TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/14 96/07/0132

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Veröffentlicht am 14.05.1997
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Index

E3D E15103030;
E3L E15103030;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

31975L0442 Abfallrahmen-RL Art1 lita;
31994D0003 Abfallverzeichnis Anh Index 170000;
31994D0003 Abfallverzeichnis Anh Index 170201;
AWG 1990 §14 Abs1;
AWG 1990 §2 Abs1 Z1;
AWG 1990 §3 Abs2;
B-VG Art10 Abs1 Z12;
B-VG Art140 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 3. Juni 1996, Zl. 1-1010/95/E4, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes (weitere Partei: Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 3. Juni 1996 wurde über den Beschwerdeführer als abfallrechtlichen Geschäftsführer der Firma L-Gesellschaft mbH in G gemäß § 39 Abs. 1 lit. c des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG) eine Geldstrafe von S 3.000,-- (im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen) deshalb verhängt, weil von der Firma L-Gesellschaft mbH im Zeitraum vom 1. Jänner 1994 bis 31. Jänner 1995 Holzabfälle gesammelt und für die Weitergabe von unbehandeltem Holz für den Gewerbepark Rankweil und Privatabholungen die vorschriftsmäßigen Aufzeichnungen nicht geführt worden seien. Es liege daher eine Übertretung gemäß § 39 Abs. 1 lit. c Z. 6 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 AWG vor. In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, die Firma L-Gesellschaft mbH betreibe in dem näher bezeichneten Standort einen Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Eisen, Metall und Papier. Weiterer Gegenstand dieses Unternehmens sei der Betrieb der Müllabfuhr. Im Zeitraum vom 1. Jänner 1994 bis 31. Jänner 1995 seien im Unternehmen dieser Gesellschaft Holzabfälle in einer Größenordnung von 2,242.363 kg eingegangen. Hiebei handle es sich um behandeltes und unbehandeltes Holz, zum Teil auch aus Gewerbemüll. Über den Wareneingang und den Warenausgang der Holzabfälle lägen nur lückenhaft Aufzeichnungen vor. Solche Aufzeichungen fehlten für die Abgabe von unbehandeltem Abfallholz an den Gewerbepark Rankweil und an Private. Bei dem "Wareneingang Holz" im hier zu beurteilenden Zeitraum habe es sich um Holzabfälle gehandelt; dies ergebe sich aus der von der L-Gesellschaft mbH dem Amt der Vorarlberger Landesregierung mit Schreiben (Telefax) vom 23. Februar 1995 übermittelten Liste über die Aufzeichnungen von Holzabfällen mit der Überschrift "L - Aufstellung Holzabfälle 1.1.94 - 31.1.95". Der Beschwerdeführer hätte daher auch hinsichtlich der Abgabe von unbehandeltem (Abfall-)Holz an den Gewerbepark Rankweil und an Private gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz AWG im Zusammenhang mit § 3 Abs. 2 AWG entsprechende Aufzeichnungen, insbesondere auch hinsichtlich der Menge, zu führen gehabt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht bestraft zu werden. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 39 Abs. 1 lit. c Z. 6 AWG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 40.000,-- zu bestrafen, wer die in § 14 Abs. 1 und 2 vorgeschriebenen Aufzeichnungen nicht oder nicht in ausreichender Weise führt oder aufbewahrt oder vorlegt.

Gemäß § 14 Abs. 1 leg. cit. hat, wer eine Tätigkeit ausübt, bei der Abfälle oder Altöle anfallen, oder wer Abfälle oder Altöle sammelt oder behandelt, getrennt für jedes Kalenderjahr, fortlaufende Aufzeichnungen über Art, Menge, Herkunft und Verbleib dieser Abfälle oder Altöle zu führen und darüber den Behörden auf Verlangen Auskunft zu erteilen. Personen, die erwerbsmäßig Waren abgeben, unterliegen in bezug auf die Rücknahme von nicht gefährlichen Abfällen, Altölen und Problemstoffen nicht der Aufzeichnungspflicht. Die Aufzeichnungen sind, vom Tag der letzten Eintragung an gerechnet, mindestens sieben Jahre aufzubewahren und den Behörden auf Verlangen vorzulegen.

Gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. gilt dieses Bundesgesetz für gefährliche Abfälle (§ 2 Abs. 5) und Altöle (§ 21).

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle gilt für nicht gefährliche Abfälle dieses Bundesgesetz nur hinsichtlich der in dieser Gesetzesstelle näher aufgezählten Paragraphen, insbesondere dem hier maßgeblichen § 14.

Gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen

1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder

2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten ist.

Ist eine Sache Abfall und wird sie sodann einer Verwertung zugeführt (Altstoff), gilt sie gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle solange als Abfall, bis sie oder die aus ihr gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden.

Der Beschwerdeführer bestreitet die Abfalleigenschaft des bei der L-Gesellschaft mbH angelieferten Holzes. Selbst dann aber, wenn man der Auffassung der belangten Behörde folgen wollte, hätte das unbehandelte Holz die Eigenschaft als Abfall wiederum verloren, weil durch die Trennung von behandeltem und unbehandeltem Holz durch die L-Gesellschaft mbH und die Konditionierung Brennholz erzeugt worden sei. Dieses Brennholz sei eine neue Sache im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 1 AWG und stehe in bestimmungsgemäßer Verwendung, nämlich als Handelsware, zum Verkauf und zur darauffolgenden Verbrennung. Die Verbrennung von unbehandeltem Holz und der Handel mit Brennholz seien gesetzlich zulässig. Der gewonnene Stoff "Brennholz" sei zulässigerweise dem Handel zugeführt worden. Bei den an den Gewerbepark Rankweil und an Private abgegebenen Holzmengen handle es sich somit nicht um Abfall, weshalb auch eine Aufzeichnungspflicht nicht gegeben gewesen sei. Das konditionierte Brennholz harre bei der L-Gesellschaft mbH der bestimmungsgemäßen Verwendung und sei als neue Sache zu betrachten. Auch bei durchschnittlicher Auffassung der in Betracht kommenden Verkehrskreise müsse das konditionierte unbehandelte Brennholz als neue Sache gewertet werden.

Aufgrund der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen, deren Richtigkeit vom Beschwerdeführer insoweit nicht angezweifelt wird, hat die L-Gesellschaft mbH im Zeitraum vom 1. Jänner 1994 bis 31. Jänner 1995 "Holzabfälle" von Dritten übernommen. Für die Frage der Abfalleigenschaft dieser beweglichen Sachen ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungswesentlich, ob die L-Gesellschaft mbH im Betrieb ihres Unternehmens diese zu "Brennholz konditioniert", weil für die Annahme einer Sache als Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG die Entledigungsabsicht nicht nur des (zeitlich gesehen) letzten Eigentümers oder Inhabers einer Sache in Betracht zu ziehen ist, sondern sämtlicher aktuellen wie historischen Eigentümer oder Inhaber dieser Sache (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. März 1995, Zl. 93/04/0241). Aufgrund der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und des vorliegenden Akteninhaltes bestehen keine Zweifel an der Entledigungsabsicht der hier zu beurteilenden beweglichen Sachen durch diejenigen Personen, die der L-Gesellschaft mbH im hier zu beurteilenden Zeitraum das Holz überlassen haben. Steht aber fest, daß die L-Gesellschaft mbH bewegliche Sachen übernommen hat, die als Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG anzusehen sind, trifft sie als Gesellschaft, welche u.a. auch Abfälle sammelt und behandelt, die Aufzeichnungspflicht im Sinne des § 14 Abs. 1 AWG. Diese Aufzeichnungspflicht umfaßt die fortlaufenden Aufzeichnungen über Art, Menge, Herkunft UND VERBLEIB dieser Abfälle. Daß die L-Gesellschaft mbH dieser Aufzeichnungspflicht nicht nachgekommen ist, gesteht auch der Beschwerdeführer zu. Ob und wann das von der L-Gesellschaft mbH "konditionierte" Brennholz als "neue Sache" im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 1 AWG zu beurteilen war und ist, bedarf daher im vorliegenden Fall keiner näheren Erörterung.

Auch mit dem Hinweis auf die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft über Abfälle vom 15. Juli 1975, Zl. 75/442/EWG vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil gemäß Artikel 1 lit. a dieser Richtlinie Abfall alle Stoffe oder Gegenstände sind, die unter die in Anhang I angeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muß. In diesem Anhang wiederum ist unter der Index Nr. 17 00 00 Bau- und Abbruchabfälle (einschließlich Straßenaufbruch) und zu Nr. 17 02 01 Holz aufgezählt. Warum im gegenständlichen Fall die von der L-Gesellschaft vom entledigenden Besitzer übernommenen Holzabfälle nicht unter den europäischen Abfallkatalog eingeordnet werden können, wird in der Beschwerde nicht ausgeführt und ist auf Grund der Aktenlage für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

Schließlich erachtet der Beschwerdeführer den im Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG geschaffenen Kompetenztatbestand in bezug auf das Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle für die im § 14 Abs. 1 AWG normierte Aufzeichnungspflicht für nicht gegeben.

Gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG ist u.a. Bundessache die Gesetzgebung und Vollziehung in Angelegenheiten der Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle, hinsichtlich anderer Abfälle nur soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist. Eine Regelungszuständigkeit des Bundesgesetzgeber für die Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle besteht somit dann, wenn der Bundesgesetzgeber für seine Regelung objektive, mithin sachlich nachvollziehbare Gründe ins Treffen führen kann, die seine Annahme eines Bedürfnisses "nach Erlassung einheitlicher Vorschriften" hinsichtlich dieser nicht gefährlichen Abfälle rechtfertigen. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6. März 1992, G 231/91, diesbezüglich ausgeführt, daß dies inbesondere dann der Fall sein wird, wenn derartige Gründe für eine gleiche rechtliche Behandlung gefährlicher und nicht gefährlicher Abfälle sprechen.

Im § 3 Abs. 2 AWG wurde dieses Bedürfnis für nicht gefährliche Abfälle bezüglich der Aufzeichnungspflicht nach § 14 Abs. 1 AWG angesehen. In der Regierungsvorlage zum AWG (Nr. 1.274 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP, Seite 27) wurden u.a. als Gesichtspunkte für einheitliche Regelungen im Rahmen der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes für erforderlich angesehen, daß für Anordnungen zur Abfallvermeidung grundsätzlich im Bundes-Abfallwirtschaftsplan (§ 5) die notwendige Grundlagenforschung erfolgen soll. Dieser Bundes-Abfallwirtschaftsplan muß sich im Interesse der Vermeidung nicht gefährlicher Abfälle auch auf diese Abfälle beziehen. Eine Vereinheitlichung der Aufzeichnungspflichten ermöglicht erst eine umfassende quantitative und qualitative Abfallwirtschaftsplanung und -aufsicht. Es bestehen seitens des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund dieser sachlich nachvollziehbaren Gründe keine Bedenken, daß auch in bezug auf die Aufzeichnungspflichten im Sinne des § 14 Abs. 1 AWG der Bundesgesetzgeber bei Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz nach Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG seine ihm verfassungsrechtlich eingeräumte Kompetenz nicht überschritten hat.

Da der Beschwerdeführer auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen vermag, erweist sich der angefochtene Bescheid sohin frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996070132.X00

Im RIS seit

25.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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