TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/14 95/07/0074

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Veröffentlicht am 14.05.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde der W-Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 15. März 1995, Zl. III/1-36.371-95, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. Juni 1991 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Melk (kurz: BH) der Beschwerdeführerin die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Wasserkraftanlage am L. Im Bewilligungsbescheid heißt es unter anderem:

"Als Frist für den Baubeginn wird der 1.1.1993, als Frist für die Bauvollendung der 31.12.1993 bestimmt. Werden diese Fristen nicht eingehalten, erlischt diese Bewilligung."

Zweimal suchte die Beschwerdeführerin um Verlängerung der Frist für den Baubeginn an. Diese Frist wurde mit den Bescheiden vom 16. Dezember 1992 und vom 28. Dezember 1993 jeweils zum 1. Jänner 1994 bzw. 1. Jänner 1995 verlängert. Hinsichtlich einer Änderung der im ursprünglichen Bescheid vom 20. Juni 1991 festgesetzten Bauvollendungsfrist wurde in den beiden zuletzt genannten Bescheiden keine Regelung getroffen. Mit Eingabe vom 12. Dezember 1994 stellte die Beschwerdeführerin wiederum ein Ansuchen auf Verlängerung der Frist für den Baubeginn bis zum 1. Jänner 1996.

Mit Datum 23. Jänner 1995 erging ein Schreiben von der BH Melk (kurz: BH) an die Beschwerdeführerin mit folgendem Text:

"Sehr geehrte Damen und Herren

Unter Bezugnahme auf Ihr neuerliches Ansuchen um Fristverlängerung des Baubeginnes bis zum 1.1.1996 teilt die Bezirkshauptmannschaft Melk mit, daß gegenständliches Wasserbenutzungsrecht für die Errichtung und den Betrieb einer Wasserkraftanlage am L auf der Parz.Nr. 2045, auf Höhe der Parz.Nr. 105/1 und 2014, alle KG und Marktgemeinde L, mit einer Leistung von 50 kW bei der maximalen Konsenswassermenge von 2,9 m3/sec. EX LEGE DURCH FRISTABLAUF DER BAUVOLLENDUNGSFRIST

ERLOSCHEN IST.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 20. Juni 1991, Zahl. 9-W-87173/34, wurde als Frist für den Baubeginn der 1.1.1993, als Frist für die Bauvollendung der 31.12.1993 bestimmt. Bei Nichteinhaltung dieser Fristen wurde ausdrücklich das Erlöschen dieser Bewilligung ausgesprochen.

Es wurde zwar seitens der W-GesmbH mit Schreiben vom 11.11.1992 bzw. 1.12.1993 jeweils um FRISTVERLÄNGERUNG FÜR DEN BAUBEGINN ANGESUCHT, dieser wurde auch bescheidmäßig verlängert. Allerdings wurde nie für die Bauvollendung um Fristverlängerung angesucht.

Somit ist die Bauvollendungsfrist mit 31.12.1993 NACH WIE VOR

BINDEND.

§ 27 des Wasserrechtsgesetzes normiert im Abs. 1 lit. f, daß bei Unterlassung der Fertigstellung einer bewilligten Anlage binnen der im Bewilligungsbescheid hiezu bestimmten Frist, das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes auszusprechen ist. Somit ist ihr Wasserbenutzungsrecht ex lege erloschen.

Für den Bezirkshauptmann

Unterschrift

(Gruber)"

Gegen dieses Schreiben, das die Beschwerdeführerin als "Bescheid" qualifizierte, erhob diese Berufung, weil damit der Antrag vom 12. Dezember 1994 um Fristverlängerung "zu Unrecht abgewiesen" worden sei. Gleichzeitig ergänzte die Beschwerdeführerin das Ansuchen vom 12. Dezember 1994 dahingehend, daß als Frist für die Bauvollendung nunmehr der 31. Dezember 1996 bestimmt werde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. März 1995 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin zurück. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde unter anderem aus, daß die Behörde erster Instanz mit der Erledigung vom 23. Jänner 1995 über den Antrag der Beschwerdeführerin um Verlängerung der Baubeginnfrist nicht entschieden habe. In diesem Schreiben sei lediglich darauf hingewiesen worden, daß das Wasserrecht der Beschwerdeführerin infolge Nichteinhaltung der Bauvollendungsfrist ex lege erloschen sei. Ein Wille der Behörde erster Instanz dahingehend, mit der Erledigung über einen Antrag absprechen zu wollen, sei jedoch weder aus der Form noch aus dem Inhalt ableitbar. Komme jedoch einer angefochtenen Erledigung Bescheidcharakter nicht zu, dann habe die Behörde die Berufung zurückzuweisen, weil eine in der Sache absprechende Berufungsentscheidung begrifflich einen Bescheid der Unterinstanz voraussetze, über dessen Rechtmäßigkeit sie zu erkennen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht (§ 66 Abs. 4 AVG) auf eine Sachentscheidung der belangten Behörde über die eingebrachte Berufung verletzt, weil die Berufung zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wesentlich ist im Beschwerdefall, ob die dargestellte Erledigung der BH vom 23. Jänner 1995 von der belangten Behörde zutreffend nicht als Bescheid qualifiziert und die gegen diese Erledigung erfolgte Berufung daher zu Recht zurückgewiesen worden ist.

Dieses Schreiben der BH enthält keine ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid, wird mit der in Briefen üblicherweise verwendeten Anrede eingeleitet und weist im Einleitungssatz durch die Wortwahl "... teilt die Bezirkshauptmannschaft Melk mit ..." auf den offenbar beabsichtigten Informationscharakter dieses Schreibens hin.

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa im Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9.458/A, unter anderem ausgeführt hat, ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung dann unerheblich, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält. Insbesondere in jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung oder einer behördlichen Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen läßt, ist die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nach der für sich allein gesehen unabdingbaren Norm des § 58 Abs. 1 AVG für das Vorliegen eines Bescheides nicht wesentlich. An eine Erledigung, die nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet ist, ist hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab anzulegen.

Insofern der Beschwerdeführer vor allem auf den letzten Absatz des genannten Schreibens, insbesondere auf dessen letzten Satz hinweist, ist ihm entgegenzuhalten, daß das Schreiben der BH den informativen Charakter bereits in seiner Einleitung hervorhebt und auch die übrige Gestaltung dieses Schreibens diesen Eindruck vermittelt. Selbst wenn der letzte Satz des Schreibens auch als Feststellung des Erlöschens der zunächst erteilten wasserrechtlichen Bewilligung gedeutet werden könnte, läßt der gesamte übrige Inhalt des Schreibens, insbesondere das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid, im Lichte der dargestellten hg. Judikatur hinreichend Zweifel am Bescheidcharakter dieses Schreibens aufkommen.

Da der letzte Absatz des genannten Schreibens im Zusammenhalt mit dem übrigen Inhalt als Mitteilung einer Rechtsansicht der Behörde zu werten ist, hat die belangte Behörde im Hinblick auf den bei der Auslegung des Inhalts der Erledigung im Zweifelsfall anzuwendenden strengen Maßstab frei von Rechtsirrtum die dagegen erhobene Berufung mangels Bescheidcharakters als unzulässig zurückgewiesen.

Da die gegenständliche Erledigung der BH aus den genannten Gründen kein Bescheid war, erübrigt es sich auch, auf die vom Beschwerdeführer gerügte mangelnde Beachtung der Verletzung der Manuduktionspflicht der BH durch die belangte Behörde, sowie auf die Frage einer allfälligen unzulässigen Unterlassung der Erstreckung der Bauvollendungsfrist durch die Wasserrechtsbehörde und auf den gerügten Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben einzugehen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen Einhaltung der Formvorschriften Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995070074.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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