Entscheidungsdatum
05.11.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W173 2233262-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela Schidlof sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 26.6.2020, betreffend Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1.Am 28.11.2019 beantragte Frau XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF) die Ausstellung eines Behindertenpasses samt Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“. Dazu legte die BF medizinische Unterlagen vor. Am 6.12.2019 beantragte sie darüber hinaus die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis).
2. Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Im Gutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 3.3.20202, das auf einer persönlichen Untersuchung der BF beruhte, wurde Nachfolgendes ausgeführt: „………………………
Anamnese:
Antragsleiden: Linke Knie-OP (steif) 2016+2019, Multiples Myelom seit 2017, Wadenbein, Schlüsselbein und Rippenbruch 2017, Chemotherapie und Bestrahlung 2017-2018, Lungenembolie 2018, Atemprobleme
Derzeitige Beschwerden:
‚Ich nehme die Unterarmstützkrücken, weil ich mich auf der Straße noch nicht ohne Krücken gehen traue. Ich habe durch die Chemotherapie eine Polyneuropathie. Die
Chemotherapie ist derzeit abgeschlossen, ich bekomme derzeit keine weitere
Chemotherapie, auch sind meine Myelomblute derzeit alle in Ordnung. Seit November 2017 habe ich bis Mitte 2018 eine laufende Chemotherapie und auch eine Strahlentherapie bekommen. Zur Kontrolle gehe ich einmal im Monat. Schmerzen habe ich sonst noch im operierten Knie‘
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Maxi-Calc, Xgeva 120 mg s.c. alle vier Wochen eine Spritze, Lasix bei Bedarf, KCl retard, Pantoloc, Xarelto, Concor, Neurontin, Neurobion forte, Trajenta
Sozialanamnese: verheiratet, 3 Kinder, in Pension
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
SMZ-Ost vom04.11.2019, Diagnosen bei Entlassung:
Belasungsdyspnoe in Abklärung, V.a. Herzinsuffizienz
• CT: mäßiggradige pulmonalvenösie Stauung, mäßiggradige Kardiomegalie
• proBNP nicht erhöht
• TTE 30.08.19: diastolische Störung II
Multiples Myelom (Kappa-Leichtketten) E:D 11/17, St.p. spontaner Fraktur Clavicula rechts
Chemotherapie: Revlimid/VeIcade/Dexamethason bis 7.4.2018; seit PE nur mehr Velcade/Dexa bis Ende Mai 2018 - CR!
Z. n. Radiatio, Revlimid /Dexa Erhaltung seit 28.6.2018 - Revlimid dzt. pausiert
Pulmonalembolie rechts und Pneumonie
Beginnende Pneumonie rechts 12/2017
Arterielle Hypertonie
Z.n. AE, Z.n. Cholecystektomie
Z.n. nach Varizenoperation beidseits.
Ovarialzyste
St.p. Knie TEP links
OP bei CTS rechts 12/2018
OA Dr. XXXX , Facharzt fu?r Orthopädie vom 05.09.2019, Pat kommt zur Kontrolle nach KTEP Revision li im Juli 2019, harmonisches Gangbild, Flex li Knie 0-0-130, stabil, Erguss tastbar, DS am Pes anserinus, Rö: oB,
Mitgebrachte Befunde:
Donauspital vom 31.01.2020: Diagnose: multiples Myelom (Kappa-Leichtketten); Erstdiagnose 11/2017, Zustand nach spontaner Fraktur Clavicula rechts, Chemotherapie
(Revlimid/Velcade/Dexamethason) bis 07.08.2018, seit PE nur Velcade/Dexamethason bis Ende Mai 2018, Zustand nach Radiatio, Revlimid/Dexa-Erhaltung seit 28.06.2018 – Revlimid bei Pneumonitis DD, Medikamenten induzierte Lungenerkrankung ab 11/2019 abgesetzt,
Diabetes mellitus DeNovo 11/2019, Zustand nach Influenza A 12/2019, paroxysmales Vorhofflimmern Erstdiagnose 11/2019, Zustand nach akutem Nierenversagen bei chronischer Niereninsuffizienz 11/2019, Zustand nach Pulmonal Embolie rechts und Pneumonie links 07/2018, arterielle Hypertonie, Zustand nach Knietotalendoprothese links.
Therapie und Verlauf: AZ gut, keine Dyspnoe mehr, im CT komplette Rückbildung der Veränderung, Cortison kann langsam ausgeschlichen werden, Myelomblute sind schön. Kontrolle Ende Februar wieder, die Patientin ist aktuell ohne Erhaltungstherapie.
Untersuchungsbefund: Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: gut
Größe: 168,00 cm; Gewicht: 70,00 kg; Blutdruck: 120/60
Klinischer Status – Fachstatus:
XXXX Jahre
Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet
Caput: Visus: unauffällig Hörvermögen mit Hörgeräten nicht eingeschränkt
keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei
Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten: nicht palpabel
Thorax. Symmetrisch, elastisch,
Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent
Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar, Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.
Pulse: Allseits tastbar
Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. uneingeschränkt durchführbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluss und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben,
Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. mit Abstützen durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie Beweglichkeit in beiden Hüftgelenken und rechten Kniegelenken linkes Knie: reaktionslose Narbe, endlagig eingeschränkt, bandstabil, kein Erguss, symmetrische
Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, geringe Ödeme bds.,
Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand: Bücken bis zum Boden mit Anhalten möglich Rotation und Seitwärtsneigung im Bereich der HWS frei beweglich, im Bereich der BWS+LWS endlagig eingeschränkt.
Gesamtmobilität – Gangbild: kommt mit 2 Unterarmstützkrücken, freies Gehen etwas breitbeinig
Status Psychicus: klar, orientiert
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Multiples Myelom
Unterer Rahmensatz, da derzeit stabilisiert und aktuell ohne Erhaltungstherapie
10.03.10.
50
2
Diabetes Mellitus
Mittlerer Rahmensatz, da mittels oraler Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte erzielt werden können.
09.02.01.
20
3
Kniegelenksprothese links
Oberer Rahmensatz, da endlagige Bewegungseinschränkung
02.05.18.
20
4
Hypertonie, Zustand nach Pulmonalembolie rechts, Paroysmales Vorhofflimmern
Fixer Rahmensatz
05.01.02.
20
Gesamtgrad der Behinderung 50%
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
weil der führende GdB unter der Position 1 durch Leiden 2 - 4 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Wadenbein, Schlüsselbein und Rippenbruch, da folgelos verheilt, erreicht keinen GdB.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: -
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung: -
X Nachuntersuchung 07/2024 – da Ablauf der 5-jährigen Heilungsbewährung
…………………….
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
keine. Von Seiten der Grunderkrankung besteht ein guter und stabiler Allgemeinzustand und Ernährungszustand. Es liegen keine maßgeblichen Funktionsstörungen der Wirbelsäule, sowie der oberen und unteren Extremitäten vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Das sichere Anhalten ist möglich. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich. Die Verwendung eines Gehstockes ist zweckmäßig, steigert dadurch die vermehrte Sicherheit der Gehleistung und erschwert die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht im hohem Maß.
Die behinderungsbedingte Notwendigkeit von zwei Unterarmstützkrücken konnte anlässlich der ho. Begutachtung durch die relevanten Funktionseinschränkungen nicht objektiviert werden.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
………………………………….“
3.Das eingeholte Gutachten wurde dem Parteiengehör unterzogen. Mit Schreiben vom 27.3.2020 wurde vorgebracht, die BF sei durch die Knieprothesenoperation gehbehindert und könne keine lange Wegstrecke bewältigen. Durch ihre Blutknochenkrebserkrankung sei ihr Immunsystem in einer Form geschwächt, dass alle sich in der Luft befindenden Keime von ihr aufgefangen würden. Dies habe schon zu Lungenentzündungen bei der BF geführt. Die BF gehöre schon auf Grund der Corona-Krise zur größten Risikogruppe. Sie dürfe nicht das Haus verlassen und sei auf Hilfe angewiesen. Es sei die Einspruchsfrist zu erstrecken, damit mit dem Arzt eine gemeinsame Lösung erzielt werden könne, um die BF nicht zu gefährden. In der Folge legte die BF eine mit 8.4.2020 datierte Stellungnahme von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vor, in der Nachfolgendes ausgeführt wurde:
„……………………Bei Durchsicht des Sachverständigengutachtens fiel auf, dass hier lediglich auf die orthopädische Problematik eingegangen wurde. Die mM nach führende Symptomatik für die Unzumutbarkeit ist jedoch die massive Belastungsdyspnoe, für die lt. fachärztlichen pulmolog. und cardiolog. Befundes entweder eine Lungenaffektion durch die vorangegangene Chemotherapie mit Revlimid oder eine Cardiomyopathie bei chron. Vorhofflimmern verantwortlich sind. Dadurch ist Fr. XXXX eben in ihrer Mobilität massiv eingeschränkt und das relativiert auch die im Gutachten getroffene Feststellung, dass keine Einschränkung beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke bzw. beim Ein-, Aussteigen und Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel vorliegt. Es wird daher um neuerliche Begutachtung unter Berücksichtigung eben dieser Problematik am besten durch einen entsprechenden Facharzt ersucht.
……………………………“
4.Mit Schreiben vom 14.4.2020 wurde die BF von der belangten Behörde zur Vorlage des Pflegegutachtens aufgefordert. Im ergänzend eingeholten Gutachten führte die beigezogene Sachverständige Dr. XXXX auf Basis der Akten am 23.4.2020 Nachfolgendes aus:
„……………….
Bezüglich des Multiple Myeloms besteht laut Donauspital vom 31.01.2020 ein stabilisiertes
Zustandsbild. Eine Erhaltungstherapie ist nicht erforderlich. Ein maßgebliches dauerhaftes Absinken der Abwehrkraft und eine anhaltende Funktionseinschränkung, welche einen erheblichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat, ist somit nicht vorliegend.
Weiters ist eine für die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel maßgebliche pulmologische oder cardiologische Symptomatik befundmäßig nicht dokumentiert. Eine Dyspnoe konnte im Rahmen der Untersuchung nicht objektiviert werden. Ebenso wurde auch im Befund Donauspital vom 31.01.2020 dokumentiert, dass keine Dyspnoe mehr vorliegt. Von Seiten der Knieendoprothese links besteht ein gutes prothetisches Ergebnis. Somit ergibt sich keine Änderung der bereits durchgeführten Beurteilung.
………………………“
Nach Urgenz der BF wurde von der belangten Behörde eine weitere ärztliche Stellungnahme eingeholt. In dieser führte Dr. XXXX (BMSGPK –IV/8 medizinische Angelegenheiten) folgendes aus:
„……….Dem äußerst ausführlichen und aussagekräftigen Sachverständigengutachten Dr.in XXXX vom 2.3.2020 wird seitens der medizinischen Fachabteilung vollinhaltlich beigepflichtet.
Auch die Stellungnahme der Sachverständigen vom 23.4.2020 zu den Einwendungen im Rahmen des Parteiengehörs vom 27.3.2020 und zu den Ausführungen des behandelnden Allgemeinmediziners der Antragstellerin, Dr. XXXX , vom 8.4.2020 ist aus h.o. ärztlicher Sicht nachvollziehbar und schlüssig.“ Diese Stellungnahme brachte die belangte Behörde der BF mit Schreiben vom 24.6.2020 zur Kenntnis gebracht.
5.Mit Schreiben vom 30.6.2020 wurde der BF der bis 31.10.2024 befristete Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% samt eingeholter Sachverständigengutachten von Dr. XXXX übermittelt. Mit Bescheid vom 26.6.2020 wurde der Antrag der BF zur begehrten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Die belangte Behörde stützte sich in ihrer Begründung auf das angeschlossene, ergänzend eingeholte medizinische Gutachten von Dr. XXXX , das einen Bestandteil der Begründung bilde. Danach würden die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen.
6.Mit 20.7.2020 datiertem Schreiben erhob die BF Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid. Begründend wurde gestützt auf die Bestimmung des § 42 Abs. 2 BBG ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ erfüllt seien, wenn der Antragsteller an einer schwer anhaltenden Erkrankung des Immunsystems leide. Die genannte Zusatzeintragung sei auch bei Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten, die keine körperlichen Belastungen erlauben würden, zu gewähren. Diese Voraussetzungen würden nach dem Gutachten von Dr. XXXX vom 20.4.2020 vorliegen. Der BF sei daher die Zusatzeintragung zu gewähren. Eine Ansteckung speziell in „Corona-Zeiten“ würde bei ihrem Krankheitsverlauf zu ernsthaften Komplikationen führen, wie es bereits im Dezember 2019 passiert sei. Angeschlossen war die bereits vorgelegte Stellungnahme von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 8.4.2020 sowie der Bescheid der PVA vom 2.1.2020, in dem das Pflegegeld der BF ab 1.12.2019 neu bemessen wurde. Es wurde der BF für die weitere Dauer ihrer Pflegebedürftigkeit ein Pflegegeld in der Höhe der Stufe 3 zugesprochen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.Feststellungen:
1.1. Die BF erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die BF hat ihren Wohnsitz im Inland. Der Gesamtgrad der Behinderung der BF beträgt 50 v.H. Der BF wurde ein bis 31.10.2024 befristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H ausgestellt.
1.2.Bei der BF wurde 2017 ein multiples Myelom diagnostiziert, das sich nach einer Chemo- und Strahlentherapie stabilisiert hat. Nach Ausschleichen der Cortison-Therapie und bei schönem Myelomblut ist keine weitere Erhaltungstherapie mehr erforderlich. Die Diabetes-mellitus-Erkrankung wird mit oraler Medikation therapiert, sodass die Blutzuckerwerte der BF zufriedenstellend sind. Nach einer Operation mit implantierter Kniegelenksprothese links hat BF eine endlagige Bewegungseinschränkung im linken Knie. Sie hatte eine Pulmonalembolie rechts sowie ein paroysmales Vorhofflimmern und leidet unter Hypertonie. Die BF hat keine Dyspnoe mehr. Sie hat einen guten und stabilen Allgemeinzustand. Im Hinblick auf die Beurteilung der Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung wurde von der belangten Behörde die oben angeführten Gutachten der beauftragten Sachverständigen Dr. XXXX vom 3.3.2020 und vom 23.4.2020 sowie die oben angeführte ergänzende Stellungnahme vom Dr. XXXX eingeholt.
1.3. Die BF hat keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren oder oberen Extremitäten, keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und keine hochgradigen Sehbehinderungen oder Blindheit. Sie hat auch keine erheblichen Einschränkungen der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen. Es fehlt auch an einer schwer anhaltenden Erkrankung des Immunsystems.
1.4. Der BF ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
2.Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den ergänzenden fachärztlichen Gutachten.
Soweit sich die BF in ihrem Beschwerdevorbringen auf die Ausführungen von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 8.4.2020 stützt, wonach seiner Meinung nach bei der BF die begehrte Zusatzeintragung gerechtfertigt sei, da sie unter einer massiven Belastungsdyspnoe bedingt durch ihre pulmologischen und cardiologischen Leiden verbunden mit der vorangegangenen Chemotherapie leide, wird auf den von der BF selbst vorgelegten, aktuellen Befund des Donauspitals vom 31.1.2020 verwiesen. Darin wurde festgehalten, dass die BF keine Dyspnoe mehr hat. Auch im Zuge der persönlichen Untersuchung der BF bei der medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX am 24.2.2020 wurde ein rhythmischer, reiner, normfrequenter Herzschlag festgestellt. Die BF wies eine Vesikuläratmung ohne Atemgeräusche und ohne Dyspnoe auf. Der Allgemein- und Ernährungszustand der BF war gut. Dies entspricht auch den Ausführungen des genannten Befundes des Donauspitals, wonach die BF einen guten Allgemeinzustand aufwies.
In diesem Befund des Donauspitals wurde auch zur Therapie und dem Verlauf im Hinblick auf das multiple Myelom festgehalten, dass eine komplette Rückbildung der Veränderungen erfolgt ist, sodass das Cortison langsam ausgeschlichen werden kann, das Myelomblut schön ist und keiner Erhaltungstherapie erforderlich ist. Angemerkt wird in diesem Zusammenhang auch, dass die BF die Einstufung ihres Leidens „Multiples Myelom“, das im Hinblick auf das Fehlen einer Erhaltungstherapie und seiner Stabilität mit dem unteren Rahmensatz der Pos.Nr. 10.03.10. der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 50% eingestuft wurde, auch nicht beanstandet hat. Ein maßgebliches dauerhaftes Absinken der Abwehrkraft und eine anhaltende Funktionseinschränkung, die erheblichen Einfluss auf die Abwehrkraft bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat, liegen damit nicht vor.
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen kann das Beschwerdevorbringen der BF, unter einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems zu leiden, wodurch die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung vorliegen würden, daher nicht überzeugen. Dies trifft auch auf die Behauptung der BF in der Beschwerde zu, Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten zu haben, die eine körperliche Belastung ausschließen würden. Soweit sich die BF dabei auf die Ausführungen von Dr. XXXX vom 8.4.2020 zu stützen versucht, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich dieser nicht auf Leiden der unteren Extremitäten bezieht. Vielmehr versuchte er sich, auf eine bestehende massive Belastungsdyspnoe bedingt durch ihre pulmologischen und cardiologischen Leiden verbunden mit der vorangegangenen Chemotherapie im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu stützen, was – wie bereits oben ausführt – auf die BF nicht mehr zutrifft. Sofern sich die BF mit ihrer Argumentation zur behaupteten Funktionseinschränkung der unteren Extremitäten auf die Knieprothese links beziehen sollte, ist ihr entgegenzuhalten, dass das linke Kniegelenk lediglich endlagige Einschränkungen aufweist. Es erweist sich darüber hinaus als bandstabil und ohne Erguss. Es bestehen symmetrische Muskelverhältnisse, die Sensibilität ist unauffällig. Dies wurde auch bei der persönlichen Untersuchung der BF durch die Sachverständige Dr. XXXX – im Übrigen von der BF unbeanstandet – festgestellt. Auch die sonstigen unbeanstandet gebliebenen Untersuchungsergebnisse der unteren Extremitäten der BF bei ihrer persönlichen Untersuchung im schlüssigen Gutachten der beauftragten Sachverständigen Dr. XXXX sprechen gegen die Behauptung der BF zu den Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten, die eine körperliche Belastung nicht ermöglichen würden. Selbst im von der BF vorgelegten Befund des Facharztes für Orthopädie, Dr. XXXX , vom 5.9.2019, den die BF nach der im Juli 2019 stattgefundenen Knieendoprothesenoperation aufsuchte, wurde ein harmonisches Gangbild und eine Stabilität des linken Knies bei einer Beweglichkeit von 0-0-130 festgestellt. Die Fortsetzung der Physiotherapie wurde angeordnet. Auch bei der persönlichen Untersuchung bei der Sachverständigen Dr. XXXX konnte die BF – wenn auch breitbeinig – frei gehen. Es bestand auch freie Beweglichkeit beider Hüftgelenke und des rechten Kniegelenks. Angemerkt wird in diesem Zusammenhang auch, dass außer der Kniegelenksprothese links mit einer endlagigen Bewegungseinschränkung bei der von der BF unbeeinsprucht gebliebenen Einschätzung des Grades der Behinderung zudem auch keine Leiden, die sich auf die unteren Extremitäten der BF beziehen würden, berücksichtigt wurden.
Vielmehr wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen im Hinblick auf den beantragten Zusatzvermerk „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ im von der belangten Behörde beauftragten, schlüssigen Sachverständigengutachten vom 3.3.2020 und ergänzend vom 23.4.2020 (Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin), die oben wiedergegeben wurde, ausführlich Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF durch die genannte Sachverständige mit erhobenen klinischen Befunden und den schlüssigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Äußerungen. Sie entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die Gutachterin hat sich auch mit den vorgelegten Befunden nachvollziehbar und ausführlich auseinandergesetzt. Diese schlüssigen Ausführungen der Gutachterin wurden zudem von Dr. XXXX , der Abteilung medizinische Angelegenheiten des BMSGPK, in seiner Stellungnahme, die oben wiedergegeben wurde, bestätigt.
Vielmehr ist der BF bei gutem und stabilem Allgemein- und Ernährungszustand mit fehlenden maßgeblichen Funktionsstörungen der Wirbelsäule und der oberen und unteren Extremitäten die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke zur Erreichung eines öffentlichen Verkehrsmittels (300-400 Meter) selbständig und in angemessener Zeit möglich. Sie kann auch Ein- und Aussteigen in bzw. aus öffentlichen Verkehrsmitteln, zumal ihr das Überwinden von Niveauunterschiede sicher möglich ist. Auch der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist bei der BF gewährleistet. Eine behinderungsbedingte Notwendigkeit der Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken besteht bei der BF nicht. Die Verwendung eines Gehstockes, der die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht im hohen Maße erschwert, ist zweckmäßig und steigert die vermehrte Sicherheit der Gehleistung.
Auf Grund dieser Beweisergebnisse kann auch von der Einholung eines weiteren Gutachtens Abstand genommen werden. Die BF trat dem abschließenden Gutachten der beigezogenen Sachverständigen Dr. XXXX vom 23.4.2020, das auch vom Dr. XXXX bestätigt wurde, in ihrem Beschwerdevorbringen nicht auf gleicher fachliche Ebene entgegen (vgl. VwGH 17.2.2017, Ra 2017/11/0008, 27.06.2000, 2000/11/0093). Sie hat auch keine aktuellen, gegen das schlüssige Gutachten samt nachvollziehbarer ergänzender Stellungnahme der Sachverständigen Dr. XXXX sprechende Befunde vorgelegt. Angemerkt wird in diesem Zusammenhang auch, dass es die BF trotz Aufforderung der belangten Behörde vom 14.4.2020 unterließ, das Pflegegeldgutachten vorzulegen.
3.Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1. Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs. 2 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, wurde mit BGBl II Nr. 263/2016 novelliert. Gemäß § 5 Abs. 3 der Novelle ist § 1 dieser Verordnung mit Ablauf des 21.09.2016 in Kraft getreten.
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen), BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, ist der Behindertenpass mit einem 35 x 45 mm großen Lichtbild auszustatten und hat zu enthalten:
1. den Familien- oder Nachnamen, den Vornamen, den akademischen Grad oder die Standesbezeichnung und das Geburtsdatum des Menschen mit Behinderung;
2. die Versicherungsnummer;
3. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;
4. eine allfällige Befristung.
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
? erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
? erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
? erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
? eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
? eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in
§ 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur oben genannten Verordnung wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 (auszugsweise):
Abs. 2 unterscheidet zwei Arten von Eintragungen; solche, die die Art der Behinderung des Passinhabers/der Passinhaberin betreffen und jene, die Feststellungen über Erfordernisse des Menschen mit Behinderung im täglichen Leben treffen, etwa die behinderungsbedingte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
? arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
? Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
? hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
? Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
? COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
? Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
? mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300-400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH vom 14.05.2009, 2007/11/0080).
Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, „Leben am Land“) oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258). Wie sich aus der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, sind nicht die jeweiligen subjektiven örtlichen Verhältnisse als Maßstab für die Beurteilung der begehrten Zusatzeintragung heranzuziehen.
Zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens wird auf die obigen Erörterungen verwiesen.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF nicht ein Ausmaß erreichen, welches die Eintragung des Zusatzes „Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar“ rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Hinsichtlich der bekämpften Abweisung der Zusatzeintragung ist im gegenständlichen Fall für die Entscheidung maßgebend, ob die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF ein Ausmaß erreichen, welches die Eintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ rechtfertigt. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurden diese als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
3.3. Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W173.2233262.1.00Im RIS seit
05.03.2021Zuletzt aktualisiert am
05.03.2021