten Vertretung vom 29.05.2020 binnen offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

8. Mit 04.06.2020 langte die Beschwerdevorlage des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.

9. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Zentralen Fremden-, des Melde- und des Strafregisters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die genaue Identität des BF steht nicht fest. Er ist türkischer Staatsangehöriger, gehört der kurdischen Volksgruppe an und ist sunnitischer Moslem.

Er wurde in XXXX geboren und ist dort aufgewachsen. Bis zu seiner Ausreise lebte er gemeinsam mit seinen Eltern, einem Bruder und seinen zwei Schwester dort in einer Eigentumswohnung. Sein älterer Bruder lebt nicht mehr im gemeinsamen Haushalt. Er besuchte dort für fünf Jahre die Volksschule, drei Jahre die Hauptschule und ein Jahr lang das Gymnasium. Danach brach er die Schule ab. Sein Vater und seine Brüder arbeiten im Bausektor, wo auch er bis zu seiner Ausreise tätig war. Seine Schwestern besuchen noch die Schule. Andere Verwandte von ihm leben in XXXX und in XXXX .

Er reiste ca. Ende Jänner 2020 auf illegale Weise schlepperunterstützt und in einem LKW versteckt ausgehend von Istanbul aus der Türkei aus und gelangte auf dem Landweg nach Österreich, wo er am 03.02.2020 seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither bis dato aufhält.

Er bezog seit der Einreise bis dato keine Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Er ging bisher in Österreich auch noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach.

Er ist erwerbsfähig, leidet an keiner krankheitswertigen psychischen Störung und ist im Übrigen gesund.

Er spricht Kurdisch und Türkisch auf muttersprachlichem Niveau, verfügt jedoch über keine nennenswerten Deutschkenntnisse. Er besuchte keine Deutschkurse.

Er ist bis dato in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Er ist seit Jänner 2020 in der Türkei Mitglied der Partei HDP.

Er hat seinen Herkunftsstaat nicht aufgrund individueller Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Dritte verlassen und ist im Falle einer Rückkehr in die Türkei auch nicht der Gefahr einer solchen ausgesetzt.

1.3. Er ist bei einer Rückkehr in die Türkei auch aus sonstigen individuellen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt und findet dort eine hinreichende Existenzgrundlage vor.

1.4. Zur aktuellen Lage in der Türkei werden die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid auch der gg. Entscheidung des BVwG zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes und durch die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters, des Zentralen Fremdenregisters und des Grundversorgungsdatensystems.

2.2. Die genaue Identität des BF war mangels Vorlage eines nationalen Identitätsdokumentes nicht feststellbar.

Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Zugehörigkeit zur muslimischen Religionsgemeinschaft, zu seinen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen vor der Ausreise sowie in Österreich im Gefolge derselben, zu seinen Sprachkenntnissen, zu seiner Mitgliedschaft bei der HDP, zu seinem Gesundheitszustand und seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit in Österreich ergaben sich aus einer Zusammenschau seiner eigenen Angaben vor dem BFA und den vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.

2.3. Zur Feststellung fehlender individueller Verfolgung des BF vor der Ausreise bzw. der fehlenden Gefahr einer solchen pro futuro oben gelangte das erkennende Gericht aufgrund folgender Erwägungen:

2.3.1. Anlässlich seiner Erstbefragung am 04.02.2020 brachte der BF, zu seinen Antragsgründen befragt, im Wesentlichen vor, dass er Mitglied der HDP Partei und sein Leben in Gefahr sei. Er sei von Nationalisten mit dem Umbringen bedroht worden. Die HDP sei eine kurdische Partei und werde als terroristische Partei angesehen.

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA am 12.03.2020 gab er an, dass er aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der HDP als Terrorist angesehen und auch so behandelt werde. Dabei werde er ständig von Nationalisten, dem Staat, der Polizei und dem Militär mit dem Umbringen bedroht. Davon seien alle HDP-Sympathisanten betroffen, diese könnten nicht einmal einen Account in den sozialen Netzwerken eröffnen. Mitglied bei der HDP sei er schon seit 2015, jedoch habe er seine Mitgliedschaft einmal kurz für einen Monat gelöscht, als der Druck, welcher auf ihm gelegen habe, zu groß geworden sei. Kurz bevor er nach Österreich kam, habe er seine Mitgliedschaft aktualisiert, um sie beweisen zu können.

Neben diesen allgemein formulierten Problemen aufgrund seiner Mitgliedschaft zur HDP schilderte er drei konkrete Ereignisse. Im Oktober 2014 sei nach einem Begräbnis im Dorf seiner Verwandten in XXXX von einem Soldaten auf sie geschossen worden, als sie an der Kaserne vorbeigingen. Bei diesem Vorfall sei sein Cousin getötet worden. In den Medien sei dies anders geschildert worden und der Soldat, der die Schüsse abgefeuert habe, sei nach diesem Vorfall weggeschickt worden. Der nächste Vorfall habe sich bei der letzten Präsidentschaftswahl im März 2019 ereignet. Er habe gemeinsam mit einer Freundin Wahlinformationen für die HDP verteilt, als die Polizei ihn aufgehalten, bedroht und in ihrem Auto geschlagen habe. Er habe blaue Flecke im Gesicht davongetragen, während sie der Freundin nichts angetan hätten. Der letzte Vorfall habe sich im November 2019 ereignet, als er bei der Fahrt nach XXXX von einem Sonderkommando der Polizei mit dem Namen ÖZEL TIM zur Ausweiskontrolle angehalten, zur Dienststelle gebracht und dort die Nacht über beleidigt und geschlagen worden sei. Am nächsten Morgen sei er einfach freigelassen worden. Dabei sei er am Fuß verletzt worden, wo er einen blauen Fleck davongetragen habe. Im Krankenhaus habe er jedoch keine Hilfe und keinen Befund erhalten.

Darüber hinaus führte er in allgemeiner Form Diskriminierungen von Kurden an und verwies auf den Wehrdienst, den er noch nicht absolviert habe und auch nicht absolvieren wolle.

In der Beschwerde fanden sich keine weiteren Aussagen zum Sachverhalt.


2.3.2. Die belangte Behörde gelangte auf der Grundlage dieses Vorbringens im Ergebnis zur Feststellung, dass eine behauptete individuelle Verfolgung des BF vor der Ausreise sowie eine solche im Falle einer Rückkehr mangels einer exponierten Situation des BF nicht glaubhaft gewesen seien.

2.3.3. Der Einschätzung der belangten Behörde vermochte sich das BVwG im Lichte der folgenden Erwägungen anzuschließen.

Wie schon für das BFA waren auch für das BVwG vom BF behauptete Diskriminierungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zur Gesundheitsversorgung, beim Gebrauch der kurdischen Sprache, während des Militärdienstes oder durch Privatpersonen im Alltag - ungeachtet der Frage nach dem tatsächlichen Zutreffen dieser Behauptungen - mangels Eingriffsintensität nicht als individuelle Verfolgung zu qualifizieren. Zum bloßen Umstand der kurdischen Abstammung des Beschwerdeführers ist zudem anzumerken, dass sich auch den länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde folgend die allgemeine Situation für Kurden - abgesehen von Berichten über ein Vorgehen des türkischen Staates gegen Anhänger und Mitglieder der als Terrororganisation eingestuften PKK und deren Nebenorganisationen - nicht derart gestaltet, dass Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit staatlichen Repressionen unterworfen sein würden.

Darüber hinaus führte er seine Mitgliedschaft bei und Unterstützung für die HDP als Ausreise- bzw. Verfolgungsgrund bei einer Rückkehr ins Treffen.

Zur Frage einer allfälligen Verfolgung des BF durch staatliche Organe und die daraus resultierenden Vorfälle im Jahr 2019 aufgrund seiner angeblichen Mitgliedschaft bei der HDP führte das BFA auch in schlüssiger Weise aus, dass, selbst bei Wahrunterstellung der Mitgliedschaft bei der HDP seit 2015, diese Vorfälle aufgrund der mangelnden exponierten Stellung des BF innerhalb der kurdischen Opposition nicht als glaubhaft anzusehen sind. Seiner Aussage nach wären alle HDP-Sympathisanten von staatlicher Verfolgung betroffen. Zutreffend ist jedoch vielmehr, dass nur exponierte Mitglieder der kurdischen Opposition, wie deren Führer Selahattin Demirtas, teilweise von Verfolgungshandlungen betroffen sind. Der BF konnte jedoch nicht plausibel darlegen, wieso ausgerechnet er in diese Kategorie falle, insbesondere, da er selbst angab nur einmal Wahlbeobachter gewesen zu sein und ansonsten bei Versammlungen teilgenommen zu haben.

In dieser Hinsicht ist auch seine Aussage, wonach er aufgrund seiner Aktivitäten in sozialen Medien der Allgemeinheit als HDP-Anhänger bekannt gewesen sei, als nicht glaubhaft einzuschätzen, da er seiner Aussage nach bereits vor zwei bis drei Jahren alle seine Fotos, Postings und Freunde gelöscht und seitdem nichts mehr gepostet habe. Diese Schritte habe er aufgrund von Kommentaren getätigt. Da er nach dieser Säuberung seines Accounts nicht mehr öffentlich als HDP Mitglied in Erscheinung getreten sei, war nicht erkennbar, wieso dies zu einer erheblichen Bekanntheit in den letzten Jahren geführt haben sollte.

Hinsichtlich des vom BF geschilderten Vorfalls bei der Verteilung der Wahlinformation für die letzte Präsidentschaftswahl im März 2019 ergeben sich alleine schon aus dem Umstand, dass die letzte Präsidentschaftswahl in der Türkei im Juni 2018 stattgefunden hat, also nicht in zeitlicher Nähe zu dem vom BF angeführten Datum des Ereignisses, maßgebliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Darstellung.

Aufgrund der fehlenden Exponiertheit des BF war es auch nicht plausibel, dass er durch ein Sonderkommando der Polizei im November 2019 angehalten und über Nacht in der Dienststelle angehalten und geschlagen worden sei. Laut der Aussage des BF habe die Polizei gewusst, dass sich Kurden für die HDP einsetzen, und mit diesem Vorgehen hätte sie dies verhindern wollen. Damit behauptete der BF jedoch, dass eine systematische Verfolgung aller Kurden als potentielle HDP-Mitglieder stattfinden würde und somit jeder Kurde in der Türkei einer solchen Behandlung unterzogen werden könnte. Eine allgemeine Verfolgung von Kurden bestritt der BF jedoch selbst zu einem späteren Zeitpunkt in der Einvernahme. Im Übrigen verwies er auf seine Freilassung ohne weitere Konsequenzen gegen ihn.

Der Tod seines Cousins im Jahr 2014 weist keine zeitliche Kausalität für die Ausreise aus seinem Herkunftsstaat im Jänner 2020 auf. Des Weiteren lässt die Schilderung dieses Vorfalls keine individuelle Verfolgung seiner Person erkennen.

In Bezug auf die Mitgliedschaft bei der HDP führte der BF an, bereits seit 2015 gewöhnliches Mitglied gewesen zu sein, er habe diese Mitgliedschaft jedoch kurz für einen Monat gelöscht und dann kurz vor der Ausreise nach Österreich im Jänner 2020 reaktiviert. Es erscheint nicht plausibel, wieso der BF gerade im Dezember 2019 seine Mitgliedschaft hätte löschen sollen, wo der vermeintliche Druck auf ihn aufgrund der HDP Mitgliedschaft seit Jahren schon dermaßen gestaltet gewesen sein soll, dass er alle Inhalte auf seinem Social Media Account habe löschen müssen. Vielmehr erweckt die behauptete Aktivierung der Mitgliedschaft im Jänner 2020 den Anschein, dass er damit einen Sachverhalt für die Antragstellung schaffen wollte.

Insgesamt ergaben diese behaupteten Vorfälle sowie eine allgemein behauptete Diskriminierung letztlich keine Lebenssituation, die aus objektiver Sicht als unerträglich und ein weiterer Aufenthalt in der Heimat als unzumutbar anzusehen gewesen wäre. Gegen eine solche Schlussfolgerung sprach ebenso, dass er letztlich erst Ende Jänner 2020 den Entschluss zur Ausreise getroffen habe, obwohl die Situation schon seit Jahren dergestalt gewesen sei.

Soweit er die allgemein gehaltene Befürchtung äußerte, als Kurde während eines von ihm noch abzuleistenden Militärdienstes in der Türkei schlechter behandelt zu werden als andere Wehrdiener, stellte diese Aussage eine bloße Mutmaßung ohne konkrete Tatsachengrundlage dar. Den länderkundlichen Informationen der belangten Behörde zu diesem Thema waren stichhaltige Anhaltspunkte für die Annahme einer systematischen Schlechterbehandlung kurdischer Rekruten nicht zu entnehmen.

Insgesamt betrachtet fehlte sohin dem Vorbringen des BF zu den von ihm geäußerten Antragsgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen eine substantiierte Tatsachengrundlage. Eine individuelle Verfolgung vor der Ausreise oder die Gefahr einer solchen bei einer Rückkehr konnte er damit nicht glaubhaft darlegen.

2.3.4. In der Beschwerde des BF fanden sich keine dieser Einschätzung entgegenstehenden substantiierten Einwendungen.

Darin wurde im Wesentlichen das Vorbringen des BF nur aufrechterhalten und ausgeführt, dass ihm aufgrund seines Vorbringens die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sei.

2.4. Dass es aktuell in der Türkei keinen landesweiten bewaffneten Konflikt gibt, unter dem die Zivilbevölkerung in einer Weise zu leiden hätte, dass ein Aufenthalt ebendort jeden, sohin auch den BF, in eine maßgebliche Gefahrenlage bringen würde, war ebenso als notorisch anzusehen wie dies aus den Feststellungen der belangten Behörde zu gewinnen war.

2.5. Die Annahme, dass der BF bei einer Rückkehr auch insoweit keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wäre, als er etwa in wirtschaftlicher Hinsicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden, stützte schon die belangte Behörde zu Recht darauf, dass er im Herkunftsstaat über Verwandte verfügt, deren Unterstützung er nötigenfalls in Anspruch nehmen kann. Abgesehen davon handelt es sich bei ihm um einen arbeitsfähigen Mann mit ausreichender Schulbildung und ausreichend Berufserfahrung in der Baubranche, der daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Herkunftsstaat neuerlich für seinen Unterhalt sorgen wird können. Dass er unter allfälligen gravierenden Erkrankungen leiden würde, wurde von ihm nicht ins Treffen geführt und ist auch sonst nicht hervorgekommen.

2.6. Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Türkei stellten sich in den für die Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar und stehen mit dem Amtswissen des Gerichts hierzu im Einklang. Der Beschwerdeführer ist diesen trotz ihm eingeräumter Möglichkeit zur Stellungnahme nicht entgegengetreten, auch in der Beschwerde fand sich kein entgegenstehendes substantielles Vorbringen. Den dort angeführten Quellen waren keine über die vom BFA getroffenen Feststellungen hinausgehenden, entscheidungserheblichen Informationen bezüglich der individuellen Situation des BF in der Türkei zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/2019.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Die belangte Behörde kam zu Recht zum Ergebnis, dass der BF1 nicht in der Lage war mit seinem Vorbringen glaubhaft zu machen, dass er einer asylrelevanten individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat aufgrund seiner politischen Gesinnung ausgesetzt war oder für den Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre.

Behauptete kurzzeitige polizeiliche Anhaltungen wären zudem per se nicht asylrelevant. Maßnahmen des Staates, die nur der Ausforschung von gesuchten Personen dienen (Befragungen, Hausdurchsuchungen, kurzfristige Haft), ohne, dass die Maßnahmen in Wahrheit auf die Verfolgung des Betroffenen aus asylrechtlich relevanten Gründen abzielen, sind kein Asylgrund (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0077).

Aus seinem Vorbringen, wonach er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Diskriminierungen durch Dritte ausgesetzt war, war keine asylrelevante Verfolgung abzuleiten, da diese - über die mangelnde zeitliche Kausalität für die Ausreise des BF hinaus - auch nicht jene Intensität erreichten, dass deshalb ein weiterer Aufenthalt des BF in der Türkei als unzumutbar anzusehen war (vgl. VwGH 23.05.1995, 94/20/0808).

Zur bislang nicht erfolgten Ableistung des Wehrdienstes ist festzuhalten, dass die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft darstellt, ebenso wenig wie eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes oder wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Furcht vor Verfolgung im Fall der Wehrdienstverweigerung oder Desertion nur dann asylrechtlich relevant, wenn der Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während dieses Militärdienstes im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde oder davon auszugehen sei, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsbürgern härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung drohe (verstärkter Senat des VwGH vom 29.06.1994, Zl. 93/01/0377, Slg Nr. 14.089/A; VwGH vom 21.08.2001, Zl. 98/01/0600) bzw. wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen wiegen würde (VwGH 07.11.1995, 94/20/0793). Dergleichen war weder im Lichte des persönlichen Vorbringens des BF noch der Entscheidung zugrundeliegenden Länderfeststellungen im Herkunftsstaat festzustellen.

1.3. Die Beschwerde war sohin zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter „außergewöhnlichen Umständen“ können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr („real risk“) – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 – abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes – lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.

Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesem nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

2.2. Aus dem erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt ergab sich schlüssig, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für den BF nicht vorlagen:

Stichhaltige Hinweise darauf, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, kamen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervor.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Gerichts oben unter Punkt 1.1. liegen im gg. Fall auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme einer die physische Existenz des BF nur unzureichend sichernden Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), hervor. Dies zum einen angesichts seiner eigenen Selbsterhaltungsfähigkeit und zum anderen in Anbetracht der familiären Anknüpfungspunkte des BF. Seinem Vorbringen zu den Lebensumständen vor der Ausreise konnte nicht entnommen werden, dass diese von einer fehlenden Lebensgrundlage geprägt gewesen wären.

Es kamen auch keine gravierenden akuten Erkrankungen des BF hervor. Ein, die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigendes Krankheitsbild liegt daher nicht vor.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde er somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden.

Auch konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

2.3. Vor diesem Hintergrund erwies sich letztlich die Annahme des Bundesamtes, es lägen im gg. Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme des realen Risikos einer Gefährdung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend, und geht auch das BVwG in der Folge von der Zulässigkeit der Abschiebung des BF in dessen Herkunftsstaat aus.

2.4. Insoweit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.1. § 10 AsylG lautet:

(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3.       der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

§ 57 AsylG 2005 lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

§ 58 AsylG 2005 lautet:

(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5.       ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2.       bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3.       gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1.       das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2.       der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.       ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2.       die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

§ 52 FPG lautet:

(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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