Entscheidungsdatum
09.12.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W195 2166720-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2017, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.12.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 03.05 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen einer am Tag der Antragstellung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, einen schriftlichen Aufnahmetest für die Offiziersschule bei der bengalischen Polizei bestanden zu haben. Daraufhin seien die Behörden darauf gekommen, dass der BF während seiner Studienzeit bei der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) aktiv gewesen sei. Deshalb hätte „man“ ihn bei der mündlichen Prüfung „durchfallen lassen“. Im Zuge der Aufnahmeprüfung habe der BF einen Polizeikommandanten kennengelernt, der dem BF vorgeschlagen habe, Polizeispitzel zu werden, womit er die Chance hätte, in den Polizeidienst aufgenommen zu werden. Aufgrund der Spitzeltätigkeiten seien mehrere „namhafte Kriminelle“ festgenommen worden. Daraufhin sei der BF von kriminellen Banden mit dem Umbringen bedroht worden. Einmal sei er sogar attackiert und geschlagen worden. Diesen Vorfall hätte der BF zur Anzeige gebracht. Unlängst hätten die Täter in Bangladesch erfahren, dass das Schülervisum des BF nicht verlängert werde und die Möglichkeit bestehe, dass der BF nachhause zurückkehren würde. Jetzt seien sie wieder aktiv geworden und würden verstärkt nach dem BF suchen.
I.2. Am 04.05.2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.
Dabei aufgefordert, seine persönlichen Fluchtgründe darzulegen, führte der BF aus, als Student politisch engagiert gewesen zu sein und sich zu einer Wahl aufgestellt zu haben. In Bangladesch gebe es ein Problem zwischen der BNP und der Awami League (im Folgenden: AL). Der BF habe bei der Polizei den schriftlichen Aufnahmetest gemacht. Nach Recherche habe die Polizei jedoch herausgefunden, dass der BF Anhänger der BNP sei. Daraufhin sei er auf die Warteliste gesetzt worden. Der BF habe von XXXX den O.C. (Officer in Charge) gekannt, das sei ein Polizei Kommandant im Dorf, der die Polizeistation leite. Der BF glaube, der O.C. heiße XXXX . Der BF habe den Second Officer (Stellvertreter des Kommandanten), namens XXXX gekannt. Es gebe bei der Polizeistation viele Quellen (Spitzel, Spion), der BF habe einen davon namens XXXX gekannt. Dieser habe den BF dem XXXX vorgestellt. Dieser habe gesagt, der BF hätte ja keine negative Nachricht von der Polizei bekommen, er sollte doch mit dem Chef sprechen. Ihm sei gesagt worden, er solle als Spitzel arbeiten und den XXXX unterstützen. Dies sei aber nichts Offizielles oder Unterschriebenes gewesen, es sei nur eine mündliche Vereinbarung gewesen. Der BF habe viele Informationen weitergeben können, auch gegen die Täter, gegen die er ein General Diary (Ersteintrag beim Polizeibericht, Tagesbericht) bei der Polizei gemacht habe. Der BF habe auch Informationen weitergegeben bezüglich des Mords an einem Bürgermeister, XXXX habe ihn ermordet. Man kenne ihn unter dem Namen „ XXXX “. Der BF habe auf verschiedenste Art und Weise Informationen weitergegeben, sodass Festnahmen durchgeführt werden hätten können. Die Verbrecher seien dann sehr wütend auf den BF geworden und hätten begonnen, ihn aufzusuchen, oft seien sie zu seinem Vater gekommen. Der BF sei immer irgendwo versteckt gewesen. Der BF sei in einem Nebenpolizeiverwaltungsbezirk, XXXX bei einem Freund versteckt gewesen. An dem Tag, an dem der BF den G.D. gemacht habe, sei er gerade auf dem Weg von zu Hause weg gewesen, als sie ihn verfolgt und angegriffen hätten. Sie hätten ihn angegriffen, hätten Messer, Pistolen und Waffen herausgeholt und ihm gedroht: „Du machst so was, wir töten Dich und werden deine Leiche unauffindbar machen“. Als sie den BF schon hätten abstechen wollen, hätten Leute aus dem nahegelegenen Basar die Angelegenheit mitbekommen und seien auf sie zugekommen. Es seien einige Leute mit Schlagstöcken gekommen und hätten den BF gerettet. Darauf habe er dann später ein G.D. gemacht. Die Leute hätten den BF in Sicherheit gebracht. In die Ortschaft XXXX habe er überhaupt nicht gehen können, es sei zu gefährlich gewesen, „sie“ hätten ja gesagt und auch seinen Eltern, dass „sie“ den BF töten und seine Leiche unauffindbar machen würden. Der BF sei ja so sehr in Gefahr gewesen, dass er sich bezüglich eines Visums erkundigt habe. Er habe nicht nachhause gehen können, er sei immer versteckt gewesen. Als das Visum bereits fertig gewesen sei, sei er nach Österreich gekommen, bis dahin sei er immer irgendwo versteckt gewesen. Anscheinend hätten die Leute aus seiner Ortschaft XXXX über seine Familie mitbekommen, dass sein Visum abgelaufen sei und er bald zurückkommen müsse. Sie würden versuchen, wieder mehr Informationen einzuholen und sie suchten den BF. Sie seien zu seinem Vater und hätten ihm bereits gedroht. Seine Eltern seien nun in großer Furcht, der BF wisse, dass diese Leute zu stark seien. Als der BF die Anzeige gemacht habe, seien einige Täter aufgelistet gewesen, die der BF in Erinnerung gehabt habe. Aber die Sache sei herausgekommen, dass der BF als Spitzel gearbeitet habe und viele ihm unbekannte Täter, die der BF damals habe „auffliegen“ lassen, seien ihm nun hinterher. „Somit“ habe er nun überhaupt keine Sicherheit im Heimatland. Seine Eltern wollten, dass ihr einziger Sohn zumindest überlebt. Der BF sei deshalb gezwungen, Asyl zu beantragen. Egal wie und wann er Bangladesch betrete, werden sie ihn ausfindig machen und töten. XXXX sei in Kontakt mit vielen Verbrechern, noch dazu habe er damals so viele Täter auffliegen lassen. Er bitte deswegen um Gewährung von Asyl.
I.3. Mit dem angefochtenen und im Spruch bezeichneten Bescheid vom 06.07.2017, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise „2/14 Wochen/Tage“ ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.
I.4. Mit Schriftsatz vom 20.07.2017 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – durch XXXX vertretenen – BF zur Gänze angefochten.
Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes wurde dabei zusammengefasst begründend ausgeführt, das BFA habe den Sachverhalt nicht gründlich ermittelt. Es habe eine vorgreifende Beweiswürdigung unternommen, zumal die Gefahr bestünde, dass der BF lange in Untersuchungshaft komme.
Es wurden die Anträge gestellt, dem BF Asyl bzw. subsidiären Schutz zu gewähren, in eventu, den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu, dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu gewähren sowie, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
I.5. Mit Schreiben vom 02.08.2017 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.7. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 03.12.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.
I.9. Am 03.12.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.
Eingangs zur Verhandlung legte der BF einen Eintrag ins Tagesprotokoll der Polizei vor. Dieser Eintrag wurde von seiner Schwester veranlasst, es ginge dabei um einen Brand am 27.09.2020 im Haus des Vaters. Der BF habe einen Verdacht, wer diesen Brand gelegt haben könnte, nämlich seine Feinde.
Der BF habe Kontakt zu seiner Familie.
Gefragt, wo sich seine Eltern befänden antwortete der BF: „Ich möchte erwähnen, dass ich das einzige Kind meiner Eltern bin“.
Erst nach nochmaligen Hinweis auf die Wahrheitsverpflichtung vor Gericht und die Mitwirkungsverpflichtung schilderte der BF vollständig seine Familiensituation:
Die Mutter sei am 11.02.2020 verstorben, der Vater sei schwer krank und lebe zu Hause, er habe noch zwei Schwestern, welche in der Nähe zum Vater wohnen und sich um ihn kümmern. Er habe zum Vater und den Schwestern täglich Kontakt.
Der Familie ginge es finanziell durchschnittlich gut, der Vater hatte einen kleinen Handel.
In Österreich habe der BF einen Verwandten, den älteren Bruder eines Schwagers, der als Koch beschäftigt sei. Durch ihn gelangte der BF nach Österreich. Er habe ihm geholfen, damit er als „Student“ nach Österreich reisen könne.
Der BF sei am 25.09.2014 nach Österreich eingereist. Er sei mit dem Flugzeug von Bangladesch über die Türkei nach Österreich gelangt. Probleme bei der Ausreise aus Bangladesch hatte er keine.
Im Zuge der Verhandlung wurde festgestellt, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache schwer möglich war, nicht zuletzt auf Grund des begrenzten Sprachwortschatzes. Die Antworten erfolgten nicht in vollen Sätzen und bedurften einer gewissen Aufmerksamkeit.
Der BF hielt fest, dass er kein Deutschzertifikat erworben habe. Er habe sich aber jetzt – Ende 2020 – dafür angemeldet. Der BF würde gerne als Koch arbeiten, es sei ihm bekannt, dass er dafür eine besondere Ausbildung benötige. Deshalb habe er sich entschlossen, jetzt einen Deutschkurs zu machen. Gefragt, warum er nicht bereits 2017 mit einem Deutschkurs begonnen habe, meinte der BF, es sei finanziell schwierig gewesen. Gefragt, ob sich seine finanziellen Schwierigkeiten zwischen 2017 und 2020 geändert hätten, meinte der BF, dass es keinen Unterschied gäbe, „das mit dem Geld sei kritisch“, es sei sehr schwer.
Nach Bangladesch könne es nicht zurück, weil man ihn dann finden und töten würde. Die Angreifer, die ihn 2014 attackierten, hätten ihm gesagt, sie würden ihn töten und seine Leiche verschwinden lassen.
Der BF habe weder Kinder noch eine Beziehung.
Er verbringe „den ganzen Tag … zu Hause. Da ich finanzielle Probleme habe, koche ich in der Wohnung für die Mitbewohner, die in der Wohnung leben. Ich reinige ebenso die Wohnung und mache den Einkauf. Wenn ich Zeit finde, verbringe ich die Zeit mit meinen Freunden draußen“.
Er bekomme kein Geld von der Caritas, da er nicht im Lager leben möchte. Er bekäme finanzielle Unterstützung aus Bangladesch (zumindest früher von der Mutter), es würde ihn aber auch ein Onkel aus Großbritannien unterstützen. In der Wohnung zahle er derzeit keine Miete, der Vermieter sei ein bengalischer Freund. Wenn er Geld habe, würde der BF ihm ein wenig davon geben.
Während seiner „Studentenzeit“ in Österreich habe er geringfügig für ein Pizzarestaurant gearbeitet, aber die Polizei habe ihm dann erklärt, dass er dies nicht dürfe.
Der BF habe sein Studium im September 2014 in der XXXX “ begonnen. Er habe zwar Klassentests gemacht, aber keine Klausur. Er habe den Kurs nicht abgeschlossen. Der Kurs im Modul sei englischsprachig gewesen. Er habe zwar, so der BF über entsprechende Nachfrage, in Bangladesch einen Master in Management abgeschlossen und seien dabei auch Lehrfächer in Englisch, Business English, Business Communication, unterrichtet worden, aber seine Lehrerin im Modul habe ihm gesagt, es sei besser, wenn er einen Englischkurs besuchen würde. Er sei für den Englischkurs zwar auf die XXXX gegangen, aber er legte dort keine Prüfung ab. In Folge des nicht vorhandenen schulischen Erfolges im XXXX wurde letztlich – mit rechtskräftigem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 17.03.2017 - der Aufenthaltstitel für den Zweck „Schüler“ nicht (weiter) erteilt.
Der BF beantragte daraufhin Asyl.
Es sei für ihn die einzige Möglichkeit gewesen in Österreich zu bleiben, denn sein Leben sei in Bangladesch gefährdet gewesen. Er hätte nicht zurückkehren können.
Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF – zusammengefasst - an:
Schon sein Großvater und sein Vater seien bei der Polizei gewesen. Der BF wollte nach Abschluss seines Masterstudiums ebenfalls zur Polizei gehen, wurde jedoch nicht aufgenommen, weil der bei der politischen Partei „BNP“ gewesen sei. Er habe im XXXX die Tests für die Polizei abgelegt.
Der BF habe 2011 für sechs Monate in einem Restaurant gearbeitet, danach war er arbeitslos.
Er habe, während er XXXX auf das Ergebnis seiner Bewerbung wartete, einen Polizisten kennengelernt, der ihm empfohlen habe als „Informationsquelle“ der Polizei zur Verfügung zu stehen.
Der BF habe sodann die Polizei als „Informationsquelle“ unterstützt und habe der BF „viele Terroristen und Täter“ der Polizei verraten. Dies sei allerdings „keine offizielle Arbeit“ oder „keine offizielle Beschäftigung von der Polizei“ gewesen. Manchmal habe er Geld dafür bekommen, es sei „wie ein Taschengeld“ gewesen.
Gefragt, wann der BF diese „Informationstätigkeit“ durchführte, gab der BF an, dass er dies von „Ende 2012“ für „ca. ein Jahr“ lang ausgeübt habe.
Von seiner Tätigkeit erfuhren „alle genannten Täter“ und „alle kleinen Kriminellen“. Der BF habe auch „politische Anhänger, die kriminelle Tätigkeiten ausübten“ verraten, unabhängig davon, ob sie Mitglieder der BNP oder anderer Parteien, selbst der regierenden Awami League, waren.
Zwar hätten „die Täter“ erfahren, dass der BF ein Spitzel sei, aber die anderen wussten es nicht. Seine Familie habe es gewusst.
2014 sei ein Anschlag auf den BF verübt worden. Er habe einige der maskierten Angreifer erkannt. Sie seien fast täglich nächtens zu seinem Haus gekommen, um ihn zu suchen. Er habe sodann im Nachbardorf einen Eintrag ins Polizeiprotokoll veranlasst. Die Polizei habe ihn auch unterstützt nach dem Anschlag, die Polizei sei zu ihm nach Hause gekommen und es fanden Ermittlungen statt.
Das Problem sei, dass die Polizei ihn nicht 24 Stunden lang beschützen könne. Da er gesehen habe, dass „die Täter“ viele solche Personen ermordet hätten, habe er Angst um sein Leben. Nachgefragt, ob es ihm in Kenntnis des Polizeiberufes durch seinen Vater und den Großvater bewusst gewesen sein müsse, welche Form von Schutz die Polizei für Spitzel leisten könne, meinte der BF lediglich, dass er es anfangs seiner Familie nicht erzählt habe.
Er habe 2014 den Entschluss gefasst nach Österreich zu kommen. Die „Prozedur“ habe im Mai für den Kurs im September begonnen.
Gefragt, ob der BF um das Visum angesucht habe, weil er aus Bangladesch fliehen wollte oder um den Kurs zu besuchen antwortete der BF: „Ich habe Bangladesch deshalb verlassen, weil ….(Pause) ….der Kurs war ja nur eine Option, damit ich hierherkommen kann“.
Im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Länderbericht und der aktuellen Corona-Pandemie am Ende der Verhandlung schilderte der BF seine diesbezüglichen Erlebnisse. Seinen beiden Mitbewohner seien infiziert gewesen, der ältere würde sich noch immer in Spitalsbehandlung befinden. Er selber sei negativ getestet worden, war dennoch in Quarantäne und sei gesund.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in der Erstbefragung AS 23 sowie in der Einvernahme vor dem BFA AS 87 f.). Seine Identität steht fest (AS 37).
Der BF ist im Ort XXXX geboren und aufgewachsen und hat zuletzt dort gewohnt (AS 23; AS 88). Er hat in seinem Heimatland für acht Jahre die Schule besucht und in Bangladesch Management studiert.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder (AS 23, 88). In Bangladesch halten sich sein Vater und zwei Schwestern des BF auf. Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht täglicher Kontakt.
Der BF ist im September 2014 legal in das Bundesgebiet eingereist Zunächst hatte er eine Aufenthaltsbewilligung mit dem Zweck „Schüler“ (AS 11). Als sein Verlängerungsantrag mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 17.03.2017, XXXX rechtskräftig abgewiesen wurde, stellte er am 03.05.2017 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist nicht in die staatliche Grundversorgung einbezogen. Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach, ist in keinen Vereinen oder sonstigen Organisationen tätig (AS 89 f.). Er engagierte sich während seines bisherigen Aufenthaltes nicht ehrenamtlich.
Der BF verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Der BF hat kein Deutschzertifikat. Der BF hat aus finanziellen Gründen seit 2017 keinen Deutschkurs besucht, möchte jedoch nunmehr Ende 2020 einen Deutschkurs beginnen. Eine Änderung der finanziellen Situation ist nicht eingetreten.
Er ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF ist gesund. Er nimmt keine Medikamente.
I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Der BF hat den Kurs in der „ XXXX “ lediglich „als Option“ gewählt, um als Arbeitsloser von Bangladesch nach Österreich zu gelangen. Seine geringen sprachlichen Englisch- und Deutschkenntnisse ließen ihn im „ XXXX “ scheitern, relevante Prüfungen abzulegen. Sein daraufhin eingebrachter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht berechtigt.
Nicht festgestellt werden kann eine konkrete Verfolgung des BF in Bangladesch.
Der BF war, wie er selbst aussagte, nicht im Dienst oder im Sold der Polizei als Polizeispitzel. Der BF gab an, dass er „Täter“ und „kleine Kriminelle“ der Polizei mitgeteilt habe, manchmal habe er dafür ein „Taschengeld“ erhalten.
Der BF war kein Mitglied der BNP.
Der BF wurde nach einem behaupteten Anschlag 2014 angeblich auch von der Polizei unterstützt, es wurden Ermittlungen durchgeführt; eine Verfolgung staatlicher Organe liegt nicht vor.
Der BF wird weder von Behörden noch von Privatpersonen systematisch gesucht und er kann im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch allfälligen Behelligungen durch ein Ausweichen innerhalb seines Herkunftslandes ausweichen.
Der BF hatte keine Probleme bei der legalen Ausreise aus dem Heimatland.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Politische Lage:
Letzte Änderung: 19.8.2020
Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh/Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 8.2019) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).
Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019).
Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 8.2019; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der AL Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde sie für ihre vierte Amtszeit – die dritte Amtszeit in Folge – als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).
Wahlen und Willensbildungsprozess:
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).
Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei wies die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nannte die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).
Quellen:
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? WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020
Sicherheitslage:
Letzte Änderung: 19.8.2020
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch der mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).
Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 27.7.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 21.6.2020). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah auf religiös motivierte Vorfälle (AA 21.6.2020).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019).
Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).
Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2018 waren es 135 solcher Vorfälle und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 15.8.2020 wurden im Jahr 2020 58 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 17.8.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 5.8.2020
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020
? AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020
? ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019
? AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020
? BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (27.7.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 5.8.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020
? SATP – South Asia Terrorism Portal (17.8.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 17.5.2020
? TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020
? UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020
? UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
Sicherheitsbehörden:
Letzte Änderung: 19.8.2020
Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat, die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).
Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 21.6.2020). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).
Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).
Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, sodass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 21.6.2020).
Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).
Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 21.6.2020). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 8.2019). Die Regierung streitet weiterhin das Verschwindenlassen von Personen, Folter und andere Verstöße durch Sicherheitskräfte, sowie außergerichtliche Tötungen, etwa durch Angehörige des RAB ab. Die Sicherheitskräfte versuchen seit langem, unrechtmäßige Tötungen zu vertuschen, indem sie behaupteten, dass es bei einem Schusswechsel oder im Kreuzfeuer zu Todesfällen gekommen ist. Hunderte Menschen wurden angeblich in solchen „Kreuzfeuer“ getötet (HRW 14.1.2020).
Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 8.2019).
Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry [Innenministrium], wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 8.2019).
Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches „Platoon“ à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 8.2019).
Special Branch of Police (SB): Sie ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 21.6.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
Korruption:
Letzte Änderung: 19.8.2020
Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. LIFOS 25.2.2019, ODHIKAR 8.2.2020). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2019 den 146. Platz unter 180 Staaten (TI 23.1.2020). Das bedeutet eine Verbesserung gegenüber 2018 (149. Platz unter 180 untersuchten Staaten) um drei Positionen (Vergleich zum Jahr 2017: 143/180) (TI 29.1.2019).
Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 8.2019).
Das Strafgesetzbuch von 1860 verbietet es Beamten, Bestechungsgelder anzunehmen [Absatz 161, 165] oder Beihilfe zur Bestechung zu leisten [Absatz 165 A] (TI 1.2019). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden, die Polizei sowie die Rechtspflege genannt. NGOs und Militär genießen den besten Ruf (AA 21.6.2020).
Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als „eher zahnloser Papiertiger“ sowie „reines Aushängeschild“ beurteilt (ÖB 8.2019). Die Antikorruptionsbehörde (ACC) darf der Korruption verdächtigte Beamte nur mit Erlaubnis der Regierung anklagen. Faktisch ist die „Anti Corruption Commission“ machtlos (AA 21.6.2020; vgl. ODHIKAR 2.8.2020). Die Regierung nutzt die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung, beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 2020).
Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weitverbreiteten Polizeikorruption (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? LIFOS – Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (25.2.2019): Bangladesh falska handlingar, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458189/1226_1551169348_190225550.pdf, Zugriff 5.3.2019
? ODHIKAR (8.2.2020): Annual Human Rights Report 2019; Bangladesh, 8. Februar 2020, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2019_eng.pdf, Zugriff 3.4.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
? TI – Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019, https://www.transparency.org/files/content/pages/2019_CPI_Report_EN.pdf, Zugriff 6.4.2020
? TI – Transparency International (1.2019): Korruptionsvermeidung in der Bekleidungsindustrie: Szenarien aus Bangladesch, https://www.transparency.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/2019/Broschuere_Undress_Corruption_Fassung_2019.pdf, Zugriff 6.4.2020
? TI – Transparency International (29.1.2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, https://www.transparency.org/files/content/pages/2018_CPI_Methodology.zip, Zugriff 6.3.2019
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
Allgemeine Menschenrechtslage:
Letzte Änderung: 19.8.2020
Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 8.2019; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 8.2019). Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend (AA 21.6.2020).
Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen sowie Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2.000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 8.2019, siehe auch Abschnitt Fehler! Textmarke nicht definiert.).
Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Verleumdungsdelikten juristisch zu verfolgen (USDOS 11.3.2020).
Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 2020). Internationale Organisationen behaupten, dass einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte an der Erleichterung des Handels mit Rohingya-Frauen und -Kindern beteiligt waren. Formen der Unterstützung von Menschenhandel reichen dabei von „Wegschauen“ über Annahme von Bestechungsgeldern für den Zugang der Händler zu Rohingya in den Lagern, bis hin zur direkten Beteiligung am Handel (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020
? EEAS - European External Action Service (1.1.2019): Statement by the Spokesperson on parliamentary elections in Bangladesh, https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/56110/node/56110_es, Zugriff 6.4.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat, Zugriff 24.3.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 1.4.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
? UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN, Zugriff 5.3.2019
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 26.3.2020
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition:
Letzte Änderung: 19.8.2020
Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird von der Verfassung garantiert, von der Regierung für oppositionelle politische Parteien jedoch beschnitten. Proteste und Demonstrationen müssen vorab genehmigt werden. Die Regierung hat das Recht Versammlungen von mehr als vier Personen zu verbieten (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 21.6.2020, AI 30.1.2020).
Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 wurden vermehrt unter dem Vorwand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 144 Strafprozessgesetz Demonstrationen der Opposition durch Aufhebung der Versammlungsfreiheit verboten. Die Regierung beendete in der Vergangenheit verbotene Versammlungen auch gewaltsam (AA 21.6.2020). Bei politischen Versammlungen oder Demonstrationen kann es zu gewalttätigen Übergriffen seitens rivalisierender Parteiaktivisten oder der Sicherheitskräfte kommen (ÖB 8.2019). Im Jahr 2018 wurden mehrere Versammlungen von verschiedenen politischen Parteien verboten und angegriffen (ODHIKAR 8.8.2019). Durch Verhaftungen von Parteiaktivisten versucht die Regierung Kundgebungen zu verhindern. Oft werden Demonstranten bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften verletzt, gelegentlich sogar getötet (FH 2020).
Die Gründung von Gewerkschaften wurde aufgrund einer Gesetzesreform 2015 erleichtert, jedoch sehen sich Gewerkschaftsführer Entlassungen und körperlicher Einschüchterung ausgesetzt. Ebenso sehen sich Arbeitsrechtsorganisationen, wie das „Bangladesh Center for Workers’ Solidarity“, Belästigung ausgesetzt. Beschwerden wegen unsicherer Arbeitsbeding