Entscheidungsdatum
09.10.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
L507 2100202-1/30E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos, vertreten durch RA Mag. Dr. Wolfgang Mekis, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.01.2015, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.05.2016, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 69 Abs. 2 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Gegen den vormals türkischen, nunmehr staatenlosen Beschwerdeführer wurde infolge einer strafgerichtlichen Verurteilung mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 30.06.2009, XXXX , gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 FPG 2005 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion XXXX vom 12.01.2010, XXXX , vollinhaltlich abgewiesen.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.09.2013, XXXX , wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion XXXX als unbegründet abgewiesen.
2. Begründend wurde im Bescheid der Sicherheitsdirektion XXXX vom 12.01.2010 im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer 1980 zum Zweck des Medizinstudiums nach Österreich eingereist sei. 1983 sei er – für die Dauer von zwei Monaten – in die Türkei zurückgekehrt, um dort zu heiraten. In der Folge sei er mit seiner ersten Ehefrau nach Wien zurückgekommen und habe als Koch zu arbeiten begonnen. Als Kinder aus erster Ehe seien 1985 eine Tochter, 1987 ein Sohn und 1992 eine weitere Tochter in Wien geboren worden. Am 24.11.1992 sei dem Beschwerdeführer ein "unbefristeter Sichtvermerk für jeglichen Aufenthaltszweck" erteilt worden. Seine erste Ehefrau sei 1992 mit den drei Kindern in die Türkei zurückgekehrt, wohin der Beschwerdeführer ihr kurze Zeit später gefolgt sei. 1994 sei er wieder über Ungarn in das Bundesgebiet eingereist.
Am 07.07.1994 sei der Beschwerdeführer auf Grund eines Haftbefehles des Amtsgerichtes XXXX festgenommen worden. Mit Urteil des Landgerichtes XXXX vom 23.01.1996 (in Rechtskraft erwachsen mit Ablauf des 03.12.1996) sei er wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. 1999 sei er in die Türkei abgeschoben worden.
Nach der am 16.08.2000 erfolgten Scheidung von seiner ersten Ehefrau habe der Beschwerdeführer am 31.08.2000 die türkische Staatsangehörige S.T. geheiratet. Dieser Ehe entstamme ein am 02.08.2001 geborener Sohn, ein türkischer Staatsangehöriger.
Der Beschwerdeführer sei seit 2002 erneut im Bundesgebiet aufhältig und seit 16.03.2004 im Besitz eines unbefristeten Niederlassungsnachweises. Mit der Entscheidung des türkischen Innenministeriums vom 22.01.2003 habe der Beschwerdeführer die türkische Staatsbürgerschaft gemäß § 403 Abs. 25c Türkisches Staatsbürgerschaftsgesetz (wegen freiwilliger Zurücklegung) verloren.
Die überwiegende Zeit seines Aufenthaltes in Österreich sei der Beschwerdeführer einer Beschäftigung nachgegangen. Seine zweite Ehefrau und der gemeinsame (damals) minderjährige Sohn seien von November 2004 bis September 2008 im Bundesgebiet aufhältig gewesen, danach jedoch in die Türkei zurückgekehrt. In Österreich leben die Kinder des Beschwerdeführers aus erster Ehe sowie ein Bruder, welchen die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei.
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.09.2005, XXXX , sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 erster Fall StGB und wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden.
Die Verurteilung sei erfolgt, weil der Beschwerdeführer am 21.08.2004 in der Nähe einer Autobahnanschlussstelle eine männliche Person durch die Äußerung, dass sie ihm endlich die Ware (Suchtgift) übergeben solle, wobei der Beschwerdeführer das Tatopfer mit einem Hosengürtel um den Hals am Beifahrersitz eines LKW fixiert habe, eine Faustfeuerwaffe gegen den Hinterkopf der Person gestoßen bzw. gegen den Kopfbereich gehalten, den Abzug der Waffe zweimal durchgezogen und mit Gewalt und gefährlicher Drohung mit dem Tod zur Übergabe der Suchtgiftlieferung zu nötigen versucht habe. Schlussendlich habe der Beschwerdeführer nach der bereits dargestellten Straftat das Tatopfer durch einen Schuss aus einer Faustfeuerwaffe in den Hinterkopf vorsätzlich getötet.
In ihrer rechtlichen Beurteilung leitete die Sicherheitsdirektion XXXX aus den geschilderten Straftaten, insbesondere der Verübung des Mordes, eine vom Beschwerdeführer ausgehende massive Gefährdung ab. Weder die Ausübung einer Erwerbstätigkeit noch die Anwesenheit der Familienangehörigen hätten den Beschwerdeführer von der Begehung der Straftaten abhalten können. In Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Gewaltkriminalität sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 60 Abs. 1 FPG jedenfalls gerechtfertigt. Insbesondere sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG verwirklicht. Die der Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten lägen auch noch nicht solange zurück, um auf einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit schließen zu können, zumal sich der Beschwerdeführer nach wie vor in Haft befunden habe.
Das schwerwiegende Gesamtfehlverhalten in der Vergangenheit und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild ließen auf eine ausgeprägte sozialschädliche Neigung des Beschwerdeführers zur Missachtung von österreichischen Rechtsvorschriften schließen. Bei der Prognoseentscheidung sei auf den Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft abzustellen. Auf Grund der schwerwiegenden Straftaten und im Hinblick darauf, dass die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr während der Verbüßung der Strafhaft nicht entscheidend gemindert werde, führe die auf den Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes abgestellte Beurteilung zu keinem anderen Ergebnis. Auch bei Wiederaufnahme einer Arbeitstätigkeit nach der Haftentlassung und (eventueller) Anwesenheit der Ehefrau und des Sohnes aus zweiter Ehe wie der Kinder aus erster Ehe könne es keinesfalls als erwiesen betrachtet werden, dass der Beschwerdeführer keine Straftaten mehr begehen werde, weil ihn auch diese günstigen Rahmenbedingungen schon bisher nicht von "kriminellen Umtrieben" abhalten hätten können.
Auf Grund der mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.09.2005 erfolgten Verurteilung stünden die Bestimmungen des § 61 Z 3 und Z 4 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den – mit Unterbrechungen – von 1980 bis 1993 und wiederum seit 2002 im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältigen bzw. niedergelassenen Beschwerdeführer nicht entgegen. Wegen des ihm im Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997 erteilten, nunmehr als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" geltenden Niederlassungsnachweises komme ihm die Rechtsstellung eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen zu, sodass unter Bezugnahme auf § 56 und § 61 Z 2 FPG aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur zulässig seien, wenn der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers eine schwere Gefahr für die "öffentliche Ordnung und Sicherheit" darstelle. Im Hinblick auf die erwähnte rechtskräftige Verurteilung vom 07.09.2009 seien die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt. Auch § 55 Abs. 4 FPG sei auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung und auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nicht von klein auf im Inland aufgewachsen sei, nicht anwendbar.
Im Rahmen der gemäß § 66 FPG gebotenen Interessenabwägung erkannte die Sicherheitsdirektion XXXX einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers. Sie berücksichtigte die bereits dargestellte Dauer seines Aufenthaltes sowie den Umstand, dass seine Kinder aus erster Ehe und sein Bruder, die österreichische Staatsbürger seien, im Bundesgebiet leben. Die zweite Ehefrau des Beschwerdeführers und der gemeinsame minderjährige Sohn leben jedoch seit November 2008 in der Türkei.
Die Sicherheitsdirektion XXXX ist davon ausgegangen, dass die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Bruder nicht über das bei erwachsenen Seitenverwandten dieses Grades übliche Maß hinausreiche. Die Beziehung zu seinen Kindern aus erster Ehe werde durch deren Volljährigkeit relativiert und könnte, wenngleich mit Einschränkungen, auch vom Ausland weiter aufrechterhalten werden. Zudem sei zu beachten, dass weder die Anwesenheit seiner Kinder aus erster Ehe noch die Beziehung zu diesen den Beschwerdeführer von seinen Straftaten abhalten hätten können.
Das Gewicht der aus dem langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und seiner Berufstätigkeit ableitbaren Integration werde durch die Schwere und Verwerflichkeit der von ihm begangenen Straftaten entscheidend gemindert. Im Hinblick auf die massive Delinquenz könne auch bei großzügiger Auslegung weder § 66 FPG noch die Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG zugunsten des Beschwerdeführers angewendet werden. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
Zu bemerken ist, dass von der Sicherheitsdirektion XXXX das FPG 2005 in der im Jänner 2010 geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 135/2009, angewendet wurde.
3. Aus dem Stande der Strafhaft stellte der Beschwerdeführer am 06.11.2013 gegenständlichen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes bei der damals zuständigen Bezirkshauptmannschaft XXXX .
Dieser Antrag wurde wie folgt begründet:
„Hiermit beantrage ich, XXXX in der Türkei, die Aufhebung meines Aufenthaltsverbotes, da ich staatenlos bin und seit 1980 in Österreich lebe. Meine Familie hat bereits die österreichische Staatsbürgerschaft, meine Kinder ( XXXX ) sind in Wien im Wilhelminenspital geboren. Meine Brüder und mein Sohn haben sogar den Militärdienst in Österreich absolviert. 1986 habe ich als unbescholtener Bürger eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Ich habe bereits 1992 für mich und meine Familie die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt. Meine Familie hat seither die österreichische Staatsbürgerschaft. In meiner Angelegenheit wurde sie mir aufgrund meiner Straffälligkeit entzogen und für einige Jahre auf Eis gelegt.
Aufgrund der oben genannten Punkte und meiner familiären Situation ersuche ich sie meine Angelegenheiten zu überprüfen und in meinem Sinne zu entscheiden. Im Falle einer eventuell bedingten Entlassung Ende 2014/Anfang 2015 ist es für mich sehr wichtig, dass ich am Tage meiner Entlassung einen gültigen Lichtbildausweis, sprich Fremdenpass, habe. Ich habe bereits bei den zuständigen Behörden (Magistrat XXXX ) vorgesprochen und wurde an sie verwiesen. Weiters möchte ich noch anmerken, dass ich mich durch und durch dem österreichischen Staat verpflichtet fühle.“
Mit Schreiben des – seit 01.01.2014 zuständigen – Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 22.04.2014 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten zur beabsichtigten Abweisung des Antrags auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes eine Stellungnahme abzugeben.
Am 08.05.2014 brachte der Beschwerdeführer folgende – wörtlich wiedergegebene Stellungnahme ein:
„Hiermit beantrage ich XXXX in der Türkei, die Aufhebung meines Aufenthaltsverbotes, da ich staatenlos bin und seit 1980 in Österreich lebe. Meine Familie hat bereits die österreichische Staatsbürgerschaft. Es für mich sehr wichtig, dass ich am Tage meiner Entlassung einen gültigen Lichtbildausweis, sprich Fremdenpass.
Stellungnahme:
Wieso die belangte Behörde davon ausgeht, dass während der Verbüßung der Haft keine entscheidende Gefahrenminderung eintritt, begründet der angefochtene Bescheid nicht. Tatsächlich ist die belangte Behörde nur deshalb von nicht eintretenden Gefahrensicherung ausgegangen, weil sie den Sachverhalt nicht ermittelt hat.
Laut Führungsbericht der JA XXXX vom 10.02.2010 hat der Herr XXXX während der bisherigen Haft nicht nur „verantwortungsvolle Tätigkeit mit größter Genauigkeit und Sorgfalt verrichtet“ und „in führungsmäßiger Hinsicht … voll entsprochen, sondern auch „den Eindruck vermitteln können, dass er die von ihm gesetzte Straftat bereut und bestrebt ist, nach Entlassung wieder ein redliches Leben zu führen“.
Im Hinblick auf den aktuellen positiven Führungsbericht der JA XXXX , der nach der nun bereits über neun Jahre zurückliegenden Straftat auf durch während der künftigen Haft zu erwartenden weiteren Besserung kann nicht davon ausgegangen werden, dass Herr XXXX zum Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes, also den Zeitpunkt der Entlassung die öffentliche Sicherheit und Ordnung noch nachhaltig und maßgeblich gefährden würde, der angefochtene Bescheid ist daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
In Erwartung einer positiven Nachricht verbleibe ich mit freundlichen Grüßen.“
4. Der Beschwerdeführer wurde am 21.11.2014 bedingt aus der Strafhaft entlassen. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 19.12.2019, Zl. XXXX , wurde die Entscheidung betreffend die bedingte Entlassung für endgültig erklärt und ausgeführt, dass der Beginn der Tilgungsfrist der 23.11.2014 sei.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 12.01.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 06.11.2013 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 30.06.2009, Zl. XXXX , erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG abgewiesen.
Das BFA stellte in der Entscheidungsbegründung fest, der Beschwerdeführer sei laut Aktenlage 1980 zum Zwecke des Medizinstudiums nach Österreich eingereist. 1983 sei er vorübergehend – für die Dauer von zwei Monaten – in die Türkei zurückgekehrt, um dort zu heiraten. In der Folge sei der Beschwerdeführer mit seiner ersten Ehefrau nach Wien zurückgekehrt und habe als Koch zu arbeiten begonnen. Seine Kinder aus erster Ehe seien 1985 (Tochter XXXX ), 1987 (Sohn XXXX ) und 1992 (Tochter XXXX ) in Wien geboren. Am XXXX sei dem Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion XXXX ein unbefristeter Sichtvermerk für jeglichen Aufenthaltszweck gemäß § 13 Abs. 2 FrG erteilt worden. 1992 sei die erste Ehefrau des Beschwerdeführers mit den drei Kindern in die Türkei zurückgekehrt, wohin ihr der Beschwerdeführer kurze Zeit später gefolgt sei. 1994 sei der Beschwerdeführer wieder über Ungarn in das Bundesgebiet eingereist.
Am 07.07.1994 sei der Beschwerdeführer aufgrund eines Haftbefehles des Amtsgerichtes XXXX festgenommen worden. In der Folge sei er mit Urteil des Landgerichtes XXXX vom 23.01.1996, Zl. XXXX , wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. 1999 sei er in die Türkei abgeschoben worden.
Am 16.08.2000 sei der Beschwerdeführer von seiner ersten Ehefrau geschieden worden. In der Folge habe er am 31.08.2000 eine türkische Staatsangehörige geheiratet und entstamme dieser Ehe ein am 02.08.2001 geborener Sohn, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger sei.
2002 sei der Beschwerdeführer neuerlich ins Bundesgebiet eingereist und seit diesem Zeitpunkt in Österreich aufhältig. Seit 16.03.2004 sei der Beschwerdeführer im Besitz eines unbefristeten Niederlassungsnachweises. Der Beschwerdeführer habe die türkische Staatsbürgerschaft gemäß § 403 Abs. 25c des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes mit der Entscheidung Nr. 2003/5200 des türkischen Innenministeriums vom XXXX verloren. Dieser Umstand sei auch von der türkischen Botschaft in Wien gegenüber dem Bundesministerium für Inneres bestätigt worden.
Bis zu seiner Inhaftierung sei der Beschwerdeführer in Österreich die überwiegende Zeit einer Beschäftigung nachgegangen. Laut einem Auszug aus dem zentralen Melderegister seien die Ehegattin des Beschwerdeführers und ihr gemeinsamer minderjähriger Sohn von November 2004 bis September 2008 im Bundesgebiet aufhältig gewesen und seien danach in die Türkei zurückgekehrt. In Österreich würden die Kinder des Beschwerdeführers aus erster Ehe sowie sein Bruder leben, die österreichische Staatsangehörige seien.
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.09.2005, XXXX , rechtskräftig mit 28.02.2006, wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 erster Fall, StGB und wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB zu einer Freiheitstrafe von 15 Jahren verurteilt worden.
Die Verurteilung sei erfolgt, da der Beschwerdeführer am 21.08.2004 in der Nähe der Autobahnanschlussstelle XXXX . durch die Äußerung, dass er ihm endlich die Ware (Suchtgift) übergeben solle, wobei er ihm eine Faustfeuerwaffe gegen den Hinterkopf gestoßen bzw. diese gegen den Kopfbereich gehalten habe, wobei er den Abzug der Waffe zweimal durchgezogen und ihn mit einem Hosengürtel um den Hals am Beifahrersitz fixierte habe, mit Gewalt und gefährlicher Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe der Suchtgiftlieferung, genötigt habe, wobei die Tat beim Versuch geblieben sei, und zwischen 4:10 Uhr und 5:55 Uhr XXXX . durch einen Schuss aus einer Faustfeuerwaffe in den Hinterkopf vorsätzlich getötet habe.
Bei der Strafbemessung habe das Gericht als mildernd das teilweise Geständnis des Beschwerdeführers sowie den Umstand, dass ein Verbrechenstatbestand beim Versuch geblieben sei, und als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen gewertet.
Der Beschwerdeführer sei vom 20.11.2004 bis zum 21.11.2014 in Strafhaft angehalten worden. Das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot sei am 14.01.2010 in Rechtskraft erwachsen.
Nach seiner Haftentlassung habe der Beschwerdeführer Österreich nicht verlassen und sei vom 24.11.2014 bis 18.12.2014 an der Adresse seines Bruders in XXXX , gemeldet gewesen. Seit 18.12.2014 habe der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz in XXXX . Der Beschwerdeführer verfüge über kein Identitätsdokument und gehe keiner Beschäftigung nach.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das BFA aus, dass ein Aufenthaltsverbot gemäß § 69 Abs. 2 FPG auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben sei, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen seien.
Voraussetzung für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei somit der Wegfall der Umstände aufgrund derer die Erlassung erforderlich gewesen sei, sodass zu erwarten sei, dass durch die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht weiter gefährdet wäre. Ebenso würden wesentliche Änderungen in der persönlichen Lage des Fremden, insbesondere in seiner Familiensituation, eine Aufhebung rechtfertigen können.
Im Fall des Beschwerdeführers können vom Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen, die die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes verlangen würden, nicht ausgegangen werden.
Zur Begründung für die Aufhebung sei insbesondere festzuhalten, dass die vorgebrachten Familienbeziehungen und der Verlust der türkischen Staatsbürgerschaft bereits bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestanden und auch berücksichtigt worden seien.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf sein Wohlverhalten in Strafhaft unter Bezugnahme auf den Führungsbericht der Justizanstalt XXXX berufen habe, sei auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.09.2013 – den Fall des Beschwerdeführers betreffend – zu verweisen, wobei der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt habe, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu prüfen sei, ob und wie lange er sich – nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe – in Freiheit wohlverhalten habe. Der Führungsbericht der Justizanstalt XXXX stamme vom 10.02.2010 und könne somit die positive Veränderung im Verhalten des Beschwerdeführers nicht bescheinigen, zumal sich der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt noch in Strafhaft befunden habe.
Die vom Beschwerdeführer verübte Straftat liege zwar mittlerweile beinahe zehneinhalb Jahre zurück, es sei aber dennoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer erst vor eineinhalb Monaten aus der Strafhaft bedingt entlassen worden sei. Die Fremdenpolizeibehörde habe nämlich die Frage, ob ein Aufenthaltsverbot aufrecht zu erhalten sei, unabhängig von den die bedingte Entlassung aus der Strafhaft begründenden Erwägungen des Gerichtes ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenpolizeigesetzes zu beurteilen. Bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes bestehe keinerlei Bindung der Fremdenpolizeibehörden an die gerichtlichen Erwägungen anlässlich der teilbedingten Nachsicht der Strafe. Ein allfälliger Gesinnungswandel könne nicht am Verhalten während der Strafhaft, sondern könne nur daran geknüpft werden, wie lange sich der Fremde in Freiheit wohlverhalten habe.
Es sei davon auszugehen, dass das Aufenthaltsverbot nach wie vor notwendig sei, um eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die durch einen Aufenthalt der Person des Beschwerdeführers in Österreich entstehen würde, zu verhindern. Auch seien keine Gründe hervorgekommen, wonach Art. 8 EMRK die Verkürzung oder Aufhebung des Aufenthaltsverbotes verlangen würde. Die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände hätten sich nicht in entscheidungsrelevanter Weise geändert, sodass der Antrag abzuweisen sei.
6. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 15.01.2015 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid richtet sich die am 29.01.2015 erhobene Beschwerde.
Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde die Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes auf den fehlenden Wegfall von Gründen, die seinerzeit zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, gestützt habe, wobei die belangte Behörde übersehen habe, dass gegenständlich sehr wohl Gründe vorhanden seien, die sich geändert hätten bzw. im Aufenthaltsverbotsbescheid nicht berücksichtigt worden seien und darüber hinaus eine Änderung der Rechtslage eingetreten sei, die ebenfalls zu berücksichtigen sei.
Darüber hinaus habe die belangte Behörde unzutreffende Feststellungen getroffen, ohne die dafür maßgeblichen Beweisergebnisse vorzuhalten und den Beschwerdeführer dazu die Möglichkeit genommen, Stellung zu nehmen bzw. Beweisanträge zu stellen.
Entgegen der Feststellung der belangten Behörde sei der Beschwerdeführer durchgehend bis 1994 im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Im Jahr 1983 habe er einen sechswöchigen Urlaub in der Türkei verbracht und während dieser Zeit dort geheiratet. Seinen Wohnsitz im Bundesgebiet und seine Beschäftigung habe er damals nicht aufgegeben.
Ferner sei unrichtig, dass die erste Frau mit den drei Kindern des Beschwerdeführers im Jahr 1992 in die Türkei zurückgekehrt sei. Richtig sei vielmehr, dass die erste Ehegattin mit den drei Kindern im Jahr 1994 vorübergehend in die Türkei gereist sei, weil der Sohn XXXX an schwerem Asthma gelitten habe und über ärztliche Empfehlung der Aufenthalt am Meer dringend empfohlen worden sei. Der Beschwerdeführer sei damals aus Sorge um seinen Sohn nachgereist und nach Besserung des Gesundheitszustandes von XXXX über Ungarn wieder in das Bundesgebiet zurückgekehrt. Auch damals habe der Beschwerdeführer weder seinen Wohnsitz, noch seine selbstständige Tätigkeit als Lebensmittelhändler in Österreich aufgegeben. Auch nach seiner Verhaftung im Juli 2004 habe der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz in Österreich weiterhin aufrechterhalten. Die erste Ehegattin des Beschwerdeführers sei nach erfolgreichem Heilungsverlauf von XXXX ebenfalls wieder in das Bundesgebiet zurückgekehrt. Richtig sei, dass diese dann die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hätten. Es würden daher nicht nur seine Kinder aus erster Ehe und sein Bruder in Österreich leben, sondern auch die erste Ehegattin des Beschwerdeführers und ein weiterer Bruder, die ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hätten. Ferner sei der Beschwerdeführer nicht nur bis zu seiner Inhaftierung stets einer Beschäftigung nachgegangen. Auch während seiner Inhaftierung sei er stets einer Beschäftigung nachgegangen.
Die Feststellung dieses Sachverhalts im Rahmen eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens sei deshalb von Bedeutung, weil der Beschwerdeführer zwar die türkische Staatsbürgerschaft verloren habe, ihm aber aufgrund seiner langjährigen Beschäftigung im Bundesgebiet und seiner nach wie vor in Österreich lebenden Kinder aus erster Ehe die Rechtsposition des auf Grundlage des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei vom 12.09.1963 ergangenen Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB) zukomme. Demgemäß sei aufgrund der „Stillhalteklausel“ das seit 1963 jeweils günstigere Gesetz anzuwenden.
Der Aufenthaltsverbotsbescheid habe die Erfüllung des Tatbestandes nach § 60 Abs. 2 Z 1 FPG 2005 auf die Tat gestützt, die zur Verurteilung des Beschwerdeführers nach
§§ 105 Abs. 1, 15, 106 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 75 StGB geführt habe.
Nach der nunmehr geltenden und beachtlichen Rechtslage würden strafrechtliche Verurteilungen alleine nicht ohne weiteres zur Begründung eines Aufenthaltsverbotes wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit herangezogen werden (§ 67 Abs. 1 FPG 2005).
Die belangte Behörde habe in ihrer Begründung wiederum nur auf die Verurteilung des Beschwerdeführers und darauf hingewiesen, dass dieser erst vor eineinhalb Monaten aus der Strafhaft bedingt entlassen worden sei, und dass die Erwägungen des Gerichtes zur bedingten Entlassung aus der Strafhaft keine Bindungswirkung für die Fremdenbehörde hätten und ein allfälliger Gesinnungswandel nur am Verhalten in Freiheit geprüft werden könne.
Warum bei der mehr als zehn Jahre zurückliegenden Tat dem Beschwerdeführer noch immer unterstellt werde, sein persönliches Verhalten stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und aufgrund dieses persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden könne, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleiben im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde, habe die belangte Behörde im Dunkeln gelassen. Zwar sei richtig, dass sie an die Erwägungen des Strafgerichtes zur bedingten Entlassung des Beschwerdeführers nicht gebunden sei, doch sei aufgrund der notwendigen Gesamtbetrachtung aller gegenwärtigen Lebensumstände jedenfalls auch darauf einzugehen, was die belangte Behörde unterlassen habe.
Aktenwidrig sei die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfolgte Annahme der belangten Behörde, wonach der Verlust der türkischen Staatsbürgerschaft bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt worden sei. Im Aufenthaltsverbotsbescheid sei festgehalten worden, dass keinesfalls von einer verfahrensrelevanten sozialen und beruflichen Integration der Person des (nunmehrigen) Beschwerdeführers gesprochen werden könne, da er im Bundesgebiet nicht wohnhaft sei und auch kein geregeltes Einkommen in Österreich beziehe. Überdies lebe seine Familie nicht in Österreich (Seite 7 erster Absatz des Aufenthaltsverbotsbescheides).
Beide Brüder des Beschwerdeführers und die leiblichen Kinder des Beschwerdeführers würden in Österreich leben und seien österreichische Staatsbürger. Den Verlust der Staatsbürgerschaft habe die Fremdenbehörde im Aufenthaltsverbotsbescheid nicht berücksichtigt, weshalb die aktenkundige und von der belangten Behörde auch festgestellte Tatsache bei der Beurteilung, ob die Gründe, die seinerzeit zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten (§ 69 Abs. 2 FPG 2005) beachtlich seien.
Der Beschwerdeführer habe als Staatenloser keine Möglichkeit, legal in irgendein anderes Land auszureisen. Sein ständiger Wohnsitz befinde sich daher nachhaltig im Bundesgebiet, wo er auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen habe. Seine österreichischen Kinder und Brüder seien sein einziger familiärer Bezugspunkt und im Hinblick auf seine persönliche Situation von wesentlicher Bedeutung im Sinne der Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK.
Weiters sei auch beachtlich, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahr 1992 die Voraussetzungen für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfüllt und diese auch beantragt habe. Im Jahr 1993 habe er dann die Zusicherung zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft verbunden mit der Aufforderung, die eigene Staatsbürgerschaft zurückzulegen, erhalten. Diese Zurücklegung habe dann infolge zum aktenkundigen Verlust der türkischen Staatszugehörigkeit geführt.
Aus all diesen Gründen erachte sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes und Wahrung des Parteienverkehrs sowie in seinem Recht auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes wegen Wegfall der Gründe, die zu dessen Erlassung geführt haben, verletzt.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes inkludiere auch den Antrag auf Überprüfung im Hinblick auf dessen Befristung und Verkürzung in sich, was die belangte Behörde aber unterlassen habe.
Aus all diesen Gründen stelle der Beschwerdeführer den Antrag an das Bundesverwaltungsgericht, dieses wolle 1) den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben, in eventu zeitlich befristet werde; 2) den angefochtenen Bescheid aufheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen; und 3) jedenfalls aber eine mündliche Verhandlung anberaumen.
7. Am 19.05.2016 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Verhandlung durch.
Im Zuge dieser Verhandlung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er seit der Zurücklegung der türkischen Staatsbürgerschaft im Jahr 2003 diese nicht wieder beantragt habe, weil er sich nicht wie ein türkischer Staatsbürger fühle. Der Beschwerdeführer fühle sich als Österreicher. Seine Kinder und Enkelkinder würden hier leben und seien österreichische Staatsbürger. Seine Brüder XXXX und XXXX sowie Neffen und Nichten seien österreichische Staatsbürger.
Die Ehegattin des Beschwerdeführers und sein im Jahr 2001 geborener Sohn würden in der Türkei in der Stadt XXXX in einer Eigentumswohnung leben. Die Ehegattin des Beschwerdeführers arbeite in einem Pflegeheim als Krankenpflegerin und sein Sohn besuche die Schule. Der Beschwerdeführer pflege mit seinen Familienangehörigen in der Türkei regelmäßig Kontakt über Skype. Der Beschwerdeführer wolle, sobald sein Aufenthalt in Österreich gesichert sei und er arbeiten dürfe, seine Ehegattin und seinen Sohn nach Österreich holen. Die Eltern des Beschwerdeführers würden ebenfalls in der Türkei in der Stadt XXXX leben.
Der Beschwerdeführer sei am 20.11.2014 aus der Haft entlassen worden. Er wohne alleine in einer Gemeindewohnung in Wien, die seinem Bruder XXXX gehöre. Sein Bruder bezahle auch die Miete. Der Beschwerdeführer beziehe Mindestsicherung in der Höhe von ungefähr € 200 monatlich. Der Bruder des Beschwerdeführers habe eine Wohnung im selben Haus.
Der Beschwerdeführer dürfe keiner Beschäftigung nachgehen und verrichte deswegen nur freiwillige Tätigkeiten. Er sei im Rahmen des Vereins XXXX tätig. Er habe den Beruf des Kochs erlernt und würde gerne wieder als Koch arbeiten. Er könnte beim Projekt XXXX in XXXX im Rahmen der Speiseentwicklung mithelfen. Der Beschwerdeführer könnte auch bei einem Kebab-Stand oder in einem Restaurant in Wien arbeiten. Sein Bruder XXXX habe ihm versprochen, dass er für ihn einen Imbissstand pachten würde, sobald er eine Arbeitsgenehmigung erhalte.
Vor seiner Verurteilung habe der Beschwerdeführer in XXXX einen Schlachthof betrieben. Im März 2005 sei der Konkurs über das Vermögen des Beschwerdeführers eröffnet und ihm die Gewerbeberechtigung entzogen worden. Seit seiner Verurteilung sei der Beschwerdeführer nicht mehr straffällig geworden. Während der Haft habe er neun Jahre und sechs Monate gearbeitet.
Der Beschwerdeführer wolle nicht in die Türkei zurückkehren, da er im Alter von 17 Jahren die Türkei verlassen habe bzw. nach Österreich gekommen sei und seither hier lebe. Der Beschwerdeführer wolle seinen österreichischen Aufenthaltstitel wieder zurückerhalten und in Österreich arbeiten.
8. Am 04.04.2018 stellte der Beschwerdeführer im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des BFA vom 19.08.2019, Zl. 299345008 - 180321260 / BMI-BFA_WIEN_AST_01, wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 und
§ 6 Abs. 1 AsylG abgewiesen und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Weiters wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm
Abs. 3 Z 5 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs.1 Z 2, 5, 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß
§ 13 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 04.04.2018 verloren hat.
Mit hg. Beschluss vom 07.10.2019, Zl. L507 2100202-4/3Z, wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Die Beschwerde ist nach wie vor hg. anhängig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist staatenlos.
Er war von 1980 bis 1994 mit Unterbrechungen in Österreich aufhältig.
Der Beschwerdeführer war von Juli 1994 bis 1999 in Deutschland aufhältig. Er wurde am XXXX 1994 auf Grund eines Haftbefehles des Amtsgerichtes XXXX festgenommen und mit Urteil des Landgerichtes XXXX vom 23.01.1996 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. 1999 wurde der Beschwerdeführer nach der Haftentlassung von Deutschland in die Türkei abgeschoben.
Von 1999 bis 2002 war der Beschwerdeführer in der Türkei aufhältig. Seit 2002 ist er nunmehr durchgehend in Österreich aufhältig.
Der Beschwerdeführer war bis zur Entlassung aus dem türkischen Staatsbürgerverband am XXXX Staatsangehöriger der Türkei. Der Beschwerdeführer legte die türkische Staatsbürgerschaft freiwillig zurück.
Im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist die Türkei der Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes des Beschwerdeführers.
Für das österreichische Bundesgebiet verfügte der Beschwerdeführer zuletzt über einen am 16.03.2004 ausgestellten unbefristeten Niederlassungsnachweis.
Der Beschwerdeführer war bis zum 16.08.2000 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Die drei dieser Ehe entstammenden und mittlerweile erwachsenen Kinder leben in Österreich und besitzen nunmehr die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer hat zu seinen drei in Österreich lebenden erwachsenen Kindern keinerlei Kontakt und besteht zu diesen Kindern auch kein wie auch immer geartetes Abhängigkeitsverhältnis.
Der Beschwerdeführer ist seit dem 31.08.2000 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Dieser Ehe entstammt ein im Jahr 2001 geborener Sohn, der ebenfalls die türkische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Ehegattin und dieser Sohn des Beschwerdeführers leben in der Stadt XXXX in der Türkei in einer Eigentumswohnung. Die Ehegattin des Beschwerdeführers arbeitet in einem Pflegeheim und der Sohn des Beschwerdeführers besucht in der Türkei eine Schule. Der Beschwerdeführer pflegt zu seiner Ehegattin und zu seinem in der Türkei lebenden Sohn regelmäßig Kontakt über Skype.
Die Eltern des Beschwerdeführers leben ebenfalls in der Stadt XXXX in der Türkei.
Zwei Brüder des Beschwerdeführers leben in Österreich und besitzen die österreichische Staatsangehörigkeit.
Der Beschwerdeführer kann sich auf Rechte aus dem zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei ergangenen Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 (ARB) nicht berufen.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.09.2005, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 erster Fall StGB und wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden.
Die Verurteilung erfolgte, weil der Beschwerdeführer am XXXX 2004 in der Nähe einer Autobahnanschlussstelle eine männliche Person durch die Äußerung, dass sie ihm endlich die Ware (Suchtgift) übergeben soll, wobei der Beschwerdeführer das Tatopfer mit einem Hosengürtel um den Hals am Beifahrersitz fixiert, eine Faustfeuerwaffe gegen den Hinterkopf der Person gestoßen bzw. gegen den Kopfbereich gehalten und den Abzug der Waffe zweimal durchgezogen und mit Gewalt und gefährlicher Drohung mit dem Tod zur Übergabe der Suchtgiftlieferung zu nötigen versucht hat. Im Anschluss daran hat der Beschwerdeführer das Tatopfer durch einen Schuss aus einer Faustfeuerwaffe in den Hinterkopf vorsätzlich getötet.
Am 21.11.2014 wurde der Beschwerdeführer bedingt aus der Strafhaft entlassen. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 19.12.2019, XXXX , wurde die Entscheidung betreffend die bedingte Entlassung für endgültig erklärt und ausgeführt, dass der Beginn der Tilgungsfrist der 23.11.2014 sei.
Infolge der strafgerichtlichen Verurteilung wurde gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 30.06.2009, XXXX , gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 FPG 2005 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion XXXX vom 12.01.2010, XXXX , vollinhaltlich abgewiesen.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.09.2013, XXXX , wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion XXXX als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit seiner Haftentlassung nicht berufstätig und lebt von der Mindestsicherung. Er beschäftigt sich ehrenamtlich im Rahmen des Vereins XXXX bzw. des Projektes XXXX .
Der Beschwerdeführer hat trotz des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbotes das österreichische Bundesgebiet nie verlassen. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet ist seit der rechtskräftigen Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtmäßig.
2. Beweiswürdigung:
Beweis erhoben wurde durch die Durchführung der mündlichen Beschwerdeverhandlung und durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte des BFA, insbesondere den Fremdenakt des Beschwerdeführers, den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, den Bescheid der belangten Behörde sowie die Stellungnahme und die Beschwerdeschrift des Beschwerdeführers.
Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie die Feststellungen hinsichtlich des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und zu den persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen ergaben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den insofern ebenso unstrittigen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen ergaben sich aus den im Akt einliegenden Strafurteilen.
Die Feststellungen zur Entlassung aus dem türkischen Staatsbürgerverband und zu den Zeiten der Anhaltung des Beschwerdeführers in der Strafhaft (sowohl in Deutschland als auch in Österreich) stützen sich auf die entsprechenden unstrittig gebliebenen Aktenteile.
Dass der Beschwerdeführer seit 31.08.2000 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet ist und sowohl die Ehegattin des Beschwerdeführers als auch sein 2001 geborener Sohn in der Türkei leben, sowie dass die drei erwachsenen Kinder des Beschwerdeführers aus erster Ehe wie auch zwei seiner Brüder in Österreich leben und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Aus dem Akteninhalt ergibt sich auch, dass der Beschwerdeführer zu seinen in Österreich lebenden Kindern keinen Kontakt hat, zumal es dem Beschwerdeführer nicht einmal möglich war, die österreichischen Staatsbürgerschaftsurkunden seiner Kinder beizuschaffen.
Die Feststellungen betreffend die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers stützen sich auf seine Angaben und den diesbezüglich in Vorlage gebrachten Bestätigungen des Vereines SOHO Ottakring.
Nicht festgestellt werden konnte, dass die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, weggefallen sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.2.1. Gemäß § 125 Abs. 16 FPG bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 oder Rückkehrverbote gemäß § 62 bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.
Gemäß § 125 Abs. 25 FPG bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 erlassene Aufenthaltsverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gemäß § 69 Abs. 2 und 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben werden oder außer Kraft treten.
Das diesem Verfahren zugrunde liegende unbefristete Aufenthaltsverbot wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX , gemäß
§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 FPG 2005 erlassen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion XXXX keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion XXXX als unbegründet abgewiesen. Dieses Aufenthaltsverbot ist somit weiterhin gültig und kann gemäß § 69 Abs. 2 FPG aufgehoben werden.
3.2.2. § 69 FPG 2005 lautet:
"Gegenstandslosigkeit und Aufhebung
§ 69. (1) Eine Ausweisung wird gegenstandslos, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung (§ 70) nachgekommen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
(3) Das Aufenthaltsverbot tritt außer Kraft, wenn einem EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides (Erkenntnisses), mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Eine Änderung der Rechtslage kann allerdings den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen und ist demnach bei der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen. Das heißt jedoch nicht, dass die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes schon dann zu erfolgen habe, wenn seine Erlassung bei fiktiver Geltung der aktuellen Rechtslage nicht möglich gewesen wäre (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0050 unter Hinweis auf VwGH 24.201.2012, 2011/18/0267, Punkt 4.2. der Entscheidungsgründe; VwGH 30.09.2014, 2013/22/0282).
Bei einer Entscheidung nach § 69 Abs. 2 FPG 2005 idF FNG 2014 kommt es auf Veränderungen der maßgebenden Umstände (zu Gunsten oder zu Lasten des Fremden) – einschließlich der Rechtslage – an. Stellt sich die Situation im Entscheidungszeitpunkt so dar, dass nunmehr in Anbetracht der aktuellen Verhältnisse keine – dem seinerzeitigen Aufenthaltsverbot entsprechende – aufenthaltsbeendende Maßnahme mehr erlassen werden dürfte, liegen also gegenwärtig die Voraussetzungen für die Verhängung einer entsprechenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mehr vor, so wäre einem Aufhebungsantrag nach § 69 Abs. 2 FPG stattzugeben. Erbrächte die aktuelle Beurteilung dagegen das Ergebnis, es hätte auch aus derzeitiger Sicht eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu ergehen, müsste das Aufhebungsbegehren abgewiesen werden. (Naturgemäß hat es auch in der zweiten Konstellation nicht zur Erlassung einer neuen aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu kommen, die der jetzigen Systematik des Gesetzes gerecht wird.) Es stellt sich also die Frage, ob gegen einen von einem "alten" Aufenthaltsverbot betroffenen Drittstaatsangehörigen ungeachtet aller seit Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes eingetretenen Veränderungen aktuell eine Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) ergehen dürfte. In diese Beurteilung ist abstrakt betrachtet zwar auch § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 miteinzubeziehen, der zuletzt mit dem FrÄG 2015 zwar – zum Teil – verschärft wurde, der im Verhältnis zur korrespondierenden Regelung vor dem FrÄG 2011
(§ 61 Z 3 und 4 FPG 2005) aber jedenfalls eine für Fremde günstigere Regelung trifft; die Verhängung von Freiheitsstrafen in bestimmter Dauer schließt die Anwendbarkeit dieser Aufenthaltsverfestigungsbestimmung nämlich nicht mehr aus. Das einleitende Tatbestandsmerkmal, dass sich der Drittstaatsangehörige auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, kann allerdings bei gesetzeskonformem Vollzug nie erfüllt sein, hatte das aufrechte Aufenthaltsverbot doch die Ungültigkeit eines allenfalls davor Bestand habenden Aufenthaltstitels zur Folge (§ 10 Abs. 1 NAG 2005). Im Ergebnis kann sich daher ein von einem "alten" Aufenthaltsverbot betroffener Drittstaatsangehöriger im Aufhebungsverfahren nicht mit Erfolg auf die Verfestigungstatbestände des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 berufen. Das liefe nämlich in Anbetracht der genannten, für die Anwendung der Verfestigungstatbestände erforderlichen Voraussetzung, dass sich der Drittstaatsangehörige auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, auf die Prüfung hinaus, ob das Aufenthaltsverbot bei fiktiver Geltung der gegenwärtigen Rechtslage hätte erlassen werden dürfen. Dieses Konzept liegt § 69 Abs. 2 FPG nicht zu Grunde (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0050 unter Hinweis auf VwGH 03.03.2004, 2002/18/0306).
Dem Umstand, dass auf Grund der geänderten Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfte, ist zwingend (also ohne dass im vorliegenden Fall auf nach der Verhängung der Maßnahme eingetretene und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechende Umstände Bedacht genommen werden durfte) in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren das Aufenthaltsverbot aufzuheben ist (vgl. VwGH 24.05.2016,Ra 2016/21/0143 unter Hinweis auf 24.01.2012, 2011/18/0267, und 10.04.2014, 2011/22/0333).
Im vorliegenden Fall dürfte gegen den Beschwerdeführer auch nach der geänderten Rechtslage ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werden, weil der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 erster Fall StGB und wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt wurde und nach § 67 Abs. 3 Z 1 FPG ein Aufenthaltsverbort unbefristet erlassen werden kann, wenn insbesondere der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. VwGH 24.01.2012, 2011/18/0267).
3.2.3. Im Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, wenn durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Betroffenen eingegriffen wird. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Für die Beurteilung des Privat- und Familienlebens sind dabei gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu berücksichtigen.
Ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0050).
Die Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann nur nach Einzelfallbeurteilung erfolgen, weshalb insoweit die abstrakte allgemeine Festlegung eines Wohlverhaltenszeitraumes nicht in Betracht kommt. Dass es aber grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens – regelmäßig in Freiheit – bedarf, um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu können, was grundsätzlich Voraussetzung für die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist, kann nicht mit Erfolg in Zweifel gezogen werden (Hinweis auf VwGH 22.01.2013, 2012/18/0185; 22.05.2013, 2013/18/0041); ebenso wenig, dass dieser Zeitraum üblicherweise umso länger anzusetzen sein wird, je nachdrücklicher sich die für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Gefährlichkeit manifestiert hat (vgl. VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0009).
3.2.4. Im vorliegenden Fall sind keine Umstände erkennbar, die die begehrte Aufhebung des Aufenthaltsverbotes tragen könnten.
Der Beschwerdeführer stützte den – aus dem Stande der Strafhaft gestellten – Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes im Wesentlichen darauf, dass er seit 1980 in Österreich lebe und nunmehr staatenlos sei. Seine Kinder würden die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen – ebenso wie zwei seiner Brüder. Er beantrage die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, da es für ihn sehr wichtig sei, im Falle einer Entlassung über einen gültigen Lichtbildausweis bzw. Fremdenpass zu verfügen. Ein Führungsbericht der JA XXXX vom Februar 2010 bescheinige dem Beschwerdeführer, dass er die von ihm gesetzte Straftat bereue und bestrebt sei, nach der Entlassung wieder ein redliches Leben zu führen. Die Straftat liege bereits neun Jahre zurück und sei auch aufgrund der bereits verbüßten Haftstrafe davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung die öffentliche Sicherheit und Ordnung weder nachhaltig noch maßgeblich gefährden würde.
In gegenständlicher Beschwerde wurde vorgebracht, dass im Gegensatz zur Ansicht des BFA sehr wohl Gründe vorhanden seien, die sich geändert hätten bzw. im Aufenthaltsverbotsbescheid nicht berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus sei eine Änderung der Rechtslage eingetreten, die ebenfalls zu berücksichtigen sei. Der Beschwerdeführer sei durchgängig seit 1983 in Österreich aufhältig, lediglich mit kurzfristigen Unterbrechungen bzw. einem sechswöchigen Urlaub in der Türkei. Die Kinder des Beschwerdeführers aus erster Ehe und zwei seiner Brüder seien österreichische Staatsangehörige. Der Beschwerdeführer sei bis zu seiner Inhaftierung und auch während der Inhaftierung stets einer Beschäftigung nachgegangen. Er habe die türkische Staatsbürgerschaft verloren und würde ihm aufgrund seiner langjährigen Beschäftigung im Bundesgebiet und seiner nach wie vor in Österreich lebenden Kinder aus erster Ehe die Rechtsposition des auf Grundlage des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei vom 12.09.1963 ergangenen Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB) zukommen, weshalb aufgrund der Stillhaltklausel das seit 1963 jeweils günstigere Gesetz anzuwenden sei. Das BFA habe die Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich auf die Verurteilung des Beschwerdeführers gestützt und darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer erst vor eineinhalb Monaten aus der Strafhaft bedingt entlassen worden sei. Das BFA habe es zudem unterlassen eine Gefährdungsprognose unter Heranziehung einer Gesamtbetrachtung aller Lebensumstände des Beschwerdeführers durchzuführen. Weiters habe das BFA den Verlust der türkischen Staatsbürgerschaft nicht berücksichtigt und sei fälschlicherweise von keiner sozialen und beruflichen Integration des Beschwerdeführers in Österreich ausgegangen. Der Beschwerdeführer habe als Staatenloser keine Möglichkeit in ein anderes Land auszureisen. Sein Lebensmittelpunkt befinde sich in Österreich, wo auch seine Kinder und seine Brüder als einzige familiäre Bezugspunkt leben würden.
Im Zuge der hg. Verhandlung machte der Beschwerdeführer deutlich, dass er Österreich nicht verlassen wolle, obwohl seine Ehegattin und sein Sohn aus zweiter Ehe in der Türkei leben. Seine Kinder aus erster Ehe und zwei seiner Brüder würden in Österreich leben sowie auch Enkelkinder und Neffen. Der Beschwerdeführer sei nicht gewillt, die türkische Staatsbürgerschaft neuerlich anzunehmen. Er wolle in Österreich bleiben und hier als Koch oder in der Gastronomie arbeiten. Er sei im Rahmen eines Projektes gastronomisch tätig. Während der Haft habe der Beschwerdeführer neun Jahre und sechs Monate gearbeitet. Seit seiner Haftentlassung am 21.11.2014 habe sich der Beschwerdeführer wohlverhalten und sei nicht mehr straffällig geworden. Der Beschwerdeführer sei im Alter von 17 Jahren nach Österreich gekommen und es binde ihn nichts mehr an die Türkei.