TE Bvwg Beschluss 2020/10/27 L502 2232174-2

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Veröffentlicht am 27.10.2020
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Entscheidungsdatum

27.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §7 Abs4

Spruch


L502 2232174-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas Bracher als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2020, FZ. XXXX , beschlossen:

A)       Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Im Gefolge seiner zweiten strafgerichtlichen Verurteilung wurde der Beschwerdeführer (BF) mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 16.10.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) von der geplanten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot bzw. in eventu der Erlassung eines Schubhaftbescheides in Kenntnis gesetzt und zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert.

2. Nach fehlgeschlagenem Zustellversuch langte beim BFA ein Bericht der LPD XXXX ein, demzufolge der BF seit etwa sechs Monaten nicht mehr an seiner Meldeadresse wohnhaft sei.

3. Daraufhin erging am 09.11.2019 ein Festnahmeauftrag des BFA.

4. Nachdem er durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen worden war, wurde er im Zuge seiner fremdenpolizeilichen Anhaltung am 28.02.2020 im PAZ XXXX niederschriftlich einvernommen.

5. Nach der Einvernahme stellte das BFA einen Entlassungsschein aus und ordnete seine sofortige Entlassung aus der polizeilichen Anhaltung an.

6. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 28.02.2020 wurde gegen ihn gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG wurde gegen ihn ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III) und ihm gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV).

7. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 28.02.2020 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

8. Der angefochtene Bescheid wurde ihm am 05.03.2020 persönlich zugestellt.

9. Am 22.06.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF abgefasster Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Verbindung mit einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ein.

Das BVwG veranlasste am 24.06.2020 gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG dessen Weiterleitung an das BFA.

10. Am 26.06.2020 langte beim BFA eine Stellungnahme jener Rechtsberatungsorganisation ein, die der BF zunächst mit seiner Vertretung beauftragt hatte.

11. Mit Bescheid des BFA vom 16.07.2020 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand „vom 08.02.2019“ gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen (Spruchpunkt I) und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 18.06.2020 gemäß § 71 Abs. 6 AVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II).

12. Die Beschwerdevorlage das BFA betreffend die gegen den Bescheid des BFA vom 28.02.2020 erhobene Beschwerde langte am 22.07.2020 beim BVwG ein.

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren wurde in der Folge der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichtes zur Entscheidung zugewiesen.

13. Mit Eingabe vom 05.08.2020 legte das BFA den Schriftverkehr zwischen der Behörde und der rechtsfreundlichen Vertretung des BF über den Zustellvorgang den Bescheid vom 16.07.2020 betreffend vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht fest.

1.2. Der angefochtene Bescheid wurde dem BF am 05.03.2020 persönlich zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde langte am 24.06.2020 beim BFA ein.

2. Beweiswürdigung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides, des mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen Beschwerdeschriftsatzes und des Bescheides des BFA über die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages.

Der oben wiedergegebene Verfahrensgang sowie die Feststellungen unter 1.2. stehen im Lichte des vorliegenden Akteninhaltes als unstrittig fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Soweit die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichts durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts § 29 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 4 und § 30 VwGVG sinngemäß anzuwenden. Das gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Zu A)

1. § 7 Abs. 4 VwGVG lautet:

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1.       in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,

2. – 4. […]

§ 13 Abs. 1 ZustG lautet:

Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers.

§ 17 ZustG lautet:

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

2.1. Im gegenständlichen Fall wurde der Bescheid zunächst iSd § 17 Abs. 1 ZustG bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes am 05.03.2020 hinterlegt. Der BF behob den Bescheid noch am selben Tag persönlich und galt die Zustellung daher mit diesem Datum als bewirkt, womit die vierwöchige Beschwerdefrist ab 05.03.2020 zu laufen begann.

Unter Berücksichtigung der im Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes, BGBl. I Nr. 16/2020 festgelegten Unterbrechung bis 30.04.2020 begann die Beschwerdefrist mit 01.05.2020 neu zu laufen und endete am 03.06.2020.

Trotz der persönlichen Zustellung des angefochtenen Bescheides wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF erst mit Schriftsatz vom 18.06.2020 Beschwerde erhoben, welche am 22.06.2020 beim BVwG einlangte. Da die Beschwerde beim BFA einzubringen gewesen wäre, veranlasste das BVwG gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG deren Weiterleitung an die belangte Behörde, wo sie am 24.06.2020 einlangte.

Die Beschwerdeeinbringung vom 24.06.2020 erwies sich im Lichte des Endes der Beschwerdefrist mit 03.06.2020 daher als verspätet.

2.2. An dieser Beurteilung vermochte auch der mit der Beschwerde eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nichts zu ändern, zumal auch dieser bereits vom BFA mit – nicht bekämpftem - Bescheid vom 16.07.2020 abgewiesen wurde.

Im Übrigen ist die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels unabhängig von einem bloß anhängigen, aber noch nicht entschiedenen Wiedereinsetzungsantrag sogleich auf Grund der Aktenlage zu entscheiden (vgl. VwGH 21.04.2020, Ra 2020/11/0026 mit Hinweis auf VwGH 12.7.2019, Ra 2018/14/0240).

2.3. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen war die Beschwerde daher als verspätet zurückzuweisen.

3 Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass – soweit der rechtsfreundliche Vertreter des BF dahingehend monierte, dass jener zuvor vom BF bevollmächtigte Vertreter, den der BF vor dem nunmehrigen Vertreter mit der Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid beauftragte, die rechtzeitige Erhebung eines Rechtsmittels unterließ, worin ein für den BF unvorhergesehenes Ereignis liege, dass ihn an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert habe – das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist (vgl. VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben.

5. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Fristenlauf Pandemie Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung Zustellung durch Hinterlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L502.2232174.2.00

Im RIS seit

05.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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