Entscheidungsdatum
25.11.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L514 2236173-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch den Verein Zeige, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2020, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG und § 9 Abs. 3 ZustG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger, stellte am XXXX 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 27.07.2020 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen uns Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit seines Vertreters statt. Im Zuge dessen wurde dem BFA eine schriftliche Vollmachtbekanntgabe ausgehändigt (Akt Seite 87).
Am 10.08.2020 langte beim BFA eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderfeststellungen des Vertreters des Beschwerdeführers ein.
Mit Bescheid des BFA vom 24.08.2020, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG (Spruchpunkt VI.) wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Mit Verfahrensanordnung vom 25.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beigegeben.
2. Der Bescheid des BFA wurde dem Beschwerdeführer am 02.09.2020 durch Hinterlegung zugestellt.
3. Mit Schreiben vom 30.09.2020 erhob der amtswegig beigegeben Rechtsberater des Beschwerdeführers eine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 24.08.2020.
4. Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Verein Zeige auf bekanntzugeben, ob ein Vollmachtsverhältnis nach wie vor aufrecht sei.
Mit Schreiben vom 18.11.2020 wurde eine Vollmacht, datiert mit 28.02.2020, welche auch eine Zustellvollmacht mitumfasst, vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer wird seit 28.02.2020 vom Verein Zeige vertreten.
Der Bescheid des BFA vom 24.08.2020, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer mittels RSa-Brief am 02.09.2020 durch Hinterlegung zugestellt.
Eine Beschwerde wurde am 30.09.2020 durch den amtswegig beigegebenen Rechtsberater des Beschwerdeführers, die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, eingebracht.
Das Vollmachtsverhältnis zum Verein Zeige ist nach wie vor aufrecht.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakt des BFA.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.
der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben hat, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.
Gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG kann das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.
Gemäß § 28 Abs. 8 VwGVG tritt durch die Aufhebung der angefochtenen Weisung jener Rechtszustand ein, der vor der Erlassung der Weisung bestanden hat; infolge der Weisung aufgehobene Verordnungen treten jedoch dadurch nicht wieder in Kraft. Die Behörde ist verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
3.2. Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
Voraussetzung für das rechtliche Zustandekommen eines Bescheides ist dessen Erlassung. Erlassen wird ein schriftlicher Bescheid durch rechtswirksame Zustellung oder durch Ausfolgung (§ 24 des ZustG; vgl. zB VwGH 18. 5. 1994, 93/09/0115). Ist der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so ist es der Berufungsbehörde verwehrt, meritorisch über die Berufung abzusprechen. Ihre Zuständigkeit reicht in solchen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückzuweisen (vgl. VwGH 09.03.1982, Zl. 81/07/0212; VwGH 30.05.2006, Zl. 2005/12/0098). Dies hat auch für das Bundesverwaltungsgericht als Rechtsmittelgericht in Anwendung des § 28 VwGVG zu gelten.
Gemäß § 21 AVG und § 1 ZustG sind Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen. Gemäß
§ 17 Abs. 3 ZustG gelten infolge nicht erfolgreichen Zustellversuches hinterlegte Dokumente mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, als zugestellt.
Gemäß § 5 ZustG hat die Behörde in geeigneter Form den Empfänger und dessen Identität möglichst eindeutig zu bezeichnen. "Empfänger" ist die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll.
Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG können die Parteien und Beteiligten, soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht). Aus § 9 Abs. 3 ZustG folgt, dass für den Fall, dass ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, die Behörde, soweit nichts anderes gesetzlich bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen hat. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Kenntnisnahme von einem Bescheid im Zuge einer Akteneinsicht durch einen Parteienvertreter bzw. der Umstand, dass diesem tatsächlich eine Kopie eines Bescheides zukommt, der im Original nicht dem im Verfahren ausgewiesenen Vertreter der Partei sondern der Partei selbst zugestellt wurde, den in der unterlassenen Zustellung an den Parteienvertreter gelegenen Verfahrensmangel nicht heilen. Eine Sanierung durch tatsächliches Zukommen des Bescheides kann nur erfolgen, wenn der Bescheid im Original einem zur Zeit des (wirkungslosen) Zustellvorganges bereits der Behörde gegenüber namhaft gemachten Zustellbevollmächtigten zukommt (vgl. dazu VwGH 18.11.2015, Zl. Ra 2015/17/0026; VwGH 08.04.1992, Zl. 92/01/0001).
3.3. Im gegenständlichen Fall war der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung des bekämpften Bescheides durch den Verein Zeige vertreten und inkludierte diese Vertretung auch eine Zustellvollmacht.
Vor diesem Hintergrund wäre das BFA verpflichtet gewesen, in der Zustellverfügung die genannte Vertretung des Beschwerdeführers zu bezeichnen und es wäre dieser zuzustellen gewesen, was die belangte Behörde jedoch verabsäumt hat.
Dass der Vertretung des Beschwerdeführers die Entscheidung des Bundesamtes tatsächlich zugekommen wäre und somit eine Heilung im Sinne des § 9 Abs. 3 ZustG eingetreten wäre, kann weder der Aktenlage noch den Ausführungen der gegenständlichen Beschwerde entnommen werden.
Eine ordnungsgemäße Zustellung fand somit nicht statt und der Bescheid wurde folglich nicht erlassen. Wird ein Bescheid nicht ordnungsgemäß erlassen, dann wird er als Rechtsnorm nicht existent und ist daher auch nicht anfechtbar (Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, 2. Teilband, RZ 8 zu § 62, S 781). Die direkte Zustellung an den Beschwerdeführer war somit nicht rechtswirksam.
3.4. Es ist daher abschließend festzuhalten, dass der angefochtene Bescheid bislang nicht rechtswirksam erlassen wurde. Das gegenständliche Verfahren ist noch immer in erster Instanz anhängig.
Mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes war damit die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen (so auch VwGH 18.11.2015, Zl. Ra 2015/17/0026). Erst nach allfälliger neuerlicher und rechtswirksamer Erlassung eines Bescheides ist ein Rechtszug an das Bundesverwaltungsgericht möglich.
3.5. Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.
Schlagworte
Bescheiderlassung rechtswirksame Zustellung Unzulässigkeit der Beschwerde Zurückweisung Zustellbevollmächtigter ZustellmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L514.2236173.1.00Im RIS seit
05.03.2021Zuletzt aktualisiert am
05.03.2021