Entscheidungsdatum
09.12.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W102 2001898-2/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 31.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.11.2020 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkt I. und III. bis VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
II. In Erledigung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und VII. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 07.05.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung von XXXX als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 27.12.2012 stellte der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 13.12.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten abwies und den Beschwerdeführer nach Afghanistan auswies. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 27.03.2015 hinsichtlich Spruchpunkt I. (Asyl) ab, hob den Bescheid vom 13.12.2013 hinsichtlich der Spruchpunkt II. (Subsidiärer Schutz) und III. (Ausweisung) auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück. Mit Bescheid vom 10.07.2015 (in der Folge: „Zuerkennungsbescheid“) erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine bis zum 10.07.2016 befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005. Begründend wird ausgeführt, in Afghanistan sei existenzbedrohende Armut vorhanden, der Beschwerdeführer habe keinen sozialen Rückhalt, einen geringen sozialen und wirtschaftlichen Status und könnten seine Grundrechte nicht ausreichend geschützt werden.
Mit Bescheid vom 08.07.2016 wurde dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag hin eine bis zum 10.07.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (in der Folge: „Verlängerungsbescheid“) erteilt. Begründend führte die Behörde aus, die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung würden vorliegen, da dem Antrag vollinhaltlich stattgegeben worden sei, könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG eine nähere Begründung entfallen.
Am 03.04.2017 langte ein Schreiben der Staatsanwaltschaft XXXX ein, aus dem hervorgeht, dass ein wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 2 SMG gegen den Beschwerdeführer geführtes Ermittlungsverfahren gemäß § 35 Abs. 9 SMG vorläufig eingestellt worden sei.
Am 07.05.2018 beantragte der Beschwerdeführer erneut die „Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG“.
Mit Schreiben vom 19.06.2018 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, es bestehe die Absicht, ihm den mit Bescheid vom 10.07.2015 zuerkannten Status eines subsidiär Schutzberechtigten „gemäß § 9 Abs. 3 AsylG idgF“ abzuerkennen, die damaligen Gründe zur Gewährung würden nicht mehr vorliegen. Hierzu wurde ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt und er zudem aufgefordert, Dokumente vorzuweisen, die für einen Verbleib in Österreich sprechen würde.
Am 05.07.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, in der ausgeführt wird, die Voraussetzungen für die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß. § 9 Abs. 3 AsylG 2005 würden nicht vorliegen, die Staatsanwaltschaft sei gemäß § 35 Abs. 9 SMG vorgegangen und vorläufig von der Strafverfolgung zurückgetreten. Es liege somit keine rechtskräftige Verurteilung gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 vor. Darüber hinaus bestünden keine Änderungen der Voraussetzungen.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31.07.2018 (in der Folge: „Aberkennungsbescheid“), zugestellt am 03.08.2018, erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer – nach niederschriftlicher Einvernahme am 19.07.2018 – den mit Bescheid vom 10.07.2015 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), entzog dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 die mit Bescheid vom 27.03.2015 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.) und der Antrag vom 07.05.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt VII.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Lage im Heimatstaat habe sich maßgeblich gebessert, der Beschwerdeführer sei nicht vulnerabel. Dem Beschwerdeführer sei eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zumutbar. Die Situation in Afghanistan in Verbindung mit den persönlichen Umständen habe sich grundlegend geändert, die Gründe für die seinerzeitige Erteilung würden nicht mehr vorliegen.
3. Gegen den oben dargestellten Aberkennungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2018 richtet sich die am 28.08.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die belangte Behörde habe nicht dargelegt, inwiefern sich die Lage in Afghanistan sowie die persönliche Situation maßgeblich geändert habe. Die individuelle Situation habe sich nicht wesentlich verändert, eine dauerhafte und nachhaltige Änderung (Verbesserung) der Lage in der ursprünglichen Heimatprovinz bzw. an einem Ort einer in Betracht kommenden innerstaatlichen Fluchtalternative sei nicht erkennbar.
Mit Ladung vom 05.11.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Am 19.11.2020 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, weder den Länderberichten noch der Judikatur lasse sich eine Verbesserung der Situation für afghanische Staatsangehörige, welche ihr Leben im Ausland verbracht hätten, entnehmen, die Versorgungslage sei prekär und habe sich durch die aktuelle COVID-19-Pandemie weiter verschärft.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 23.11.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Lebensverhältnissen befragt.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? AMS-Betreuungsvereinbarung
? Kursbestätigung für Alpha+ (AMS-Maßnahme)
? Zertifikat „Deutsch Alphabetisierung“
? Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse
? Verständigung vom vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung gemäß § 35 Abs. 9 SMG
? Bestätigungen über GVS-Leistungsbezug
? Polizeiliche Sicherstellungsprotokolle
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in der Provinz Ghazni, Distrikt Jaghuri geboren und reiste im Alter von etwa zwei bis drei Jahren mit seinen Eltern von Afghanistan nach Pakistan aus. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitete als Schuster.
Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht und seinem Vater bereits im Kindesalter bei der Arbeit geholfen. Außerdem arbeitete der Beschwerdeführer in Pakistan wiederholt in Steinbrüchen.
2005 bis 2007 und 2008 bis 2010 war der Beschwerdeführer im Iran aufhältig, um zu arbeiten. Dort arbeitete der Beschwerdeführer in der Montage von Gasrohren.
2010 reiste der Beschwerdeführer nach Griechenland aus, wo er bis 2012 als Feldarbeiter tätig war. 2012 reiste der Beschwerdeführer nach Österreich weiter.
Mit Zuerkennungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2015 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 10.07.2016 erteilt. Mit Verlängerungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.07.2016 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 10.07.2018 erteilt.
In Österreich hat der Beschwerdeführer Deutsch- und Alphabetisierungskurse besucht. Er bezieht Grundversorgung und ist geringfügig erwerbstätig.
Der Vater des Beschwerdeführers ist zwischenzeitig verstorben, seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder leben in Pakistan. Kontakt besteht.
1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen.
Die Provinz Ghazni gehört zu den volatilen Provinzen des Herkunftsstaates und zählte im Jahr 2019 sowie in der ersten Jahreshälfte 2020 zu den aktivsten Konfliktgebieten Afghanistans. Für das Jahr 2019 sind 673 zivile Opfer dokumentiert, dies entspricht einer Steigerung von 3 % gegenüber 2018. Zwischen 01.03.2019 und 30.06.2020 sind 1 291 Sicherheitsvorfälle in der Provinz Ghazni verzeichnet. Die Taliban betreiben Checkpoints entlang der Hauptstraßen. Im November 2018 wurde unter anderem der Distrikt Jaghori im Zuge einer Großoffensive der Taliban angegriffen, bis Ende November konnten die Taliban wieder vertrieben werden.
Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Zuletzt ist die Kriminalitätsrate angestiegen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Gezielte Tötungen insbesondere durch Erschießung vom Motorrad aus sowie durch unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen haben zugenommen. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.
In Balkh hat sich die Sicherheitslage – nachdem die Provinz lange zu den relativ ruhigen Provinzen gezählt wurde – verschlechtert. In Mazar-e-Sharif ist es zu einem Anstieg krimineller Aktivitäten wie Raub, Mord, Entführung etc. gekommen. Im Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer gezählt, dies bedeutete einen Rückgang um 68 % im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2018 ist die Anzahl ziviler Opfer in Balkh im Vergleich zu 2017 um 76 % auf 227 angestiegen, im Jahr 2019 im Vergleich zu 2018 um 22 % auf 277. Hauptursachen sind Bodenkämpfe, Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielte Tötungen. Insbesondere sind die Todesfälle infolge von Bodenoffensiven um 296 % angestiegen. UNOCHA stuft Mazar-e-Sharif hinsichtlich der Schwere des Konfliktes in der zweithöchsten Kategorie ein.
Hinsichtlich der Provinz Herat kam es zuletzt zu einer Steigerung der zivilen Opfer um 54 % im Vergleich der Jahre 2018 und 2019. Hauptursache dafür waren improvisierte Sprengkörper, Bodenkämpfe und gezielte Tötungen. Hinsichtlich Herat (Stadt) kam es zuletzt zu einem Anstieg der Kriminalität, Raubüberfälle nahmen zu, Entführungen finden statt. Im Vergleich der Jahre 2017 und 2018 sank die Zahl ziviler Opfer dagegen um 48 %.
Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt, die Wirtschaft stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig und stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor, der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht. Lebensgrundlage von 80 % der Bevölkerung ist die Landwirtschaft.
Die afghanische Wirtschaft wurde hart von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie getroffen. Als Folge sind die Preise von Grundnahrungsmitteln stark gestiegen. Aufgrund der Maßnahmen gibt es weniger Gelegenheitsarbeit. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, was etwa zu einer Verschärfung von Armut, einem Rückgang der Staatseinnahmen und einer geringeren Nachfrage nach Arbeitskräften führt.
Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung im Sinne von Ausgangsbeschränkungen, Beschränkungen des wirtschaftlichen Lebens oder der Bewegungsfreiheit sind aktuell nicht in Kraft.
Afghanistan ist von der COVID-19-Pandemie betroffen, dies gilt auch für Balkh. Das afghanische Gesundheitssystem ist mangelhaft, der überwiegende Anteil der Bevölkerung hat jedoch Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung. Die medizinische Versorgung ist in großen Städten und auf Provinzebene sichergestellt. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildetem Personal, mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. In Distrikten mit guter Sicherheitslage werden in der Regel mehr und bessere Leistungen angeboten. Die Behandlungskosten sind hoch. Bedingt durch die begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und die begrenztenTestkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan unzureichend erfasst. Krankenhäuser und Kliniken haben Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu Identität, Herkunftsort, Staatsangehörigkeit, Lebenswandel und Lebensverhältnissen im Herkunftsstaat, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden Angaben im gesamten Verfahren, die auch die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht ihren Entscheidungen zugrunde legte. Hinweise darauf, dass diese nicht zutreffen würden, sind auch im gegenständlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.
Zum Gesundheitszustand gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, er sei sehr krank, er habe Zahnschmerzen, Bauchschmerzen und Schmerzen im Bein (OZ 2, S. 2). Hierzu ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt hat, die eine Erkrankung belegen würden. Folglich wurde mangels Anhaltspunkte für eine ernste Erkrankung von relevanter Dauer festgestellt, dass der Beschwerdeführer gesund ist.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
Die Feststellungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG beruht auf den im Akt einliegenden diesbezüglichen Bescheiden.
Die Feststellungen zu den Aktivitäten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruhen auf den hierzu vorgelegten Unterlagen, sowie auf den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.11.2020 (OZ 11, S. 3), die auch mit den bisherigen Angaben des Beschwerdeführers konsistent in Einklang stehen. Zum festgestellten Versterben des Vaters ist zudem anzumerken, dass der Beschwerdeführer bereits in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 30.07.2013 angegeben hat, sein Vater sei alt und schwach (AS 57). Dass Kontakt besteht, hat der Beschwerdeführer ebenso in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.11.2020 bestätigt (OZ 11, S. 3).
2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.07.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) und dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von September 2020 sowie den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), alle vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 05.11.2020 (OZ 8) in das Verfahren eingebracht.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Ghazni beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.10. Ghazni, sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 2.10 Ghazni, S. 130, insbesondere Unterkapitel 2.10.3 Recent security trends and impact on the civilian population, S. 133ff., sowie auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15 (c) QU, Abschnitt Ghazni, S. 96).
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen im Wesentlich auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.1. Kabul, den UNHCR-Richtlinien und dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 2.1 Kabul city, S. 55 ff. So berichten Länderinformationsblatt und UNHCR-Richtlinien von einer Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul sowie von einer Zunahme der zivilen Opfer. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien berichten von negativen Trends hinsichtlich der Sicherheitslage und bestätigen, dass Kabul wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer verzeichnet und diese insbesondere auf Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe regierungsfeindliche Kräfte zurückgehen, die zahlreiche Zivilisten auf ihren täglichen Wegen das Leben kosten. Die Gefahr, Opfer eines solchen Angriffs zu werden, sei bei sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten allgegenwärtig, etwa auf dem Arbeits- oder Schulweg, auf dem Weg zu medizinischen Behandlungen, beim Einkaufen, auf Märkten, in Moscheen oder an anderen Orten, wo viele Menschen zusammentreffen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative, S. 127 f.). Insbesondere ergibt sich aus dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von September 2020 auch keine Trendumkehr in Bezug auf die Sicherheitslage in Kabul.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh und Mazar-e Sharif basieren auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 3.5. Balkh, S. 90 ff., insbesondere Unterkapitel 2.5.3 Recent security trends and impact on the civilian population, S. 92 ff, der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15 (c) QU, Abschnitt Balkh, S. 92-93, sowie dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.5. Balkh und der von der belangten Behörde im Aberkennungsbescheid wiedergegebenen Fassung des Länderinformationsblattes, AS 428-431.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Herat beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.13. Herat, dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 2.13 Herat, S. 148, insbesondere Kapitel 2.13.3 Recent security trends and impact on the civilian population, S. 151 ff., sowie der EASO Country Guidance, EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15 (c) QU, Abschnitt Herat, S. 99-100.
Die Feststellungen zur Wirtschaftslage in Afghanistan beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 20. Grundversorgung und dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020.
Der negative Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die afghanische Wirtschaft geht aus dem Länderinformationsblatt, insbesondere Information vom 21.07.2020 hervor und wird auch vom EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020 – vom Bundesverwaltungsgericht ebenso mit Ladung vom 01.10.2020 (OZ 16) in das Verfahren eingebracht – bestätigt. Dieser berichtet etwa, dass für das Jahr 2020 ein Rückgang des BIP von 5,5 bis 7,4 % erwartet wird (Kapitel 2.1.1 Economic growth, S. 23), von einem Anstieg der Arbeitslosenrate für das Jahr 2020 (Kapitel 2.2.1. Unemployment, S. 28), von insgesamt negativen Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auf Arbeitsmarkt, Geschäftsaktivitäten, Armutsrate, etc. (etwa Kapitel 2.2.2 Employment opportunities and working conditions, S. 29-30; Kapitel 2.3.1. General trends, S. 36), einem verringerten Zugang zu Einkommen für arme städtische Haushalte, insbesondere für Tagelöhner (Kapitel 2.3.2. Urban poverty, S. 37) und einem Anstieg der Lebensmittelpreise (Kapitel 2.4.1. General situation, S. 39).
Im Hinblick auf aktuelle Maßnahmen zu Pandemiebekämpfung geht aus dem Länderinformationsblatt hervor, die „landesweite Abriegelung“ sei zuletzt am 06.06.2020 um drei Monate verlängert worden, ebenso die Schließung der Schulen (Information vom 21.07.2020). Informationen zu einer darüberhinausgehenden Verlängerung waren allerdings nicht auffindbar.
Die Feststelllungen zur COVID-19-Pandemie beruhen auf dem Länderinformationsblatt, insbesondere Information vom 21.07.2020. Die Feststellungen zur Gesundheitsversorgung beruhen ebenso auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Medizinische Versorgung, sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020, Kapitel 2.6 Health care, S. 45 ff.).
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur ersatzlosen Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides (Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten)
Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amtswegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.
§ 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, während § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall jene Konstellationen betrifft, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005 m.w.N.).
Die belangte Behörde stützt sich in Spruchpunkt I. des Aberkennungsbescheides lediglich auf § 9 Abs. 1 AsylG 2005, ohne explizit zu erkennen zu geben, auf welchen konkreten Aberkennungstatbestand sie Bezug nimmt. In der rechtlichen Beurteilung führt die belangte Behörde auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 an und führt zudem aus, dass „die Gründe für die seinerzeitige Erteilung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 AsylG derzeit nicht mehr vorliegen“ (AS 512), woraus klar wird, dass sie sich auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stützt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung nicht geändert hat (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Auch der Verfassungsgerichtshof hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftigen Entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG lediglich in Frage kommt, wenn sie die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).
In seiner Judikatur zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zeichnet der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen das Prüfschema vor, dass zunächst zu ermitteln ist, ob, seit dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilt wurde, neue Umstände hinzugetreten sind. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist eine erneute Gesamtbeurteilung vorzunehmen, bei der alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, auch wenn sie sich vor der letzten Verlängerung ereignet haben (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).
Zur unionsrechtskonformen Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zieht der Verwaltungsgerichtshof das Erforderlichkeitskalkül des Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge Statusrichtlinie) heran (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorrübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Eine solche Änderung der Umstände kann sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat ergeben, aber auch in der persönlichen Situation des Fremden gelegen sein, wobei es regelmäßig nicht auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bringt die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen durch ihre Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, zum Ausdruck, dass sie davon ausgeht, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt, weiterhin jene Umstände gegeben, die für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).
Dem Beschwerdeführer wurde zuletzt mit Verlängerungsbescheid vom 08.07.2016 eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 10.07.2018 erteilt, weswegen gegenständlich Änderungen im Hinblick auf den in diesem Zeitpunkt maßgeblichen Sachverhalt relevant sind.
Im angefochtenen Aberkennungsbescheid führt die belangte Behörde im Hinblick auf die von ihr angenommenen Sachverhaltsänderungen aus, die Lage im Heimatstaat habe sich maßgeblich gebessert, der Beschwerdeführer sei nicht vulnerabel, ihm sei eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zumutbar und habe sich die Situation in Afghanistan in Verbindung mit den persönlichen Umständen grundlegend geändert, die Gründe für die seinerzeitige Erteilung würden nicht mehr vorliegen.
Wie sie zur Annahme einer Sachverhaltsänderung kommt, begründet die Behörde allerdings nicht nachvollziehbar und setzt sich weder mit der tatsächlichen Lage im Herkunftsstaat, noch mit der tatsächlichen persönlichen Situation des Beschwerdeführers auseinander. Auch Feststellungen zur Sicherheitslage in Ghazni, Kabul und Herat fehlen im angefochtenen Aberkennungsbescheid.
Tatsächlich ist jedoch weder im Hinblick auf die Provinz Ghazni, noch in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif eine maßgebliche Sachverhaltsänderung im Sinne einer Verbesserung der Sicherheitslage ersichtlich. So hat sich die Sicherheitslage in Ghazni, Kabul und Balkh bzw. Mazar-e Sharif verschlechtert, während in Herat ein klarer Trend nicht ersichtlich ist. Zudem haben sich die Wirtschafts- und Versorgungslage zuletzt in Folge der COVID-Pandemie verschlechtert. Die von der belangten Behörde konstatierte Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat ist damit nicht ersichtlich.
Im Hinblick auf die persönlichen Umstände ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer weiterhin nicht über sozialen Rückhalt im Herkunftsstaat verfügt und auch sonstige Änderungen in der persönlichen Situation nicht ersichtlich sind.
Mangels hinzutreten neuer Umstände steht sohin einer neuen Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtskraft des Verlängerungsbescheides vom 08.07.2016 entgegen (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Viel mehr ist gegenständlich beinahe offenkundig, dass die Aberkennung durch die belangte Behörde völlig willkürlich erfolgt ist und ausschließlich die Neubeurteilung einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit zum Ziel hatte.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist „die zu entscheidende Angelegenheit“ im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche (Zuletzt VwGH 29.06.2020, Ro 2019/01/0014). Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht nicht auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG beschränkt, sondern hat viel mehr alle Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG aufzugreifen.
Gegenständlich waren jedoch Anhaltspunkte für das Vorliegen eines sonstigen Aberkennungstatbestandes gemäß § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 nicht ersichtlich und ist die belangte Behörde insbesondere darauf hinzuweisen, dass ein gemäß § 35 Abs. 9 SMG vorläufig eingestelltes Strafverfahren sich nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 iVm § 2 Abs. 3 AsylG 2005 erfüllt.
3.2. Zur ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Aberkennungsbescheides
Nachdem dem Beschwerdeführer infolge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides mit gegenständlichem Erkenntnis weiterhin der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, war auch die mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Aberkennungsbescheides nach § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassene Rückkehrentscheidung, sowie die weiteren damit verbundenen Aussprüche (Spruchpunkte III., V. und VI.) ersatzlos zu beheben (Vgl. VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).
3.3. Zur Stattgebung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und VII. des Aberkennungsbescheides (Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005)
Nach § 8 Abs. 4 AsylG ist die gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils zwei weitere Jahre zu verlängern. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts fort, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.
Für die Rechtswirkung eines gemäß § 9 Abs. 4 AsylG erfolgten Ausspruches spielt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rolle, ob er in seiner Formulierung an den dort enthaltenen Gesetzestext angelehnt wird oder sprachlich in der Abweisung des Verlängerungsantrages zum Ausdruck kommt. Die behördliche Anordnung im Fall eines fristgerecht gestellten Verlängerungsantrages zielt darauf ab, das zuvor nach § 8 Abs. 4 erteilte Recht zum Aufenthalt nicht weiter bestehen zu lassen (VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007). Demnach ist in der Abweisung des Verlängerungsantrages nach § 8 Abs. 4 AsylG sowie im Entzug der Aufenthaltsberechtigung nach § 9 Abs. 4 AsylG dieselbe Entscheidung in unterschiedlicher sprachlicher Variation zu erblicken.
Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis das weitere Vorliegen der Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bejaht wurden (siehe oben unter 3.1.), war dem Beschwerdeführer in Stattgebung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und VII. des angefochtenen Bescheides die mit Zuerkennungsbescheid erteilte Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG spruchgemäß um weitere zwei Jahre zu verlängern.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht nur aus Anlass der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltsberechtigung, sondern auch bei der Verlängerung die Gültigkeitsdauer der zu erteilenden Berechtigung ausgehend vom Entscheidungszeitpunkt festzulegen (VwGH 27.12.2019, Ra 2019/18/0281). Beim im Aberkennungsverfahren durch Einzelrichter entscheidenden Bundesverwaltungsgericht ist dies der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung erlassen, das heißt verkündet oder zugestellt wird (VwGH 27.04 2016, Ra 2015/05/0069).
Die befristete Aufenthaltsberechtigung gilt damit zwei Jahre ab Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts an den Beschwerdeführer.
4. Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt in seiner Prüfung hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten der vorliegenden jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Themenkomplex der Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, die unter 3. zitiert wird.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung individuelle Verhältnisse Pandemie Rückkehrentscheidung behoben Sicherheitslage Verlängerung Verschlechterung Versorgungslage wesentliche ÄnderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W102.2001898.2.00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021