TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/13 L518 2234487-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2020
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Entscheidungsdatum

13.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L518 2234487-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Vorsitzenden und den Richter Mag. LEITNER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX vom XXXX , OB: XXXX in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1 und 2, § 45 Abs 1 bis 3 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF stattgegeben und aufgrund des ermittelten Gesamtgrades der Behinderung von 50 v.H. festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Behindertenpasses iSd zitierten Bestimmungen des BBG vorliegen. Der Behindertenpass wird bis 01.11.2022 befristet ausgestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

14.11.2019—Antrag der beschwerdeführenden Partei (in Folge „bP“ genannt) auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumsservice - SMS, Landesstelle XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. „bB“ genannt)

15.02.2020—Erstellung eines allgemeinmedizinischen und orthopädischen Sachverständigengutachtens; GdB 40 vH; Dauerzustand

17.02.2020—Parteiengehör/keine Stellungnahme

31.03.2020—Bescheid der bB; Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 14.11.2019

12.05.2020—Beschwerde der bP

27.08.2020 –Beschwerdevorlage am BVwG

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0.    Feststellungen (Sachverhalt):

Am 14.11.2019 stellte die bP den verfahrensgegenständlichen Antrag auf die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der bB.

In der Folge wurde am 15.02.2020 ein allgemeinmedizinisches und orthopädisches Sachverständigengutachten erstellt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH als Dauerzustand festgestellt. Das Gutachten weist folgenden relevanten Inhalt auf:

„Anamnese:

Degenerative Halswirbelsäulenveränderungen mit Bandscheibenvorfall C6-C7 - Z.n. Bandscheibenersatz auf Höhe C6/7 am 12.10.2015 in Georgien.

Degenerative Lendenwirbelsäulenveränderungen.

Tendinitis calcarea utriusque.

Somatoforme Schmerzstörung.

Derzeitige Beschwerden:

Frau XXXX kommt in Begleitung ihrer Tochter zur Untersuchung.

Angegeben werden Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich mit Ausstrahlung der Schmerzen, die in den linken Arm begonnen hätten, seit 2 Jahren nun auch rechts ausstrahlen.

Es besteht ein Zustand nach Bandscheibenoperation auf Höhe C6/7 im Oktober 2015 in Georgien. Laut aktuellem MR-Befund der Halswirbelsäule zusätzlich ein Bandscheibenvorfall auf Höhe C5/6.

Die Schmerzen werden als Dauerschmerzen, verstärkt unter Belastung beschrieben, durch die Schmerzen würde es auch zu Schlafstörungen kommen.

Ein Termin am Neuromed-Campus bezüglich einer fraglichen Operationsindikation ist geplant.

Bisher wurden Stromtherapie durchgeführt, sowie auch immer wieder Infiltrationen, woraufhin es zu einer leichten Beschwerdebesserung gekommen sei.

Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich mit Ausstrahlung in beide Beine, rechts stärker ausgeprägt als links.

Physiotherapie wurde vor einem Jahr an der Gebietskrankenkasse durchgeführt. Heilgymnastik wird täglich selbstständig, wie im Rahmen der Physiotherapie erlernt, durchgeführt.

Bewegungseinschränkung im Bereich beider Schultergelenke bei nachgewiesener Sehnenverkalkung.

Eine diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung soll an der psychosomatischen Ambulanz am Neuromed-Campus durchgeführt werden, bislang keine diesbezüglichen Therapien.

Auch auf Nachfrage werden keine weiteren Beschwerden angegeben.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Pantoprazol, Pregabalin, Novalgin.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Arbeitspsychologische Stellungnahme Fit to work 19.3.2019:

Somatisierungsstörung; depressive Episode - diagnostiziert von: Mag. XXXX .

8.11.2019 Röntgenordination Dr. XXXX :

MRT der Halswirbelsäule:

Zuw.-Text: Verdacht auf DP C6/C7, DE C5/C6 links.

Streckhaltung. Z. n. Bandscheibenersatz C6/C7 mit entsprechenden Suszeptibilitätsartefakten. Kein Nachweis residualen Bandscheibengewebes, keine relevante Retrospondylose. Spinalkanal und Neuroforamina sind frei, unauffällige Kontur des Myelons. Reguläres Knochenmarksignal. Keine Osteolyse oder Fraktur.

C2/C3 und C3/C4: Normale Bandscheibenkontur.

C4/C5: Kleinster fokaler medianer Prolaps mit Migration nach cranial, kein Kontakt zum Myelon. Die Neuroforamina sind frei.

C5/C6: Medianer, nach cranial und caudal migrierender flacher Prolaps mit kurzstreckiger Bedrängung des Myelons. Der Spinalkanal ist auf etwa 6,5 mm eingeengt. Keine Myelopathie. Nur geringe uncarthrotische Neuroforamenstenose rechts.

Normale Signalintensität des Myelons. Keine intraspinale Raumforderung.

Ergebnis:

C4/C5: Kleiner fokaler medianer Prolaps.

C5/C6: Medianer nach cranial und caudal migrierender Prolaps, Kontakt zum Myelon, keine Myelopathie. Sekundäre absolute Spinalkanalstenose.

C6/C7: Z. n. Bandscheibenersatz. Kein Restbandscheibengewebe, keine Retrospondylose.

22.2.2019 Prim. Dr. XXXX , Facharzt für Radiologie XXXX :

Digitale Radiographie beide Schultern ap und axial mit ergänzender Sonographie:

Das Glenoid regelrecht. Das AC-Gelenk bds. regelrecht. Grobschollige Verkalkungen im

Bereich der Rotatorenmanschette links mehr als rechts mit 18 mm links und 8 mm rechts.

Der Subacromialraum nicht eingeengt. Die Sonografie bringt keine Befunderweiterung.

Ergebnis: Tendopathia calcarea der Supraspinatussehne bds., ansonsten regelrechtes Radioqramm und Sonogramm.

3.12.2018 Prim. Dr XXXX , Facharzt für Radiologie XXXX :

Digitale Radiographie des Beckens ap. im Stehen sowie beide Hüften axial:

Leichte Sklerosen in den ISG bds.. Knappe Hüftkopfüberdachung bds.. Die Femurköpfe nicht imprimiert. Leichte Sklerose im Symphysenbereich.

Ergebnis: knappe Hüftkopfüberdachung bds., Osteochondrosis ischio pubica, geringe SIGArthrosen bds..

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Gut.

Ernährungszustand:

Normal.

Größe: 165,00 cm Gewicht: 65,00 kg

Klinischer Status – Fachstatus:

Alkohol: selten; Nikotin: negiert;

Caput/Collum: Sehvermögen altersentsprechend unauffällig; Hörvermögen

altersentsprechend unauffällig; blande Narbe rechts nach Bandscheibenoperation;

Gebiss: saniert;

Pupillen: isocor, prompte Lichtreaktion, kein Nystagmus.

Schilddrüsen nicht vergrößert, gut schluckverschieblich.

Thorax: symmetrisch, unauffällige Atemexkursionen;

Pulmo: SKS, keine RG`s.

Cor: HA rhythmisch, HT rein, normofrequent, keine pathologischen Geräusche.

Abdomen: im Thoraxniveau, BD weich, kein DS im Epigastrium, keine pathologischen

Resistenzen palpabel, Hepar und Lien nicht palpiert, Nierenlager bds. frei;

Miktion und Defäkation: unauffällig

WS-HWS: gerade, paravertebrale Muskulatur deutlich verspannt, Kinn-Sternumabstand:

5/15 cm, KS über gesamter HWS; Rotation: 40-0-40°.

WS-BWS: erhaltene physiologische Kyphose, paravertebrale Muskulatur nicht verspannt, kein Klopfschmerz thorakolumbaler Übergang.

WS-LWS: kein Klopfschmerz über unterer LWS, ISG rechts minimal druckschmerzhaft, Fingerbodenabstand: 10 cm; Laségue bds. negativ, Lendenlordose, Beckengeradstand;

Obere Extremität: KG 5 bds.; Sensibilität seitengleich und unauffällig.

Schulter bds.: Ab/Adduktion: 100-0-30°, Außenrotation bei angelegtem Ellbogen: 60°;

Ellbogen-, Hand- und Fingergelenke zeigen sich weitgehend unauffällig, frei von äußeren Entzündungszeichen und in ihren jeweiligen Richtungen uneingeschränkt beweglich.

Untere Extremität: KG 5 beidseits, Sensibilität seitengleich und unauffällig.

Hüften bds.: kein Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz, kein Stauchungs- oder

Rüttelschmerz; Extension / Flexion S: 0-120°; Ab/Adduktion: 20-0-20°;

Außen/Innenrotation: 40-0-30°

Knie bds.: Extension / Flexion S: 0-130°, bandstabil, keine Entzündungszeichen;

Valgus/Varusstress: negativ; Zohlenzeichen: negativ, keine Krepitationen hör- und spürbar,

kein DS medialer Gelenksspalt;

Pulse allseits palpabel, keine Varizen, keine Ödeme;

Sprunggelenk bds. unauffällig.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Zügig, frei gehend ohne Hinken und raumgreifend.

Status Psychicus:

Stimmungslage gedrückt, Affekte in beide Skalenrichtungen auslösbar; Antrieb in Mittellage; Merken und Konzentration im Gespräch nicht vermindert; teilweise Suizidgedanken, jedoch von konkreten Suizidabsichten glaubhaft distanziert.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

1.       Funktionseinschränkung Hals,-und Lendenwirbelsäule, Z.n.

Bandscheibenoperation auf Höhe C6/7, Bandscheibenvorfall C5/6, keine

Befunde der Lendenwirbelsäule, diese wird klinisch eingeschätzt

Dauerschmerzen mit episodischer Verschlechterung, regelmäßige

aktive Therapie, einfache Schmerzmedikation Pos.Nr.02.01.02 Gdb% 40

2. Funktionseinschränkung beide Schultergelenke bei radiologisch nachgewiesener Sehnenverkalkung; Mäßige Bewegungseinschränkung und belastungsabhängige Schmerzen Pos.Nr.02.06.02 Gdb% 20

3. Somatoforme Schmerzstörung und Depressio

bislang keine entsprechende Therapie Pos.Nr.03.06.01 Gdb% 20

4. Radiologisch geringer Hüftschaden bds. klinisch gute Beweglichkeit, belastungsabhängige Schmerzen Pos.Nr.02.05.08 Gdb% 20

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Hauptleiden ist das Leiden in Position 1, die weiteren Leiden erhöhen den GdB bei fehlender zusätzlicher erheblicher Einschränkung und Geringfügigkeit nicht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

keine

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Erstgutachten

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Erstgutachten

Dauerzustand“

Am 17.02.2020 wurde Parteiengehör gewährt und der bP die Möglichkeit gegeben zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Die bP gab keine Stellungnahme ab.

Am 31.03.2020 erging der Bescheid der bB mit dem der Antrag vom 14.11.2019 auf die Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde.

In der Folge erhob die bP am 12.05.2020 Beschwerde: Entgegen den Ausführungen des Gutachtens von Frau Dr. XXXX liege eine zumindest 50%ige Behinderung vor. Nicht nachvollziehbar sei die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung mit lediglich 40%. Diesbezüglich verweise die bP auf das Bestehen ihrer zahlreichen Einschränkungen sowie deren Zusammenwirken. Auch erscheine die vom Gutachter vorgenommene Einstufung insoweit als nicht nachvollziehbar, da aufgrund der vorliegenden Erkrankungen eine andere Einstufung jedenfalls hätte erfolgen müssen. Diesbezüglich verweise sie auch auf die medizinischen Ausführungen von Dr. XXXX vom XXXX vom 13.03.2020. Aufgrund der anhaltenden schweren somatoformen Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren sowie Durchschlafstörungen (siehe Befund) sei eine Aufnahme in die tagesklinische Psychosomatik erfolgt. So sei jedoch von einer zumindest 40 %igen Einschränkung im Sinne der Einschätzungsverordnung 03.06.01 auszugehen, da trotz Medikation insbesondere das psychische Leiden instabil sei und es dadurch auch zu vermehrten Rückzugstendenzen komme. Sohin liege eine zumindest mäßige soziale Beeinträchtigung vor. In diesem Zusammenhang sei auch auf die medikamentöse Versorgung zu verweisen, insbesondere auf die Einnahme von Trazodon zur Verbesserung der Schlafproblematik. Hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung sei bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen. Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung sei dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lasse, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine. Im konkreten Fall liege eine massive Beeinträchtigung durch die oben erwähnte somatoforme Schmerzstörung vor. Diese werde sowohl durch eine Medikation sowie durch psychotherapeutische Maßnahmen behandelt. Auch die Aufnahme einer Berufstätigkeit sei unter anderem durch diese Beeinträchtigung bislang vereitelt worden. Zusätzlich leide die bP an tgl. Kopfschmerzen, die ebenfalls Ausdruck einer Schmerzsymptomatik seien, die auf körperlichen und psychischen Faktoren beruhe. Die Gutachterin habe eine Abwägung der Auswirkungen bzw. das Zusammenwirken dieser erschwerenden Faktoren unterlassen. Unerwähnt geblieben sei auch das Vorliegen einer Hyperthyreose. Sie stelle sohin die Anträge das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid vom 31.03.2020 aufheben und ihrem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses stattgeben. Eine Neuerliche Vorladung zu einem Gutachter zwecks Feststellung.

Am 27.08.2020 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das eingeholte Sachverständigengutachten vom 15.02.2020 (Arzt für Allgemeinmedizin und Orthopädie) schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung.

Im angeführten Gutachten wurde von der Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen. Insbesondere erfolgte die Auswahl und Begründung weshalb nicht eine andere Positionsnummer mit einem höheren Prozentsatz gewählt wurde, schlüssig und nachvollziehbar (VwGH vom 04.12.2017, Ra 2017/11/0256-7).

Laut diesem Gutachten besteht bei der bP als führendes Leiden eine Funktionseinschränkung der Hals, -und Lendenwirbelsäule, Z.n. Bandscheibenoperation auf Höhe C6/7, Bandscheibenvorfall C5/6. Es würden keine Befunde der Lendenwirbelsäule vorliegen und deshalb werde diese klinisch eingeschätzt. Die bP leide an Dauerschmerzen mit episodischer Verschlechterung. Eine regelmäßige aktive Therapie und einfache Schmerzmedikation seien erforderlich. Dieses Leiden wurde unter der Positionsnummer 02.01.02 mit einem Grad der Behinderung von 40 vH eingeschätzt. Die Einschätzungsverordnung ermöglicht unter der Positionsnummer 02.01.02 für Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule mittleren Grades eine Einstufung des Grades der Behinderung zwischen 30-40%. Betreffend einem Grad der Behinderung von 40 vH ist folgendes normiert: Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen, maßgebliche Einschränkungen im Alltag.

Im Gutachten wurde im Untersuchungsbefund betreffend die Wirbelsäule folgendes festgestellt: WS-HWS: gerade, paravertebrale Muskulatur deutlich verspannt, Kinn-Sternumabstand: 5/15 cm, KS über gesamter HWS; Rotation: 40-0-40°. WS-BWS: erhaltene physiologische Kyphose, paravertebrale Muskulatur nicht verspannt, kein Klopfschmerz thorakolumbaler Übergang. WS-LWS: kein Klopfschmerz über unterer LWS, ISG rechts minimal druckschmerzhaft, Fingerbodenabstand: 10 cm; Laségue bds. negativ, Lendenlordose, Beckengeradstand.

Betreffend der Halswirbelsäule liegt ein MRT vom 18.11.2019 vor, welches von der Gutachterin berücksichtigt wurde. Nach Ansicht des ho. Gerichts erfolgte die Einstufung des Wirbelsäulenleidens unter Berücksichtigung des Untersuchungsbefundes und des MRT der HWS schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei.

Als weiteres Leiden wurde eine Funktionseinschränkung beider Schultergelenke bei radiologisch nachgewiesener Sehnenverkalkung mit mäßiger Bewegungseinschränkung und belastungsabhängigen Schmerzen festgestellt. Dieses Leiden wurde unter die Positionsnummer 02.06.02 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft. In der EVO ist unter der Positionsnummer 02.06.02 für Funktionseinschränkungen geringen Grades der Schultern beidseitig ein Fixsatz von 20 vH als GdB vorgegeben. Weiters ist folgendes normiert: Abduktion und Elevation bis maximal 120°mit entsprechender Einschränkung der Außen- und Innenrotation. Der Untersuchungsbefund im Gutachten stellt bezüglich der Schultern fest: Schulter bds.: Ab/Adduktion: 100-0-30°, Außenrotation bei angelegtem Ellbogen: 60°. Weiters liegt eine digitale Radiographie beider Schultern vom 22.02.2019 im Akt auf. Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Beweismittel erfolgte die Einstufung der Einschränkung der Schultern schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei.

Im Gutachten wurde auch ein radiologisch geringer Hüftschaden bds. mit klinisch guter Beweglichkeit und belastungsabhängigen Schmerzen festgestellt. Das Leiden wurde unter der Positionsnummer 02.05.08 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingeschätzt.

Die EVO normiert diesbezüglich: Funktionseinschränkung geringen Grades beidseitig 20 – 40 % Streckung/Beugung bis zu 0-10-90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit. Die Einschränkung der bP wurde mit dem unteren Rahmensatz eingeschätzt.

Der Untersuchungsbefund im Gutachten stellt betreffend der Hüften fest: Hüften bsd.: kein Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz, kein Stauchungs- oder Rüttelschmerz; Extension / Flexion S: 0-120°; Ab/Adduktion: 20-0-20°,

Im Akt liegt auch eine digitale Radiographie des Beckens ap. im Stehen sowie beider Hüften axial vom 03.12.2018 vor. Insgesamt ist auch dieses Leiden schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei von der Gutachterin eingeschätzt worden.

Bei der bP wurde auch ein psychisches Leiden festgestellt: Eine somatoforme Schmerzstörung und Depressio. Bislang habe es keine entsprechende Therapie gegeben. Das Leiden wurde unter die Positionsnummer 03.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft. In der EVO ist ein Rahmensatz zwischen 10 vH bis 40 vH vorgesehen.

Bei einem GdB von 20 vH wird folgendes normiert: Unter Medikation stabil, soziale Integration. Laut der Medikamentenliste im Gutachten wird von der bP das Medikament Pregabalin eingenommen. Der Wirkstoff Pregabalin wird zur Behandlung von epileptischen Krämpfen, Angststörungen und neuropathischen Schmerzen (Nervenschmerzen) eingesetzt. (https://www.netdoktor.de/medikamente/pregabalin/) Im Akt liegt eine arbeitspsychologische Stellungnahme vom 19.03.2019 auf. Diese Stellungnahme deckt sich mit dem im Gutachten festgestellten psychischen Leiden. Zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung nahm die bP noch keine Therapie im Zusammenhang mit ihrer psychischen Erkrankung wahr. Es ist daher zunächst festzuhalten, dass zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung am 15.02.2020 das psychische Leiden der bP schlüssig und nachvollziehbar von der Gutachterin eingeschätzt wurde.

In dem Gutachten konnten jedoch nicht alle relevanten, von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt werden, denn es wurden im Rahmen der Beschwerde ein Befund vom 13.03.2020 und ein Befund vom 14.07.2020 betreffend die somatoforme Störung und Depressio vorgelegt. Diese Befunde enthielten neue fachärztliche Aspekte. Der Befund vom 14.07.2020 lautet auszugsweise:

„Diagnosen:

F45.4 Anhaltend somatoforme Schmerzstörung bei psychischen und körperlichen Faktoren

F32.1 Mittelgradige depressive Episode

E.05.0 Latente Hyperthyreose (TSH=0,01) –immonugene Threopathie Mb.Basedow

M75.3 Tendinopathia calcarea der Supraspinatussehnen bds.

M53.9 Deg.WS-Veränderungen (Z.n. Diskektomie C6/7 und Cage-Interponat 2015 (Georgien)

Flacher DP C4/C5. DP C5/6 mit Myelondeformierung, Streckfehlhaltung, geringe ISG-Arthrosen bds.

Therapieempfehlung:

SERTRALIN STAD FTBL 50 MG (Sertralin 50 mg) 1 1/2-0-0   

ATARAX FTBL 25 MG (Hydroxyzin dihydrochlorid 25 mg, Tablettenkern, Filmüberzug) 0-0-0-1/2

THIAMAZOL SAN TBL 20 MG (Thiamazol 20 mg) ½-0-0-0

NOVALGIN TR 30 ggt b. Bedarf bei Schmerzen MTD 90 gtt (Metamizol natrium -1-Wasser 500 mg)

Weitere empfohlene Maßnahmen

Weiterführende Psychotherapie empfohlen

Nuklearmedizinische Kontrolle am 4.08.2020 um 09:30 Uhr am NMC. BB-Kontrolle alle 2-3 Wochen unter laufender thyreostatischer Medikation

Kontaktaufnahme mit AMB bzgl. beruflicher Umorientierung wie besprochen.

Regelmäßige Kontrollen beim Facharzt für Psychiatrie angeraten.

Regelmäßige Gewichtskontrolle, bei weiterer unklarer Gewichtsabnahme internistische Abklärung angeraten

Regelmäßige Kontrollen von Labor, RR, EKG und Puls unter laufender psychopharmakologischer Medikation beim Hausarzt nach aktuellen Guidelines

Evaluationsgruppe am 10.09.2020 von 13:00 -14: 30 Uhr im Gruppenraum der Psychosomatischen Tagesklinik

Aufenthalt von 02.06.2020 bis 17.07.2020 Station NMC PSO Tagesklinik H203“

In diesem Befund wurde unter anderem die Einnahme des Medikaments Sertralin empfohlen, welches zu den wichtigsten Arzneistoffen gegen depressive Erkrankungen zählt. Zusätzlich nimmt die bP Atarax 25 mg ein. Das Arzneimittel enthält als Wirkstoff Hydroxyzindihydrochlorid. Dieser wird eingesetzt zur Behandlung von Angstzuständen.

In ihrer Beschwerde vom 12.05.2020 gibt die bP außerdem an Trazodon zur Verbesserung der Schlafproblematik einzunehmen. Von der bP werden folglich mehrere Medikamente zur Behandlung psychischer Erkrankungen eingenommen. Zusätzlich wird der bP die Inanspruchnahme einer Psychotherapie und regelmäßige Kontrollen beim Facharzt für Psychiatrie angeraten. Von 02.06.2020 bis 17.07.2020 erfolgte ein Aufenthalt der bP in der Psychosomatischen Tagesklinik. Es wurde demnach bereits eine Therapie zur Behandlung der psychischen Erkrankung in Anspruch genommen.

In ihrer Beschwerde gibt die bP auszugsweise an: Aufgrund der anhaltenden schweren somatoformen Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren sowie Durchschlafstörungen sei eine Aufnahme in die tagesklinische Psychosomatik erfolgt. So sei jedoch von einer zumindest 40 %igen Einschränkung im Sinne der Einschätzungsverordnung 03.06.01 auszugehen, da trotz Medikation insbesondere das psychische Leiden instabil sei und es dadurch auch zu vermehrten Rückzugstendenzen komme. Sohin liege eine zumindest mäßige soziale Beeinträchtigung vor. In diesem Zusammenhang sei auch auf die medikamentöse Versorgung zu verweisen, insbesondere auf die Einnahme von Trazodon zur Verbesserung der Schlafproblematik.

Die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwände waren nach Ansicht des erkennenden Gerichts geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. vorliegt zu entkräften. Es ist der Ansicht der bP zu folgen, dass innerhalb der Positionsnummer 03.06.01 der höchstmögliche Grad der Behinderung betreffend die psychische Erkrankung anzuwenden ist und aufgrund der neu vorgelegten Befunde eine Einstufung mit einem GdB von 20 vH zu gering ist. Die EVO normiert bezüglich eines GdB von 40 vH: Trotz Medikation instabil, mäßige soziale Beeinträchtigung.

Durch die Einschätzung der psychischen Erkrankung mit einem Grad der Behinderung von 40 vH ändert sich auch der Gesamtgrad der Behinderung, da das psychische Leiden in Wechselwirkung mit den körperlichen Erkrankungen der bP zu einer Verschlechterung des Gesamtgesundheitszustandes führt. Insgesamt wird der Gesamtgrad der Behinderung auf 50 vH angehoben. Der Behindertenpass wird für die Dauer von zwei Jahren befristet ausgestellt, da es unter laufender Therapie zu einer Verbesserung der psychischen Erkrankung kommen kann.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Das Sachverständigengutachten und die Beschwerde wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF

- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF

- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1.       gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Die von der bP eingebrachte Beschwerde erscheint fristgerecht im Sinne der Rechtsmittelfrist des BBG eingebracht. Dem Akt kann nicht entnommen werden, zu welchem Datum der Bescheid der bB an die bP zugestellt wurde. Dies gründet sich auf die von der bB geübte Praxis, ohne Zustellnachweis zuzustellen, weshalb den Ausführungen der bP hinsichtlich Rechtzeitigkeit der Rechtsmittelerhebung zu folgen war.

Die sonstigen Voraussetzungen, welche § 9 VwGVG seinem Inhalt nach festlegt, liegen vor.

Die bP brachte sinngemäß in ihrer Beschwerde vor: Entgegen den Ausführungen des Gutachtens von Frau Dr. XXXX liege eine zumindest 50%ige Behinderung vor. Nicht nachvollziehbar sei die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung mit lediglich 40%. Diesbezüglich verweise die bP auf das Bestehen ihrer zahlreichen Einschränkungen sowie deren Zusammenwirken. Auch erscheine die vom Gutachter vorgenommene Einstufung insoweit als nicht nachvollziehbar, da aufgrund der vorliegenden Erkrankungen eine andere Einstufung jedenfalls hätte erfolgen müssen. Diesbezüglich verweise sie auch auf die medizinischen Ausführungen von Dr. XXXX vom XXXX vom 13.03.2020. Aufgrund der anhaltenden schweren somatoformen Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren sowie Durchschlafstörungen (siehe Befund) sei eine Aufnahme in die tagesklinische Psychosomatik erfolgt. So sei jedoch von einer zumindest 40 %igen Einschränkung im Sinne der Einschätzungsverordnung 03.06.01 auszugehen, da trotz Medikation insbesondere das psychische Leiden instabil sei und es dadurch auch zu vermehrten Rückzugstendenzen komme. Sohin liege eine zumindest mäßige soziale Beeinträchtigung vor. In diesem Zusammenhang sei auch auf die medikamentöse Versorgung zu verweisen, insbesondere auf die Einnahme von Trazodon zur Verbesserung der Schlafproblematik. Hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung sei bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen. Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung sei dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lasse, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine. Im konkreten Fall liege eine massive Beeinträchtigung durch die oben erwähnte somatoforme Schmerzstörung vor. Diese werde sowohl durch eine Medikation sowie durch psychotherapeutische Maßnahmen behandelt. Auch die Aufnahme einer Berufstätigkeit sei unter anderem durch diese Beeinträchtigung bislang vereitelt worden. Zusätzlich leide die bP an tgl. Kopfschmerzen, die ebenfalls Ausdruck einer Schmerzsymptomatik seien, die auf körperlichen und psychischen Faktoren beruhe. Die Gutachterin habe eine Abwägung der Auswirkungen bzw. das Zusammenwirken dieser erschwerenden Faktoren unterlassen. Unerwähnt geblieben sei auch das Vorliegen einer Hyperthyreose. Sie stelle sohin die Anträge das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid vom 31.03.2020 aufheben und ihrem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses stattgeben. Eine Neuerliche Vorladung zu einem Gutachter zwecks Feststellung.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.

Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen

Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.

Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 43 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

Gemäß § 43 Abs 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Gemäß § 2 Abs 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

Gemäß § 2 Abs 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

Gemäß § 4 Abs 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a. VwGH vom 24.09.2003, 2003/11/0032; VwGH vom 21.08.2014, Ro 2014/11/0023-7).

Wie der VfGH in seinem Beschluss vom 24.09.2018, E 2304/2018, festgestellt hat, ist es nicht in gesetzwidriger Weise unsachlich, wenn der Verordnungsgeber für die Bewertung des Gesamtgrades der Behinderung – statt einer Addition der einzelnen Beeinträchtigungen – auf die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander abstellt. Durch die Berücksichtigung der Wechselwirkungen wird sichergestellt, dass die Auswirkungen der Beeinträchtigungen jedenfalls in ihrer Gesamtheit beurteilt werden, unabhängig davon, ob sich die Behinderung aus einer oder mehreren Beeinträchtigungen zusammensetzt.

Weiters wird in dem Gutachten auch festgestellt, dass die Behinderung iSd § 1 Abs 2 BBG mehr als 6 Monate gegeben sein wird.

Das erstellte Gutachten erfüllt auch die im § 4 Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.

Der VwGH führte in seinem Erkenntnis Ra 2017/11/0040 vom 21.06.2017 sinngemäß aus, dass sich der Sachverständige in seinem Gutachten ausreichend mit den vorgelegten Befunden auseinanderzusetzen hat, und das Gutachten eine eingehende die Rahmensätze vergleichende Begründung für die gewählte Positionsnummer zu enthalten hat.

Bei Fehlen einer ausreichenden Begründung hätte das BVwG gegebenenfalls, ergänzende Ermittlungen oder eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. VwGH Ra 2015/11/0036 vom 08.07.2015, vgl. VwGH vom 04.12.2017, Ra 2017/11/0256-7).

Das Sachverständigengutachten wurde im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 – also die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren) zu überprüfen, ist also daran gebunden. Die bP erachtete in der Beschwerde den im Bescheid festgestellten Grad der Behinderung als zu gering. Aufgrund der Einwände in der Beschwerde wurde ein Grad der Behinderung in der Höhe von 50 vH festgestellt, weshalb der Beschwerde stattzugeben war.

3.5. § 24 VwGVG lautet:

Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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